L 5 AL 2392/01

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 9 AL 2776/98
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 AL 2392/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 59/02 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Bei der Entscheidung über die Anerkennung einer Maßnahme für die Weiterbildungsförderung handelt es sich gegenüber dem Maßnahmeträger um einen Verwaltungsakt. Dabei sind auf einem regional einheitlichen Arbeitsmarkt die Bildungsträger bezüglich der Prognose der arbeitsmarktlichen Zweckmäßigkeit gleich zu behandeln.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 7. Februar 2001 wird zurückgewiesen.Es wird festgestellt, dass der Verwaltungsakt vom 9. Juli 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Oktober 1998 rechtswidrig war.

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung der Maßnahme "Physiotherapeut" vom 2 November 1998 bis 31. Oktober 2001 für die Weiterbildungsförderung streitig.

Die Klägerin betreibt im Z. ein Ausbildungszentrum, dem durch Bescheid des Sozialministe-riums Baden-Württemberg vom 21. Oktober 1997 hinsichtlich der Ausbildung von Physiothera-peuten nach § 9 des Gesetzes über die Berufe der Physiotherapie (MPhG) mit Wirkung vom 15. Oktober 1997 - hinsichtlich der verkürzten Ausbildungen nach § 12 MPhG bereits mit Wirkung vom 1. März 1996 - die Eigenschaft einer staatlich anerkannten Ersatzschule verliehen wurde.

Am 8. Juni 1998 reichte sie bei dem Arbeitsamt B. (AA) den "Erhebungsbogen für berufliche Weiterbildungsmaßnahmen" zwecks Anerkennung einer weiteren für die streitbefangene Zeit geplanten Weiterbildungsmaßnahme ein, wonach die P. schule theoretischen und prakti-schen Unterricht vom 2. November 1998 bis 31. Oktober 1999 und vom 2. November 2000 bis 29. September 2001 sowie praktische Ausbildung in medizinischen Einrichtungen (vom 2. November 1999 bis 31. Oktober 2000) für 30 Teilnehmer mit dem Ziel einer staatlichen Ab-schlussprüfung (vom 4. Oktober 2001 bis 31. Oktober 2001) anbiete. Die Gesamtstundenzahl von 4.645 gliedere sich auf in 3.045 Unterrichtsstunden und 1.600 Praktikumstunden, wobei der Stundensatz DM 10,34 betrage.

Daraufhin nahm der zuständige Arbeitsberater W. am 26. Juni 1998 telefonische Rückspra-che mit dem Deutschen Verband für Physiotherapie (Herrn H. ) sowie dem Verband für Physi-kalische Therapie (Frau A. ) und hielt als Ergebnis fest, die Beschäftigungssituation für Phy-siotherapeuten werde sich aufgrund der bereits Ende 1997 eingeführten Richtgrößenvereinba-rung im Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung Nordbaden dramatisch verändern und die Be-handlungszahlen in den Praxen würden deutlich abnehmen, so dass die Chance, beitragspflichtig beschäftigt zu werden, als gering eingeschätzt werden müsse. Hierauf kam er in seiner Stellung-nahme unter Bezugnahme auf die Aktenvermerke zu dem Ergebnis, dass die Maßnahme, auch wenn es möglich sei, dass viele Physiotherapeuten nicht arbeitslos würden, sondern den Ausweg in die Selbständigkeit suchten, arbeitsmarktpolitisch nicht zweckmäßig sei. Mit Schreiben vom 9. Juli 1998 (Vordruck BA I FW 114 DV 12/97, ohne Rechtsbehelfsbelehrung) teilte das AA daraufhin der Klägerin mit, eine Anerkennung für die Weiterbildungsmaßnahme werde versagt, nachdem die Prüfung der eingereichten Erhebungsunterlagen ergeben hätte, dass die geplante Weiterbildungsmaßnahme den Erfordernissen des § 86 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) nicht entspreche. Die Weiterbildungsmaßnahme sei nach Lage und Entwicklung des Arbeits-marktes nicht zweckmäßig, weil nach Aussagen der zuständigen Berufsverbände davon auszu-gehen sei, dass die Nachfrage nach Physiotherapeuten deutlich abnehmen und es zur Freisetzung von Arbeitskräften kommen werde. Die Chancen, als beitragspflichtig Beschäftigte einzumün-den, seien sehr gering, eher werde als Ausweg die Selbständigkeit gesucht.

Hiergegen erhob die Klägerin am 20. Juli 1998 Widerspruch mit der Begründung, für die Ableh-nung der Anerkennung könnten die von dem AA genannten Gründe nicht ausschlaggebend ge-wesen sein, nachdem einem Bewerber seitens des AA die Auskunft erteilt worden sei, er solle sich an einer anderen Schule bewerben, denn da würden die Kosten übernommen werden. Mit Widerspruchsbescheid vom 6. Oktober 1998 wies das AA - gestützt auf eine Auskunft des Lan-desarbeitsamt Baden-Württemberg vom 1. Oktober 1998 - den Widerspruch als unzulässig zu-rück, weil es der Mitteilung an den Maßnahmeträger über das Ergebnis der Prüfung an der erfor-derlichen unmittelbaren Rechtswirkung nach außen fehle und insoweit die Verwaltungsaktsqua-lität nach § 31 S. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zu verneinen sei. Durch die Ent-scheidung des AA werde der Träger nicht in seinem rechtlichen Können und Dürfen beeinträch-tigt; er könne und dürfe seine Maßnahme trotzdem durchführen.

Gegen den am 6. Oktober 1998 zugestellten Widerspruchsbescheid erhob die Klägerin am 14. Oktober 1998 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG), zu deren Begründung sie die Auf-fassung vertrat, die Versagung der Anerkennung für die Weiterbildungsförderung stelle eine ho-heitliche Maßnahme dar, die unmittelbar in ihre Rechtsstellung eingreife, nachdem ohne sachli-che Gründe bereits 4 Teilnehmern Ausbildungsplätze nicht hätten vergeben werden können, de-ren individuelle Förderungsvoraussetzungen vorgelegen hätten. Diesen sei seitens des AA B. gesagt worden, sie sollten sich für eine Schule im Zuständigkeitsbereich anderer Arbeitsämter bewerben. Die Situationslage auf dem Arbeitsmarkt für Physiotherapeuten sei auch keineswegs so wie sie die Beklagte sehe, weil ohnehin nur "Masseure" arbeitssuchend gemeldet seien. Au-ßerdem habe das AA unberücksichtigt gelassen, dass die Absolventen der geförderten Kurse vom 1. November 1994 bis 31. Oktober 1997 sowie vom 1. November 1995 bis 31. Oktober 1998 bis auf wenige, noch nicht ermittelte Ausnahmen in abhängige Beschäftigungsverhältnisse hätten gebracht werden können. Die Aussichten für Physiotherapeuten, die im Oktober des Jah-res 2001 ihres Ausbildung abschlössen, seien nach alledem günstig zu beurteilen. Dies werde al-lein durch 428 freie Stellen außerhalb des Nahbereichs des AA B. belegt.

Die Beklagte ist der Klage mit der Begründung entgegen getreten, die Mitteilung vom 9. Juli 1998 sei kein Verwaltungsakt. Sie hat hierzu eine dienstliche Äußerung des Mitarbeiters G. vom 19. November 1998 vorgelegt, wonach dieser sich in einem Telefonat mit der Klägerin zur neuen Rechtslage des SGB III nicht festgelegt habe. Die Beklagte hat des Weiteren ergänzend zu den arbeitsmarktlichen Stellungnahmen (Bl. 26 - 28 der V-Akte) noch weitere Daten erhoben, die der V-Akte als Anlage beigefügt wurden, wonach sich der Trend zum Abbau von Stellen und zur Flucht in die Selbständigkeit bereits seit 1997 abzeichne, nachdem öffentliche Kliniken und größere Reha-Einrichtungen zu Stellenabbau, Kurzarbeit und Umschichtung von Personal gezwungen wären.

Mit Urteil vom 7. Februar 2001 hob das SG den "Bescheid" vom 9. Juli 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Oktober 1998 auf und wies im Übrigen die Klage hinsichtlich der beantragten Verpflichtung der Beklagten zur Anerkennung der Maßnahme zum Physiothera-peuten vom 2. November 1998 bis 31. Oktober 2001 im Rahmen der Weiterbildungsförderung, hilfsweise die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide festzustellen, als unbegründet ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Anfechtungsklage sei zulässig, weil jedenfalls der Wider-spruchsbescheid einen Verwaltungsakt darstelle, weil das Anerkennungsverfahren von den indi-viduellen Förderungsvoraussetzungen durch das SGB III verselbständigt und mit der Anerken-nung erheblicher Eingriffsrechte der Bundesanstalt für Arbeit zum Zwecke der Qualitätssiche-rung verbunden worden sei. Dies ergebe sich nicht zuletzt auch daraus, dass eine Anerkennung nach § 93 Abs. 2 S. 2 SGB III widerrufen werden könne, d.h. einen vorangegangenen Verwal-tungsakt zwingend voraussetze. Der Bescheid sei auch rechtswidrig, weil die Versagung nicht mit konkreten, überprüfbaren Tatsachen begründet worden sei, was im Hinblick auf den einge-räumten Ermessens- bzw. Beurteilungsspielraum unabdingbar geboten gewesen wäre. Insbeson-dere sei bei der Beurteilung der arbeitsmarktlichen Zweckmäßigkeit der Eingliederungserfolg vorangegangener Maßnahmen nicht beachtet worden. Von einer Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung des Antrages werde abgesehen, da sich der Rechtsstreit insoweit in der Haupt-sache durch Zeitablauf erledigt habe. Denn die begehrte Anerkennung habe zwingend vor Maßnahmenbeginn zu erfolgen. Entgegen der im Tenor ausgesprochenen Klagabweisung im Übrigen vertrat das SG in den Entscheidungsgründen die Auffassung, die hilfsweise erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage sei zulässig und begründet.

Gegen das am 11. Mai 2001 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 6. Juni 2001 Berufung einge-legt, zu deren Begründung sie - auch in Kenntnis der vom BSG am 29. März 2001 - B 7 AL 74/99 R geäußerten Rechtsauffassung - weiterhin die Auffassung vertritt, die Anerkennung der Bildungsmaßnahme gegenüber dem Träger habe keine neue Rechtsqualität erhalten sollen und ihr komme dem gemäß auch keine Verwaltungsaktsqualität zu. Auch sei die Begünstigung des Bildungsträgers allenfalls mittelbarer Ausschluss der Vermittlung eines Weiterbildungswilligen. Dieser gesetzlichen Konzeption über 3 Beteiligte liefe es zuwider, ein eigenes Recht des Bil-dungsträgers auf die Feststellung anzuerkennen. Darüber hinaus habe das Arbeitsamt auch in der Sache richtig entschieden, soweit ihm die Maßnahme nach Lage und Entwicklung des Arbeits-marktes nicht zweckmäßig erschienen sei. Hierfür seien auch die Datenerhebungen im Dia-gramm über "Arbeitslose und Stellenangebote für Krankengymnasten in Baden-Württemberg" bis 1997 maßgebend gewesen. Das Ergebnis werde auch durch die nach der Ablehnung vom 9. Juli 1998 datierenden Diagramme bestätigt, wonach die Arbeitsmarktsituation für Kranken-gymnasten in Baden-Württemberg im Jahr 1997 einen starken Einbruch erlitten und die Arbeits-losenzahl in diesem Bereich zugenommen, das Stellenangebot gleichzeitig abgenommen habe. Eine gleichlaufende Entwicklung ergebe sich für das Bundesgebiet. Darüber hinaus habe durch die neue Richtgrößenvereinbarung damit gerechnet werden müssen, dass fast alle Ärzte ihre Verordnungen drastisch einschränken und deshalb wesentlich weniger therapeutische Leistungen nachgefragt würden. Die gleichen Schlussfolgerungen würden für das Vorhaben gelten, sich selbständig zu machen. Die Beklagte sei auch nicht verpflichtet gewesen, die Begründungen im Einzelnen darzulegen, zumal es die Möglichkeit des Nachschiebens von Begründungen gebe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 7. Februar 2001 abzuändern, die Klage in vollem Umfang abzuweisen und die Anschlussberufung zurückzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat Anschlussberufung eingelegt und beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen und festzustellen, dass der Verwaltungsakt der Beklagten vom 9.Juli 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 6. Oktober 1998 rechtswidrig war.

Sie ist der Auffassung, die förmliche Anerkennungsentscheidung stelle einen anfechtbaren Ver-waltungsakt dar und es liege auch eine fehlerhafte Ermessensentscheidung vor, nachdem die jetzt angeführten Diagramme nach der damaligen Entscheidung vom 9. Juli 1998 auf Anforderung des Landesarbeitsamts vorgelegt und die Verwaltungsakten darum ergänzt worden seien. Wie sich die Richtgrößenvereinbarung auf das Verordnungsverhalten der Ärzte auswirke, habe die Beklagte bislang durch Zahlen nicht belegen können. Dies werde auch durch die vom Arbeitsbe-rater durchgeführten Telefonate bestätigt, die eine gewisse Nachfrage nach Psychotherapeuten bestätigt hätten. Derzeit seien über 100 offene Stellen am schwarzen Brett der Schule ausge-schrieben; diese Entwicklung sei nicht überraschend.

Die Klägerin hat mit Schreiben vom 14. November 2001 ihre Schadensersatzansprüche in einem Amtshaftungsprozess bei dem Landgericht H. (Az.: 2 O 31/02) geltend gemacht.

Der Senat hat eine Anfrage an das Landessozialgericht Berlin veranlasst. Dieses teilte unter Vor-lage des Sitzungsprotokolls mit Schreiben vom 10. September 2001 mit, dass in der Sitzung des 7. Senats des BSG vom 23. März 2001 die Senatsvorsitzende die Rechtsauffassung vertreten ha-be, dass seit 1.1.1998 bei der individuellen Förderung der beruflichen Weiterbildung bezüglich der Maßnahmen für die Weiterbildungsförderung eine förmliche Anerkennungsentscheidung im Sinne eines Verwaltungsaktes gegenüber dem Maßnahmeträger zu ergehen habe (Az.: B 7 AL 74/99 R).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Gerichtsakten erster und zwei-ter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Beklagten (§§ 143, 151 Abs. 1 Sozialge-richtsgesetz - SGG) ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft, da ein Berufungsausschlussgrund des § 144 Abs. 1 SGG nicht gegeben ist. Denn der Rechtsstreit betrifft weder eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt oder eine Erstattungsstreitigkeit zwi-schen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden.

Die gem. §§ 202 SGG iVm § 524 ZPO im sozialgerichtlichen Verfahren grundsätzlich statthafte Anschlussberufung(vgl. Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz 7. Aufl. 2002, § 143 RdNr 5) der Klägerin ist ebenfalls zulässig. Sie ist rechtzeitig eingelegt worden. Zwar schreibt § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO i. d. F. des Zivilprozessreformgesetzes vom 27.7.2001 (BGBl I S 1887) vor, dass die Anschlussberufung nur bis zum Ablauf von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegrün-dungsschrift zulässig ist. Diese Einmonatsfrist ist aber im sozialgerichtlichen Verfahren nicht anwendbar (ebenso Meyer-Ladewig a.a.O. § 143 RdNr.5), weil das SGG solche Formvorschrif-ten nicht kennt. Eine vergleichbare Frist, die im zuvor geltenden § 522a ZPO enthalten war, fand nach ständiger Rechtsprechung keine Anwendung (BSG Breithaupt 1992, S. 920).

II.

Die Berufung der Beklagten ist aber unbegründet. Die Anschlussberufung der Klägerin erweist sich hingegen als begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 9. Juli 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Oktober 1998 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Da die Klägerin ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat, dass der angefochte-ne Verwaltungsakt rechtswidrig war, war dies antragsgemäß auszusprechen.

Rechtsgrundlage hierfür ist § 131 Abs. 1 S. 3 SGG. Nach dieser Vorschrift spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wenn sich dieser durch Zurücknahme oder anders erledigt hat und der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Fest-stellung hat. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Das Schreiben vom 9. Juli 1998 ist als rechtswidriger Verwaltungsakt zu qualifizieren (dazu unten). Die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache durch Zeitablauf ergibt sich bereits aus dem klaren Wortlaut des § 86 Abs. 1 SGB III, wonach die Anerkennung einer Maßnahme zwingend vor deren Beginn, der vorliegend am 2. November 1998 war, zu erfolgen hat (vgl. auch Niesel, Kommentar zum SGB III, 2. Auf-lage 2002, § 86 Rdnr. 2). Ob eine Fortsetzungsfeststellungsklage auch bei Erledigung des Ver-waltungsaktes vor Klageerhebung zulässig wäre (vgl. zum Streitstand Meyer-Ladewig, Kom-mentar zum SGG, 7. Auflage 2002, § 131 Rdnr. 9a ff; Pawlak in:Hennig, Sozialgerichtsgesetz, § 131 RdNr 58,59 mwN.), kann hier offen bleiben, weil Klage bereits am 14.Oktober 1998 erho-ben worden, Erledigung aber erst mit Kursbeginn am 2. November 1998 eingetreten ist. Schließ-lich hat die Klägerin auch ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 9. Juli 1998, nachdem mittlerweile ein Amtshaftungsprozess vor dem Landge-richt H. anhängig ist und dieser wegen der schwerwiegenden Folgen des Schreibens vom 9. Juli 1998 für die Klägerin bereits zum Abschluss der mündlichen Verhandlung vor dem SG zu erwarten war. Dieser ist auch nicht offensichtlich aussichtslos, nachdem der angefochtene Ver-waltungsakt rechtswidrig war (vgl. hierzu Meyer-Ladewig, a.a.O. § 131 Rdnr. 10 c).

Auch nach Auffassung des Senats handelt es sich bei der Anerkennung einer Maßnahme für die Weiterbildungsförderung nach § 86 Abs. 1 SGB III um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 S. 1 SGB X. Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Es muss sich daher um eine hoheitliche Maßnahme handeln, die auf die einseitige Regelung ei-nes Einzelfalles durch die Behörde gerichtet ist (vgl. Krasney, in: Kasseler Kommentar, Lose-blattwerk, § 31 SGB X Rdnr. 5).

Die Anerkennung der am 2. 11. 1998 beginnenden Maßnahme der Weiterbildungsförderung richtet sich nach § 86 SGB III. Nach dieser Vorschrift setzt die Anerkennung einer Maßnahme für die Weiterbildungsförderung voraus, dass das Arbeitsamt vor Beginn festgestellt hat, dass u.a. die Maßnahme den Zielen der Weiterbildungsförderung entspricht (Nr.1) und nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes zweckmäßig ist (Nr.8). Nach § 93 SGB III hat das Arbeitsamt durch geeignete Maßnahmen die Durchführung der Maßmaßnahmen zu überwachen sowie deren Erfolg zu beobachten. Es darf von Maßnahmeträgern Auskunft verlangen und Einsicht in seine Unterlagen nehmen, ferner das Grundstück, Geschäfts- und Unterrichtsräume betreten. Werden vom Arbeitsamt festgestellte Mängel nicht behoben, kann das Arbeitsamt die Anerkennung für die Weiterbildungsförderung widerrufen. Ergänzend hier zu bestimmt § 2 Abs. 3 der Anordnung des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Arbeit über die Förderung der beruflichen Weiterbil-dung (AFbW) das für die Anerkennung zuständige Arbeitsamt und eine Verpflichtung des Bil-dungsträgers, die erforderlichen Unterlagen grundsätzlich drei Monate vor dem geplanten Be-ginn beim zu ständigen Arbeitsamt einzureichen.

Zu der Vorgängerregelung des § 34 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) hat zwar das BSG entschie-den, dass es sich insoweit nicht um einen Verwaltungsakt handle, weil die Entscheidung über die allgemeine Förderungsfähigkeit einer Maßnahme nur in Bezug auf die um eine Förderung nach-suchenden Bildungswilligen rechtliche Bedeutung mit Außenwirkung erlangen könne. Die Be-klagte geht jedoch zu Unrecht davon aus, dass die bisherige Rechtsprechung weiter fortgilt. Zwar entspricht der Prüfungskatalog des § 86 SGB III dem des § 34 AFG und ist nur um die Voraus-setzungen der Nr. 3 und 6 des § 86 SGB III erweitert worden. Seine Rechtsauffassung zu § 34 AFG hatte das BSG damit begründet, das Vorliegen eines Verwaltungsakts sei deshalb zu ver-neinen sei, weil das Gesetz keinen Anspruch des Bildungsträgers auf Anerkennung seiner Bil-dungsmaßnahme kenne. Genau diese Voraussetzung enthält aber die Neuregelung in § 86 SGB III.

Durch die Neufassung der §§ 86 ff AFG ist insoweit eine Rechtsänderung eingetreten, als eine förmliche Anerkennungsentscheidung im Sinne eines Verwaltungsaktes gegenüber dem Maß-nahmeträger zu ergehen hat. Die genannten Vorschriften bestimmen die Rechtsbeziehungen zwi-schen den Maßnahmeträger und den Arbeitsämtern, indem bestimmte Anforderungen an die Maßnahme als Voraussetzung der Anerkennung festgelegt werden und den Arbeitsämtern weit-gehende Kontrollrechte insbesondere zur Qualitätssicherung eingeräumt werden. Die Verweige-rung der Anerkennung einer Bildungsmaßnahme als Maßnahme der Weiterbildungsförderung beinhaltet somit im Verhältnis zwischen Bundesanstalt für Arbeit und dem Maßnahmeträger eine Regelung und ist deshalb als Verwaltungsakt zu qualifizieren. Das SG hat in diesem Zusammen-hang zutreffend ausgeführt, dass - auch wenn nach dem SGB III die Anerkennung einer Weiter-bildungsmaßnahme weiterhin eine Voraussetzung für die individuelle Förderung der beruflichen Weiterbildung darstellt - das Anerkennungsverfahren rein äußerlich von den individuellen För-derungsvoraussetzungen entkoppelt und in einem eigenen Unterabschnitt des Gesetzes geregelt, somit verselbständigt wurde. Nach der Vorgängerregelung des § 34 Abs. 1 S. 2 AFG setzte die Förderung der individuellen Teilnahme hingegen eine Prüfung der Maßnahme vor Beginn vor-aus, nicht jedoch eine "Anerkennung". Auch mit der weiteren Argumentation des SG, die Aner-kennung sei mit erheblichen Eingriffsrechten zum Zwecke der Qualitätssicherung nach § 93 SGB III verbunden sowie der Möglichkeit des Widerrufs der Anerkennung nach § 93 Abs. 2 S. 2 SGB III, setzt sich die Beklagte nicht auseinander, welche aber zwingend die von dem SG vertretene Rechtsauffassung bestätigen. Der Senat ist demnach mit dem SG der Rechtsauffas-sung, dass es sich bei der Anerkennung um einen anfechtbaren Verwaltungsakt handelt. Hierin sieht er sich durch die vom 7. Senat des BSG im Verfahren B 7 AL 74/99 R zu Protokoll geäußerte Rechtsauffassung bestätigt.

Das als Verwaltungsakt anzusehende Schreiben vom 9.7.1998 war auch rechtswidrig, sodass ei-ne entsprechende Feststellung auszusprechen ist. Die hier allein streitige arbeitsmarktpolitische Zweckmäßigkeit der Maßnahme nach § 86 Abs. 1 Nr. 8 SGB III eröffnet der Bundesanstalt für Arbeit einen gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum, der sicherstel-len soll, dass die Maßnahme selbst objektiv zweckmäßig ist (vgl. Niesel, a.a.O. § 86 Rdnr. 14 unter Berufung auf BSG, Urteil vom 28. November 1996 - 7 RAr 58/95, BSGE 79, 269 und SozR 3-4460 § 10 Nr. 2). Mit der Einräumung eines Beurteilungsspielraums hat das BSG dem Umstand Rechnung getragen, dass das Arbeitsamt Feststellungen nicht nur zu aktuellen Lage, sondern auch zur zukünftigen Entwicklung des Arbeitsmarktes treffen muss und seine Beurtei-lung auf der Bewertung von zeitbedingten und planerischen Elementen beruht und in eine hypo-thetische Tatsachenfeststellung einmündet. Die gerichtliche Überprüfung beschränkt sich des-halb darauf, ob der Verwaltungsentscheidung ein richtig und vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde liegt, ob die durch Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs ermittelten Grenzen eingehalten worden sind und ob Subsumtionserwägungen in der Begründung so verdeutlicht sind, dass die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar wird, ob allgemeine oder besondere Wertmaßstäbe verletzt sind oder sachfremde Erwägungen angestellt wurden, ob Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt sind (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O. § 54 Rdnr. 27). Dies setzt insbesondere voraus, dass das AA seine Subsumtionserwägungen so ver-deutlicht und begründet hat, dass die Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist (BSG SozR 3-4100 § 36 Nr. 1 und SozR 4100 § 43 Nr. 9).

Diesen Anforderungen entspricht das Schreiben vom 9. Juli 1998 nicht. Der Widerspruchsbe-scheid hat diesem Schreiben keine eigene Gestalt gegeben, weil er sich auf die fehlerhafte Aus-sage, es handele sich dabei nicht um einen Verwaltungsakt, beschränkt und keine eigenen Fest-stellungen zur Arbeitsmarktlage enthält. Im Einzelnen ist zu beanstanden:

- Das AA hat § 2 Abs. 1 Satz 2 AFbW unbeachtet gelassen, wonach mit zu berücksichtigen ist, wie der Eingliederungserfolg vorangegangener Bildungsmaßnahmen gewesen ist. Eine Wertung, dass eine Prüfung nach § 2 Abs. 1 Satz 2 AfbW entbehrlich ist, wenn bereits die Voraussetzun-gen nach § 2 Abs. 1 Satz 1 AfBW verneint werden, lässt sich § 2 Abs. 1 AfBW nicht zwingend entnehmen. Zumindest hätte dargelegt werden müssen, warum die erwartete Arbeitsmarktlage die bisherigen Eingliederungserfolge der Klägerin für die Anerkennung bedeutungslos machen.

- Die Handhabung des Arbeitsamtes widerspricht dem Grundsatz der Gleichbehandlung. Es kann nicht angehen, dass in einem regional einheitlichen Arbeitsmarkt die Bildungsmaßnahme eines Bildungsträgers als arbeitsmarktpolitisch unzweckmäßig bewertet wird, die Nachbarar-beitsämter bei gleichem Arbeitsmarkt identische Maßnahmen anderer Bildungsträger aber als ar-beitsmarktpolitisch zweckmäßig beurteilen. Wird für ganze Berufsgruppen der zukünftige Ar-beitsmarkt für so schlecht erachtet, dass eine berufliche Bildung in diesem Bereich generell nicht förderungswürdig erscheint, so muss die Arbeitsverwaltung gegenüber sämtlichen Maßnahme-trägern gleichlautende Beurteilungen hinsichtlich der arbeitsmarktpolitischen Zweckmäßigkeit abgeben.

- Des Weiteren hat die Ausgangsentscheidung nicht berücksichtigt, dass nach der Neufassung des SGB III zum 1.1.1998 einer Anerkennung von Weiterbildungsmaßnahmen ausdrücklich nicht entgegensteht, dass diese auch für die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit geeignet sind (BT-Drucks. 13/4941 S. 170; vgl. auch Niesel, a.a.O., § 87 Rdnr. 24). Die Entscheidung wurde aber maßgebend darauf gestützt, dass die Chancen, als beitragspflichtig Beschäftigte ein-zumünden, sehr gering seien. Der Ausweg einer selbstständigen Tätigkeit wurde als Versagens-grund gewertet.

- Das SG hat schließlich mit überzeugender Begründung dargelegt, dass der Verwaltungsent-scheidung hinsichtlich der arbeitsmarktlichen Zweckmäßigkeit kein richtig und vollständig er-mittelter Sachverhalt zugrundegelegt wurde. Die Prognoseentscheidung des Arbeitsamtes beruht auf unzureichenden Informationen. Das Arbeitsamt hat lediglich bei 2 Berufsverbänden Informa-tionen über die zukünftige Arbeitsmarktentwicklung eingeholt. Es hat ersichtlich nicht einmal die eigenen Statistiken der Bundesanstalt für Arbeit über Lage und Entwicklung des Arbeits-marktes für Physiotherapeuten herangezogen. Unberücksichtigt geblieben ist beispielsweise, dass die dem Senat vorgelegte Akte mehr als eine große Anzahl offene Stellen für Physiotherapeuten ausweist.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist sie nicht berechtigt, ihres Erachtens aussagefähiges, zeitlich erst später erstelltes statistisches Datenmaterial im Nachhinein in das Verfahren einzu-führen. Dies ist mit dem Charakter der Prognoseentscheidung nicht vereinbar. Das Bundessozi-algericht hat den Entscheidungsfreiraum der Beklagten damit begründet, sie müsse im Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung eine Prognose treffen. Maßgeblicher Zeitpunkt für eine Anfech-tungsklage könne bei Abwägungsentscheidungen nur der Zeitpunkt der Verwaltungsentschei-dung sein (BSG SozR 3-4100 § 36 Nr. 1). Es hat daraus abgeleitet, dass spätere tatsächliche Entwicklungen die Rechtmäßigkeit der Verwaltungsentscheidung nicht mehr beeinflussen. Wenn es damit dem Teilnehmer einer Bildungsmaßnahme verwehrt ist, sich im Nachhinein auf eine für ihn günstigere - im Zeitpunkt der Entscheidung aber noch nicht hinreichend konkret absehbare - Entwicklung des Arbeitsmarkts zu berufen, so kann für die Anerkennung einer Bildungsmaß-nahme nichts anderes gelten. Ein Nachschieben von Gründen ist daher nicht möglich. Der Senat braucht somit die ihm vorgelegten Unterlagen nicht darauf hin zu überprüfen, ob sie die Beurtei-lung der Maßnahme als arbeitsmarktpolitisch unzweckmäßig rechtfertigen, und ob bei einer Würdigung im Nachhinein zu beachten wäre, wie sich die berufliche Eingliederung der Teil-nehmer, die die Maßnahme durchlaufen haben, gestaltet hat.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen.
Rechtskraft
Aus
Saved