L 11 KR 1886/03

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 2719/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 1886/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Vor Durchführung einer Brustverkleinerungsoperation sind sämtliche Behandlungsalternativen durchzuführen. Die chirurgische Behandlung im Bereich der Brust darf stets nur die ultima ratio sein (Anlehnung am BSG U. v. 19.02.2003 - B 1 KR 1/02 R -)
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 31. März 2003 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Übernahme der Kosten für eine Brustverkleinerungsoperation streitig.

Die 1975 geborene Klägerin ist versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten. Sie ist 1,60 m groß und hatte 2001 ein Gewicht von 75 kg, heute 70 kg.

Am 14.12.2001 beantragte die Klägerin die Kostenübernahme für eine beabsichtigte Brustverkleinerungsoperation. Sie legte hierzu Atteste der Dres. von S. und Sch., Plastische und Wiederherstellungschirurgie des Klinikums O., und der Frauenärztin R. E. vor. Nach dem Attest des Klinikums O. wurde bei ihr eine Mammahyperplasie diagnostiziert. Es heißt darin, das Brustgewicht betrage 1300 g auf jeder Seite. Die Klägerin trage BH-Größe 85 E. Es sei davon auszugehen, dass die Resektion ca. 700 g pro Seite betragen werde. Da die Klägerin auch schon über deutliche Haltungsschäden und Rückenschmerzen klage, würden sie - die Ärzte - aufgrund des ausgeprägten Gewichtes und der guten Reduktionsmöglichkeit eine medizinische Indikation für die Mammareduktionsplastik gegeben sehen und der Krankenkasse eine Kostenübernahme empfehlen. Die Frauenärztin E. befundete eine ausgeprägte Mammahyperplasie mit starker Ptose beidseits. Langfristig sei durch das Gewicht der Brust ein HWS/BWS-Syndrom zu erwarten. Die Brustgröße stelle auch ein psychologisches Problem dar. Es bestehe eine medizinische Indikation zur Reduktionsplastik.

Die Beklagte ließ die Klägerin daraufhin durch Dr. W. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MdK) begutachten. Bei der Untersuchung fand sich ein unauffälliger Hautbefund im Bereich der Brust ohne Schnürfurchen durch die BH-Träger und ohne mammäre Venenstauung. Im Bereich der Wirbelsäule zeigte sich ein leichter Flachrücken mit mäßiger Insuffizienz der Interscapularmuskulatur. Die Ärztin vertrat die Auffassung, die richtige BH-Größe sei nach den gemessenen Brustmaßen 85 B. Dies entspreche einem Sollgewicht der Brust von 745 g. Nach Strömbeck und Kühnau sei durch Reduktion des Körpergewichts an die obere Grenze des Idealgewichts (Gewichtsdifferenz 15 kg) ein Reduktionsäquivalent von 300 g pro Mamma zu erreichen, was zu einem erreichbaren Brustgewicht von 445 g führe. Studien, die den Zusammenhang zwischen Brustgewicht und schädigendem Einfluss auf den Haltungs- und Stützapparat wissenschaftlich belegen würden, lägen bisher selbst bei Brustlasten über 1200 g nicht vor. Brustmassen unter 1200 g seien in der aktuellen Literatur durch Studien überhaupt nicht abgebildet. Bezogen auf das Brustgewicht liege eine Krankheit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung nicht vor. Eine Ausschöpfung orthopädisch und physiotherapeutischer Therapiemaßnahmen könne nicht nachvollzogen werden.

Mit Bescheid vom 09.01.2002 lehnte die Beklagte gestützt hierauf die Kostenübernahme ab.

Nach erfolgtem Widerspruch ermittelte die Beklagte erneut und hörte den Arzt Schi. vom MDK. Dieser kam zu dem Ergebnis, anhand der von Dr. W. gemessenen Brustmaße müsste die Klägerin - entnommen aus den Erfahrungen der Miederindustrie - BH-Größe 85 C/D tragen. BH-Größe 85 D entspreche einem Sollgewicht in Gramm pro Seite von 745. Bei Annahme der korrekten BH-Größe 85 C würde das Sollgewicht 610 g betragen. Angaben über das tatsächliche Brustgewicht lägen nicht vor. Eine Leistungsverpflichtung zur Kostenübernahme einer Mamma-Reduktion wegen therapieresistenter WS-Symptomatik bei Adipositas ohne vorherige Reduktion bzw. Normalisierung des Übergewichts (159 cm, 75 kg) und ohne vorherige Ausschöpfung, orthopädisch-physiotherapeutischer Rehabilitationsmöglichkeiten sei unter Berücksichtigung des Maßes des Notwendigen nicht gegeben. Mit Bescheid vom 04.02.2002 lehnte die Beklagte daraufhin erneut die Kostenübernahme ab.

Im Rahmen des dagegen gerichteten Widerspruchs legte die Klägerin ein ärztliches Attest des Dr. K. und einen Arztbrief des Orthopäden Dr. G. vor. Dr. K. führt in dem Attest aus, bei der Klägerin bestünden in den vergangenen Jahren zunehmend Beschwerden im Bereich der HWS sowie der BWS und darüber hinaus immer wiederkehrende Cephalgien im Rahmen einer Cervikobrachialgie. Diese Beschwerden würden in einer Frequenz von ca. sechs- bis achtmal pro Jahr auftreten. Die Klägerin bedürfe aufgrund dieser Beschwerden regelmäßiger Schmerztherapie sowie gelegentlicher physikalischer Maßnahmen. Die Durchführung einer Reduktionsplastik aus medizinischen Gründen werde für dringend notwendig erachtet. Dr. G. diagnostizierte ausweislich seines Arztbriefes ein chronisches HWS-/BWS-Syndrom, HWS-Blockade C4/5 und BWS-Blockade Th 5/6. Die deutliche Mammahyperplasie beidseits sei sicherlich mit ursächlich für die Beschwerdesymptomatik. Die bereits geplante Mamma-Reduktionsplastik sei aus orthopädischer Sicht medizinisch sinnvoll.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22.08.2002 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Bei der beantragten operativen Maßnahme handele es sich um eine kosmetische Korrektur, die nicht zu Lasten der Versichertengemeinschaft durchgeführt werden dürfe.

Deswegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG). Zur Begründung trug sie vor, dass sie krank sei und die beantragte Behandlung benötige.

Das SG zog den in der Verwaltungsakte fehlenden "Einspruch" der Klägerin gegen das MDK-Gutachten von Dr. W. und ein Schreiben der Frauenärztin E. bei. In dem Einspruch weist die Klägerin insbesondere darauf hin, dass ihre bisherige Gewichtsabnahme von 15 kg zu keiner Veränderung ihrer Brust geführt habe. In den vergangenen Jahren habe sie häufig Massagen wegen Verspannungen im Nacken- Rückenbereich bekommen. Auch habe sie wegen der Brüste psychische Probleme. Die Ärztin E. setzte sich vornehmlich mit der nach ihrer Ansicht von Dr. W. fehlerhaft vorgenommenen Berechnung des Brustgewichts auseinander.

Mit Urteil vom 31.03.2003, dem Kläger-Bevollmächtigten zugestellt am 14.05.2003, wies das SG die Klage ab. Die großen Brüste der Klägerin als solche würden noch keinen regelwidrigen Körperzustand darstellen, der eine Heilbehandlung erforderlich machen würde. Brüste derartiger Größe bei Frauen seien noch als Normvariante der menschlichen Physiognomie aufzufassen. Im Übrigen seien die großen Brüste lediglich ein Glied in einer Kette von Gründen, die in ihrer Gesamtheit insbesondere die Cephalgien und Cervikobrachialgien bei der Klägerin bewirken würden. Deshalb sei auch nicht anzunehmen, dass allein die Verkleinerungsoperation der Brüste die Cephalgien und Verspannungen der Halswirbelsäule beseitigen würde. Wichtig sei dabei auch, dass im Bereich der Halswirbelsäule noch keine schwerwiegende Organpathologie festzustellen sei. Darüber hinaus sei eine Brustreduktionsoperation zum derzeitigen Zeitpunkt auch deshalb noch nicht notwendig, weil eine genügend intensive und genügend dauerhafte fachorthopädische Behandlung der Schmerzen bei der Klägerin nicht erfolgt sei. Sollten länger andauernde, intensive und konzentrierte Maßnahmen bei der Klägerin über einen längeren Zeitraum keinen genügenden Erfolg zeitigen, so wäre im Übrigen auch an eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme zu denken. Ehe solche einfacheren und weniger einschneidenden Maßnahmen noch nicht durchgeführt worden seien, könne jedenfalls nach Überzeugung der Kammer eine Brustverkleinerungsoperation noch keine notwendige Behandlungsmaßnahme im Sinne des Gesetzes darstellen. Dabei sei der Gesichtspunkt zu beachten, dass es bei der beantragten operativen Maßnahme um einen Eingriff in ein an und für sich gesundes Körperorgan gehe. Soweit seelische Probleme der Klägerin angesprochen worden seien, die mit auf die zu großen Brüste zurückzuführen seien, sei darauf hinzuweisen, dass eine psychische Störung mit den Mitteln der Psychiatrie und Psychotherapie zu behandeln sei. Dies müsse um so mehr im Falle der Klägerin, bei der bisher offenbar eine konsequente psychotherapeutische oder fachpsychiatrische Behandlung noch überhaupt nicht stattgefunden habe, gelten.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der am 14.05.2003 eingereichten Berufung. Zur Begründung trägt sie vor, bei ihr könne von einer im Normbereich liegenden Variante der Brustgröße nicht mehr ausgegangen werden. Sie habe ihr Gewicht bereits von 90 kg auf 70 kg bei einer Körpergröße von 1,60 m reduziert und habe auch krankengymnastische Behandlungen durchgeführt. Sie leide an einer Krankheit. Ursache dieser Krankheit sei die Größe der Brust. Diese könne durch fachorthopädische Behandlung und Krankengymnastik nicht verändert werden. Der operative Eingriff sei deshalb notwendig.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 31. März 2003 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 4. Februar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. August 2002 zu verurteilen, ihr eine Brustverkleinerungsoperation beidseits zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil für richtig.

Der Senat hat Dr. K., Dr. G. und die Frauenärztin E. als sachverständige Zeugen gehört.

Dr. K. hat mitgeteilt, die Klägerin werde von ihm seit dem Jahr 2000 wegen Rückenschmerzen etwa vier- bis sechsmal pro Jahr behandelt. Sie klage über Schmerzen im Bereich der Brustwirbelsäule ausstrahlend in beide Schulterblätter. Darüber hinaus sei es insbesondere im Jahr 2002 und 2003 zu Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule gekommen. Er habe eine erhebliche Myogelose im Bereich der Brustwirbelsäule teilweise auch im Halswirbelsäulenbereich erhoben. Die Muskulatur in diesem Bereich sei druckschmerzhaft und die Armhebung teilweise schmerzhaft bewegungseingeschränkt gewesen. Die Klägerin sei durch Gabe von Analgetika und teilweise durch die Verordnung von physikalischer Therapie behandelt worden. Ergänzend führte er aus, dass er die Ursache der Beschwerden der Klägerin in erster Linie auf die bestehende Brustvergrößerung zurückführe. Logisch sei, dass auch gewisse Verspannungen und Abnutzungserscheinungen zusätzlich bestehen würden. Physikalische Therapien habe er am 18.01. und 16.09.2002 sowie am 07.04. und 08.07.2003 verordnet.

Dr. G. hat ausgeführt, er habe bei der Klägerin einen paravertebralen muskulären Hartspann HWS/BWS, Reklinationsschmerz HWS, Wirbelblockade C4/5, Th 5/6 und radiologisch eine Streckfehlhaltung der Halswirbelsäule befundet. Augenscheinlich bestehe eine deutliche Mammahypertrophie beidseits. Die Beschwerden der Klägerin seien durchaus auch auf die ausgeprägte Mammahypertrophie beidseits und die damit verbundene statische Belastung zurückzuführen.

Die Ärztin E. hat sich dahingehend geäußert, dass die Klägerin über Rückenschmerzen im oberen BWS- und HWS-Bereich klage. Sie berichte auch über Minderwertigkeitsgefühle und das Gefühl abschätzig beobachtet zu werden. Sie habe eine Makromastie beidseits mit einem diskreten Seitenunterschied zu Gunsten rechts festgestellt. Es bestünden eine ausgeprägte Ptose sowie ausgeprägte Striae, vor allem im Bereich der oberen und seitlichen Brustausläufer beidseits. Darüber hinaus habe sie eine Kyphose der oberen BWS mit reaktiver Lordosierung der HWS und einer Prominenz des 7. HWK sowie einen Schulterschiefstand im Sinne von nach vorne gezogenen Hängeschultern festgestellt. Die Haut der unteren Brustquadranten sei zusätzlich hyperpigmentiert. Die Klägerin trage einen Spezialbüstenhalter der Größe 85 E - F mit extra breiten Trägern.

Die Beklagte hat sich unter Berücksichtigung dieser Auskünfte dahingehend geäußert, dass von einem Ausschöpfen des Therapierahmens nicht gesprochen werden könne. Darüber hinaus stehe auch nicht fest, dass allein die von der Klägerin behauptete Mammahypertrophie Ursache der geklagten Beschwerden sei.

Im Auftrag des Senats hat daraufhin der Orthopäde Dr. F., Bundeswehrkrankenhaus U., ein fachorthopädisches Gutachten erstattet. Dr. F. hat bei der Klägerin ein chronisch rezidivierendes HWS-BWS-Syndrom mit stellenweiser pseudo-radikulärer Ausstrahlung, ausgeprägte Muskelverspannungen und -verhärtungen im Bereich der Schultergürtelmuskulatur beidseits und beider Schulterblätter, eine Fixierung der Schulterblattgleitebene beidseits und eine Fixierung des Übergangs der HWS zur BWS und der BWS zur LWS diagnostiziert. Ursache für die Beschwerden der Klägerin sei die deutliche Brusthypertrophie. Bei den bestehenden Gesundheitsstörungen der Klägerin handele es sich um statisch bedingte Beschwerden, die eine muskuläre Dysbalance im Bereich vor allem der gesamten BWS und der unteren HWS hervorgerufen hätten. Hierfür sprächen auch die Fixierung der Schulterblattgleitebene beidseits und die ausgeprägten muskulären Verspannungen der Schultergürtelmuskulatur beidseits mit deutlichen Muskelverhärtungen beidseits. Bei dem Nachvornebeugen der Wirbelsäule komme das vorliegende Brustvolumen im Sinne einer "Vorderlast" massiv zum Tragen. Dies führe, um dem Gewicht zu begegnen zu einer Fixierung bzw. Abriegelung des Übergangs der HWS zur BWS und der BWS zur LWS. Dies wiederum ziehe eine Verspannung der wirbelsäulennahen Muskulatur nach sich. Nachfolgend sei es hierdurch zu einer Verschiebung der Brustkyphose nach kranial und einer Steilstellung der HWS gekommen. Als Ursache der radiologisch dokumentierten Wirbelsäulenfehlhaltung sei die vorliegende ausgeprägte Mammahypertrophie verbunden mit einer deutlich sichtbaren sog. Hängebrust zu sehen. Die Durchführung von Heilmaßnahmen könne wohl eine Linderung der bestehenden Beschwerden herbeiführen. Eine Verbesserung des Gesundheitszustandes durch konservative Therapiemaßnahmen sei allerdings nur kurzfristig bis maximal mittelfristig zu erwarten. Eine psychiatrische psycho-therapeutische Behandlung der Klägerin sei nicht der geeignete Weg diesen Beschwerden zu begegnen. Alternative und vor allem ebenso sinnvolle oder effektive Behandlungsmethoden stünden nicht mehr zur Verfügung. Von der Tendenz her bestehe eine abnehmende Kompensationsmöglichkeit der Wirbelsäulenmuskulatur die durch die Mammahypertrophie und Ptosis ausgelöste betonende Vorderlast entsprechend zu stabilisieren. Daher sei es sinnvoll und notwendig, um einer sich - mit hoher Wahrscheinlichkeit - entwickelnden dauerhaften Schädigung bzw. einer Verschlimmerung der bestehenden Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule vorzubeugen, eine Brustverkleinerung durchzuführen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist jedoch sachlich nicht begründet. Das von der Klägerin angefochtene Urteil ist zu Recht ergangen. Der Bescheid der Beklagten vom 04.02.2002, der den Bescheid vom 09.01.2002 ersetzte, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.08.2002 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine Brustverkleinerungsoperation.

Gemäß § 11 Abs. 1, § 27 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) haben Versicherte wie die Klägerin Anspruch auf Behandlung einer Krankheit. Gemäß § 12 Abs. 1 SGB V muss die Behandlung ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Der Anspruch umfasst u.a. die notwendige ärztliche Behandlung und die Krankenhausbehandlung. Krankheit im Sinne des SGB V ist ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand, der die Notwendigkeit einer ärztlichen Behandlung des Versicherten oder zugleich oder allein Arbeitsunfähigkeit zu Folge hat. Eine Krankheit führt dann zu einer Leistungsverpflichtung der Kasse, wenn Behandlungsbedürftigkeit oder Arbeitsunfähigkeit vorliegt (vgl. Zipperer in Maaßen-Schermer-Wiegand, SGB V Kommentar, RdNr. 12 zu 327 m.w.N.). Hierbei kommt es nicht darauf an, ob die Krankheit im Augenblick behandlungsbedürftig ist. Die Behandlungsbedürftigkeit ist schon dann anzunehmen, wenn der gegenwärtige Zustand zwar noch keine Schmerzen oder Beschwerden bereitet, durch ärztliche Behandlung im Frühstadium jedoch eine wesentliche Besserung oder gar Beseitigung des Leidens und damit eine günstige Wirkung auf die spätere Erwerbsfähigkeit erreicht werden kann (a.a.O. RdNr. 13). Kosmetische Defizite stellen keine Krankheit dar. Regelwidrig ist ein Zustand, der von der Norm vom Leitbild des gesunden Menschen abweicht (a.a.O. RdNr. 14).

Ob bei der Klägerin ein regelwidriger Körperzustand durch die Mammahypertrophie und die ausgeprägte Ptose, auf die sowohl die Frauenärztin E. als auch Dr. F. hingewiesen haben, sowie die Wirbelsäulenbeschwerden zu bejahen ist, ist bereits fraglich. Es ist insoweit richtig, wenn das SG ausführt, dass große Brüste als solche noch keinen regelwidrigen Körperzustand darstellen. Allein auf die Größe der Brust darf im Hinblick auf die Notwendigkeit einer Operation nicht abgestellt werden. Gestützt hierauf würde es sich um eine kosmetische Operation handeln. Ob man von einem regelwidrigen Körperzustand zu sprechen hat, beurteilt sich vielmehr erst in der Zusammenschau von Körpergröße, Gewicht und Größe der Brüste. Aber auch wenn man sich insoweit über etwaige Bedenken hinwegsetzen würde und in der Zusammenschau von einem regelwidrigen Körperzustand ausgehen und man sich darüber hinaus auch den Ausführungen von Dr. F. in seinem Gutachten anschließen würde, wonach das Volumen der Brüste der Klägerin die Beschwerden von Seiten der Wirbelsäule nach sich gezogen hat und für diese kausal ist, würde dies nicht dazu führen, dass die Klägerin einen Anspruch auf die geplante Brustverkleinerungsoperation hätte. Von entscheidender Bedeutung ist insoweit, dass durch die Brustverkleinerungsoperation in ein im Grunde gesundes Organ, nämlich die "große" Brust, eingegriffen wird. Nachdem ein operativer Eingriff stets mit einem erheblichen Risiko durch die Narkose aber auch, zumal es hier entscheidend auf das äußerlich zu Tage tretende Ergebnis der Operation ankommt, durch die Operation selbst verbunden ist, darf eine chirurgische Behandlung im Bereich der Brust stets nur die Ultima ratio sein. Hierauf hat das Bundessozialgericht (BSG) zuletzt im Zusammenhang mit der Applikation eines Magenbandes bei Adipositas hingewiesen (BSG Urteil vom 19.02.2003 - B 1 KR 1/02 R -). Für die hier begehrte Brustverkleinerungsoperation gilt nichts anderes. Vor Durchführung einer Brustverkleinerungsoperation sind sämtliche Behandlungsalternativen durchzuführen. Die Behandlungsmöglichkeiten auf orthopädischen Gebiet sind im Falle der Klägerin nicht erschöpft. Sie hat bisher nur von Zeit zu Zeit krankengymnastische Behandlungen und Massage in Anspruch genommen. Dies hat während der Therapie sowohl nach ihrem eigenen Vortrag als auch nach dem von Dr. F. erstatteten Gutachten zumindest zu einer Linderung der Beschwerden geführt. Eine Linderung der Beschwerden während der Therapie ist ausreichend. Nicht erforderlich ist, dass es durch die Therapie zu einer vollständigen Heilung kommt. Solange während der Therapie, sei es durch laufende Krankengymnastik oder sportliche Betätigungen, die in Eigeninitiative gemacht werden, noch eine Schmerzlinderung eintritt, kann noch keine Brustverkleinerungsoperation beansprucht werden. Vor einer Operation müsste darüber hinaus auch noch ein Versuch mit ambulanter und stationärer Rehabilitation unternommen werden. Dies sind zur Zeit noch die geeigneten Wege, um den Beschwerden der Klägerin zu begegnen. Erst wenn zukünftig ihre Rückenmuskulatur nicht mehr in der Lage sein sollte, die durch die Brustgröße bestehende Fehlhaltung im Bereich der Wirbelsäule zu kompensieren, wird man sich die Frage der Brustverkleinerungsoperation stellen müssen.

Da die Behandlungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft sind, war demzufolge die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Revisionszulassung liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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