L 7 U 659/02

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 5120/00
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 U 659/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
kein Versicherungsschutz als "Wie-Mann", wenn der Verletzte Unternehmer ähnlich tätiggeworden ist. Dies ist der Fall, wenn seine Tätigkeit durch die freie Verfügungüber die eigene Arbeitskraft, den Arbeitsmarkt und die Arbeitszeit sowie durch die Merkmale der Regelmäßigkeit und Planmäßigkeit gekennzeichnet ist.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 20. November 2001 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darum, ob die Beklagte verpflichtet ist, den von F. M. sen. (im folgenden: Beigeladener) am 07.04.1999 erlittenen Unfall als Arbeitsunfall zu entschädigen.

Der 1926 geborene Beigeladene betrieb bis 15.09.1987 eine Landwirtschaft, einen Handel mit landwirtschaftlichen Futtermitteln und einen Viehhandel. Mit Bescheid vom 03.12.1987 bewilligte ihm die Landwirtschaftliche Alterskasse (LAK) Württemberg vorzeitiges Altersgeld ab 01.10.1987. Die Landwirtschaft und der Futtermittelhandel wurden von dem Sohn F. M. junior (F. M.), der Viehhandel von dem Sohn B. M. (B. M.) fortgeführt. Ab 01.01.1991 war das Unternehmen des Viehhandels bei der Beklagten als Mitgliedsunternehmen eingetragen (Mitgliedschein/Zuständigkeitsbescheid vom 29.10.1996). Der Futtermittelhandel war zunächst ebenfalls bei der Beklagten zur Beitragsleistung veranlagt (Beitragsbescheid für 1986 an den Beigeladenen vom 14.04.1987). Möglicherweise wurde dieses Unternehmen wegen Wegfalls versicherungspflichtig beschäftigter Arbeitnehmer später aus dem Unternehmerverzeichnis der Beklagten gelöscht. Im Zeitpunkt des Unfalls wurde F. M. ausschließlich von der Klägerin als landwirtschaftlicher Unternehmer zur Beitragsleistung veranlagt.

Ausweislich des Durchgangsarztberichtes (DAB) von Prof. Dr. S. vom 07.04.1999 wurde der Beigeladene am selben Tage beim Arbeiten in der Lagerhalle von einem Traktor überrollt. Er erlitt dabei einen Ohrmuschelabriss links, multiple Gesichtsschädelfrakturen und Rippenserienfrakturen. In der Vorgeschichte des Zwischenberichts von Prof. Dr. S. vom 16.04.1999 wird ausgeführt, der Beigeladene sei "in der Tätigkeit als Landwirt auf der eigenen Landwirtschaft bei einem Traktorunfall" verunfallt. Im Bericht des Polizeireviers S. für die Beklagte vom 16.04.1999 heißt es, der Beigeladene habe das Wohnhaus ca. 10 Minuten vor der telefonischen Mitteilung verlassen und habe einen Rundgang durch das gesamte Anwesen (Landwirtschaft mit Futtermittelverkauf) durchgeführt, den er gewohnheitsmäßig jeden Abend unternehme. In der eigenen Lkw-Abstellhalle habe er seine Zugmaschine wegfahren wollen. Dabei sei es zu dem Unfall gekommen. In der am 25.05.1999 bei der Klägerin eingegangenen, nicht unterschriebenen Unfallanzeige heißt es, der Unfall habe sich in einer Lagerhalle ereignet. Eine ausführliche Schilderung des Unfallherganges sei nicht möglich, da sich der Beigeladene, der bei seinem Sohn F. M. regelmäßig als Aushilfsarbeiter eingesetzt gewesen sei, nicht daran erinnere. Im Fragebogen vom 17.05.1999 gab F. M. an, sein Vater habe am Unfalltag beabsichtigt, den Stellplatz des Traktors zu verändern. Er habe keine bestimmten Arbeiten verrichten müssen. Sein Tätigwerden sei von ihm als Unternehmer gebilligt worden. Die behandelnde Allgemeinärztin H.-J. gab in ihrem Bericht vom 29.06.1999 an, der körperlich sehr vitale Beigeladene sei vor dem Unfall in der Lage gewesen, regelmäßig zumindest leichtere Arbeiten in nennenswerten Umfang zu verrichten. Bei seiner Befragung durch den Technischen Aufsichtsbeamten (TAB) M. gab F. M. am 29.07.1999 an, sein Vater habe wie jeden Abend seinen Kontrollgang durch den Betrieb gemacht. Da er gewusst habe, dass ein Lkw noch Ware anliefern wollte, habe er den in der Lagerhalle abgeschleppten Schlepper zur Seite gestellt, um Platz zum Rangieren und Abladen zu schaffen. Bei diesem Vorgang müsse er wohl vom Schlepper überfahren worden sein. Er habe im Rahmen seiner körperlichen Möglichkeiten als Rentner im Agrarhandel mitgearbeitet. Der ca. 35 Jahre alte Schlepper werde im Agrarhandel selbst nicht mehr verwendet, sondern lediglich noch zum Schneeräumen oder ähnlichen leichten Tätigkeiten. Die Rückfrage der Klägerin vom 24.09.1999, ob am Unfalltag noch Waren für den Handelsbetrieb angeliefert worden seien bzw. werden sollten, verneinte F. M.

Aufgrund seiner Befragung des Beigeladenen vom 23.03.2000 führte der Berufshelfer O. in seinem Bericht vom 27.03.2000 für die Klägerin aus, der Beigeladene, der sich wegen eines dreiwöchigen Komas nicht mehr an den Unfallhergang erinnern könne, rekonstruiere diesen wie folgt: Er habe sich täglich auf einen Kontrollgang über das Betriebsgelände begeben. Dabei schließe er meist die Tore, lösche Lichter, versorge Gegenstände oder Maschinen, die nicht an ihrem Platz stünden. Er sei ein sehr ordentlicher Mensch, was er auch immer in seinem Beruf als Viehhändler praktiziert habe und jetzt noch praktiziere. Der Platz, an dem sich der Unfall ereignet habe, befinde sich in einer Garage, die als Stellplatz für den Viehtransporter vorgesehen sei. Wahrscheinlich habe er den Traktor an seinen angestammten Platz stellen wollen, der sich in einem weiteren Gebäude rechts neben dieser Halle befinde. Dort werde unter anderem auch das Einstreumaterial für die Viehtransporter gelagert. Der Traktor werde zum Schneeräumen und zum Zusammenschieben oder Aufladen der Einstreu des Viehtransporters eingesetzt. Eine landwirtschaftliche Nutzung finde nicht statt. Da sein Sohn B. M. die meiste Zeit des Tages mit Viehtransporten unterwegs sei, schaue er auch nach dem Rechten.

Die Klägerin machte unter anderem bei der Beklagten Erstattungsansprüche wegen ihrer getätigten Aufwendungen in Höhe von 54.840,98 DM geltend. Die Beklagte lehnte mit der Begründung ab, die Lagerhalle könne ebenso gut für den landwirtschaftlichen Betrieb von F. M. benutzt worden sein. Aus dem Bericht des Polizeireviers S. vom 16.04.1999 ergebe sich nicht, dass der Beigeladene handlungsorientiert für seinen Futtermittelverkauf bzw. Viehhandel tätig werden wollte. Dem Bericht sei vielmehr zu entnehmen, dass der Kontrollgang dem ganzen landwirtschaftlichen Anwesen gedient habe und dass die Zugmaschine ebenfalls mit der Landwirtschaft und nicht mit dem Vieh- bzw. Futtermittelhandel zu tun gehabt habe.

Am 07.09.2000 erhob die Klägerin Klage und trug vor, keiner der beiden Söhne des Beigeladenen, die jeweils ein gewerbliches Unternehmen auf dem Anwesen Am S. 19 betrieben, betreibe ein landwirtschaftliches Unternehmen. Sämtliche ehemaligen Flächen des Beigeladenen seien abgegeben bzw. weiter verpachtet. Aus diesem Grund entfalle eine landwirtschaftliche Nutzung des Traktors. Auf Anforderung legte die Klägerin die Akten der vormaligen Landwirtschaftlichen Alterkasse Württemberg (LAK) vor. Aus diesem geht hervor, dass F. M. bei der Klägerin mit einer landwirtschaftlichen Nutzfläche von 4,38 Hektar veranlagt ist.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie trug vor, der Kontrollgang des Beigeladenen habe dem Unternehmen des F. M. gedient, das bei der Klägerin versichert sei. Der Beigeladene habe im Unfallzeitpunkt gem. §§ 2 Abs. 1 Nr. 5b, 133 Abs. 1 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) als im landwirtschaftlichen Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeitender Familienangehöriger unter dem Pflichtversicherungsschutz der Klägerin gestanden. Soweit diese einwende, die Garage, aus welcher der Traktor weggefahren werden sollte, diene üblicherweise als Stellplatz für den Viehtransporter von B. M., der mit seinem Unternehmen bei ihr, der Beklagten versichert sei, ergebe sich daraus nicht, dass die unfallbringende Tätigkeit des Beigeladenen dem Unternehmen von B. M. habe dienen sollen. Vielmehr habe der Beigeladene nur den Traktor an seinen bestimmungsgemäßen Platz bringen wollen. Der Kontrollgang habe deshalb dem bei der Klägerin versicherten Unternehmen gedient. Im übrigen sei der Beigeladene bis zur Übergabe des Viehhandels an seinen Sohn B. M. selbst Unternehmer gewesen. Für den Fall, dass er im Anschluss an die Betriebsübergabe auch bei B. M. mitgeholfen haben sollte - wofür die Aktenlage nichts hergebe - sei er als ehemaliger Unternehmer nicht "arbeitnehmerähnlich", sondern "unternehmerähnlich" tätig geworden. Unfallversicherungsschutz bei ihr, der Beklagten, wäre für den Beigeladenen deshalb nur über eine freiwillige Versicherung in Betracht gekommen, welche dieser aber nicht abgeschlossen habe. Die Beklagte verwies auf das Urteil des LSG Niedersachsen vom 17.03.1982 - L 4 KR 5/81.

Die Klägerin entgegnete unter Hinweis auf das Rundschreiben VB 41/73 des Hauptverbands der Gewerblichen Berufsgenossenschaften e.V., die Spitzenverbände der Unfallversicherungsträger seien sich darüber einig, dass der fachlich zuständige Unfallversicherungsträger die Kosten zu übernehmen habe, die dem erstangegangenen Unfallversicherungsträger entstanden seien, unabhängig davon, ob es sich um eine versicherte Person oder einen Arbeitsunfall handele.

Die Beklagte replizierte hierauf mit dem Hinweis, nach der Rechtsprechung des BSG sei eine Verwaltungsvereinbarung unwirksam, soweit darin ein über § 102 des 10. Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) hinausgehender Erstattungsanspruch für materiell rechtswidrig erbrachte Leistungen vorgesehen sei. Die Handlungstendenz des Beigeladenen sei auf die Begehung des Unternehmens von F. M. gerichtet gewesen und habe diesem auch objektiv gedient. Dass der Traktor - ein typisches landwirtschaftliches Fahrzeug - in einer Halle gestanden habe, die auch von B. M. benutzt worden sein solle, ändere an dem Gesamtzusammenhang des unfallbringenden Geschehens nichts. Falls die Klägerin die Tätigkeit des Beigeladenen nicht mehr dem Unternehmen des B. M., sondern demjenigen des bei ihr versicherten Unternehmens von F. M. zuordnen wolle, bestreite sie damit ihre eigene Zuständigkeit für das bei ihr bindend versicherte Unternehmen. Damit könne sie aber keinen Erfolg haben, da Landwirtschaft und Futtermittelhandel Unternehmensbestandteile eines Gesamtunternehmens im Sinne des § 131 Abs. 1 SGB VII seien. Der Futtermittelhandel sei also bei der Klägerin zwangsläufig mitversichert. Die Klägerin erwiderte hierauf, Hauptunternehmen von F. M. sei ohne Zweifel der Futtermittelhandel. Eine Landwirtschaft werde - wenn überhaupt - nur noch in völlig unbedeutendem Umfang betrieben.

Mit Beschluss vom 20.03.2001 hat das SG F. M. sen. zum Rechtsstreit beigeladen.

Auf schriftliche Anfragen des SG gaben F. M. und B. M. übereinstimmend an, der am Unfall beteiligte Traktor sei für landwirtschaftliche Zwecke verwendet worden. Regelmäßig habe der Beigeladene Aufräumarbeiten ausgeführt. Die Frage, warum der Beigeladene am Unfalltag den Traktor bewegen wollte, lasse sich nicht mehr beantworten.

In der mündlichen Verhandlung vom 20.11.2001 hörte das SG den Beigeladenen an und vernahm dessen Söhne F. M. und B. M. als Zeugen. Der Beigeladene gab an, der Traktor habe beiden Söhnen gehört. Er sei vor allem für Aufräumarbeiten verwendet worden. F. M. sagte aus, der Traktor sei dazu eingesetzt worden, um Aufräumarbeiten durchzuführen und die 3 Wiesen, die noch zur Landwirtschaft gehört hätten, ab und zu zu mähen. Ihr Vater habe bei seinen abendlichen Rundgängen sowohl hinsichtlich des Betriebs seines Bruders als auch hinsichtlich seiner Angelegenheiten nach dem Rechten geschaut. Er habe dafür kein Geld bekommen und auch keine Anweisungen erhalten. Er hätte sich auch keine Anweisungen geben lassen. B. M. bekundete, ihr Vater sei sozusagen der Hausmeister für beide Brüder. Der Traktor werde dafür eingesetzt, um die Ställe auszumisten, in denen sich Vieh befinde, mit denen er handele. Ungefähr jedes Vierteljahr einmal werde das Sägemehl mit dem Traktor transportiert. Am meisten werde der Traktor für das Mähen der drei Wiesen verwendet, das ungefähr zwei- bis dreimal im Jahr stattfinde.

Mit Urteil vom 20.11.2001 stellte das SG fest, die Beklagte habe die infolge des Unfallereignisses vom 07.04.1999 entstandenen Kosten sowie die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen als zuständiger Versicherungsträger zu tragen. Der Rundgang des Beigeladenen habe nämlich mit der Wiesenbewirtschaftung in keinem Zusammenhang gestanden. Es komme nämlich nicht darauf an, für welchen Zweck der am Unfall beteiligte Gegenstand regelmäßig eingesetzt werde, sondern darauf, welcher Zweck mit der unfallbringenden Handlung verfolgt worden sei. In rechtlicher Hinsicht könne dahingestellt bleiben, ob es sich bei dem landwirtschaftlichen Unternehmen und dem Futtermittelhandel des F. M. um ein diese beiden Bestandteile umfassendes Gesamtunternehmen im Sinne des § 131 Abs. 1 SGB VII handle. Denn jedenfalls habe das landwirtschaftliche Unternehmen nicht den Schwerpunkt dieses Gesamtunternehmens gebildet.

Gegen das ihr am 29.01.2002 zugestellte und mit Beschluss vom 12.03.2002 berichtigte Urteil des SG hat die Beklagte am 25.02.2002 Berufung beim erkennenden Gericht eingelegt.

Die Beklagte trägt vor, im Falle eines Gesamtunternehmens komme es nur darauf an, wer das Unternehmen im Unfallzeitpunkt formell versichert habe. Wäre dies die Klägerin gewesen, so wäre sie zuständig gewesen. Wegen der engen Verbundenheit der landwirtschaftlichen Sozialversicherungsträger sei schwer vorstellbar, dass die Klägerin nichts von dem Futtermittelhandel des F. M. gewusst habe bzw. diesen nicht in Mitversicherung genommen habe. Jedenfalls müsse die Klägerin beweisen, dass der Unfall (nur) einem der bei ihr, der Beklagten, versicherten Unternehmen und nicht (auch) dem bei der Klägerin versicherten Unternehmen zuzuordnen sei. Zu dem Gesamtbild der unfallbringenden Tätigkeit gehöre sehr wohl auch der am Unfall beteiligte und unstreitig für die Landwirtschaft verwendete Traktor. Die Handlungstendenz des Beigeladenen im Unfallzeitpunkt, welche für die Bestimmung der Zuständigkeit maßgeblich sei, sei nicht beweisbar. Schon deshalb sei die Klage abzuweisen gewesen.

Selbst wenn die Beklagte für das Unternehmen, dem die Tätigkeit des Beigeladenen gedient habe, zuständig wäre, sei kein Erstattungsanspruch der Klägerin gegeben. Hierfür sei keine Rechtsgrundlage ersichtlich. Die Verwaltungsvereinbarung der Spitzenverbände der Unfallversicherungsträger im Rundschreiben des HVBG e.V. vom 19.05.1992 komme als solche schon deshalb nicht in Betracht, weil sie keine Anwendung finde, wenn ein Unfallversicherungsträger in vermeintlicher originärer Zuständigkeit Unfallleistungen erbracht habe. Auch § 102 SGB X scheide aus, weil die Klägerin in (gegebenenfalls vermeintlicher) eigener Zuständigkeit und nicht in ihrer Eigenschaft als erstangegangener Versicherungsträger vorläufige Leistungen erbracht habe. Schließlich komme auch § 105 SGB X nicht als Rechtsgrundlage in Betracht. Nach dem gem. § 105 Abs. 2 SGB X maßgeblichen, für die Beklagte geltenden Recht sei der Beigeladene im Unfallzeitpunkt nicht pflichtversichert gewesen. Bei ihr seien Unternehmer und unternehmerähnliche Personen nämlich nur freiwillig versicherbar. Einen solchen Antrag habe der Beigeladene nie gestellt. Er sei im Unfallzeitpunkt weder nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII noch nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII pflichtversichert gewesen. Zum einen stehe schon nicht fest, aufgrund welcher Handlungstendenz der Beigeladene im Unfallzeitpunkt tätig geworden sei. Selbst wenn man den Kontrollgang als solchen (sozusagen pauschal) als unfallbringende Tätigkeit ansehen wollte liege kein objektiv arbeitnehmerähnliches Verhalten vor. Aufgrund der in der Landwirtschaft nach wie vor traditionell bestehenden familiären Verhältnisse, die auch vorliegend zum Zuge gekommen seien, sprächen die Gesamtumstände nicht dafür, dass der Beigeladene mit fremdwirtschaftlicher Zweckbestimmung tätig geworden wäre. Da er in seiner aktiven Berufszeit Unternehmer sowohl in der Landwirtschaft, als auch des Futtermittelhandels und des Viehhandels gewesen sei, habe er mit seinen Kontrollgängen in der Zeit des Bezugs seines Altersgeldes nicht einem fremden Unternehmen, sondern unternehmerähnlich wie einem eigenen Unternehmen (nämlich seinem früheren Unternehmen) gedient, darüber hinaus auch aufgrund familienhafter Mithilfe, wie sie in der Landwirtschaft auch heute noch allgemein üblich sei und als selbstverständlich erwartet werde.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 20.11.2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, die Beklagte sei sowohl für den Futtermittelhandel als auch für den Viehhandel der zuständige Versicherungsträger. Der Unfall habe sich ereignet, als der Beigeladene auf seinem üblichen abendlichen Kontrollgang durch das Betriebsgelände den Traktor auf seinen üblichen Platz stellen wollte. Wie das SG zu Recht festgestellt habe, stehe diese Tätigkeit in keinem Zusammenhang mit den bei ihr, der Klägerin, veranlagten Wiesen. Im Unfallzeitpunkt hätten keine landwirtschaftlichen Tätigkeiten verrichtet werden sollen. Gem. § 43 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB I) seien die Leistungen vorläufig erbracht worden, so dass ein Ersatzanspruch nach § 102 SGB X bestehe. Wie sich aus § 121 SGB VII ergebe, sei die Beklagte der für den Unfall zuständige Versicherungsträger, selbst wenn sie einen Arbeitsunfall verneinen sollte.

Der Senat hat F. M. und B. M. unter dem 21. bzw. 22.08.2002 jeweils schriftlich als Zeugen gehört und von den Beigeladenen die Auskunft vom 29.07.2002 eingeholt.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akten des Senats, des SG und auf die Verwaltungsakten der Hauptbeteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht erhobene Berufung der Beklagten, über die der Senat im Einverständnis aller Beteiligten gem. § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung entschieden hat ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe greifen nicht ein. Insbesondere liegen die Voraussetzungen des Ausschlusstatbestandes des § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGG nicht vor, wonach die Berufung der Zulassung bedarf, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000,00 DM (seit 1. Januar 2002: 5.000,00 EUR) nicht übersteigt. Bei der Frage, ob eine Erstattungsstreitigkeit vorliegt, kommt es nicht auf die Klageart an. Es kann sich um eine Leistungs-, Anfechtungs-, Verpflichtungs- oder Feststellungsklage handeln (Meyer-Ladewig, SGG, 7. Auflage, Randziffer 13 zu § 144 mit Nachweisen). Dass die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 20.11.2001 die Feststellung beantragt hat, dass die Beklagte die in Folge des Unfallereignisses vom 07.04.1999 entstandenen Kosten als zuständiger Versicherungsträger zu tragen hat, während sie ursprünglich im Klageschriftsatz vom 06.09.2000 beantragt hatte, die Beklagte zur Erstattung der von ihr bisher verauslagten Kosten in Höhe von 54.840,98 DM sowie der zukünftig noch weiter anfallenden Kosten zu verurteilen, ändert mithin nichts an der Anwendbarkeit des § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGG. Der darin genannte Beschwerdewert ist überschritten.

Die Berufung ist auch begründet. Das SG hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Der Beigeladene stand bei seinem Unfall vom 07.04.1999 nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Eine Rechtsgrundlage, nach welcher die Beklagte dennoch zur Erstattung verpflichtet wäre, existiert nicht. Selbst wenn man im übrigen einen versicherten Arbeitsunfall bejahen würde, ließe sich nicht feststellen, dass zu seiner Entschädigung nicht die Klägerin, sondern die Beklagte zuständig wäre.

Gem. § 212 SGB VII sind hier die Vorschriften dieses Gesetzbuches anzuwenden, weil der von der Klägerin bejahte Versicherungsfall nach Inkrafttreten des SGB VII am 01.01.1997 eingetreten wäre.

Gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII sind Beschäftigte in der gesetzlichen Unfallversicherung kraft Gesetzes versichert. Beschäftigung ist die nicht selbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 des 4. Buches des Sozialgesetzbuchs - SGB IV). Wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist, hat sich der Beigeladene nicht irgendwelchen Weisungen seiner Söhne F. M. sowie B. M. unterworfen. Er war auch nicht in deren jeweilige Arbeitsorganisation eingegliedert. Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII scheidet deshalb aus.

Der Beigeladene war auch nicht nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII versichert. Danach sind Personen versichert, die wie nach Abs. 1 Nr. 1 Versicherte tätig werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu der Vorgängervorschrift des § 539 Abs. 2 RVO, die gleichermaßen für § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII fortgilt, setzen beide Vorschriften voraus, dass es sich um eine ernstliche, dem in Betracht kommenden fremden Unternehmen zu dienen bestimmte Tätigkeit handelt, die dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entspricht und ungeachtet des Beweggrundes für den Entschluss, tätig zu werden, unter solchen Umständen tatsächlich geleistet wird, dass sie einer Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnlich ist (vgl. BSG SozR 3-2200 § 539 Nr. 15). Bei einer Tätigkeit gem. § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII braucht eine persönliche oder wirtschaftliche Abhängigkeit vom unterstützten Unternehmen nicht vorzuliegen. Entscheidend ist, ob nach dem Gesamtbild der Tätigkeit diese beschäftigtenähnlich ausgeübt wird. Die Tätigkeit muss in einem inneren Zusammenhang mit dem unterstützen Unternehmen stehen. Denn nicht alles, was einem Unternehmen objektiv nützlich und der Art der Verrichtung nach üblicherweise sonst dem allgemeinen Arbeitsmarkt zugänglich ist, wird für das Unternehmen und in beschäftigtenähnlicher Tätigkeit verrichtet. Das BSG hat vielmehr der mit dem Tun - selbst wenn es objektiv beschäftigtenähnlich ist - verbundenen Handlungstendenz der betreffenden Person, so wie erstere in den gesamten objektiven Umständen des Falles ihre Bestätigung findet, eine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen, um den Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII zu bejahen. Die von den - unerheblichen - Beweggründen für den Entschluss, tätig zu werden, zu unterscheidende Handlungstendenz zeigt an, welches Unternehmen in erster Linie und wesentlich unterstützt wird. Bei der unfallbringenden Tätigkeit muss diese Handlungstendenz wesentlich auf die Belange des als unterstützt geltend gemachten Unternehmens gerichtet sein, damit die Handlung überhaupt als beschäftigtenähnliche Tätigkeit für dieses Unternehmen gewertet werden kann (vgl. zuletzt BSG vom 05.03.2002 - B 2 U 9/01 R - SGb 2002, 441f. m.w.N.). Diese Grundsätze finden nicht nur Anwendung, wenn fraglich ist, welchem von mehreren Unternehmen eine beschäftigtenähnliche Tätigkeit zuzurechnen ist, sondern auch in den Fällen, in denen die unfallbringende Tätigkeit abzugrenzen ist, entweder als beschäftigtenähnliche Tätigkeit oder als unternehmerische oder als unternehmerähnliche und damit eigenwirtschaftliche Tätigkeit im eigenen Unternehmen (BSG aaO).

Im vorliegenden Fall ist der Beigeladene im Unfallzeitpunkt nicht beschäftigtenähnlich, sondern unternehmerähnlich tätig geworden. Seine beiden Söhne haben übereinstimmend bekundet, dass sie ihrem Vater keine Weisungen erteilt haben, wenn er sich in dem Unternehmen betätigte, das er bis Oktober 1987 selbst als Unternehmer betrieben hatte und dessen Landwirtschaft und Futtermittelhandel er an F. M. sowie dessen Viehhandel er an B. M. abgegeben hatte. F. M. hat bei seiner Vernehmung als Zeuge in der mündlichen Verhandlung vor dem SG glaubhaft angegeben, sein Vater hätte sich auch gar keine Weisungen von den Söhnen geben lassen. Er entschied ferner selbst darüber, welche Aufgaben, die er in dem abgegebenen Unternehmen der Söhne zu erkennen glaubte, er an sich zog. In deren Mittelpunkt stand der abendliche Kontrollgang durch das Betriebsareal, in dessen Verlauf der Beigeladene Tore schloss, Lichter löschte sowie Gegenstände oder Maschinen versorgte, die nach seiner Auffassung nicht an ihrem richtigen Platz standen. Hiervon hat sich der Senat aufgrund des Berichts des Berufshelfers O. vom 27.03.2000 überzeugt, welcher auf einer Befragung des Beigeladenen beruht. Dessen Tätigkeit war mithin durch die freie Verfügung über die eigene Arbeitskraft, den Arbeitsort und die Arbeitszeit, ferner durch die Merkmale der Regelmäßigkeit und Planmäßigkeit gekennzeichnet. Damit sind sämtliche Merkmale einer unternehmerähnlichen Tätigkeit erfüllt (vgl. Keller, NZS 2001, 188, 191 m.N.). Dem steht nicht entgegen, dass der Beigeladene seit der Abgabe seines Unternehmens kein Unternehmerrisiko mehr trug. Andernfalls wäre er nämlich nicht lediglich unternehmerähnlich, sondern als Unternehmer tätig geworden.

Gegen einen arbeitnehmerähnlichen Charakter des Tätigwerdens des Beigeladenen spricht ferner die enge verwandtschaftliche Beziehung zu den Söhnen. Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII ist nämlich nicht gegeben, wenn die unter Verwandten vorgenommene Gefälligkeitshandlung im Wesentlichen durch die familiären Beziehungen zwischen den Verwandten geprägt ist. Je enger die verwandtschaftliche Beziehung ist, um so eher ist die Annahme gerechtfertigt, dass es sich um Gefälligkeitsdienste handelt, die ihr Gepräge allein durch die familiären Beziehungen erhalten und deshalb nicht mehr als arbeitnehmerähnlich angesehen werden können (BSG SozR 3-2200 § 548 Nrn. 20 und 37 m.w.N.). Berücksichtigt man ferner die in der Landwirtschaft traditionell bestehenden familiären Strukturen, so sprechen auch diese dagegen, dass der Beigeladene mit fremdwirtschaftlicher Zweckbestimmung, also arbeitnehmerähnlich tätig geworden ist.

Sonstige Vorschriften, aus denen sich die Versicherungspflicht des Beigeladenen bei der Beklagten ergeben könnte, sind nicht ersichtlich. Insbesondere sind bei der Beklagten anders als bei der Klägerin gem. § 2 Abs. 1 Nr. 5 a SGB VII Unternehmer nicht kraft Gesetztes unfallversichert. Unfallversicherungsschutz bei der Beklagten wäre deshalb für den Beigeladenen nur über eine nach der Satzung der Beklagten grundsätzlich mögliche freiwillige Versicherung als Unternehmer in Betracht gekommen, welche der Beigeladene jedoch nicht abgeschlossenen hatte.

Die vom SG ausgesprochene Feststellung kann ferner auch nicht auf das Rundschreiben VB 41/73 des Hauptverbands der gewerblichen Berufsgenossenschaften e. V. vom 09.03.1973 gestützt werden, auf welches sich die Klägerin berufen hat. Der Senat lässt offen, ob diesem Rundschreiben die "Empfehlung" entnommen werden kann, der fachlich zuständige Unfallversicherungsträger habe sämtliche Kosten zu übernehmen, die dem erstangegangenen Unfallversicherungsträger entstanden seien, unabhängig davon, ob es sich um eine versicherte Person oder um einen Arbeitsunfall handelt. Denn jedenfalls ist der Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften nicht in der Lage, die Voraussetzungen der in den § 102 ff. SGB X normierten Erstattungsansprüche abzuändern. Die genannten Vorschriften enthalten keine Öffnungsklauseln, welche den Vorrang von Verwaltungsvereinbarungen zwischen einzelnen Unfallversicherungsträgern vorsehen würden. Erstattungsansprüche nach § 102 Abs. 1 SGB X scheitern ebenso wie Ansprüche nach § 105 Abs. 1 SGB X jedenfalls daran, dass die Beklagte in Ermangelung eines zu entschädigenden Versicherungsfalles nicht "der zur Leistung verpflichtete Leistungsträger" ist. Auf die Frage, ob die Klägerin als "erstangegangener" Versicherungsträger i. S. des § 102 Abs. 1 SGB X Leistungen "vorläufig" erbracht hat, kommt es deshalb nicht mehr an.

Schließlich war die vom SG getroffene Feststellung, die Beklagte habe die in Folge des Unfallereignisses vom 07.04.1999 entstandenen Kosten als zuständiger Versicherungsträger zu tragen, auch deshalb aufzuheben, weil sich nicht feststellen lässt, mit welcher Handlungstendenz der Beigeladene im Unfallzeitpunkt tätig geworden ist. Wegen seiner retrograden Amnesie lässt sich heute nicht mehr feststellen, welche Zwecke er bei seiner unfallbringenden Tätigkeit verfolgt hat. Soweit sich der Beigeladene selbst und seine Söhne hierzu geäußert haben, handelt es sich nur um Vermutungen spekulativer Art, auf welche die richterliche Überzeugung nicht gestützt werden kann. Insbesondere gilt dies für die Aussage von F. M. gegenüber dem TAB M. vom 29.07.1999 sein Vater habe gewusst, dass noch eine LKW Waren anliefern sollte und habe aus diesem Grund den in der Lagerhalle abgestellten Schlepper zur Seite gestellt, um Platz zum Rangieren und Abladen zu schaffen. Hiergegen spricht im übrigen schon, dass F. M. die Rückfrage der Klägerin vom 24.09.1999, ob am Unfalltag noch Waren für den Handelsbetrieb erwartet worden seien, verneint hat. Unter diesen Umständen stellt sich auch nicht die Frage, ob hinsichtlich der Unternehmensteile Futtermittelhandel und (Rest-)Land-wirtschaft ein einheitliches Gesamtunternehmen anzunehmen ist und welche Bedeutung dem Umstand zukommt, dass die Klägerin das Unternehmen im Unfallzeitpunkt jedenfalls formell versichert hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG. Kosten des Beigeladenen waren nicht zu erstatten, da sich dieser weder im Klage- noch im Berufungsverfahren durch die Stellung von Anträgen am Rechtsstreit beteiligt hat.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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