L 5 KA 5/02

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 10 KA 1250/01
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KA 5/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die überdurchschnittliche Erbringung von Parodontoseleistungen und von prothetischen Leistungen kann zu erhöhten Begleitleistungen im konservierend-chirurgischen Bereich führen, die dann ggfs als Praxisbesonderheiten zu berücksichtigen sind.
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 24. Oktober 2001 und der Bescheid des Beklagten vom 20. Februar 2001 aufgehoben. Der Beklagte wird verurteilt, über den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid des Prüfungsausschusses vom 10. Mai 2000 erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu entscheiden.

Der Beklagte trägt die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens und die notwendigen Aufwendungen des Klägers in beiden Rechtszügen. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Kürzung seiner Honoraranforderung für das Quartal 1/98 wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise.

Der Kläger ist als Zahnarzt in E. zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen. Im streitigen Quartal 1/98 beschäftigte er eine Entlastungsassistentin. Er behandelte im Quartal 1/98 konservierend-chirurgisch 414 Versicherte. Die Honorarforderung je Fall bei den konservierend-chirurgischen Leistungen betrug DM 213,94 (Durchschnitt der im Bereich der Beigeladenen Nr. 1 zugelassenen Zahnärzte: DM 138,02) und überschritt damit den Fachgruppendurchschnitt um 55,01 %. Im Quartal 1/98 rechnete er des Weiteren 82 Prothetikfälle mit einer Gesamtsumme von DM 104.914,47, 25 Parodontosefälle mit einer Gesamtsumme von DM 28.752,60 und 3 Kieferbruchfälle mit einer Gesamtsumme von DM 1.102,84 ab.

Der Ortsausschuss Stuttgart des Beigeladenen Nr. 6 beantragte die Prüfung der Abrechnung des Klägers wegen Überschreitung der Fallkosten um mehr als 50%. In seinem Antrag ging er von Fallkosten des Klägers in Höhe von DM 260,96 sowie von Fallkosten der Zahnärzte im Bereich der Beigeladenen Nr. 1 in Höhe von DM 137,85 aus.

Die zahnärztlichen Mitglieder des Prüfungsausschusses führten eine fachliche Vorprüfung von insgesamt 51 Einzelfällen durch. Bei den Sitzungen am 13.4.1999, 20.4.1999 und 27.4.1999 war der Kläger anwesend. In einer zusammenfassenden Beurteilung kamen die zahnärztlichen Mitglieder des Prüfungsausschusses zu dem Ergebnis, die Dokumentation sei nicht immer ausreichend gewesen, da häufig nur BEMA-Kürzel statt der Leistungsbeschreibung festgehalten würden. Bei Füllungen mit Mehrkostenvereinbarung werde teilweise der Kassenanteil gar nicht oder mit falschem Datum abgerechnet. Die angefertigten Röntgenbilder seien technisch einwandfrei und ausdiagnostiziert gewesen. In der zusammenfassenden Beurteilung sind weiter die Fälle genannt, in denen nicht vertragsgerecht abgerechnete bzw. unwirtschaftlich erbrachte Leistungen festgestellt wurden.

Der Prüfungsausschuss berichtigte das Honorar zu Lasten des Klägers um insgesamt DM 10.306,39 (entspricht EUR 5.269,57). Er setzte 3.968 Punkte (= DM 6.281,92), die verbleibende Berichtigung laut Niederschrift (über die Vorprüfung) in Höhe von DM 3.962,49 sowie 31 Füllungszuschläge in Höhe von zusammen DM 62,00 ab. Des Weiteren gab er Hinweise zur Dokumentation, den Geb.-Nrn. 12, 13b, 38, 50 und 59 BEMA sowie zur systematischen Parodontosebehandlung (Beschluss vom 6.7.1999/Bescheid vom 10.5.2000).

Der Kläger erhob Widerspruch. Er hielt die vom Prüfungsausschuss gewählte Prüfmethode der repräsentativen Einzelfallprüfung mit Hochrechnung für unzulässig. Es werde nicht hinreichend zwischen sachlich-rechnerischer Richtigstellung und Wirtschaftlichkeitsprüfung unterschieden. Des Weiteren nahm er auch zu den geprüften einzelnen Fällen Stellung.

Der Beklagte gab dem Widerspruch des Klägers teilweise statt und berichtigte durch Beschluss vom 10.10.2000/ Bescheid vom 20.02.2001 das Honorar zu Lasten des Klägers um DM 8.623,51 (entspricht EUR 4.409,13). Er erkannte zusätzlich zum Fallkostendurchschnitt der Beigeladene Nr. 1 eine Überschreitung von 40 v.H. an und setzte den Rest (DM 8.573,94) sowie eine P200 im Fall 48 (DM 49,57) ab (Beschluss vom 10.10.2000/Bescheid vom 20.2.2001). Zur Begründung führte er aus, hinsichtlich der konservierend-chirurgischen Behandlung sei ein statistischer Vergleich durchgeführt worden. Die vom Prüfungsausschuss beanstandeten Par-Fälle seien einzeln geprüft worden. Praxisbesonderheiten seien weder vorgetragen noch hätten solche eruiert werden können. Der Gesamtfallwert (DM 213,94) überschreite den KZV-Durchschnitt (DM 138,02) um rund 55%. Dies stelle ein offensichtliches Missverhältnis dar, dessen Beginn bei 40% Überschreitung gesehen werde. Der Kläger stelle die Indikation für einzelne Leistungen offensichtlich zu großzügig. Der unwirtschaftliche Mehraufwand erstrecke sich auf den Teil der Leistungen, der den Gesamtfallwert der Beigeladenen Nr. 1 zzgl. 40% (= DM 193,23) übersteige. Im Fall 48 werde die Absetzung einer P200 (am Zahn 38, da er ohne Antagonist nicht erhaltungswürdig sei) bestätigt. In den Fällen 3 und 32 habe der Kläger eine vertragsgerechte Par-Behandlung nachweisen können.

Der Kläger hat am 15.3.2001 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Seine Klage hat er auf die Honorarberichtigung wegen Überschreitens des KZV-Durchschnitts beschränkt und geltend gemacht, er erbringe in einem deutlich über dem Durchschnitt der Fachgruppe liegenden Umfang prothetische Leistungen und Parodontoseleistungen. Die damit im Zusammenhang stehenden Begleitleistungen hätten als Praxisbesonderheiten berücksichtigt werden müssen (Hinweis auf Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 22.1.1986 - L 1 KA 2869/84 -).

Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Allein das erhöhte Abrechnen von prothetischen und konservierend-chirurgischen Leistungen bedeute noch nicht eine Praxisbesonderheit. Die Frage sei, ob sich die Gebissverhältnisse und damit die Behandlungsbedürftigkeit der Patienten des Klägers grundsätzlich von denjenigen der Vergleichsgruppe unterschieden. Darüber hinaus zeigten sich auch keine kompensatorischen Einsparungen etwa in Form eines geringeren Aufwands bei Füllungen. Der Kläger habe 414 Patienten mit einem durchschnittlichen Behandlungsaufwand von 213,94 DM behandelt; mit diesem Honorar behandelten alle anderen Zahnärzte durchschnittlich 642 Patienten.

Das SG hat mit Urteil vom 24.10.2001 die Klage abgewiesen. Das SG ist zu der Auffassung gekommen, der Bescheid des Beklagten entspreche den Grundsätzen und Anforderungen der Rechtsprechung, und hat weiter ausgeführt, unter Berücksichtigung der von den Prüfgremien getroffenen Feststellungen und unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers lägen keine zu berücksichtigenden Praxisbesonderheiten vor, die die Überschreitung des Fachgruppendurchschnittes rechtfertigen könnten. Dies gelte auch für sein Vorbringen, er erbringe im Vergleich zur Fachgruppe in erheblich höherem Umfang prothetische Leistungen und Parodontoseleistungen. Eine Praxisbesonderheit könne nur dann anerkannt werden, wenn der Kläger ein von der übrigen Fachgruppe abweichendes Patientenklientel behandeln würde. Dies sei nicht der Fall. Es bestünden keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass im Bereich E. ein Patientenklientel bestehe, das einen erhöhten Aufwand im Bereich der prothetischen Leistungen und der Parodontoseleistungen erfordere. Vielmehr zeigten die von den zahnärztlichen Mitgliedern des Prüfungsausschusses getroffenen Feststellungen, dass der Kläger die Indikation für diese Leistungen zu großzügig stelle. Nur so lasse sich die Abweichung vom Fachgruppendurchschnitt erklären.

Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 17.12.2001 zugestellte Urteil hat der Kläger am 2.1.2002 Berufung eingelegt. Er hat geltend gemacht, er habe im streitigen Quartal 82 Prothetikfälle und 25 Parodontosefälle behandelt. Entgegen der Auffassung des SG komme es nicht auf die Verhältnisse im Landkreis E. an, sondern allein auf die Verhältnisse in seiner Praxis und die Gebissverhältnisse der ihn aufsuchenden Patienten. Die Zahnersatz- und die Parodontoseleistungen seien von den Krankenkassen genehmigt worden. Dabei fielen Begleitleistungen an, ohne die diese Behandlungen nicht lege artis durchgeführt werden könnten. Die Begleitleistungen in den 25 Parodontosefällen entsprächen einem Abrechnungsvolumen von 4.272 Punkten. Nach Berücksichtigung dieser Leistungen sinke sein Fallwert auf DM 197,61, was zu einer Restüberschreitung von 43,2% führe. Im Zusammenhang mit den Zahnersatz-Behandlungen habe er insgesamt 23.074 Punkte oder 36.521,53 DM an konservierend-chirurgischen Leistungen erbracht. Dies ergebe pro Fall einen Betrag und 88,22 DM. Selbst wenn man hiervon nur der Hälfte einsetzen würde, würde sein Scheindurchschnitt auf DM 153,50 sinken und damit nur noch 11,2 Prozent über der Fachgruppe liegen, was sich innerhalb des allgemeinen Streubereichs bewegen würde. Bei der erhöhten Zahl von Begleitleistungen handele sich um einen Ausdruck struktureller Besonderheiten im Sinne der Rechtsprechung des BSG zu den Praxisbesonderheiten, wenn in einer Zahnarztpraxis mehr Parodontose- und/oder mehr Zahnersatzfälle erbracht würden als in anderen Praxen. In diesem Sinne habe auch das LSG Baden-Württemberg im Urteil vom 22.1.1986 - L 1 KA 2869/84 - entschieden. Würde man Behandlungsschwerpunkte in einer zahnärztlichen Praxis bzw. dadurch bedingte Begleitleistungen nicht als Praxisbesonderheit anerkennen, führte dies im zahnärztlichen Bereich dazu, dass nur noch Kieferorthopäden oder Oralchirurgen Praxisbesonderheiten geltend machen könnten.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 24. Oktober 2001 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 20. Februar 2001 zu verurteilen, über seinen Widerspruch gegen den Bescheid des Prüfungsausschusses vom 10. Mai 2000 erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu entscheiden.

Der Beklagte und die Beigeladenen Nrn. 1 und 2 beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des SG sowie die vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund des § 144 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ist nicht gegeben. Der Kläger wendet sich gegen eine Kürzung seiner Honoraranforderung von DM 8.573,94, was EUR 4.383,79 entspricht. Der Beschwerdewert von DM 1.000,00, seit 2.1.2002 EUR 500,00, ist damit überschritten.

II.

Die Berufung des Klägers ist begründet. Der angefochtene Bescheid des Beklagten erweist sich als rechtsfehlerhaft. Der Beklagte hat die Wirtschaftlichkeit des Behandlungsverhaltens des Klägers im Quartal 1/98 erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu beurteilen.

Rechtsgrundlage für die Kürzung der Honorarforderung wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise ist § 106 Abs. 2 Nr. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) in der für den vorliegenden Fall maßgeblichen Fassung des Gesundheits-Strukturgesetzes (GSG) vom 22.12.1992 (BGBl. I, S. 2266 ff), der gemäß § 72 Abs. 1 Satz 2 SGB V für den vertragszahnärztlichen Bereich entsprechend gilt. Die für die Wirtschaftlichkeitsprüfung von der Rechtsprechung des BSG entwickelten Grundsätze hat das SG in den Entscheidungsgründen seines Urteils (S. 7/9) zutreffend dargelegt, insbesondere, dass den Prüfgremien bei der Beurteilung des entscheidungserheblichen Sachverhaltes und insbesondere bei der Festlegung des Grenzwertes für das offensichtliche Missverhältnisses ein Beurteilungsspielraum zusteht. Die Kontrolle der Gerichte beschränkt sich hierbei auf die Prüfung, ob das Verwaltungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden ist, ob der Verwaltungsentscheidung ein richtig und vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde liegt, ob die Verwaltung die durch die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffes ermittelten Grenzen eingehalten und ob sie ihre Subsumtionserwägungen so verdeutlicht und begründet hat, dass im Rahmen des Möglichen die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist. Die angestellten Erwägungen müssen, damit sie auf ihre sachliche Richtigkeit und auf ihre Plausibilität und Vertretbarkeit geprüft werden können, im Bescheid genannt werden oder jedenfalls für die Beteiligten und das Gericht erkennbar sein (vgl. zum Ganzen: BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 25, mwN; ständige Rechtsprechung).

Das SG hat weiter zutreffend ausgeführt, dass der Beklagte zu Recht die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise des Klägers anhand eines statistischen Kostenvergleiches (Horizontalvergleich) mit der Gruppe der im Bereich der Beigeladenen Nr. 1 zugelassenen Zahnärzte vorgenommen hat sowie die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis bei einer Überschreitung von 40% gezogen hat (vgl. zum Ganzen: BSGE 62, 24 ff = SozR 2200 § 368n Nr. 48). Ausgehend von seiner Annahme, dass der Kläger bei den konservierend-chirurgischen Leistungen den Wert der Vergleichsgruppe mit 55% überschreitet, wäre das Vorliegen eines offensichtlichen Missverhältnisses auch nicht zu beanstanden ...

Dieser Anscheinsbeweis der unwirtschaftlichen Behandlungsweise wird jedoch entkräftet, wenn der betreffende Zahnarzt darlegt - und sich dies als zutreffend erweist -, dass bei seiner Zahnarztpraxis besondere, einen höheren Behandlungsaufwand rechtfertigende Umstände vorliegen, die für die zum Vergleich herangezogenen Zahnärzte untypisch sind (vgl. z. B. zuletzt: BSG, Urteil vom 27.6.2001 - B 6 KA 43/00 R-).

Sind kostenerhöhenden Praxisbesonderheiten bekannt oder anhand der Krankenscheine bzw Abrechnungsdaten oder der Angaben des (Zahn-)Arztes erkennbar, so müssen nach der Rechtsprechung des BSG ihre Auswirkungen bestimmt werden, noch ehe sich auf der Grundlage der statistischen Abweichungen verlässliche Aussagen über die Wirtschaftlichkeit oder Unwirtschaftlichkeit der Behandlungsweise treffen lassen. Die durch die ergänzende Prüfung unter medizinisch-ärztlichen Gesichtspunkten gewonnenen Erkenntnisse sind nicht erst in einem späteren Verfahrensstadium und/oder nur auf entsprechende Einwendungen des Betroffenen hin, sondern bereits auf der ersten Prüfungsstufe von Amts wegen mit zu berücksichtigen. Nur die Zusammenschau der statistischen Daten und der medizinisch-ärztlichen Gegebenheiten ermöglicht die Beurteilung, ob die vorgefundenen Vergleichswerte die Annahme eines offensichtlichen Missverhältnisses und damit den Schluss auf eine unwirtschaftliche Behandlungsweise rechtfertigen. Mithin müssen bereits vorab die besonderen Strukturen und das Behandlungsverhalten innerhalb des speziellen engeren Leistungsbereichs sowie die Praxisumstände des geprüften (Zahn-)Arztes berücksichtigt werden, um die Eignung der Vergleichsgruppe und den Aussagewert der gefundenen Vergleichszahlen beurteilen zu können (vgl. zuletzt: BSG, Urteil vom 27.6.2001 - B 6 KA 43/00 R -, mwN).

Als Praxisbesonderheit hat der Kläger zu Recht eine gegenüber den anderen Zahnärzten vermehrte Durchführung prothetischer Leistungen und Parodontoseleistungen geltend gemacht, weshalb vermehrt konservierend-chirurgische Leistungen anfielen. Die Anzahl der vom Kläger abgerechneten Behandlungsfälle im Bereich des Zahnersatzes und der Parodontose sind aus der Zahnarzt-Statistik erkennbar, so dass es unerheblich ist, ob der Kläger die Praxisbesonderheiten bereits in der mündlichen Verhandlung des Beklagten geltend gemacht hat, wie er in der Klagebegründung behauptet hat.

Zunächst wird durch die von der Beigeladenen Nr. 1 vorgelegten Anzahlstatistiken eine erhöhte Zahl an Zahnersatz- und Parodontosebehandlungen belegt. Der Kläger hat ausweislich der Abrechnungsstatistik für das Quartal 1/98 (Bl. 31 der LSG-Akte) insgesamt 82 Patienten mit Zahnersatz und 25 Patienten mit Parodontoseerkrankungen behandelt. Demgegenüber haben die 2.221 abrechnenden Zahnärzte der Beigeladenen Nr. 1 im Durchschnitt nur 35,8 Zahnersatzbehandlungen mit einem durchschnittlichen Gesamtaufwand von DM 29.592,00 und nur 3,5 Parodontosebehandlungen mit einem Aufwand von DM 4.569,00 vorgenommenen (vgl. dazu Bl. 76 LSG-Akte). Dies entspricht einer Überschreitung bezüglich der Fallzahlen von 129% beim Zahnersatz bzw. von 714% bei den Parodontosebehandlungen.

Dem Kläger kann nicht entgegengehalten werden, er erbringe die prothetischen Leistungen und Parodontoseleistungen unwirtschaftlich, weil er allzu großzügig eine Indikationsstellung für solche Leistungen annehme. Beide Arten von Leistungen bedürfen der Genehmigung der jeweiligen Krankenkasse. Der Genehmigung hat regelmäßig ein Gutachterverfahren voranzugehen. Dies folgt für Parodontopathien aus Anlagen 9 zum BMV-Z bzw. Anlage 23 zu EKV-Z und für Zahnersatz aus Anlage 12 zum BMV-Z und Anlagen 10a und 10b zum EKV-Z. Die Genehmigungsbedürftigkeit der Leistungen führt dazu, dass die genehmigte Behandlung nachträglich nicht mehr als unwirtschaftlich bewertet werden kann (BSG vom 20.5.1992 - 14/9 Ka 9/90 = SozR 3-5555 § 12 Nr. 3). Sofern die Genehmigung dem Zahnarzt Freiräume bei der Durchführung lässt, unterliegt die Durchführung der jeweiligen Behandlung der Wirtschaftlichkeitsprüfung (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 12)

Der Kläger hat darüber hinaus geltendgemacht, neben den genehmigten Leistungen für die Zahnersatz- bzw. Parodontosebehandlung fielen noch ergänzende Begleitleistungen im konservierend-chirurgischen Bereich an, ohne die lege artis die genehmigten Behandlungen nicht durchgeführt werden könnten. Dieses Vorbringen wurde von den in der mündlichen Verhandlung anwesenden Zahnärzten im Kern nicht in Frage gestellt. Der Senat hält es deshalb für notwendig, dass der Beklagte diesem Vorbringen näher nachgeht. Angesichts des Umstands, dass der Kläger in weit überdurchschnittlichem Maße Zahnersatz und Parodontosebehandlungen vornimmt, ist nicht auszuschließen, dass eine entsprechend hohe Zahl von Begleitleistungen im konservierend-chirurgischen Bereich als Praxisbesonderheit zu berücksichtigen ist, zumal diese Begleitbehandlungen in die Abrechnungsstatistik der Beigeladenen Nr. 1 eingegangen sind. Der Beklagte wird allerdings abzugrenzen haben, inwieweit es sich bei den abgerechneten konservierend -chirurgischen Leistungen um Grundleistungen handelt, die jeder Zahnarzt im Rahmen seiner Behandlungen durchführt, und zwar unabhängig davon, welche Behandlung er danach erbringt, und inwieweit es sich bei den abgerechneten konservierend-chirurgischen Behandlungen um solche handelt, die typischerweise als zusätzlicher Mehraufwand bei Zahnersatz und Parodontosebehandlungen anfallen. Sofern dabei kein typischer Minderaufwand zu berücksichtigen ist, ist der im Vergleich zum Durchschnitt der Fachgruppe erhöhte Mehraufwand als Praxisbesonderheit berücksichtigen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 193 Abs. 1, 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in der seit 2.1.2002 geltenden Fassung des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes (6. SGGÄndG) vom 17.8.2001 (BGBl. I, 2144) i.V.m. § 162 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Zu einer Verpflichtung der Beklagten zur Erstattung der Aufwendungen der Beigeladenen Nrn. 1 bis 7 bestand hier kein Anlass (§ 197a Abs. 1 Satz 2. Halbsatz SGG i.V.m. § 163 Abs. 3 VwGO).

Der Senat ist bei seiner Entscheidung davon ausgegangen, dass § 197a SGG in der seit 2.1.2002 geltenden Fassung auf Berufungsstreitsachen zur Anwendung kommt, die - wie der vorliegende Fall - erst 2002 anhängig geworden sind. Zwar spricht Art. 17 Abs. 1 Satz 2 des 6. SGGÄndG allgemein von Verfahren, die vor seinem In-Kraft-Treten anhängig waren. Der Begriff "Verfahren" wird allerdings durch den Zusatz "nach § 197a" modifiziert. § 197a SGG stellt aber ausdrücklich auf den jeweiligen Rechtszug ab. Dies legt es nahe, als Verfahren das Verfahren in dem jeweiligen Rechtszug aufzufassen. Dafür, dass unter Verfahren das in dem Rechtszug anhängige Verfahren zu verstehen ist, spricht, dass der Gesetzgeber in Art 17 Abs. 1 Satz 2 des 6. SGGÄndG eben nicht von Klagen oder Klageverfahren gesprochen hat, was aber nahegelegen hätte, wenn er dies so gewollt hätte. Dieses Ergebnis entspricht auch allgemeinem Sprachgebrauch, weil auch sonst kein alle Instanzen umfassender Verfahrensbegriff verwendet wird. Vielmehr wird unter Verfahren das Verfahren in dem jeweiligen Rechtszug (Klageverfahren, Berufungsverfahren, Revisionsverfahren) verstanden.

Die erhöhte Kostenlast auch schon für das Berufungsverfahren tritt bei Berufungseinlegung nach dem 2.1.2002 auch nicht überraschend ein. Die Klägerin konnte im hier streitigen Fall vor ihrer Entscheidung, in Berufung zu gehen, ihr Kostenrisiko nach den neuen Kostenregelungen kalkulieren. Im Übrigen macht die Auslegung, dass § 197 a SGG nur für die Verfahren gilt, in denen Klage nach dem 2.1.2002 erhoben worden ist, rechtspolitisch wenig Sinn. Krankenkassen, die in Vertragsarztsachen als Berufungskläger auftreten, wären von Gerichtskosten befreit, während sie immer dann, wenn sie von Versicherten beklagt werden, in allen Rechtszügen die erhöhten Pauschgebühren zu entrichten haben. Warum die Arbeitsverwaltung für nach dem 2.1.2002 eingelegte Berufungen die drastisch erhöhten Pauschgebühren zu zahlen hat, die Kassenärztlichen Vereinigung aber die niedrigen des alten Rechts und die ihr angeschlossenen Ärzte für die folgenden Berufungs- und Revisionsverfahren von Gerichtskosten freigestellt bleiben sollen, ist nicht nachvollziehbar.

Ob Gerichtskosten erhoben werden, entscheidet im Übrigen der Präsident des Landessozialgerichts. Ihm obliegt im Ergebnis die erste Beurteilung, ob er der Entscheidung des BSG vom 30.01.2002 - B 6 KA 12/01 R - folgt.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor. Der Senat hat lediglich die vom BSG in der Wirtschaftlichkeitsprüfung der Ärzte entwickelten Grundsätze auf den zahnärztlichen Bereich übertragen.
Rechtskraft
Aus
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