L 4 KR 1957/02

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 2 KR 1/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 1957/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Unterschiedliche Rechtslagen für implantologische Leistungen in den Zahnbehandlungsrichtlinien.
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten besteht lediglich noch Streit darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin zu ihrer Versorgung mit Implantaten einen Zuschuss in Höhe der Kosten zu gewäh-ren, die bei einer konventionellen Prothetik entstanden wären.

Die am 1959 geborene Klägerin, die versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten ist, wandte sich bereits im Juni 1999 an die Beklagte, um sich nach der Möglichkeit für die Gewährung ei-nes Zuschusses bei Implantatversorgung zu erkundigen. Bereits damals erhielt die Klägerin mit Schreiben vom 23. Juli 1999 die Auskunft, dass, von besonders schweren medizinischen Fällen abgesehen, Zahnimplantate und dazu gehörige Suprakonstruktionen nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen gehörten. Mit Schreiben vom 04. April 2000 wies die Klägerin auf die durch die bei ihr erforderliche Zahnversorgung entstehenden Kosten hin und legte die Bescheinigung der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie C. vom 16. März 2000 vor. Mit Schreiben vom 05. April 2000 teilte die Beklagte der Klägerin mit, die endgültige Beur-teilung, ob eine Beteiligung an den Kosten der geplanten Implantatversorgung möglich sei, kön-ne erst nach Vorlage eines genauen Behandlungsplans erfolgen. In der Zeit vom 23. August 2000 bis 05. Juli 2001 wurde die Behandlung durchgeführt, für die der Zahnarzt R. mit der Rechnung vom 25. Juli 2001 insgesamt 7.477,12 DM berechnete. Die Beklagte holte das von Dr. K. im Auftrag der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Stuttgart (KZV) unter dem 20. August 2001 er-stellte Gutachten ein, demzufolge bei der Klägerin zwar eine allgemeine psychische Problematik bestehe, damit aber die Voraussetzungen nicht erfüllt seien, die die Ausnahmeindikationen er-fordern würden. Die Störung beruhe auf dem Fehlen von Zähnen, die jedoch auch konventionell befriedigend ersetzt werden könnten. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 04. September 2001 eine Bezuschussung der Implantatversorgung mit der Begründung ab, diese gehöre nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen und dürften daher auch nicht bezuschusst werden. Mit ihrem Widerspruch legte die Klägerin den Heil- und Kostenplan des Zahnarztes R. vom 03. November 2000 mit geschätzten Kosten von DM 3.671,62 (EUR 1.877,27) vor und verwies erneut auf ihre psychische Problematik; zumindest dieser Betrag müsse ihr er-stattet werden. Daraufhin setzte sich die Beklagte am 20. September 2001 telefonisch mit dem behandelnden Zahnarzt R. in Verbindung, der dabei angab, bei der Klägerin liege keine Aus-nahmeindikation vor. Er habe sie nie darauf hingewiesen, dass eine Kostenübernahme durch die Kasse erfolgen werde. Er stimme vielmehr mit dem Gutachter der KZV Dr. K. überein. Mit Wi-derspruchsbescheid vom 20. Dezember 2001 wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruch-ausschuss den Widerspruch der Klägerin zurück und wies darauf hin, dass nach § 28 Abs. 2 Satz 9, 1. Halbsatz des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) die Versorgung mit Imp-lantaten einschließlich Suprakonstruktion ausdrücklich aus dem Leistungskatalog der gesetzli-chen Krankenkassen ausgeschlossen sei. Diese strenge Bestimmung sei zwar zum 01. Juli 1997 dahin entschärft worden, dass in seltenen, vom Bundesausschuss der Zahnärzte und Krankenkas-sen (BAZ) in Richtlinien zu benennenden Ausnahmefällen ein Anspruch im Rahmen der Ge-samtbehandlung bestehe. Eine der daraufhin vom BAZ mit Beschluss vom 24. Juli 1998 festge-legten Ausnahmeindikationen liege bei der Klägerin aber nicht vor. Dies habe der von ihr einge-schaltete Gutachter der KZV festgestellt.

Mit der am 02. Januar 2002 zum Sozialgericht (SG) Heilbronn erhobenen Klage machte die Klä-gerin geltend, sie sei seit ihrem Zahnverlust in nervenärztlicher Behandlung, weil sie starke Min-derwertigkeitskomplexe habe und dadurch suizidal gefährdet sei. Auslöser dafür seien eindeutig ihr fehlende Zähne; ein Gebiss bzw. eine Prothese sei für sie in ihrem Alter nicht denkbar. Als Ursache machte sie den Verlust der Stützzähne anlässlich der Entfernung einer alten Brücke gel-tend. Sie könne nicht einsehen, dass sie als alleinerziehende berufstätige Beitragszahlerin nicht wenigstens die Kosten ersetzt erhalte, die auch bei einer konventionellen Prothetik angefallen wären. Die Klägerin legte noch das weitere Attest ihrer behandelnden Ärztin C. vom 06. März 2002 vor. Das SG wies nach entsprechendem Hinweis die Klage durch Gerichtsbescheid vom 27. Mai 2002 ab.

Gegen den am 03. Juni 2002 durch Übergabe-Einschreiben zum Zwecke der Zustellung an die Klägerin zur Post gegebenen Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 07. Juni 2002 schriftlich Be-rufung zum Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Sie hält die getroffene Entscheidung für un-gerecht und macht geltend, dem von ihr vorgelegten Attest müsse entscheidende Bedeutung bei-gemessen werden. Sie sehe nicht ein, dass sie nicht wenigstens eine angemessene Beteiligung der Beklagten an den entstandenen Kosten für die Implantatversorgung erhalte Sie hat eine wei-tere undatierte Bescheinigung des Zahnarztes R. vorgelegt ...

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 27. Mai 2002 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 04. September 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Dezember 2001 zu verurteilen, ihr EUR 1.877,27 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die getroffene Entscheidung für richtig. Die rechtliche Würdigung des Sachverhalts durch das SG sei zutreffend.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die entsprechend den Form- und Fristvorschriften des § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, jedoch nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 20. September 2001 in der durch den Widerspruchsbescheid vom 20. Dezember 2001 unveränderten Gestalt entspricht dem geltenden Recht und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Nach § 11 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 27 Abs. 1 Nr. 2 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Kran-kenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst auch die zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz (§ 30 SGB V). Nach § 28 Abs. 2 Satz 9 SGB V gehören implantologische Leistungen jedoch nicht zur zahnärztlichen Behandlung, es sei denn, es liegen seltene, vom BAZ in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 SGB V festzulegende Ausnahmeindikationen für besonders schwere Fälle vor, in denen die Krankenkas-se diese Leistung einschließlich der Suprakonstruktion als Sachleistung im Rahmen einer medi-zinischen Gesamtbehandlung erbringt. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier aber nicht vor. Anzuwenden sind hier noch, wie es die Beklagte zutreffend getan hat, die Richtlinien für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche vertragszahnärztliche Versorgung (Zahnbehand-lungs-Ri) in der Fassung vom 24. Juli 1998, die zur Zeit der Behandlung gegolten haben. Nach diesen Ri des BAZ ist unter B. Vertragszahnärztliche Behandlung, Abschnitt VII. Ausnahmein-dikationen für implantologische Leistungen Folgendes bestimmt: Kosten einer Implantatversorgung durften danach nur übernommen werden, wenn eine funkti-onsfähige Versorgung auf herkömmlichem Wege nicht erreicht werden konnte und eine der auf-geführten Ausnahmeindikationen vorlag. Eine solche Ausnahmeindikation lag vor, wenn bei größeren Kiefer- oder Gesichtsdefekten, die ihre Ursache in Tumoroperationen, Entzündungen des Kiefers, Operationen infolge von großen Zysten, Operationen infolge von Osteopathien (so-fern keine Kontraindikation für eine Implantatversorgung vorlag), angeborenen Fehlbildungen des Kiefers (Lippen-, Kiefer-, Gaumenspalten) oder Unfällen hatten, bei dauerhaft bestehender extremer Xerostomie, insbesondere im Rahmen einer Tumorbehandlung, bei generalisierter ge-netischer Nichtanlage von Zähnen oder bei nicht willentlich beeinflussbaren muskulären Fehl-funktionen im Mund- und Gesichtsbereich. Schon bei Fehlen einer dieser Voraussetzungen durf-te die Kasse für eine Implantatversorgung keine Kosten übernehmen, auch nicht für die anzu-bringende Suprakonstruktion. Aufgrund der übereinstimmenden Beurteilung, und zwar zunächst sowohl durch den behandelnden Zahnarzt als auch durch den Gutachter Dr. K. steht zur Über-zeugung des Senats fest, dass eine funktionsfähige Versorgung der Klägerin mit Zahnersatz durchaus auf herkömmlichem Wege erreichbar ist. Die anderslautende Bekundung des Zahnarz-tes R. in der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung dem Senat vorgelegten undatier-ten Bescheinigung vermag dies nicht zu widerlegen, weil sie in einem unlösbaren offensichtli-chen Widerspruch sowohl zum früheren Verhalten dieses Zahnarztes als auch zu seinen früheren Angaben steht. Zudem wird durch diese Bescheinigung auch nicht in Abrede gestellt, dass keine Ausnahmeindikation vorliegt, nämlich kein größerer Kiefer- oder Gesichtsdefekt. Dies ergibt sich auch anhand der gesamten Unterlagen und wird von der Klägerin auch letztlich nicht in Ab-rede gestellt. Damit liegt keine der kumulativ erforderlichen Voraussetzungen vor, um eine Imp-lantatversorgung der Klägerin zu ermöglichen.

Selbst unter Anwendung der seit 01. Januar 2000 nach § 30 Abs. 1 Satz 5 SGB V vom BAZ be-schlossenen Richtlinien für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche vertragszahn-ärztliche Versorgung mit Zahnersatz und Zahnkronen (Zahnersatz-Ri), Abschnitt VI. Versorgung mit Suprakonstruktionen (implantatgestützter Zahnersatz) in der Fassung vom 15. September 2000 für die hier streitgegenständliche Versorgung geltenden weniger strengen Voraussetzun-gen, unter denen ein Zuschuss für Suprakonstruktionen gewährt wird, könnte die Klägerin kei-nen Zuschuss erhalten, da bei ihr weder eine zahnbegrenzte Einzellücke noch ein atrophierter zahnloser Kiefer besteht.

Die von der Klägerin zur Begründung angeführten Argumente vermögen daran nichts zu ändern. Wenn sie der Meinung ist, für eine Prothese noch zu jung zu sein, kann dies nicht dazu führen, dass zu Lasten der Versichertengemeinschaft eine ansonsten nicht erforderliche Implantatversor-gung gewährt werden dürfte.

Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
Rechtskraft
Aus
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