L 4 KR 4878/01

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 2726/01
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 4878/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
indessen der freiwilligen Mitgliedschaft in der Krankenversicherung - verschaffte Hinweispflicht
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die freiwillige Mitgliedschaft des Klägers bei der Be-klagten infolge Zahlungsverzugs zum 15. Juni 1995 geendet hat.

Der 1963 geborene Kläger war seit 01. März 1993 bei der Beklagten freiwillig krankenversi-chert. Er ist aufgrund einer pränatalen Hirnschädigung zu einer eigenverantwortlichen Lebens-führung nicht in der Lage. Bis 10. März 1995 war sein Bruder M. S. vom Amtsgericht (AG) - Vormundschaftsgericht (VG) Bruchsal als Betreuer bestellt. Mit Schreiben vom 06. Februar 1995 wandte sich die Beklagte an diesen, zu dem sie seit Mai 1994 vergeblich versucht hatte, Kontakt aufzunehmen, und bat um Information, ob der Kläger Sozialhilfe erhalte, weil sich dann der Beitrag zur Krankenversicherung (KV) verringere. Deshalb sei seit Februar 1994 der KV-Beitrag nicht mehr vom Bankkonto abgebucht worden. Der monatliche KV-Beitrag betrage, nachdem der Landeswohlfahrtsverband (LWV) mitgeteilt habe, dass Sozialhilfe nicht gezahlt werde, weiterhin DM 457,50, ab 01. April 1994 DM 427, 50. Hinzu komme die ab 01. Januar 1995 beginnende soziale Pflegeversicherung (PV), deren monatlicher Beitrag DM 37,50 betrage. Der Rückstand betrage bis 31. Dezember 1994 DM 4.762,50. Die Beklagte kündigte für den Fall einer Nichtäußerung auch bezüglich Ratenzahlung die Abbuchung vom Bankkonto des Klägers am 13. Februar 1995 an. Die Lastschrift über DM 5.227,50 ging am 17. Februar 1995 zuzüglich DM 10,50 Gebühren an die Bank der Beklagten zurück. Hierauf wandte sich die Beklagte mit Schreiben vom 23. Februar 1995 an das VG Bruchsal unter Übersendung einer Abschrift an den Betreuer des Klägers und wies auf die Rücklastschrift, die Beitragsschuld bis einschließlich Ja-nuar 1995 von DM 5.238,00 sowie darauf hin, dass die Mitgliedschaft des Klägers zum 15. März 1995 kraft Gesetzes ende, falls zu diesem Zeitpunkt kein Geldeingang verbucht worden sei. Mit Schreiben vom 13. März 1995 an den Kläger stellte die Beklagte die Beendigung der Mitglied-schaft nach § 191 Nr. 3 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) zum 15. März 1995 fest und teilte als Beitragsrückstand zum 13. März 1995 DM 5.238,00 mit. Am 06. März 1995 hörte die Mitarbeiterin der Beklagten S. eine Aufzeichnung eines Anrufs des Bruders des Klä-gers auf dem Anrufbeantworter ab, der sich wegen der KV-Beiträge am Montag, dem 06. März 1995 melden wollte.

Nach Anhörung der Klägers im Wohnheim der Lebenshilfe in B. am 06. März 1995 ernannte das VG Bruchsal mit Beschluss vom 10. März 1995 (2 XVII 24/93) unter Entlassung des bisherigen Betreuers M. S. Rechtsanwalt W. M. zum neuen Betreuer. Bei der Beklagten ging eine Ausferti-gung des Beschlusses am 21. April 1995 ein. Die Ausstellung des Betreuerausweises für Rechts-anwalt M. erfolgte infolge Überlastung des VG erst am 11. Mai 1995. Das VG veranlasste am selben Tage die Freigabe von DM 20.000,00 vom Konto des Klägers zugunsten des neuen Be-treuers. Rechtsanwalt M. meldete sich schon am 15. März 1995 bei der Beklagten als Betreuer unter dem Hinweis, finanziell gebe es keine Probleme, und erläuterte im Einzelnen mit Schrei-ben vom 19. April 1995 die Situation, die Alkoholproblematik beim Bruder des Klägers sowie seine verzögerte förmliche Bestellung und sagte die Zahlung der Rückstände von ca. DM 6.000,00 aus dem Vermögen und Erbe des Klägers sowie die Zahlung der laufenden Beiträ-ge zu. Mit Schreiben vom 26. April 1995 bezifferte die Beklagte den Beitragsrückstand in der KV vom 01. Februar 1994 bis 30. April 1995 auf DM 6.472,50, die Beiträge zur PV vom 01. Januar bis 30. April 1995 auf DM 150,00 sowie Säumniszuschläge auf DM 116,00, somit die Höhe der Gesamtforderung auf DM 6.738,50 und wies auf den 15. des Folgemonats als Zahltag für den Vormonat hin (Fax an Rechtsanwalt M. vom 28. April 1995). Nachdem keine Zahlung erfolgte, wandte sich die Beklagte mit Schreiben vom Montag, den 29. Mai 1995 an Rechtsan-walt M. mit dem Hinweis, dass die freiwillige Mitgliedschaft mit dem Ablauf des nächsten Zahltages ende, wenn für zwei Monate die freiwilligen Beiträge trotz Hinweis auf die Folgen nicht entrichtet worden seien. Ferner enthält das Schreiben folgenden Text: "Nach unserer Satzung werden die Beiträge am 15. des Monats fällig, der dem jeweiligen Bei-tragsmonat folgt. Bis 30. April 1995 besteht ein Beitragsrückstand von DM 6.830,52. Auf unser Schreiben vom 26. April 1995 haben Sie bisher nicht reagiert. Sollten wir bis zum 15. Juni 1995 keinen Zahlungseingang verbuchen können, werden wir die freiwillige Mitgliedschaft zum 15. Juni 1995 beenden". Dieses Schreiben ging am Dienstag nach Pfingsten, dem 06. Juni 1995, bei der Kanzlei von Rechtsanwalt M., der sich in Urlaub befand, ein. Dessen Mitarbeiterin W. wandte sich telefonisch am 07. Juni 1995 an die Beklagte mit dem Hinweis, dass das Geld kom-me. Die Mitarbeiterin P. der Beklagten wies nach ihrem Aktenvermerk nochmals auf den Termin 15. Juni 1995 hin. Dieser Tag war Fronleichnam, ein gesetzlicher Feiertag in Baden-Württemberg. Mit Fernkopie vom darauf folgenden Freitag, dem 16. Juni 1995 an die Beklagte bezog sich Rechtsanwalt M. auf das Telefonat seiner Mitarbeiterin W. vom 07. Juni 1995 sowie auf die Schwierigkeiten bei der Abhebung von Mündelgeld in Höhe von zunächst DM 20.000,00 infolge der verspäteten Betreuerausweisübersendung und kündigte die umgehende Überweisung der rückständigen Beiträge von DM 6.830,52 an, die am 23. Juni 1995 auf dem Konto der Be-klagten bei der Baden-Württembergischen Bank (BW) einging. Am 21. Juni 1995 ging bei der Beklagten eine von Rechtanwalt M. erteilte Einzugsermächtigung vom 20. Juni 1995 ein. Mit Schreiben vom 03. Juli 1995 bezifferte die Beklagte die Beiträge für die Monate Mai und den halben Monat Juni bis 15. Juni 1995 bezüglich der KV und PV einschließlich Säumniszuschlä-gen von DM 71,00 auf DM 768,52 und machte von der Abbuchungsermächtigung Gebrauch. Die Beklagte verwies weiter darauf, dass die freiwillige Mitgliedschaft des Klägers am 15. Juni 1995 infolge Nichtzahlung der Beiträge innerhalb der Frist geendet habe. Am 20. Juli 1995 wandte sich Rechtsanwalt M. nochmals telefonisch an die Mitarbeiterin P. der Beklagten, ob die Entscheidung endgültig sei, was diese nach Rücksprache beim Mitarbeiter Pf.der Beklagten bes-tätigte.

Der Kläger erhielt in der Folgezeit Krankenhilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) durch die Träger der Sozialhilfe, nahm jedoch auch noch Leistungen der Beklagten in Anspruch.

Mit am 12. Februar 1997 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben vom 07. Februar 1997 meldete sich der jetzige Betreuer bei der Beklagten, legte den Schriftverkehr mit Rechtsanwalt M. sowie den Betreuerausweis vom 07. November 1996 vor und forderte die Beklagte auf, den Kläger wieder als Mitglied in die Krankenkasse aufzunehmen, was die Beklagte mit Schreiben vom 18. Februar 1997 unter Hinweis auf die Bestandskraft des Bescheids vom 03. Juli 1995 ab-lehnte. Mit förmlichem Bescheid vom 17. Dezember 1997 wies sie den Betreuer darauf hin, dass für eine Neubegründung der Mitgliedschaft des Klägers keine der in § 9 Abs. 1 SGB V genann-ten Versicherungsmöglichkeiten vorliege. Am 27. Juli 2000 machte der LWV Baden einen Er-stattungsanspruch wegen der für den Kläger in der Zeit vom 01. Juli 1996 bis 30. Juni 2000 er-brachten Leistungen über DM 24.000,00 geltend und vertrat die Auffassung, der damalige Be-treuer Rechtsanwalt M. habe mit dem Schreiben vom 16. Juni 1995 rechtzeitig Stundung ver-langt. Mit Schreiben vom 13. September 2000 lehnte die Beklagte das Begehren des LWV unter Hinweis auf die fehlende Antragsberechtigung des LWV ab und sandte die übersandten Unterla-gen samt Erstattungsantrag zurück.

Ausgangspunkt des Verfahrens ist der Antrag des jetzigen Betreuers des Klägers vom 14. Februar 2001, die Feststellung der Beendigung der Mitgliedschaft zum 15. Juni 1995 gemäß § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) zu überprüfen. Er wies darauf hin, dass auch Jahre nach Beendigung der Mitgliedschaft von der Beklagten Leistungen an den Kläger erbracht worden seien, was von sich aus schon einen Vertrauenstatbestand begründe. Mit Be-scheid vom 02. April 2001 wies die Beklagte den Antrag unter Hinweis auf die Gründe der Be-scheide vom 03. Juli 1995 und 17. Dezember 1997 sowie mit der weiteren Begründung zurück, es sei unter Bezugnahme auf die Ausführungen des LWV lediglich eine neue rechtliche Bewer-tung von Tatsachen vorgenommen worden, die bereits bei Erlass der genannten Bescheide be-kannt gewesen seien. Die Rechtslage habe sich nicht geändert. Den hiergegen eingelegten Wi-derspruch wies der bei der beklagten Bezirksdirektion Mittlerer Oberrhein gebildete Wider-spruchsausschuss mit Widerspruchsbescheid vom 25. Juni 2001 zurück.

Hiergegen wandte sich der Kläger im Klageverfahren beim Sozialgericht (SG) Karlsruhe mit dem Begehren, den Verwaltungsakt vom 03. Juli 1995 zurückzunehmen. Es sei in dem Telefon-gespräch zwischen der Angestellten des früheren Betreuers W. und der Bediensteten P. der Be-klagten Stundung gewährt worden. Es komme darauf an, dass ein rechtswidriger Verwaltungsakt keinen Bestand haben dürfe. Zur weiteren Begründung verwies der Kläger auf das Klageverfah-ren S 5 KR 1629/01, in dem die Feststellung des Fortbestehens der Mitgliedschaft des Klägers über den 15. Juni 1995 hinaus begehrt worden ist. Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage ihrer Verwaltungsakten und Hinweis auf die Begrün-dung des Widerspruchsbescheids entgegen. Das SG gab mit Urteil vom 29. Oktober 2001, das der Beklagten gegen Empfangsbekenntnis am 15. November 2001 zugestellt wurde, der Klage statt und verpflichtete die Beklagte unter Auf-hebung des Bescheids vom 02. April 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Juni 2001, den Bescheid vom 03. Juli 1995 zurückzunehmen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit der am 13. Dezember 2001 schriftlich beim Landessozialgericht (LSG) eingegangenen Berufung, zu deren Begründung sie auf die mangeln-den Voraussetzungen für das Verfahren nach § 44 SGB X verweist. Bei einer Entscheidung be-züglich der Mitgliedschaft könnten Sozialleistungen nicht zu Unrecht erbracht werden, so dass sie nicht verpflichtet gewesen sei, in eine erneute Sachprüfung einzutreten. Ferner habe das Bun-dessozialgericht (BSG) eine rückwirkende Begründung einer Mitgliedschaft abgelehnt (Urteil vom 08. Dezember 1999 [B 12 KR 12/99 R] = SozR 3 - 2500 § 8 Nr. 4). Im Übrigen sei ihr fest-stellender Bescheid vom 03. Juli 1995 rechtmäßig gewesen. Die Voraussetzungen des § 191 Nr. 3 SGB V seien erfüllt gewesen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 29. Oktober 2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das Urteil des SG für richtig. Eine am Montag, den 17. Dezember 2001 eingelegte An-schlussberufung hat der Kläger nicht mehr weiterverfolgt.

Der Berichterstatter hat den Sachverhalt mit den Beteiligten am 13. Februar 2002 erörtert und die Akten des SG Karlsruhe S 5 KR 1629/01 und S 5 KR 3709/97 beigezogen. Die Feststellungskla-ge des Klägers im Verfahren S 5 KR 1629/01 hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 22. Februar 2002 abgewiesen. Der Berichterstatter hat weiter die Vormundschaftsakten des AG Bruchsal (2 XVII 24/93) beigezogen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die beigezogenen Akten des SG Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die entsprechend den Form- und Fristvorschriften des § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) eingelegte Berufung der Beklagten ist statthaft und zulässig. Sie ist jedoch nicht begrün-det. Das SG hat zu Recht entschieden, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Bescheid vom 03. Juli 1995 zurückzunehmen. Der dies ablehnende Bescheid der Beklagten vom 02. April 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Juni 2001 verletzt den Kläger ebenso in sei-nen Rechten wie der das Ende der freiwilligen Mitgliedschaft des Klägers zum 15. Juni 1995 feststellende Bescheid der Beklagten vom 03. Juli 1995. Die Beklagte ist verpflichtet, im Rah-men des § 44 SGB X diesen Bescheid zurückzunehmen. Das SG hat die in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen zutreffend dargestellt und sein statt-gebendes Urteil zutreffend begründet. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen zur Vermei-dung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG in vollem Umfang an. Ergänzend ist im Hinblick auf das Vorbringen der Beteiligten im Berufungsverfahren auszuführen:

Der das Ende der freiwilligen Mitgliedschaft zum 15. Juni 1995 feststellende Bescheid der Be-klagten vom 03. Juli 1995 ist objektiv rechtswidrig. Hierbei geht der Senat davon aus, dass das von der Mitarbeiterin W. des Rechtsanwalts M. möglicherweise am Mittwoch, dem 07. Juni 1995 erhobene Stundungsbegehren, das sich auch aus dem Aktenvermerk der Beteiligten W. und P. ergibt, nicht positiv beschieden wurde. Soweit vom LWV, auf dessen Schreiben vom 20. Juli 2000 sich der Kläger in diesem Verfahren bezogen hat, dargestellt wurde, dass der Stun-dungsantrag am Montag, dem 16. Juni 1995 rechtzeitig gestellt und nicht beschieden worden sei, geht der LWV insoweit von falschen Voraussetzungen aus, nachdem der 16. Juni 1995 kein Montag, sondern ein Donnerstag, und in Baden-Württemberg ein Feiertag (Fronleichnam) gewe-sen ist. Dabei ist hier nicht zu entscheiden, ob auf das Ende der Mitgliedschaft nach § 191 Nr. 3 SGB V mit dem Ablauf des nächsten Zahltages, wenn für zwei Monate die fälligen Beiträge trotz Hinweises auf die Folgen nicht entrichtet wurden, die Regeln des § 193 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) anwendbar wären, da es sich insoweit nicht um eine Frist, sondern einen Termin handelt (vgl. von Wulffen, SGB X, 4. Auflage, Rdnr. 3 und 11 zu § 26).

Offen bleiben kann, ob die Beklagte im Schreiben vom Montag, dem 29. Mai 1995, das im Büro des damaligen Betreuers am Dienstag nach Pfingsten, dem 06. Juni 1995 einging, hinreichend über die Folgen der Nichtzahlung belehrt hat. Der Hinweis bezog sich auf einen zwei Monatsbei-träge bei weitem übersteigenden Rückstand zum 30. April 1995 und auch auf die Fälligkeit des Beitrages für den Monat April 1995 am 15. Mai 1995. Die Beklagte konnte somit auf den 15. Juni 1995 als Zeitpunkt der Beendigung der Mitgliedschaft bei Zahlungsverzug für zwei Monate hinweisen. Zu dem Hinweis auf die Folgen gehört wohl auch, und dies hat der Betreuer des Klägers unter Hinweis auf den Beschluss des LSG Sachsen-Anhalt vom 14. November 2001 (L 4 B 11/01 ER) vorgetragen, dass der Hinweis auf die Folgen auch die Information enthalten muss, dass der Versicherte zugleich aus dem gesamten System der gesetzlichen Krankenversi-cherung ausgeschlossen wird und dass kein Recht besteht, freiwilliges Mitglied auch irgendeiner anderen gesetzlichen Krankenkasse zu werden, solange der Versicherte die gesetzlichen Voraus-setzungen für eine Mitgliedschaft nicht neu erfüllt, vor allem durch eine vorangegangene Pflichtversicherung von hinreichender Dauer.

Der Hinweis auf die Folgen kann sich demnach nicht darauf beschränken, dass die Mitglied-schaft bei dieser gesetzlichen Krankenkasse beendet wird, er muss weiter auch deutlich machen, dass es sich nicht nur um einen Ausschluss aus der jetzigen Krankenkasse, sondern um einen Ausschluss aus der gesetzlichen Krankenversicherung insgesamt handelt. Ohne einen dement-sprechenden Hinweis wären die Rechtsfolgen des § 191 Nr. 3 SGB V ausgeschlossen. Dies ent-spricht auch Hinweisen des Bundesversicherungsamts (BVA) in neuerer Zeit. § 191 Nr. 3 SGB V enthält keine genauere Umschreibung, welche Folgen der Hinweis benennen muss. Da jedoch gesetzliche Hinweispflichten dem Betroffenen die Möglichkeit geben sollen, sein Verhal-ten in Anbetracht der drohenden Folgen zu überdenken, müsste ihm deshalb durch eine konkrete, richtige, vollständige und verständliche Belehrung die Rechtsfolge seines Tuns oder Unterlas-sens deutlich gemacht werden (vgl. Seewald in KassKomm Rdnr. 12 zu § 66 SGB I m.w.N. so-wie BSG Urteil vom 11. Mai 2000 [B 7 AL 54/99 R] = SozR 3 – 4300 § 156 Nr. 1). Im Hinblick auf die bisherige weithin anerkannte Praxis der Krankenkassen, der auch die Be-klagte gefolgt ist, lässt der Senat dahingestellt, ob die neueren präziseren Anforderungen an den Hinweis auf die Folgen bei einem Vorgang aus dem Jahr 1995 anzuwenden sind. Entscheidend ist vielmehr, ob die Beklagte im Hinblick auf die beim Kläger gegebene Sondersituation durch Untätigkeit des früheren Betreuers infolge Alkoholerkrankung, über zwei Monate Zeitablauf bis zur Zusendung des Betreuerausweises an den neuen Betreuer durch das AG Bruchsal und dessen Schwierigkeiten, die Verfügungsberechtigung über das Vermögen des Klägers zu erlangen, eine Nachfrist hätte setzen müssen (vgl. hierzu Peters KassKomm § 191 SGB V Rdnr. 13), zumal ihr gesamtes Verhalten durch Einräumung immer neuer Zahlungsziele ihre Reaktion, als die Zah-lung dann mit wenigen Tagen Verspätung erfolgte, unerwartet erscheinen lässt. Damit brauchte der damalige Betreuer des Klägers nicht zu rechnen. Jedenfalls hätte die Beklagte allen Anlass gehabt, auf die Stundungsbitte eindeutig zu erklären, dass sie nunmehr auch keine noch so gerin-ge Verzögerung hinzunehmen bereit sei. Der von Gesetzes wegen (bei vollständiger Belehrung über die Folgen) eintretende Ausschluss findet nicht statt, wenn sich die Beteiligten noch in Ver-handlungen über die Beitragszahlung befinden. Ein Verhalten wie im vorliegenden Fall wäre mit den auch im öffentlichen Recht anzuwendenden Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 des Bürgerlichen Gesetzbuchs [BGB]) nicht in Einklang zu bringen.

Das Schreiben der Beklagten an den früheren Betreuer des Klägers, Rechtsanwalt M., vom 29. Mai 1995 enthält zwei unterschiedliche Aussagen. Zum einen wird auf den Beitragrückstand für über zwei Monate und die Folge der Beendigung der freiwilligen Mitgliedschaft zum 15. Juni 1995 hingewiesen. Zum anderen enthält es auch eine Nachfristsetzung zum Ausgleich des Bei-tragsrückstandes bis zum 15. Juni 1995. Hinsichtlich dieser Fristsetzung für die Zahlung gilt § 193 BGB, wonach im Falle, dass innerhalb einer Frist eine Leistung zu bewirken ist und der bestimmte Tag oder der letzte Tag der Frist auf einen Sonntag, einen am Erklärungs- oder Leistungsort staatlich anerkannten allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend fällt, an die Stelle eines solchen Tages der nächste Werktag tritt. Danach endete die mit Schreiben vom 29. Mai 1995 gesetzte letzte Zahlungsfrist zur Vermeidung des Endes der freiwilligen Mitgliedschaft zum 15. Juni 1995 am Freitag, dem 16. Juni 1995, da Donnerstag, der 15. Juni 1995 in Baden-Württemberg ein gesetzlicher Feiertag ist. Ganz abgesehen von der Frage, ob die Zahlungsfrist in Form einer Nachfrist durch die Beklagte über den Zeitpunkt hinausgehen kann, an dem die Mit-gliedschaft an sich endet, war die Beklagte aufgrund der Gesamtsituation gehalten, auf das Be-gehren des damaligen Betreuers des Klägers in dessen Schreiben vom 16. Juni 1995 (per Fern-kopie am selben Tage bei der Beklagten eingegangen) im Hinblick auf die Schwierigkeiten bei der Abhebung des Mündelgeldes eine weitere Nachfrist zu gewähren. Rechtsanwalt M. hat in diesem Schreiben auf § 193 BGB ebenso hingewiesen wie darauf, dass seine Mitarbeiterin W. am 07. Juni 1995 im Gespräch mit der Mitarbeiterin P. der Beklagten ebenfalls um Fristverlän-gerung gebeten habe. Rechtsanwalt M. hat weiter dargestellt, dass er zwar die beantragte Er-mächtigung zur Abhebung von Mündelgeld in Höhe von zunächst DM 20.000,00 vom Girokonto des Betreuten bei der Bezirkssparkasse Eppingen gehabt habe, das Konto aber bislang mit einem Sperrvermerk versehen gewesen sei. Durch eine persönliche Vorsprache in der kommenden Wo-che, d.h. am 19. oder 20. Juni (Montag oder Dienstag) wollte er die Überweisung der rückständi-gen Beiträge von DM 6.830,52 veranlassen. Die Beklagte war auch deshalb gehalten, eine Frist-verlängerung zu gewähren, da das Schreiben vom 29. Mai 1995 erst am Dienstag nach Pfingsten, dem 06. Juni 1995 beim Büro des damaligen Betreuers einging, somit die Frist tatsächlich – wie das SG ausgeführt hat -äußerst kurz bemessen war, zumal der Beitragsrückstand zum 30. April 1995 unter Beachtung des Fälligkeitstermins für den Aprilbeitrag am 15. Mai 1995 schon zwei Wochen vor der Abfassung des Schreibens vom 29. Mai 1995 bekannt war.

Weiter war die Beklagte auch deshalb gehalten, auf die Gesuche vom 07. Juni (Frau W.) und 16. Juni 1995 (Fernkopie des Schreibens vom 16. Juni 1995) eine Nachfrist zu gewähren, da sie schon im März 1995 im Zuge des Betreuerwechsels von einer eigentlich eingetretenen Beendi-gung der Mitgliedschaft zum 15. März 1995 ohne weiteres abgesehen hat. Auch das Schreiben vom 26. April 1995, das Rechtsanwalt M. ebenfalls mit Fernkopie am 28. April 1995 übermittelt wurde, enthält keine Hinweise auf eine nunmehr wieder drohende Beendigung der Mitglied-schaft infolge des Beitragsrückstandes, der in diesem Schreiben einschließlich Säumniszuschlä-gen auf DM 6.738,50 beziffert wurde. Es enthält vielmehr weiter nur die Anfrage, wie künftig die Beiträge abgebucht werden können. Zu berücksichtigen ist auch, dass der Betreuerausweis bei Rechtsanwalt M. erst am 11. Mai 1995 einging und vom VG die Freigabe von DM 20.000,00 erst am 11. Mai 1995 verfügt wurde, wobei aus den Vormundschaftsakten nicht ersichtlich ist, wann diese Freigabe Rechtsanwalt M. erreichte. Weiter ist im Rahmen einer Gesamtbewertung zu berücksichtigen, dass die Beklagte die Umstände des Betreuerwechsels konnte und wusste, dass die entsprechende Legimation des neuen Betreuers bei der Bezirkssparkasse E., wo das Konto des Klägers geführt wurde, eine gewisse Zeit in Anspruch nahm, zumal das Konto mit einem Sperrvermerk versehen war. Somit konnte sich die Beklagte nicht plötzlich mit dem am Montag, dem 29. Mai 1995 datierten, nach der aus den Akten ersichtlichen Praxis ein bis zwei Tage später zur Post gegebenen Schreiben mit einer dadurch derart kurz bemessenen, über das Ende der Mitgliedschaft tatsächlich hinausreichenden Zahlungsfrist von ihrer bisherigen Praxis ohne längere Frist abweichen. Wie ausgeführt, enthält das Schreiben vom 26. April 1995, das nach einem Vermerk der Mitarbeiterin P. am 27. April 1995 zur Post gegeben, jedoch aus nicht weiter ersichtlichen Gründen dem damaligen Betreuer am 28. April 1995 nochmals gefaxt wur-de, keinen Hinweis auf die Möglichkeit einer Beendigung der Mitgliedschaft infolge eines Bei-tragsrückstandes von damals schon 19 Monaten. Diese Erwägungen führen dazu, dass die Be-klagte auf das Ansuchen der Mitarbeiterin W. vom 07. Juni und das Schreiben des damaligen Betreuers M. vom 16. Juni 1995 gehalten war, eine Nachfrist zu gewähren. Tatsächlich ist die Zahlung auf dem Konto der Beklagten bei der BW-Bank in Karlsruhe am 23. Juni 1995 einge-gangen.

Somit erwies sich die Berufung der Beklagten als unbegründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für die Zulassung der Revision bestand kein Anlass, da es sich um keine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung handelt.
Rechtskraft
Aus
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