L 13 AL 4260/02 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 3 AL 2696/02 ER-B
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AL 4260/02 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Wird nach auf § 331 SGB III beruhender Einstellung der Leistung die Bewilligung ausschließlich mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben, liegt eine Entziehung laufender Leistungen vor, bei der nach § 86a Abs. 2 Nr. 2 SGG Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben.
2. Zur Interessenabwägung bei offenem Ausgang der Hauptsache in einem auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gerichteten Verfahren.
3. Ein Bezieher von Arbeitslosenhilfe, der unter der dem Arbeitsamt mitgeteilten Wohnanschrift postalisch nicht erreichbar ist, kann, wenn er stattdessen ein Postfach eingerichtet hat, Vorschlägen des Arbeitsamt zur beruflichen Eingliederung nur dann Zeit - und ortsnah Folge leisten, wenn der das Postfach täglich aufsucht und sich von den eingegangenen Sendungen Kenntniss verschafft.
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 13. August 2002 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (vgl. § 174 Satz 1 1. Halbsatz des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]), ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft (vgl. § 172 Abs. 1 SGG) sowie nach § 173 Abs. 1 Satz 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden. Die Beschwerde ist sachlich aber nicht begründet.

Vorliegend begehrt der Kläger, dass die aufschiebende Wirkung der Klage wegen des Bescheids vom 17. November 2000 in der Fassung des Bescheids vom 23. Februar 2001 (Widerspruchsbescheid vom 1. März 2001) angeordnet wird. Darin hat die Beklagte, nachdem sie die Zahlung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) aufgrund des Bewilligungsbescheides vom 25. Juli 2000 (Bewilligungsabschnitt 1. Juli 2000 bis 30. Juni 2001) mit Ablauf des 30. September 2000 eingestellt hatte, diese Bewilligung für die Zeit vom 27. September bis 13. November 2000 aufgehoben, Alhi vom 27. bis 30. September 2000 in Höhe von 275,32 DM sowie (Bescheid vom 27. November 2000 in der Fassung des Bescheids vom 23. Februar 2001) in dieser Zeit gezahlte Beiträge zur Kranken- und sozialen Pflegeversicherung in Höhe von 96,91 DM zurückgefordert und den Anspruch auf laufende Alhi ab 14. November 2000 gegen den Erstattungsanspruch aufgerechnet. Der Kläger will mit dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung erreichen, dass ihm lediglich für die Zeit nach Einstellung der Alhi bis zur Wiederbewilligung, also vom 1. Oktober bis 13. November 2000, Alhi gezahlt wird, die Beklagte also aus der Aufhebung keine Folgerungen ziehen darf, es vielmehr bei dem sich aus der Bewilligung ergebenden Zahlungsanspruch bleibt.

Gemäß § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG in der seit 2. Januar 2002 geltenden Fassung des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes (6. SGGÄndG) vom 17. August 2001 (BGBl. I S. 2137) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Widerspruch und Anfechtungsklage hatten hier keine aufschiebende Wirkung. Denn nach § 86a Abs. 2 Nr. 2 SGG n.F., auf welchen § 336a Satz 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) in der am 2. Januar 2002 in Kraft getretenen Fassung des 6. SGGÄndG ausdrücklich verweist, entfällt die aufschiebende Wirkung in Angelegenheiten der Bundesanstalt für Arbeit bei Verwaltungsakten, die eine laufende Leistung entziehen oder herabsetzen. Als Entziehung ist auch anzusehen, dass die Aufhebung der Leistungsbewilligung - wie hier im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Bescheides vom 23. Februar 2001 - ausschließlich die Vergangenheit betraf. Der Begriff Entziehung lässt sich nicht auf Entscheidungen beschränken, mit denen die Bindungswirkung von Bescheiden über die Bewilligung laufender Leistungen ausschließlich für die Zukunft oder neben der für die Vergangenheit auch für die Zukunft durchbrochen wird. Auch nach Sinn und Zweck von § 86a Abs. 2 Nr. 2 SGG und der sich hierauf beziehenden Möglichkeit, dass Ausgangs- oder Widerspruchsbehörde die sofortige Vollziehung aussetzen (§ 86a Abs. 3 Satz 1 SGG) oder das Gericht der Hauptsache im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die aufschiebende Wirkung von Widerspruch oder Anfechtungsklage anordnet, ist es nicht geboten, den Begriff der Entziehung auf die nur zukunftsgerichtete Korrektur der Bewilligung laufender Leistungen zu beschränken. Es besteht kein sachlicher Grund, die durch das Entfallen der aufschiebenden Wirkung eintretende sofortige Vollziehbarkeit der Abänderung früherer Bewilligungen über laufende Leistungen auf ausschließlich oder auch für die Zukunft wirkende Korrekturen zu begrenzen und ausschließlich vergangenheitsbezogene Eingriffe der nunmehr in § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG angeordneten und auch rechtsgestaltende Verwaltungsakte erfassenden (§ 86a Abs. 1 Satz 2 SGG) aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage zu unterwerfen.

Mit § 86a Abs. 2 Nr. 2 SGG sollte eine dem früheren Recht entsprechende Regelung getroffen werden (vgl. die Begründung der Bundesregierung im Entwurf des 6. SGGÄndG in BT-Drs 14/5943 zu § 86a SGG S. 25). Nach § 86 Abs. 3 Satz 1 SGG a.F. war die Entziehung - darunter fiel auch die Herabsetzung - laufender Leistungen in Angelegenheiten der Bundesanstalt für Arbeit stets sofort vollziehbar; im Gegensatz dazu hatte in der Sozialversicherung der Widerspruch gegen solche Entziehungsbescheide aufschiebende Wirkung (vgl. § 86 Abs. 2 SGG). Die Bundesanstalt für Arbeit konnte den Vollzug nach § 86 Abs. 3 Satz 1 SGG a.F. einstweilen aussetzen. Auch im Klageverfahren bestand die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehungs- und Herabsetzungsbescheide weiter; derartige Bescheide in der Sozialversicherung waren nunmehr ebenfalls sofort vollziehbar. Allerdings konnte das Gericht den Vollzug solcher Bescheide nach § 97 Abs. 2 SGG a.F. einstweilen aussetzen. Soweit die Entziehung eine Rückforderung nach sich zog, hatte der Widerspruch gegen den Rückforderungsbescheid nach § 86 Abs. 2 SGG stets aufschiebende Wirkung. Diese aufschiebende Wirkung setzte sich im Klageverfahren fort (vgl. § 97 Abs. 2 Nr. 2 SGG), wobei der Bundesanstalt für Arbeit zuletzt ab 1. Januar 1998 jedoch durch § 330 Abs. 5 SGB III die Möglichkeit eröffnet war, die sofortige Vollziehung der Erstattungsbescheide anzuordnen und damit die aufschiebende Wirkung entfallen zu lassen. Leistungsentziehung und Herabsetzung in Angelegenheiten der Bundesanstalt für Arbeit waren also mit der Möglichkeit der Aussetzung des Vollzugs stets sofort vollziehbar gewesen. Der Grund dafür mag neben der dies als Regelfall vorsehenden damaligen gesetzgeberischen Konzeption auch darin gelegen haben, dass anders als in der Sozialversicherung Leistungsentziehungen und Herabsetzungen in diesem Bereich besonders häufig sind, weil Leistungen nur kurzfristig zu erbringen sind und ebenso kurzfristig wieder beendet werden müssen, aber auch, weil Grund und Höhe der von der Bundesanstalt für Arbeit erbrachten Leistungen von zahlreichen aktuellen Voraussetzungen und dem Fehlen von Ruhenstatbeständen abhängig sind, die sich im Lauf des Leistungsbezugs jederzeit ändern können. Als in besonderem Maße schutzbedürftig ist derjenige angesehen worden, der wegen einer vergangenheitsbezogenen Entziehung einer Rückforderung ausgesetzt war; dieser sollte die Rückforderung nicht vor endgültiger Entscheidung über das Bestehen des Rückforderungsanspruchs, auch nicht im Wege der Aufrechnung zurückzahlen müssen (vgl. BSGE 1, 36, 39 f), sofern die Bundesanstalt für Arbeit den Bescheid nicht für sofort vollziehbar erklärte. Als weniger, aber dennoch schutzbedürftig galten diejenigen, die - ohne Rückforderung - einer Entziehung oder Herabsetzung ausgesetzt waren; diesen blieb nur die Möglichkeit, über eine Aussetzung des Vollzugs durch Verwaltung oder Gericht die Weiterzahlung der laufenden Leistung wie bisher zu erreichen. Dieses Recht fand seinen sachlichen Grund darin (vgl. BSGE 1, 36, 39 f; BSG Beschluss vom 30. August 1965 - 3 RK 52/64 - in DBlR Nr. 1108a zu § 97 SGG), dass bei der Entziehung oder Herabsetzung die Verwaltung in Rechtsverhältnisse eingriff, die in den meisten Fällen dem laufenden Unterhalt zu dienen bestimmt waren und zu einer Verschlechterung der aktuellen wirtschaftlichen Lage führten. Daraus und aus dem Merkmal der Entziehung ist zuweilen für das frühere Recht gefolgert worden, die Vollzugsaussetzung sei nicht bei den ausschließlich mit Wirkung für die Vergangenheit verfügten Entziehungen statthaft (vgl. Bley in SozVersGesKomm § 86 Anmerkung 7c und § 97 Anmerkung 11c); bei diesen sei der Leistungsempfänger schon wegen der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage wegen der Erstattung vor einer Inanspruchnahme geschützt. Dieser Auffassung könnte für das frühere und kann für das neue Recht jedenfalls für die Fälle einer ausschließlich vergangenheitsbezogenen Aufhebung der Bewilligung nicht gefolgt werden, bei denen - wie hier - die Aufhebung nicht mit einer Erstattung einhergeht, sondern die Leistung eingestellt und wegen der nachfolgenden Aufhebung auch nicht nachgezahlt wurde, mit dem einstweiligen Rechtsschutz aber eben diese Nachzahlung erreicht werden soll. In § 331 SGB III ist der Bundesanstalt für Arbeit zum Schutz vor Überzahlungen ausdrücklich die Möglichkeit eröffnet worden, Leistungen schon vor der Aufhebung der Bewilligung einzustellen. Mit der nachfolgenden Aufhebung wird dann aber ebenfalls die wirtschaftliche Lage des Adressaten zu seinem Nachteil verändernd der laufende Leistungen mit Lohnersatzcharakter bewilligende Bescheid ganz oder teilweise beseitigt. Auch in einem solchen Fall will der Betroffene ähnlich einer zukunftsgerichteten Aufhebung ohne vorausgegangene Leistungseinstellung erreichen, dass ihm die vorenthaltende Leistung nachgezahlt wird. Wollte man hier Widerspruch und Klage bereits mit aufschiebender Wirkung ausstatten, würde der Zweck des § 331 SGB III, die Bundesanstalt für Arbeit schon vor Erlass des Aufhebungsbescheides vor Überzahlungen zu schützen, unterlaufen. Bei gestaltenden Verwaltungsakten hat die aufschiebende Wirkung nämlich die Bedeutung, dass während des dadurch eintretenden Schwebezustandes keine Folgerungen aus dem angefochtenen Verwaltungsakt gezogen werden dürfen, Leistungen also weiter nach der früheren Bewilligung gezahlt werden müssen (vgl. BSG SozR 3-1300 § 50 Nr. 20).

Nach alledem ist wegen der fehlenden aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage das Begehren auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung statthaft, auch sonst zulässig, jedoch nicht begründet. Bei der Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung sind das öffentliche Interesse an der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes und die privaten Belange des Klägers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegeneinander abzuwägen, wobei unter dem Gesichtspunkt des öffentlichen Interesses die Erfolgsaussichten eines Rechtsbehelfs jedenfalls insoweit zu berücksichtigten sind, als er offensichtlich begründet oder aussichtslos erscheint (vgl. BSGE 4, 151, 155 zum früheren § 97 Abs. 3 SGG; vgl. Senatsbeschluss vom 21. Oktober 1998 - L 13 AL 2734/98 ER-B - zum früheren § 97 Abs. 2 Satz 1 SGG). Daraus ergibt sich, dass die aufschiebende Wirkung anzuordnen ist, wenn bei summarischer Prüfung die angefochtenen Bescheide offensichtlich rechtswidrig sind, so dass die deswegen anhängige Anfechtungsklage voraussichtlich Erfolg hat. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist hingegen abzulehnen, wenn die angegriffenen Bescheide offensichtlich rechtmäßig sind. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens hat das Gericht das vom Gesetzgeber generell angenommene oder im Einzelfall konkret bestehende Sofortvollzugsinteresse und das individuelle Suspensivinteresse gegeneinander abzuwägen. Überwiegt das Suspensivinteresse, was in entsprechender Anwendung von § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG auch der Fall ist, wenn der Sofortvollzug für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte, ist die aufschiebende Wirkung anzuordnen; übersteigt das Suspensivinteresse das öffentliche Vollzugsinteresse nicht, hat es bei der gesetzlichen angeordneten sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts zu verbleiben.

Bei summarischer Prüfung lässt sich weder die offensichtliche Rechtswidrigkeit noch die offensichtliche Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 17. November 2000 in der Fassung des Bescheids vom 23. Februar 2001, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. März 2001 feststellen. Allerdings spricht deutlich mehr dafür als dagegen, dass die Voraussetzungen für die Bewilligung von Alhi in der Zeit vom 1. Oktober bis 13. November 2000 gefehlt haben. Voraussetzung für den Anspruch auf Alhi (vgl. § 198 Satz 2 Nr. 3 SGB III) ist die Arbeitslosigkeit, zu welcher die Beschäftigungssuche und zu letzterer wiederum die Arbeitsfähigkeit gehört (§§ 118 Abs. 1 Nr. 2, 119 SGB III). Arbeitsfähig ist ein Arbeitsloser, der Vorschlägen des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann (§ 199 Abs. 3 Nr. 3 SGB III). Aufgrund der Ermächtigung in §§ 152 Nr. 2, 376 Abs. 1 Satz 1 SGB III (vgl. BSGE 88, 172, 177; BSG SozR 3-4300 § 119 Nr. 4) bestimmt hierzu die Erreichbarkeits-Anordnung (EAO) vom 23. Oktober 1997 in § 1 Abs. 1 Satz 1, dass Vorschlägen des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann, wer in der Lage ist, unverzüglich Mitteilungen des Arbeitsamtes persönlich zur Kenntnis zu nehmen (Nr. 1), das Arbeitsamt aufzusuchen (Nr. 2), mit einem möglichen Arbeitgeber oder Träger einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme in Verbindung zu treten und bei Bedarf persönlich mit diesem zusammenzutreffen (Nr. 3) und eine vorgeschlagene Arbeit anzunehmen oder an einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme teilzunehmen (Nr. 4). Der Arbeitslose hat nach § 1 Abs. 1 Satz 2 EAO deshalb sicherzustellen, dass das Arbeitsamt ihn persönlich an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt unter der von ihm genannten Anschrift (Wohnung) durch Briefpost erreichen kann. Der Kläger hat im Antrag auf Alhi vom 25. Mai 2000 als Wohn- und Postanschrift M. 13 in dem zur Gemeinde Ü.-B. gehörenden Ortsteil U. angegeben. Es ist schon ungeklärt, ob der Kläger in der streitbefangenen Zeit dort seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Sinn von § 30 Abs. 3 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) hatte und deshalb seine Angaben im Antrag richtig waren. Der Kläger hat seinen Angaben zufolge "Tricksereien und Winkelzüge veranstaltet, um im privaten Bereich ungewollte Besucher zu täuschen" (so sein Widerspruch vom 24. November 2000), genauer, um sich seinen Gläubigern zu entziehen (Beratungsvermerk vom 14. November 2000). Nur deshalb habe er Ende 1999 seinen Auszug dort und die polizeiliche Abmeldung nach D., P.straße 91 vorgetäuscht, praktisch aber durchgehend die im Antrag angegebene Wohnung beibehalten. Fest steht indes, dass der Kläger wegen dieses Täuschungsmanövers dort am Briefkasten nicht mehr erwähnt war und er seit 29. Juli 2000 (so z.B. sein Widerspruch vom 24. November 2000, Schreiben vom 20. Dezember 2000) bzw. seit 27. September 2000 (Schreiben vom 14. November 2000) ein Postfach ohne Nachsendeauftrag eingerichtet hatte. Auch für den Fall, dass der Kläger unter der dem Arbeitsamt angegebenen Anschrift seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt gehabt hätte, wäre er deshalb dort für das Arbeitsamt postalisch nur erreichbar gewesen, wenn er dem Arbeitsamt die Postfachanschrift einschließlich der Postfachnummer mitgeteilt und sich darüber hinaus jeden Werktag von Montag bis Freitag von den im Postfach eingehenden Sendungen Kenntnis verschafft hätte (vgl. hierzu BSG SozR 3-4300 § 119 Nr. 2; dort auch zur postalischen Erreichbarkeit der am Samstag eingehenden Briefpost; BSGE 88, 172, 175 f). Zwar behauptet der Kläger (Schreiben vom 20. Dezember 2000), den Bediensteten K. am 3. August 2000 bei dessen Besuch vom Postfach unterrichtet zu haben. Für den Fall, dass damals schon das Postfach eingerichtet war, könnte dieser Vortrag erheblich und ihm deshalb im Rahmen der durch § 103 SGG gebotenen Aufklärung nachzugehen sein. Derzeit spricht gegen die Richtigkeit der Behauptung des Klägers, dass weder in der - wohl anlässlich des Besuchs des Bediensteten K. gefertigten - schriftlichen Erklärung des Klägers vom 3. August 2000 noch im Einzelprüfbericht vom 3. August 2000 die Einrichtung des Postfachs erwähnt wird; der Kläger selbst räumt ein, dem Arbeitsamt die Postfachnummer erst am 15. November 2000 mitgeteilt zu haben. Dass der Kläger das Postfach täglich aufgesucht und sich von den eingegangenen Sendungen Kenntnis verschafft hat, ist bislang ebenfalls nicht nachgewiesen, nicht einmal behauptet. Dagegen spricht entscheidend, dass der Kläger selbst eingeräumt hat (Schreiben vom 14. November 2000), wegen des Postfaches sei er postalisch im schlechtesten Fall mit einigen Tagen Verzögerung erreichbar gewesen; der hierzu gegebene spätere Erklärungsversuch überzeugt nicht. Durchschlagende Zweifel am Vorliegen der Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, Nr. 4 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch bestehen ebenfalls nicht.

Bei der derzeitigen Sachlage erscheint ein Obsiegen des Klägers zwar nicht unmöglich; es spricht aber mehr dafür, dass seine Anfechtungsklage unbegründet ist. Selbst wenn der Ausgang des Hauptsacheverfahrens als offen zu bezeichnen wäre, müsste bei der dann gebotenen Interessenabwägung berücksichtigt werden, dass die Erfolgschancen des Klägers als sehr gering anzusehen sind, durch die sofortige Vollziehung keine unabänderlichen Tatsachen geschaffen werden und dem infolge des gesetzlichen Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung generell bestehenden Sofortvollzugsinteresse auch sonst kein höherrangiges Interesse des Klägers, die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet zu erhalten, gegenüber steht. Insbesondere stellt die Vorenthaltung der Alhi für den relativ kurzen Zeitraum von 1. Oktober bis 13. November 2000 keine unbillige Härte dar; dem Kläger ist zuzumuten, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.

Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (vgl. § 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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