L 2 RJ 3114/02

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 6 RJ 4532/01
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 RJ 3114/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Verfassungsmäßigkeit des § 237 Abs 3 SGB VI
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 9. Juli 2002 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt höhere Altersrente wegen Arbeitslosigkeit und macht geltend, die gesetzlichen Regelungen seien verfassungswidrig.

Für den am 1941 geborenen Kläger sind seit April 1958 488 Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung entrichtet worden, darunter 32 von der Bundesanstalt für Arbeit vom 1. Mai 1996 bis 27. Dezember 1998. Anschließend war er ohne Leistungsbezug arbeitslos gemeldet. Der Kläger war langjährig bei der Firma D. E. GmbH beschäftigt. Im Rahmen einer Betriebsvereinbarung über den gleitenden Ruhestand mit Abfindung wurde das unbefristete Arbeitsverhältnis durch einen befristeten Arbeitsvertrag vom 15. August 1994 abgelöst. Der befristete Arbeitsvertrag lief vom 1. Januar 1995 bis 30. April 1996.

Am 15. April 1996 beantragte der Kläger Kontenklärung. Mit Bescheid vom 21. Februar 1997 stellte die Beklagte den Versicherungsverlauf gemäß § 149 Abs. 5 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI - für Zeiten bis zum 31. Dezember 1990 verbindlich fest. Im Rahmen des § 109 SGB VI erteilte die Beklagte Auskünfte über die derzeitige Höhe der Altersrente und Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. U.a. enthielt die Auskunft über die Altersrente auch Hinweise zur stufenweisen Anhebung der Altersgrenzen. Am 4. April 1997 reichte der Kläger Widerspruch u.a. mit der Begründung ein, die Stichtagsregelung bezüglich der stufenweisen Anhebung der Altersgrenze (§ 237 Abs. 3 SGB VI) verstoße gegen den Vertrauensschutz. Mit Widerspruchsbescheid vom 1. April 1998 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die dagegen zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobene Klage (S 15 RJ 1657/98), Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg (L 2 RJ 1954/99) und Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundessozialgericht (BSG, B 13 RJ 3/01 B) blieben ohne Erfolg.

Am 18. Februar 2001 beantragte der Kläger Altersrente wegen Arbeitslosigkeit und Vollendung des 60. Lebensjahres ohne jeglichen Abschlag, da die vorgesehene Kürzung verfassungswidrig sei. Mit Rentenbescheid vom 25. Juli 2001 gewährte die Beklagte Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ab 1. Oktober 2001 in Höhe von 2380,89 DM unter Berücksichtigung von 58,0085 Entgeltpunkten. Für die vorzeitige Inanspruchnahme der Altersrente wurde der Zugangsfaktor von 1,0 um 0,171 (57 Kalendermonate x 0,003) vermindert, so dass die persönlichen Entgeltpunkte 48,0890 (58,0085 x 0,829) betrugen. Durch Bescheide vom 13. August 2001 wurden dem Kläger Zuschüsse zur Pflege und Krankenversicherung gewährt und die Rente mit Bescheid vom 13. August 2001 dahingehend ab 1. Oktober 2001 neu berechnet. Mit Neuberechnung vom 18. Dezember 2001 wurde der Auszahlungsbetrag in EURO ausgewiesen. Am 8. August 2001 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 25. Juli 2001. Der Abschlag von 17,1% sei verfassungswidrig. Nicht klar sei, weshalb in Anlage 4 nunmehr 33 Kalendermonate als nicht belegungsfähig genannt würden. Gegenüber der Auskunft vom 21. Februar 1997 hätten sich auch in Anl. 6 die Entgeltpunkte für beitragsfreie und beitragsgeminderte Zeiten verändert. Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Dezember 2001 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.

Am 20. Dezember 2001 hat der Kläger Klage zum SG erhoben. Mit Urteil vom 9. Juli 2002, zugestellt dem Klägerbevollmächtigten am 12. Juli 2002, hat das SG die Klage abgewiesen.

Am 12. August 2002 hat der Kläger Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, die gesetzlichen Regelungen verstießen gegen die Verfassung. Im Vertrauen auf die damalige gesetzliche Regelung habe er eine nicht mehr rückgängig zu machende Disposition getroffen, die politisch gewünscht gewesen sei. Wenn hier eingegriffen würde, müssten schon ganz besonders wichtige Belange von öffentlichem Interesse vorliegen, was hier nicht der Fall sei. Hinzu komme auch noch die mit Gesetz vom 25. September 1996 eingeführte Regelung des § 74 Satz 2 Nr. 1 SGB VI, wonach Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug nach dem 30. Juni 1978 nicht bewertet werden.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 9. Juli 2002 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung der Bescheide vom 25. Juli 2001 und 13. August 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Dezember 2001 sowie des Bescheides vom 18. Dezember 2001 zu verurteilen, ihm ab 1. Oktober 2001 eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit unter Berücksichtigung eines Zugangsfaktors von 1,0 sowie weiterer 33 Monate Anrechnungszeiten zu zahlen, hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, die Rente nach dem zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vorruhestandsvertrages des Klägers geltenden Gesetz zu berechnen, hilfsweise das Verfahren gemäß Art. 100 Grundgesetz dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erachtet das angefochtene Urteil für rechtmäßig.

Die Beteiligten haben sich im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 23. April 2003 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten und Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Gegenstand des Verfahrens sind auch die Bescheide vom 13. August 2001 (s. § 86 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG-) und 18. Dezember 2001 (s. hierzu Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 7. Auflage, § 96 Rdnr. 2 m.w.N.) Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine höhere Altersrente wegen Arbeitslosigkeit. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig.

Nach der bei Rentenbeginn (1. Oktober 2001) gültigen und anzuwendenden (vgl. § 300 Abs. 1 SGB VI) Fassung des § 237 SGB VI vom 27. Juni 2000, BGBl. I S. 910, haben Versicherte Anspruch auf Altersrente, wenn sie vor dem 1. Januar 1952 geboren sind, das 60. Lebensjahr vollendet haben, entweder bei Beginn der Rente arbeitslos sind und nach Vollendung eines Lebensalters von 58 Jahren und 6 Monaten insgesamt 52 Wochen arbeitslos waren oder Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus bezogen haben oder die Arbeitszeit aufgrund von Altersteilzeitarbeit im Sinn von § 2 und § 3 Abs. 1 Nr. 1 des Altersteilzeitgesetzes für mindestens 24 Kalendermonate vermindert haben, in den letzten zehn Jahren vor Beginn der Rente acht Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben, wobei sich der Zeitraum von zehn Jahren um Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente aus eigener Versicherung, die nicht auch Pflichtbeitragszeiten aufgrund einer versicherten Beschäftigung oder Tätigkeit sind, verlängert, und die Wartezeit von fünfzehn Jahren erfüllt haben (§ 237 Abs. 1 SGB VI). Gemäß § 237 Abs. 3 SGB VI wird die Altersgrenze von 60 Jahren bei Altersrenten wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit für Versicherte, die nach dem 31. Dezember 1936 geboren sind, angehoben, wobei die vorzeitige Inanspruchnahme einer solchen Altersrente möglich ist; die Anhebung der Altersgrenzen und die Möglichkeit der vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrenten bestimmen sich nach Anl. 19 zum SGB VI. Nach § 237 Abs. 4 SGB VI wird die Altersgrenze von 60 Jahren bei der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit für Versicherte, die bis zum 14. Februar 1941 geboren sind und am 14. Februar 1996 arbeitslos waren oder Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus bezogen haben oder deren Arbeitsverhältnis aufgrund einer Kündigung oder Vereinbarung, die vor dem 14. Februar 1996 erfolgt ist, nach dem 13. Februar 1996 beendet worden ist und die daran anschließend arbeitslos geworden sind oder Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus bezogen haben (Ziff. 1), bis zum 14. Februar 1944 geboren sind und aufgrund einer Maßnahme nach Art. 56 § 2 Buchst. b des Vertrages über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, die vor dem 14. Februar 1996 genehmigt worden ist, aus einem Betrieb der Montanindustrie ausgeschieden sind (Ziff. 2) oder vor dem 1. Januar 1942 geboren sind und 45 Jahre mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben, wobei § 55 Abs. 2 nicht für Zeiten anzuwenden ist, in denen Versicherte wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe versicherungspflichtig waren (Ziff. 3), nach einer nachfolgenden Tabelle angehoben. Einer vor dem 14. Februar 1996 abgeschlossenen Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses steht eine vor diesem Tag vereinbarte Befristung des Arbeitsverhältnisses oder Bewilligung einer befristeten arbeitsmarktpolitischen Maßnahme gleich. Ein bestehender Vertrauensschutz wird insbesondere durch die spätere Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses oder den Eintritt in eine neue arbeitsmarktpolitische Maßnahme nicht berührt (Abs. 4 Satz 2). Nach der Anl. 19 zum SGB VI in der Fassung vom 16. Dezember 1997, BGBl. I S. 2998, wird die Altersgrenze bei der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit bei einem - wie der Kläger - im September 1941 geborenen Versicherten um 57 Monate auf das Alter von 64 Jahre und 9 Monate angehoben, wobei eine vorzeitige Inanspruchnahme ab dem 60. Lebensjahr möglich ist. Bei den Versicherten, die die Voraussetzungen des § 237 Abs. 4 SGB VI erfüllen, erfolgt nach der dortigen Tabelle lediglich eine Anhebung um drei Monate. Nach § 63 Abs. 1 SGB VI richtet sich die Höhe einer Rente vor allem nach der Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen, wobei unter Vervielfältigung mit dem Zugangsfaktor (§ 77 SGB VI) persönliche Entgeltpunkte zu ermitteln sind. Gemäß § 77 Abs. 2 Ziff. 2 Buchst. a SGB VI wird der Zugangsfaktor 1,0 um 0,003 für jeden Kalendermonat erniedrigt, für den die Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch genommen wird (s. auch § 63 Abs. 5 SGB VI).

Der Kläger hat hiernach Anspruch auf Altersrente ab Vollendung des 60. Lebensjahres, wobei ein Abschlag von 57 x 0,003 beim Zugangsfaktor vorzunehmen ist. Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen des § 237 Abs. 1 SGB VI, was zwischen den Beteiligten nicht im Streit ist. Die Altersgrenze von 60 Jahren wird für den Kläger nicht lediglich nach § 237 Abs. 4 SGB VI angehoben. Denn - § 237 Abs. 4 Ziff. 2 SGB VI kommt von vornherein nicht in Betracht - der Kläger ist weder bis zum 14. Februar 1941 geboren (§ 237 Abs. 4 Ziff. 1 SGB VI) noch hat er 45 Jahre (540 Monate) mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit aufzuweisen (§ 237 Abs. 4 Ziff. 3 SGB VI). Für ihn wurden lediglich 488 Beiträge abgeführt; hinzu kommt, dass die von der Bundesanstalt für Arbeit entrichteten 32 Beiträge nicht berücksichtigt werden können. Entgegen der Auffassung des Klägers besteht somit eine Vertrauensschutzregelung für langjährige Versicherte, er fällt aber nicht darunter. Die Beklagte hat damit zutreffend gemäß § 237 Abs. 3 SGB VI die Altersgrenze um 57 Monate angehoben und bei vorzeitiger Inanspruchnahme von 57 Monaten den Zugangsfaktor 1 um 0,171 (57 x 0,003) vermindert.

Auch im Übrigen ist die Rentenberechnung nicht rechtswidrig. Die vom Klägerbevollmächtigten geltend gemachten Unterschiede zur Rentenauskunft vom 21. Februar 1997 erklären sich dadurch, dass der Rentenauskunft eine Zurechnungszeit von 19 Monaten zugrunde gelegt wurde, weil sie für eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit erteilt worden ist, und Beiträge der Bundesanstalt für Arbeit nur von Mai bis Dezember 1996 berücksichtigt, der Rentenbescheid jedoch Beiträge von Mai 1996 bis Dezember 1998 sowie Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit von 28. Dezember 1998 bis 30. September 2001. Die Beklagte hat auch die Grund- und Vergleichsbewertung für beitragsfreie (§ 54 Abs. 4 SGB VI) und beitragsgeminderte (vgl. § 54 Abs. 3 SGB VI) Zeiten richtig vorgenommen. Insbesondere verkennt der Klägerbevollmächtigte, dass es nicht um die Anerkennung von 33 Monaten - bereits anerkannter - Anrechnungszeiten geht, sondern lediglich um die Ermittlung der belegungsfähigen Kalendermonate im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung. Im Übrigen kann der Kläger aus der Rentenauskunft keine Rechte herleiten, da sie gemäß § 109 Abs. 4 Satz 2 SGB VI unverbindlich ist. Über die Anrechnung und Bewertung von rentenrechtlichen Zeiten wird erst bei der Feststellung einer Leistung entschieden (s. auch § 149 Abs. 5 Satz 3 SGB VI). Gemäß § 74 Satz 3 Nr. 1 SGB VI in der Fassung vom 16. Dezember 1997 werden Kalendermonate, die nur deshalb Anrechnungszeiten sind, weil Arbeitslosigkeit nach dem 30. Juni 1978 vorgelegen hat, für die nicht Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe gezahlt worden ist, nicht bewertet (s. hierzu den Hinweis in der Anlage 4 S. 2 des Rentenbescheides). In den Genuss der Übergangsvorschrift des § 263 Abs. 2a Satz 4 SGB VI in der Fassung vom 16. Dezember 1997 gelangt der Kläger nicht, da seine Rente nicht vor dem Jahre 2001 beginnt (s. Polster in Kasseler Kommentar § 263 SGB VI Rdnr. 8e). Nach alledem steht dem Kläger nach geltendem Recht keine höhere Altersrente wegen Arbeitslosigkeit zu. Der 1. Hilfsantrag ist unbegründet, da gemäß § 300 Abs. 1 SGB VI nicht das Recht zum Zeitpunkt des Vorruhestandsvertrags anzuwenden ist (s.o.).

Das Verfahren war auch nicht gemäß Art. 100 Abs. 1 Grundgesetz (GG) auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht (BverfG) vorzulegen, da der Senat nicht von der Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelungen überzeugt ist, so dass auch der 2. Hilfsantrag unbegründet ist. Die angefochtenen Bescheide verletzten weder die Eigentumsgarantie noch das durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG und dem Rechtsstaatsprinzip garantierte Teilhaberecht (so auch Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt, Urteile vom 16. Januar 2003, L 3 RJ 70/01 und L 3 RJ 68/01 sowie Urteil vom 26. September 2002, L 3 RJ 23/01; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21. Januar 2003, L 18 KN 118/02, Urteil vom 25. Oktober 2002, L 4 RA 103/01; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 27. Juni 2002, L 1 RA 239/01). Art. 14 GG ist nicht verletzt, weil die stufenweise Anhebung der Altersgrenze und die für den Fall einer vorzeitigen Inanspruchnahme vorgesehene Rentenminderung in zulässiger Weise in eine unter den Schutz des Eigentums gestellte Disposition eingreift. Bereits § 41 Abs. 1 SGB VI in der Fassung des Rentenreformgesetzes 1992 vom 18. Dezember 1989 hatte die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit für im September 1941 geborene Versicherte um 3 Monate angehoben. Durch Gesetz vom 23. Juli 1996 erfolgte eine Anhebung um 36 Monate (s. § 41 Abs. 1a, vgl. auch § 237 Abs. 2 SGB VI als Übergangsregelung), durch Gesetz vom 25. September 1996 wurde eine Anhebung der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit um 57 Monate vorgeschrieben (s. § 41 Abs. 1 SGB VI unter Bezugnahme auf die Anl. 19). Diese Rechtsänderungen sind dem Kläger zumutbar. Sie bezwecken im Interesse der Allgemeinheit die Funktions- und Leistungsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung. Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG darf der Gesetzgeber Inhalt und Schranken des Eigentums näher bestimmen und eingrenzen, soweit Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dies rechtfertigen (vgl. nur BVerfGE 72, 9, 23). Eine solche Inhalts- und Schrankenbestimmung hat der Gesetzgeber vorliegend vorgenommen. Der Eigentumsschutz bewirkt grundsätzlich keinen Schutz gegen Gesetzesänderungen, vielmehr müssen solche ausdrücklich möglich bleiben, um notwendige Anpassungen an etwaige Änderungen der vom Gesetz betroffenen Regelungsmaterie vornehmen zu können (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 1999, B 4 RA 18/99 R, SozSich 2000, S. 289, 293 m.N. zur Rechtsprechung des BVerfG). Der Kläger konnte insbesondere bei Aufhebung des unbefristeten Arbeitsverhältnisses am 15. August 1994, als er 52 Jahre alt war, nicht davon ausgehen, dass die Regelungen über die vorzeitige Altersrente wegen Arbeitslosigkeit bis zu seinem 60. Lebensjahr unverändert fortbestehen. Gerade bei vorzeitigen Altersrenten muss dem Gesetzgeber ein größerer Handlungsspielraum eingeräumt werden als bei der Regelaltersrente. Die gesetzgeberische Maßnahme war auch geeignet und erforderlich. Spätestens Anfang der Neunziger Jahre war die ökonomische und demoskopische Entwicklung in Deutschland dergestalt ungünstig verlaufen, dass die Ausgaben der deutschen Rentenversicherer stiegen und die Beitragseinnahmen gleichzeitig sanken. Einen erheblichen Anteil an dieser Entwicklung hatten gerade auch die Altersrenten wegen Arbeitslosigkeit. Hatte der Anteil der Altersrenten wegen Arbeitslosigkeit am Gesamt-Rentenzugang 1980 noch ca. 8% betragen, war er bis 1994 auf ca. 21% angestiegen. Da mit diesen deutlich gestiegenen frühzeitigen Rentenzugängen gleichzeitig entsprechende Beitragsausfälle zu verzeichnen waren, betrug die zusätzliche Belastung der Rentenversicherungsträger allein im Kalenderjahr 1995 ca. 15 Milliarden DM (vgl. Binne, Verfassungsrechtliche Anmerkungen zur vorgesehenen Korrektur der Frühverrentungspraxis, Deutsche Rentenversicherung 1996, S. 145, 147). Nach der Gesetzesbegründung sollten daher mit dem Vorziehen der Altersgrenzenanhebung Einsparungen in Höhe von ca. 17 Milliarden DM bis 2003 erzielt werden (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen a.a.O. unter Hinweis auf BT-Drucks. 13/4336, S. 3), weshalb die Maßnahme geeignet war, den finanziellen Verlust der Rentenversicherung zu mildern (vgl. Binne, a.a.O., S. 148). Die gesetzlichen Regelungen waren für den Kläger auch angemessen und zumutbar. Zwar wurde gegenüber der vorherigen Rechtslage eine weitere Anhebung von 54 Monaten vorgenommen, die dadurch verursachte Minderung ist allerdings durch ein hohes Gemeinschaftsgut gerechtfertigt und auch von ausreichenden Übergangsvorschriften (§ 237 Abs. 4 SGB VI) und einer Ausgleichsmöglichkeit (§ 187a SGB VI) begleitet. Als Übergangsvorschrift hat § 237 Abs. 4 Ziff. 1 SGB VI rentennahe Jahrgänge ausgenommen. Die Vorschrift erstreckt sich auf Versicherte, die bis zum 14. Februar 1941 geboren, also zum Zeitpunkt des Kabinettsbeschlusses - am 14. Februar 1996 hat die Bundesregierung das in der sogenannten Kanzlerrunde unter Beteiligung der Sozialpartner vereinbarte Eckpunktepapier gebilligt - 55 Jahre oder älter waren. Die Erstreckung der Übergangsvorschrift auf den Kläger ist auch nicht über Art. 3 GG geboten. Der Gesetzgeber kann in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise sachlich gerechtfertigte Stichtage wählen. Das 55. Lebensjahr ist ein solcher sachlicher Ansatzpunkt (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 1999, B 4 RA 11/99 R). Zudem wurden gemäß § 237 Abs. 4 Ziff. 3 SGB VI langjährige Versicherte - worunter der Kläger nicht fällt (s.o.) - privilegiert. Strengere Anforderungen an die Zulässigkeit einer Gesetzesänderung ergeben sich vorliegend auch nicht daraus, dass eine Übergangsregelung neu gestaltet worden wäre (vgl. hierzu BVerfG NJW 2000, 2730, 2733). Denn bereits das Rentenreformgesetz 1992 hatte in § 41 Abs. 1 SGB VI eine erste Anhebung der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit angeordnet, ohne dass § 41 Abs. 1 SGB VI als Übergangsvorschrift zu qualifizieren ist (vgl. hierzu LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 27. Juni 2002, L 1 RA 239/01; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 5. März 2003, L 13 RA 2511/02 zur Altersrente für langjährige Versicherte; a.A. Löns, NZS 1998, 461). Der Gesetzgeber hat auch keine echte Rückwirkung verfügt, da nicht bereits in abgewickelte, in der Vergangenheit liegende Tatbestände eingegriffen wurde; § 237 SGB VI (insbes. Abs. 3) entfaltet Rechtswirkung erst ab seinem Inkrafttreten. Er wirkt lediglich als sogenannte unechte Rückwirkung auf das bereits in Gang befindliche Versicherungsverhältnis ein. Regelungen mit unechter Rückwirkung sind jedoch grundsätzlich zulässig, wobei das Vertrauen des Einzelnen mit der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Wohl der Allgemeinheit abzuwägen ist. Hier konnte der Kläger bei Aufhebung des unbefristeten Arbeitsverhältnisses am 15. August 1994 nicht darauf vertrauen, dass ihm im Jahre 2001 die Inanspruchnahme der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit nach dem Gesetz vom 18. Dezember 1989 gewährt werden würde, zumal bereits dieses eine erste Anhebung der Altersgrenze einführte. Auch der Ausschluss der Bewertung der Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit vom 28. Dezember 1998 bis 30. September 2001 (zu den Wirkungen dieser Anrechnungszeit ohne Wert s. Polster in Kasseler Kommentar, § 74 SGB VI Rdnr. 8) durch Gesetz vom 25. September 1996 verstößt nicht gegen die Verfassung, da Anrechnungszeiten nicht auf einem Beitrag beruhen und der Gesetzgeber einen großen Gestaltungsspielraum besitzt (vgl. z.B. BSG SozR 3-2600 § 71 Nr. 2).

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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