L 2 U 4505/01

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 3744/99
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 U 4505/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Anhaltspunkte für und gegen eine beruflich bedingte Verursachung
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 25. September 2001 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägers auf Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung unter Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach der Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).

Der am 1941 geborene Kläger war ab Ende 1956 bei der Stadt G. beschäftigt. Unter Berücksich-tigung der Auskünfte seitens der Stadtverwaltung, von Mitarbeitern des Bauhofs sowie der An-gaben des Klägers war dieser jedenfalls seit 1. Januar 1957 bis 1. Juli 1962 und - unterbrochen durch den Grundwehrdienst (2. Juli 1962 bis 31. Dezember 1963) - vom 1. Januar 1964 bis 1967 ganz überwiegend als Waldarbeiter sowie (nach Ablegung der Waldfacharbeiterprüfung am 19./20. Juli 1967) vom 1. Oktober 1968 bis 31. Dezember 1984 ebenfalls in der weit überwie-genden Zeit als Waldfacharbeiter im Forstbetrieb des Gemeindewaldes beim Holzschlagen und -aufarbeiten eingesetzt, während er sich zwischen 1967 und 1968 teils als Waldfacharbeiter im Forstbereich, teils als Arbeiter im Bauhof - dort insbesondere im Bereich der Straßen-, Wege- und Gewässerunterhaltung - und spätestens seit 1. Januar 1985 ausschließlich im Bauhof - nun-mehr als Kraftfahrer und Bauhofarbeiter - betätigte. Nach wiederholten Zeiten der Arbeitsunfä-higkeit bewilligte die Landesversicherungsanstalt Baden (LVA) ab 1. Oktober 1998 (Leistungs-fall 5. März 1998) Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zunächst auf Zeit sowie ab 1. Februar 2000 auf Dauer; seit Vollendung des 60. Lebensjahres erhält der Kläger eine Altersrente aus der ge-setzlichen Rentenversicherung.

In früheren Jahren hatte der Kläger mehrere Arbeitsunfälle erlitten, ohne dass daraus eine Unfall-rente bezogen wird. Des Weiteren bestanden Zeiten der Arbeitsunfähigkeit gemäß der Mitglieds- und Vorerkrankungsbescheinigung der Allgemeinen Ortskrankenkasse O. (AOK) u.a. vom 11. bis 23. Januar 1966 wegen einer Lumbalgie, vom 21. bis 28. September 1971 wegen akuter Lumbago, vom 16. bis 18. August 1973 wegen Lumbago, vom 22. September bis 1. Oktober 1976 wegen Lumbago und Ischias sowie vom 26. bis 28. Januar 1977 wegen akuter Myalgie des Nackens, außerdem u.a. vom 5. bis 7. Oktober 1994 wegen einer Lumboischialgie, vom 11. bis 15. September 1995 wegen einer Ischialgie, vom 31. Oktober bis 28. November 1995 wegen u.a. Osteoarthrose und Lumbago, vom 16. bis 19. Januar sowie 29. April bis 3. Mai 1996 wegen Lumbago, vom 18. bis 25. September 1996 wegen einer Coxarthrose sowie vom 7. bis 11. Juli 1997 wegen Lumbago und vom 22. bis 25. Juli 1997 wegen einer Lumboischialgie. In der Zeit vom 31. Oktober bis 28. November 1995 führte die LVA in der Rheumaklinik B. ein Heilverfah-ren durch, aus welchem der Kläger - bei Empfehlung innerbetrieblicher Umsetzungsmaßnahmen - arbeitsfähig entlassen wurde (Bericht des Leitenden Arztes Dr. W. vom 11. Dezember 1995; Diagnosen: Ausgeprägte Coxarthrose beiderseits, AC-Gelenksarthrose beider Schultern, Retro-patellararthrose, degeneratives Halswirbelsäulensyndrom, degeneratives Brust- und Lendenwir-belsäulensyndrom). Am 6. April 1998 erfolgte eine Hüftgelenkstotalendoprothese rechtsseitig sowie am 6. November 2000 linksseitig. Eine erste arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung hatte am 30. Juni 1997 durch den Betriebsarzt der Stadt G. Dr. S., Süddeutscher Arbeitsmedizi-nischer Dienst, stattgefunden (bescheinigte Einschränkungen: kein langes Gehen, keine absturz-gefährdenden Arbeiten, kein schweres Heben und Tragen).

Am 9. Juli 1997 reichte Dr. S. - unter Vorlage der Berichte des Neurologen F. vom 29. Mai 1996 sowie des Orthopäden Dr. F. vom 27. Juni 1997 - beim Rechtsvorgänger der Beklagten, dem B. (im Folgenden ebenfalls Beklagte), die ärztliche Anzeige über eine BK der Lendenwirbelsäule (LWS) nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV ein, wobei der Arzt die Voraussetzungen der Listen-nummer durch die Tätigkeit als Waldarbeiter und Haumeister für erfüllt hielt sowie - unter Beru-fung auf den Heilverfahrens-Entlassungsbericht vom 11. Dezember 1995 - ferner die Arthrose der Hüftgelenke mit der genannten Tätigkeit in Zusammenhang brachte. Ein Feststellungsverfah-ren wegen letzteren Leidens leitete die Beklagte mangels einer Listenkrankheit sowie fehlender neuer Erkenntnisse (Schreiben an Dr. S. vom 28. August 1997) nicht ein, nahm jedoch wegen einer BK der LWS nach der Nr. 2108 weitere Ermittlungen auf. Der Kläger gab unter dem 11. August 1997 an, erstmals etwa 1965 bei der Waldarbeit im Bereich der unteren Wirbel Rü-ckenbeschwerden verspürt und die gefährdende Tätigkeit durch den Wechsel von der Waldarbeit in den Bauhof aufgegeben zu haben. Die Beklagte erhob ferner von der Rheumaklinik B. den Bericht vom 11. Dezember 1995 sowie von der AOK die bereits erwähnte Mitglieds- und Vorer-krankungsbescheinigung. Dr. F. teilte auf Anfrage der Beklagten im Schreiben vom 25. August 1997 mit, den Kläger erstmals wegen Wirbelsäulenbeschwerden am 15. September 1987 (Diag-nose: akute Lumbago) sowie nachfolgend zunächst sporadisch, ab 1989 in quartalsmäßigem Ab-stand behandelt zu haben. Facharzt für Orthopädie Dr. N. berichtete im Schreiben vom 2. September 1997 über eine erste Behandlung am 1. April 1982 wegen vom Kläger seit Sommer 1981 angegebener Rückenschmerzen (Röntgenaufnahme: hochgradige isolierte Bandscheiben-schädigung im Segment L5/S 1) sowie über weitere Vorstellungen des Klägers am 27. Dezember 1984 wegen aktueller Rückenschmerzen, am 16. Oktober 1990 wegen jetzt im Vordergrund ste-hender Nackenschmerzen seit drei Jahren sowie am 24. Februar 1992 wegen Rückenschmerzen nach längerem Gehen und Sitzen sowie wegen über in die Arme ausstrahlenden Nackenschmer-zen. Am 6. Oktober 1997 ging schließlich die Unfallanzeige der Stadt G. nebst am 26. September 1997 beantwortetem Fragebogen ein. Am 15. Dezember 1997 traf der Technische Aufsichtsbeamte (TAB) G. auf dem Bauhof mit dem Kläger, dem Bauhofleiter K. und dem Vor-arbeiter F. zusammen. Im Bericht vom 15. Januar 1998 sowie im ergänzenden Schreiben vom 19. Februar 1998 vertrat der TAB unter Auswertung der Befragungen die Auffassung, dass der Kläger bei seiner Tätigkeit auf dem Bauhof der Stadt G. langjährig, regelmäßig und in der über-wiegenden Zahl der Arbeitsschichten schwere Lasten, und zwar oftmals bis 100 kg, habe heben und tragen sowie Arbeiten in extremer Rumpfbeugehaltung habe durchführen müssen, so dass die Voraussetzungen für die Annahme von beruflichen Entstehungsursachen seiner LWS-Erkrankung erfüllt seien; hingegen seien die arbeitstechnischen Voraussetzungen einer BK nach Nr. 2109 der Anlage zur BKV nicht gegeben. Die von der Beklagten wegen der in deren Zustän-digkeitsbereich fallenden Beschäftigung des Klägers als Wald- und Waldfacharbeiter im Ge-meindewald eingeschaltete Badische Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft (im Folgenden BG) ließ - unter Zugrundelegung des Verfahrens nach Hartung - die berufliche Gesamtbelastung durch ihren TAB Eng ermitteln, wobei dieser unter dem 28. Januar 1998 eine Gesamtdosis von 50,4% des Wertes errechnete, der einen beruflichen Zusammenhang vermuten lasse. Ergänzend wies die BG mit Schreiben vom 5. Februar 1998 auf die Erhöhung des Dosiswertes durch die Arbeiten auf dem Bauhof mit zusätzlicher Belastung hin. Die Beklagte veranlasste anschließend eine Begutachtung durch Prof. Dr. W., Oberarzt der Orthopädischen Abteilung der Chirurgi-schen Universitätsklinik F. Anlässlich der Untersuchung vom 13. Oktober 1998 gab der Kläger Kreuzschmerzen seit Anfang der siebziger Jahre mit seit etwa zehn Jahren ausstrahlenden Schmerzen in das rechte sowie seit einigen Monaten auch in das linke Bein, außerdem seit eini-gen Jahren Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule (HWS) und der Brustwirbelsäule (BWS) an. Im Gutachten vom 15. Oktober 1998 erachtete Prof. Dr. W. eine BK nach Nr. 2108 der An-lage zur BKV nicht für gegeben, weil beim Kläger mit Blick auf die ab 1966 dokumentierten Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen Kreuzschmerzen die "vom Verordnungsgeber vorgegebene" Frist von zehn Jahren nicht erfüllt sei und zudem nicht nur an der LWS, sondern auch an der BWS sowie der HWS degenerative Veränderungen nachweisbar seien, wobei die Veränderungen an der HWS sogar stärker ausgeprägt seien als an der LWS; dieses Verteilungsmuster an den verschiedenen Wirbelsäulenabschnitten gelte im Schrifttum als Ausschlusskriterium für eine berufsbedingte Bandscheibenerkrankung. Gewerbearzt Dr. H. stimmte in seiner Stellungnahme vom 17. November 1998 dem Gutachten des Prof. Dr. W. zu.

Durch Bescheid vom 17. Dezember 1998 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Wirbelsäu-lenerkrankung des Klägers als BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV ab, weil das Kriterium der Langjährigkeit nicht gegeben und außerdem eine belastungsbedingte Entstehung der LWS bei gleicher bzw. stärkerer Ausprägung auch im nicht belasteten Bereich der HWS und BWS un-wahrscheinlich sei. Während des Widerspruchsverfahrens veranlasste die Beklagte eine Begut-achtung durch Prof. Dr. K., Chefarzt der Abteilung für Orthopädie und Querschnittslähmungen der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. Auch diesem Gutachter gegenüber berichtete der Kläger über Kreuzschmerzen seit den siebziger Jahren mit wechselhaften Schmerzzuständen bis in die achtziger Jahre sowie Schmerzausstrahlungen in das rechte Bein seit Ende der achtziger Jahre und in das linke Bein seit den letzten Monaten, ferner über seit den letzten Jahren zuneh-mende Nacken- und Kopfschmerzen. Im Gutachten vom 11. Mai 1999 schloss sich Prof. Dr. K. mit im Wesentlichen derselben Begründung der Auffassung von Prof. Dr. W. an. Zu diesem Gutachten nahm der vom Kläger um Rat ersuchte Betriebsarzt Dr. S. mit Schreiben vom 8. Juli 1999 Stellung, wobei er die Ansicht äußerte, dass die Veränderungen an der HWS und BWS ebenfalls durch besondere berufliche Belastung bedingt sein könnten. Die darauf von der Be-klagten erneut angegangene BG ließ über ihren TAB Eng nachermitteln. Im Schreiben vom 2. Oktober 1999 kam die BG zum Ergebnis, dass der Kläger eine schädigende Tätigkeit nach Nr. 2109 der Anlage zur BKV nur sieben Jahre von Anfang 1957 bis Ende 1963 verrichtet habe, als er an 170 Arbeitstagen im Jahr einen 65 kg schweren Holzschlitten auf den Schultern die Hänge hoch zu tragen gehabt habe (pro Arbeitsschicht fünfmal, Tragedauer jeweils 30 Minuten), während für die restliche Zeit keine belastenden Tätigkeiten vorlägen (ab 1964 Einsatz einer Forstwinde mit Ziehen eines Windenseils von 50 dN Zugkraft sowie Tragen eines Reikels von 35 kg an 50 Tagen, von 1984 bis 1996 Tragen von Salzsäcken zu 50 kg auf der Schulter an drei Tagen im Jahr). Mit Widerspruchsbescheid vom 23. November 1999 wies die Beklagte den Wi-derspruch zurück. - Nach Einholung der Stellungnahme des Gewerbearztes Dr. H. vom 12. Mai 2000 hat die Beklagte ferner die Anerkennung der HWS-Beschwerden als BK nach Nr. 2109 der Anlage zur BKV abgelehnt, weil das Kriterium der Langjährigkeit nicht erfüllt sei und außerdem der Versicherungsfall wegen der bereits 1963 aufgegebenen HWS-belastenden Tätigkeit vor dem im Verordnungswege bestimmten Stichtag eingetreten sei (Bescheid vom 27. Juni 2000). Der Widerspruch des Klägers ist mit Widerspruchsbescheid vom 25. August 2000 zurückgewiesen worden. Letztgenannte Bescheide hat der Kläger im Klagewege nicht angefochten.

Hingegen hatte der Kläger bereits vor Ergehen dieser vorbezeichneten Bescheide wegen des Be-scheides vom 17. Dezember 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. November 1999 am 16. Dezember 1999 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, dass er bis 1984, also fast 30 Jahre, den schweren und grundsätzlich zur Ver-ursachung einer BK nach Nr. 2108 geeigneten Beruf des Waldarbeiters ausgeübt habe. Zwar sei nach der herrschenden Lehrmeinung der Befall sämtlicher Wirbelsäulenabschnitte als Aus-schlusskriterium für eine BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV zu werten, jedoch hätte vorlie-gend - selbst wenn aufgrund der Rückwirkungsklausel keine Rente nach Nr. 2109 geleistet wer-den könne - geprüft werden müssen, ob die Schädigung der HWS, neben der die Veränderungen der BWS zurückträten, berufsbedingt sei. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Das SG hat Prof. Dr. H., Chefarzt der Orthopädischen Abteilung der DRK-Klinik B., zum Sachverstän-digen bestellt. Bei der Untersuchung am 19. März 2001 hat der Kläger bereits Anfang der siebzi-ger Jahre aufgetretene Kreuzschmerzen mit im Laufe der Jahre erhöhter Schmerzhäufigkeit und verlängerter Schmerzdauer bei wechselseitiger Ausstrahlung ins rechte und linke Bein seit mehr als zehn Jahren sowie sich stetig verschlimmernde Schmerzen im Bereich der HWS und BWS seit mehr als zehn Jahren geschildert. Im Gutachten vom 11. Juni 2001 hat der Sachverständige die Auffassung vertreten, dass die schweren degenerativen Veränderungen im lumbosakralen Bereich und die gleichzeitig bestehenden Veränderungen an der HWS als getrennte Entitäten aufgrund der extremen langjährigen beruflichen Belastung zu werten seien, was auch dadurch deutlich werde, dass die Veränderungen an der BWS im Vergleich zu den anderen Wirbelsäu-lenabschnitten eher als geringfügig zu betrachten seien. Bei Bejahung einer BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV hat Prof. Dr. H. die MdE in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 28. Juni 2001 ab 13. Oktober 1998 (Untersuchung durch Prof. Dr. W.) auf 20 v.H. geschätzt. Gegen die Ausführungen des Sachverständigen hat sich die Beklagte unter Vorlage der Stellung-nahme des Prof. Dr. W. vom 13. August 2001 gewandt. Mit Urteil vom 25. September 2001 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide "dem Grunde nach ver-pflichtet, beim Kläger eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung anzuerkennen und zu entschädigen"; wegen der Einzelheiten der Entscheidungs-gründe wird auf das der Beklagten am 24. Oktober 2001 zugestellte Urteil verwiesen.

Hiergegen richtet sich die am 12. November 2001 beim Landessozialgericht (LSG) eingelegte Berufung der Beklagten. Sie ist weiterhin der Ansicht, dass bereits das Kriterium der Langjäh-rigkeit (Belastungszeitraum 1. Januar 1957 bis 11. Januar 1966: neun Jahre und elf Tage) nicht erfüllt sei. Es sei auch nicht nachvollziehbar, warum eine lediglich siebenjährige HWS-Belastung zu einem derart ausgeprägten HWS-Schaden geführt haben solle, während eine min-destens vierzigjährige erhebliche LWS-Belastung einen deutlich geringeren Schaden der LWS verursacht habe, wobei hinzukomme, dass selbst nach den Angaben des Klägers das Beschwer-debild der HWS erst Ende der achtziger Jahre und somit mehr als 25 Jahre nach Ende der HWS-Belastung im Jahre 1963 aufgetreten sei. Eine ausreichende Belastung im Sinne der Nr. 2109 der Anlage zur BKV sei im Übrigen schon deswegen zu verneinen, weil bei strenger Beachtung des Wortlauts dieser Listennummer Personen, die schwere Lasten mit Hilfe von über die Schulter gelegten Gurten trügen, keine darunter subsummierbare Tätigkeit ausübten. Letztlich erübrige sich eine weitere Sachverhaltsaufklärung zur HWS-Belastung jedoch bereits aufgrund des Um-standes, dass wegen der überwiegenden Veränderungen im Bereich der BWS eine belastungsbe-zogene Entstehung der HWS- und LWS-Veränderungen ausscheide. Dem vom Senat bestellten Sachverständigen Dr. D. vermöge sie, sowohl was den Kausalzusammenhang als auch MdE-Einschätzung anbelange, nicht zu folgen. Die Beklagte hat das von ihr bei Prof. Dr. Dr. H., Chefarzt der Fachkliniken H., in Auftrag gegebene, nach Aktenlage erstattete Gutachten vom 17. Januar 2003 eingereicht; darin ist dieser Arzt zur Auffassung gelangt, dass für die Nr. 2108 der Anlage zur BKV die medizinischen Voraussetzungen nicht gegeben seien, da sowohl das Verteilungsmuster der degenerativen Veränderungen über sämtliche Wirbelsäulenabschnitte als auch starke konkurrierende ausschließende Faktoren gegen die Anerkennung einer BK nach die-ser Listennnummer sprächen.

Die Beklagte beantragt (sinngemäß),

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 25. September 2001 aufzuheben und die Kla-ge abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Das von der Beklagten vorgelegte Gutachten des Prof. Dr. Dr. H. sei nicht geeignet, die Ausführungen des Sachverständigen Dr. D. überzeugend zu widerlegen; ggf. werde weitere Sachaufklärung hinsichtlich der arbeitstechnischen Vorausset-zungen für eine BK nach Nr. 2109 angeregt.

Der Senat hat Arzt für Neurochirurgie und Orthopädie Dr. D., Institut für fachübergreifende Be-gutachtung in der Medizin, als Sachverständigen beauftragt. Anlässlich der Untersuchung am 23. Mai 2002 hat der Kläger berichtet, seit den siebziger Jahren vermehrt unter Lumbago gelitten zu haben, wobei es sich bei den Beschwerden hauptsächlich um tiefsitzende Rückenschmerzen mit gelegentlich auch wechselseitiger Ausstrahlung in beide Beine gehandelt habe; außerdem leide er seit Beginn der neunziger Jahre unter vermehrten Schmerzen im HWS-Bereich. Im Gut-achten vom 21. Juni 2002 hat der Arzt die chronische Erkrankung der LWS mit Ausbildung ei-ner ausgeprägten Osteochondrose und Spondylarthrose im Segment L 5/S 1 als mit der berufli-chen Tätigkeit der Klägers als Waldarbeiter kausal in Verbindung gebracht sowie die Vorausset-zungen einer BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV bei langjähriger schädigender Einwirkung auf jenen Wirbelsäulenabschnitt sowie "eindeutigem" morphologischem Schadenssubstrat be-fürwortet; die MdE hat er auf 30 v.H. geschätzt. In seinen ergänzenden gutachtlichen Stellung-nahmen vom 25. September 2002 und 16. Juni 2003 hat sich der Sachverständige zu den Ein-wendungen der Beklagten einschließlich des Gutachtens von Prof. Dr. Dr. H. geäußert.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)) einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten (Feststellungsverfahren nach den Listennummern 2108 und 2109; 2 Bde.), die Klageakte des SG und die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten hat Erfolg.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden sowie statthaft (§ 143 SGG), weil die Beschränkungen des § 144 Abs. 1 SGG (Fassung durch Gesetz vom 11. Januar 1993 (BGBl. I S. 50)) nicht eingreifen. Die Berufung ist auch begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Entschädigungsleistungen aus der gesetzli-chen Unfallversicherung - und damit auf die in erster Linie erstrebte Verletztenrente - unter An-erkennung der hier allein umstrittenen Berufskrankheit nach der Nr. 2108 der Anlage zur BKV.

Als Rechtsgrundlagen für das klägerische Begehren kommen die Vorschriften des am 1. Januar 1997 in Kraft getretenen Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) in Betracht, nachdem der Kläger die Beschäftigung bei der Stadt G. spätestens im März 1998 endgültig aufgegeben hat und - unter Berücksichtigung der von Prof. Dr. H. mit dem 13. Oktober 1998 angesetzten MdE in rentenberechtigendem Grade - Entschädigungsleistungen zumindest seit dieser Zeit verlangt (vgl. im Übrigen zum Übergangsrecht Art. 36 Satz 1 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes vom 7. August 1996 (BGBl. I S. 1254), §§ 212, 214 Abs. 3 SGB VII und hierzu Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 20. Februar 2001 - B 2 U 1/00 R - HVBG-Info 2001, 839). Aber selbst wenn hier noch die Bestimmungen der Reichsversicherungsordnung an-zuwenden wären, änderte dies an der rechtlichen Wertung nichts, weil die ins Auge zu fassenden Vorschriften des alten und neuen Rechts inhaltlich im Wesentlichen gleich geblieben sind; des-halb wird der Einfachheit halber auf das SGB VII zurückgegriffen. Ferner werden die Bestim-mungen der BKV in der ab 1. Dezember 1997 geltenden Fassung vom 31. Oktober 1997 (BGBl. I S. 2623) herangezogen; auch insoweit haben sich jedoch die Voraussetzungen für die Anerkennung der hier umstrittenen Listenkrankheit, die mit der Zweiten Änderungsverordnung vom 18. Dezember 1992 - 2. ÄndVO - (BGBl. I S. 2343) mit Wirkung vom 1. Januar 1993 ein-geführt worden ist, gegenüber der bis 30. November 1997 geltenden Fassung nicht geändert.

Nach der Bestimmung des § 26 Abs. 1 SGB VII (Fassung bis 30. Juni 2001) haben Versicherte nach Maßgabe der ihr folgenden Vorschriften Anspruch auf Leistungen; ein Anspruch auf Ver-letztenrente besteht bei Vorliegen einer infolge eines Versicherungsfalls um wenigstens 20 v.H. geminderten Erwerbsfähigkeit in der dem Grad der Erwerbsminderung entsprechenden Höhe (§ 56 Abs. 1 Satz. 1, Abs. 3 SGB VII). Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrank-heiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte bei einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3, oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Berufskrankheiten nach der hier allein umstritte-nen Nr. 2108 der Anlage zur BKV sind bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbel-säule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Tatbestandsmerkmale für die Anerkennung und Entschädigung einer Erkrankung als BK nach der genannten Listennummer sind mithin eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS, die durch langjähriges berufsbedingtes Heben oder Tragen schwerer Las-ten oder langjährige berufsbedingte Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung (arbeitstechni-sche Voraussetzungen) entstanden ist, wobei die Erkrankung zusätzlich den Zwang zur Unterlas-sung aller gefährdenden Tätigkeiten herbeigeführt haben und als Konsequenz aus diesem Zwang die Aufgabe dieser Tätigkeiten tatsächlich erfolgt sein muss (vgl. BSG SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2 S. 4; BSG SozR 3-2200 § 551 Nr. 16 S. 81). Zu beachten ist ferner die Rückwir-kungsvorschrift des § 6 Abs. 2 BKV (vgl. auch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 der 2. ÄndVO); hat ein Ver-sicherter am 1. Januar 1993 an einer Krankheit gelitten, die erst aufgrund der 2. ÄndVO als Be-rufskrankheit anerkannt werden kann, ist die Krankheit auf Antrag als Berufskrankheit anzuer-kennen, wenn der Versicherungsfall nach dem 31. März 1988 eingetreten ist (zur Verfassungs-mäßigkeit der Stichtagsregelung vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) SozR 3-2200 § 551 Nr. 15; BVerfG, Beschluss vom 24. Oktober 2000 - 1 BvR 1319/95 - HVBG-INFO 2001, 123). Der Versicherungsfall im Sinne der genannten Übergangsregelung ist eingetreten, wenn alle Tatbestandsmerkmale des § 9 Abs. 1 SGB VII i.V.m. der betreffenden Nummer der Anlage zur BKV erfüllt sind (vgl. BSG SozR 3-2200 § 551 Nr. 11; SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2).

Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbegründen-den Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung und die Erkran-kung erwiesen sein, d.h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr. 1; BSGE 61, 127, 128 = SozR 2200 § 548 Nr. 84). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) so-wie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSGE 58, 80, 83; 61, 127, 129); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSGE 45, 285, 286 = SozR 2200 § 548 Nr. 38; BSG SozR 3-2200 § 551 Nr. 16 S. 81 f.). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (kon-kurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSGE 63, 277, 280 = SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nach-gewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbe-gründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSGE 6, 70, 72; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 11 S. 33).

Die Voraussetzungen für die Anerkennung des LWS-Leidens des Klägers als Berufskrankheit liegen zur Überzeugung des Senats nicht vor. Zwar ist die Bestimmung der Nr. 2108 der Anlage zur BKV nach wie vor von den damit befassten Gerichten als wirksam, da ermächtigungskon-form und mit dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot vereinbar, zu beachten (ständige Recht-sprechung; vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 18. März 2003 - B 2 U 13/02 R - m.w.N. (zur Veröf-fentlichung in BSGE und SozR vorgesehen)). Mit den Beteiligten geht der Senat ferner davon aus, dass der Kläger die wirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten erst mit Beendigung der letzten langjährigen Betätigung auf dem Bauhof - und nicht bereits mit der Umsetzung aus dem Forstbe-trieb - tatsächlich und endgültig aufgegeben hat, wobei dies spätestens mit Eintritt der zur Beren-tung führenden Arbeitsunfähigkeit ab 5. März 1998 der Fall war (vgl. dazu nochmals BSG SozR 3-2200 § 551 Nr. 11; SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2); sonach steht die Stichtagsregelung des § 6 Abs. 2 BKV hier grundsätzlich nicht entgegen. Der Senat folgt weiter der Auffassung des SG und der Beteiligten, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen der Nr. 2108 der Anlage zur BKV insbesondere mit Blick auf die bis etwa 1984 ausgeübte Tätigkeit als Wald- und Wald-facharbeiter erfüllt sind; das haben auch sämtliche während des Verfahrens gutachtlich gehörten Ärzte - im Anschluss an die Ausführungen der TABen G.und E. - befürwortet. Allein daraus kann jedoch noch nicht auf die Erfüllung auch der übrigen Tatbestandsmerkmale der Nr. 2108 der Anlage zur BKV geschlossen werden, zumal es einen - im Sinne des Anscheinsbeweises (vgl. jetzt § 9 Abs. 3 SGB VII) erforderlichen und ausreichenden - gesicherten Erfahrungssatz für eine beruflich verursachte bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS bei Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen einer Berufskrankheit nach der genannten Listennummer nicht gibt (vgl. BSG, Urteil vom 18. November 1997 - 2 RU 48/96 - SGb 1999, 39 ff.; ferner LSG Niedersachsen, Urteil vom 6. April 2000 - L 6 U 163/99 ZVW - Breithaupt 2000, 818, 821; LSG Niedersachsen, Urteil vom 20. Juli 2000 - L 6 U 328/99 - Breithaupt 2000, 1031 ff.). Nicht weiter eingegangen werden soll auf die von Prof. Dr. W. zitierte Forderung in dem noch vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung herausgegebenen Merkblatt für die ärztliche Untersuchung zur Listennummer 2108 (BArbBl. 3/1993, S. 50) nach einer regelmäßig mindes-tens zehnjährigen belastenden beruflichen Tätigkeit als Untergrenze (zur rechtlichen Einordnung des Merkblatts vgl. BSG SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2; SozR 3-2200 § 551 Nr. 16; BSG, Urteil vom 18. März 2003 a.a.O.). Denn obgleich der Kläger im Fragebogen vom 11. August 1997 erste Rückenbeschwerden im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit seit etwa 1965 angegeben hatte, zudem für eine Zeit der Arbeitsunfähigkeit bereits im Januar 1966 im Vorer-krankungsverzeichnis der AOK - freilich ohne Ursachenzuschreibung - als Diagnose eine Lum-balgie aufgeführt ist, kommt es auf die abschließende Erörterung des Merkmals der "Langjährig-keit" im Sinne der Nr. 2108 der Anlage zur BKV letztlich nicht an. Der erhobene Anspruch scheitert nämlich bereits daran, dass der ursächliche Zusammenhang zwischen der LWS-Erkrankung des Klägers und der beruflichen Exposition (haftungsausfüllende Kausalität) nicht wahrscheinlich zu machen ist.

Zwar liegt beim Kläger unter Würdigung der Darlegungen der gutachtlich sich äußernden Ärzte Prof. Dr. W., Prof. Dr. K., Prof. Dr. H., Dr. D. und Prof. Dr. Dr. H. eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS (vgl. hierzu BSG SozR 3-5670 An. 1 Nr. 2108 Nr. 2 S. 4 f. m.w.N.) vor. Danach leidet der Kläger an chronisch-rezidivierenden Kreuzschmerzen insbesondere aufgrund der im Segment L 5/S 1 erheblichen Verschleißerscheinungen mit osteochondrotischen, spondy-lotischen und spondylarthrotischen Veränderungen, deutlicher Höhenminderung des Bandschei-benraumes in dieser Etage sowie chronisch-neurogener Schädigung der Wurzeln L 5 und S 1. Degenerative Veränderungen mit zum Teil gravierender Ausprägung finden sich aber auch in den anderen Wirbelsäulenabschnitten (HWS, BWS). Bei Würdigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens vermochte sich der Senat indessen nicht davon zu überzeugen, dass die bandschei-benbedingte Erkrankung der LWS mit Wahrscheinlichkeit in ursächlichen Zusammenhang mit den beruflichen Belastungen des Klägers zu bringen ist. Objektive Messkriterien, welche For-men der Belastung zu welchen Schäden an der Wirbelsäule führen, liegen - worauf auch Dr. D. hingewiesen hat - bis zum heutigen Tage nicht vor. Die Problematik besteht insbesondere darin, dass sich das berufsbedingte Schadenbild an der LWS von den - in der Bevölkerung weit ver-breiteten - schicksalhaften Verschleißerscheinungen nach dem derzeitigen medizinischen Er-kenntnisstand nicht unterscheiden lässt (vgl. Schröter, SdL 1994, 17; Mehrtens/Perlebach, Die Berufskrankheiten-Verordnung, Kennzahl M 2108 Anm. 7.1 S. 26c m.w.N.). Zur Bewältigung dieser Schwierigkeiten bei Ausfüllung der Nr. 2108 der Anlage zur BKV bedarf es deshalb handhabbarer Maßstäbe als Orientierungshilfe, wobei dies freilich nicht die erforderliche umfas-sende Abwägung aller für und gegen den Ursachenzusammenhang sprechenden Umstände des Einzelfalls ersetzen kann. Mittlerweile anerkannt ist indessen, dass ein bloß monosegmentaler oder bisegmentaler Befall der LWS nicht von vornherein die Annahme einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKVO ausschließt (vgl. schon LSG Nordrhein-Westfalen, Ur-teil vom 26. September 1995 - L 15 U 89/95 - Breithaupt 1996, 918 ff.; nachfolgend BSG SozR 3-5680 Art. 2 Nr. 1; ferner LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 30. Januar 2002 - L 8 U 55/00 - Breithaupt 2003, 125 ff.; Mehrtens/Perlebach, a.a.O., S. 27 ff.; Schönber-ger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, S. 579 m.w.N.); aller-dings bedarf es auch insoweit einer umfassenden Einzelfallabwägung. Als Gesichtspunkte für und gegen einen Kausalzusammenhang mit der beruflichen Exposition haben sich in Medizin und Rechtsprechung zwischenzeitlich folgende Kriterien herausgebildet (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. Mai 2000 - L 17 U 296/97 - Breithaupt 2000, 1025, 1029; Seehausen, BG 1996, 444, 445; Pöhl/Eilebrecht/Hax/Römer, BG 1997, 670, 675 f.; Becker SGb 2000, 116, 118 ff.; Mehrtens/Perlebach, a.a.O., S. 22 ff., S. 26d - 30; Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., 7. Auflage, S. 578 ff.):

Anhaltspunkte für eine beruflich bedingte Verursachung

- belastungsadäquate zeitliche Erstmanifestation der Erkrankung, - (bildtechnisch nachweisbarer) altersvorauseilender Verschleiß, - belastungskonformes Schadensbild mit von oben nach unten zunehmendem Befund.

Anhaltspunkte gegen eine beruflich bedingte Verursachung

- polysegmentale Verteilung der Erkrankung mit Beteiligung von zwei oder drei Wirbelsäu-lenabschnitten (vgl. hierzu auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13. August 1997 - L 2 U 2804/96 - HVBG-INFO 1997, 2848; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13. August 1997 - L 2 U 3062/96 - (veröffentlicht in JURIS); LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 2. Juli 1998 - L 2 U 348/97 - HVBG-INFO 1999, 2449; LSG Niedersachsen Breithaupt 2000, 818, 822), - Schadensbild überwiegend an belastungsfernen Wirbelsäulenabschnitten, - konkurrierende Erkrankungen des vertebralen oder extravertebralen Bereichs (z.B. Befall der großen Gelenke, etwa Coxarthrosen, vgl. LSG Baden-Württemberg HVBG-INFO 1997, 2848; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13. August 1997 - L 2 U 3062/96 -), - konkurrierende Einwirkungen aus dem privaten Bereich (z.B. Sport, Freizeitgestaltung).

Vorliegend spricht unter Abwägung aller wesentlicher Gesichtspunkte mehr gegen als für eine Verursachung der bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS des Klägers durch berufliche Einwirkungen, so dass der für den Kausalzusammenhang zu fordernde Wahrscheinlichkeitsmaß-stab nicht erfüllt ist. Alle gutachtlich sich äußernden Ärzte haben degenerative Veränderungen nicht nur an der LWS, sondern auch an der HWS und an der BWS beschrieben, wobei die Ver-schleißerscheinungen an der HWS diejenigen an der LWS mittlerweile übertreffen. Ob der jetzi-ge Befund an der HWS zur Ablehnung des Ursachenzusammenhangs bereits ausreicht - wie Prof. Dr. W. und Prof. Dr. K. (allerdings unter zusätzlicher Verneinung des Merkmals der lang-jährigen Exposition vor Manifestation der LWS-Erkrankung) meinen - kann letztlich dahinste-hen, so dass es auch eines näheren Eingehens auf den Disput unter den Gutachtern (Prof. Dr. H., Dr. D. einerseits, Prof. Dr. W., Prof. Dr. Dr. H. andererseits) zur Erfüllung der arbeitstechnischen Voraussetzungen der Nr. 2109 der Anlage zur BKV einschließlich der umstrittenen Kausalität der HWS-Belastungen - ebenso wie weiterer Sachverhaltsaufklärung dazu - nicht bedarf. Ent-scheidend gegen eine berufliche (Mit-)Verursachung der LWS-Erkrankung sprechen vielmehr folgende von Prof. Dr. Dr. H. im Gutachten vom 17. Januar 2003, das als qualifiziertes Beteilig-tenvorbringen in die richterliche Würdigung einzubeziehen ist (vgl. BSG SozR Nr. 3 zu § 118 SGG; BSG, Urteil vom 8. Dezember 1988 - 2/9b RU 66/87 - HV-INFO 1989, 410; BSG, Urteil vom 11. September 1991 - 5 RJ 94/89 - DBlR 3816a, SGG/§ 128), überzeugend dargestellten Gründe. Unter Auswertung auch der in früheren Jahren (3. August 1989: HWS und BWS; 8. März 1991: LWS) gefertigten Röntgenbilder und deren Vergleich mit den Bildern von 1995, 1997, 1998 und 2000 hat der Gutachter - außer ihm hat nur Verwaltungsgutachter Prof. Dr. W. Vergleichsmaterial aus früherer Zeit herangezogen - die bezüglich der Gesamtausdehnung schwersten degenerativen Veränderungen in den Jahren 1989 und 1991 im Bereich der - berufs-bezogen nicht belasteten - mittleren und unteren BWS zwischen den Brustwirbelkörpern (BWK) 5 und 11 beschrieben. Auf den Aufnahmen von 1989 findet sich nach den Ausführungen von Prof. Dr. Dr. H. eine kurzbogig flache linkskonvexe Skoliose zwischen den BWK 7 und 10, eine mittelgradige Abflachung der BWK 6 bis 11, teilweise mit seitlicher disproportionierter Höhenreduktion sowie deutlichen Unregelmäßigkeiten der Grund- und Deckplatten mit Hyper-sklerosen und teils kleinen Einschnürungen im Bereich der Abschlussplatten; zwischen BWK 5/6 und BWK 11 zeigen sich im mittleren Teil betonte, ingesamt mittelgradige osteo-chondrotische intervertebrale Höhenreduktionen mit mittelgradigen seitlichen Abstützungsspon-dylophyten, betont zwischen BWK 7 und BWK 10, außerdem auch in der sagittalen Ebene an den BWK 5 bis 7 eine Abflachung mit eindeutiger Keilwirbeldeformität BWK 6 bis 8 bei weit-gehend kompletter Steilstellung der BWS nach distal ab BWK 7. Demgegenüber war die HWS 1989 im Wesentlichen betroffen im Segment C 6/7 - einem auch bei nicht beruflich belasteten Bevölkerungsgruppen besonders anfälligen Bereich - mit dort deutlicher Osteochondrose, mäßi-ger Antespondylose sowie mittelgradiger bis schwerer intervertebraler Höhenreduktion, außer-dem im Segment C 2/C 3 mit ausgeprägten Spondylarthrosen und abgeschliffenen Gelenkflächen bei leichtgradiger Höhenreduktion C 3 bis 6. Auf den Aufnahmen der LWS aus 1991 manifes-tierten sich nach der Beurteilung von Prof. Dr. Dr. H. allein in der Etage L 5/S 1 altersvorausei-lende mittelgradige degenerative Veränderungen; des Weiteren lagen leichtgradige spondylophy-täre Ausziehungen linksseitig in den Segmenten L 2/3 und L 3/4, eine diskrete linksseitliche Hö-henminderung des 3. Lendenwirbelkörpers (LWK) sowie eine diskrete Hypersklerose der klei-nen Wirbelgelenke L 3/4 und L 4/5 vor, während die Intervertrebralräume BWK 1 bis LWK 5 einen altersentsprechenden Befund aufwiesen. Der Gutachter hat ferner hervorgehoben, dass im weiteren Verlauf bis 1998 selbst der beweglichkeitsexponierte thorakolumbale Übergangsbe-reich zwischen BWK 11/12 sowie die obere bis mittlere LWS bis LWK 3/4 bezüglich einer al-tersvorauseilenden Degeneration röntgenologisch unauffällig waren; derartiges ist auch der Röntgenbeurteilung von Prof. Dr. W. zu entnehmen. Erst ab 1998 lassen sich unter Berücksichti-gung auch der Äußerungen der Sachverständigen Prof. Dr. H. und Dr. D. röntgenologisch Pro-gredienzen in allen Wirbelsäulenabschnitten feststellen, wobei sich das Zustandsbild nunmehr zu Lasten der HWS mit dem Alter klar vorauseilenden degenerativen Veränderungen (ausgeprägte Osteochondrosen C 3 bis C 7, massive Spondylosen sowie Spondylarthrosen) verlagert hat. Demgegenüber zeigt der aktuelle Befund an der LWS Auffälligkeiten weiterhin im Wesentlichen im Bereich des Segments L 5/S 1 mit starken Verschleißerscheinungen (insbesondere deutliche Osteochondrosen und mittelgradige Spondylosen) sowie geringer bei L 4/5, während auch im Bereich der BWS - insoweit hat Dr. D. seine sich widersprechenden Darstellungen im Gutachten 21. Juni 2002 in der Stellungnahme vom 25. Juni 2002 korrigiert - deutliche degenerative Ver-änderungen zu finden sind. Schlüssig hat Prof. Dr. Dr. H. das Schadensbild an der LWS als nicht belastungskonform gewertet, weil an der LWS weitgehend nur das - ohnehin auch außerhalb beruflicher Belastungen den stärksten Druck- und Zugwirkungen ausgesetzte - Segment L 5/S 1 betroffen ist und auch der anfänglich ganz wesentlich auf die Etage C 6/7 konzentrierte Befall der HWS für eine überwiegend konstitutionelle Genese spricht. Ingesamt hat der Gutachter aus den röntgenologischen Veränderungen aus dem Jahre 1989 nachvollziehbar geschlossen, dass - entgegen Prof. Dr. H. und Dr. D. - gerade nicht von einer berufsbedingten altersvorauseilenden Degeneration der HWS auszugehen ist und damit auch nicht von einer richtungsweisenden Linksverlagerung des Degenerationsalters. In diesem Zusammenhang hat Prof. Dr. Dr. H. erneut die bezüglich des Degenerationsgrades zunächst an erster Stelle stehende nicht belastungsexpo-nierte BWS mit u.a. Fehlform mehrerer Wirbelkörper hervorgehoben. Ergänzend hat er ferner auf die beim Kläger zwischenzeitlich operierte ausgeprägte beiderseitige Coxarthrose - ohne erkennbare anlagebedingte Fehlform - hingewiesen und dies als Zeichen für eine individuelle Veranlagung zur Gelenkdeformation gewertet. Überzeugend hat Prof. Dr. Dr. H., der eine sorg-fältige Auswertung der Akten unter gründlicher Auseinandersetzung mit den Auffassungen der Vorgutachter vorgenommen hat, den Einschnitt sowie die Progredienz der klinisch relevanten Verschleißerscheinungen vorrangig in den neunziger Jahren - also bereits in der sechsten Le-bensdekade des Klägers - insgesamt als Beleg für den altersregressiven Abbaufaktor im Bereich des Haltungs- und Bewegungsapparates gesehen, wobei die - in Teilen röntgenmorphologischen - Belastungsadaptionen bezüglich der zeitlichen Aufeinanderfolge und Abstufung sowie der ter-ritorialen Verteilung jedoch nicht den mit Wahrscheinlichkeit anzutreffenden Veränderungen bei beruflicher Verursachung entsprechen.

Angesichts dieser schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen im Gutachten vom 17. Januar 2003 vermag der Senat der abweichenden Auffassung von Prof. Dr. H. und Dr. D. nicht zu folgen; beide Sachverständigen haben die früher gefertigten Röntgenaufnahmen nicht beigezogen. Sie haben ihre Beurteilung im Wesentlichen allein auf die beruflichen Belastungs-faktoren sowie die im Vergleich zur HWS jetzt geringer ausgeprägten Verschleißerscheinungen der BWS bei altersvorauseilender Degeneration im Segment L 5/S 1 gestützt, ohne eine röntge-nologische Verlaufskontrolle durchzuführen, obgleich gerade die bildtechnischen Verfahren ent-scheidende Hinweise zu segmentalen Bandscheibenveränderungen und ihrem Ausmaß geben (vgl. hierzu nochmals Mehrtens/Perlebach, a.a.O., S. 26d; Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 578). Die Stellungnahme des Dr. D. vom 16. Juni 2003 lässt im Übrigen eine fundierte Auseinandersetzung mit dem genannten Gutachten des Prof. Dr. Dr. H. vermissen; sie erschöpft sich weitgehend in Fragen der Semantik sowie in nicht durch medizinische Forschungsergebnis-se untermauerten Behauptungen, wobei der Sachverständige zudem eingeräumt hat, dass bislang keine wissenschaftlich haltbare Studie eindeutig den Zusammenhang zwischen Belastung und Schädigung aufzuzeigen vermocht habe.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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