L 1 U 1896/00

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 2 U 1107/98
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 1896/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Anerkennung einer traumatischen Ruptur der Rotatorenmanschette als Folge eines Arbeitsunfalls bei einem Sturz auf den seitlich vom Körper abgespreizten Arm.
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Verletztenrente.

Der 1951 geborene Kläger nahm ab 24.09.1996 an einem von der (damaligen) Landesversicherungsanstalt Württemberg bewilligten stationären Heilverfahren teil. Die Kur sollte bis 15.10.1996 dauern. Am 02.10.1996 stürzte der Kläger beim Volleyballspielen in der Sporthalle der Klinik auf die linke Schulter. Er wurde noch am Unfalltag in der Chirurgischen Abteilung des Kreiskrankenhauses I. untersucht. Im Durchgangsarztbericht vom 04.10.1996 berichtete Dr. H., Chefarzt der Chirurgischen Abteilung, der Kläger sei beim Volleyballspielen nach dem Ball gesprungen und auf die linke Schulter gestürzt. Er habe sofort starke Schmerzen im linken Schultergelenk und eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung gehabt. Dr. H. erhob folgenden Befund: Schulter links leicht tiefer stehend, bedingt durch rechtskonvexe Skoliose, keine Schwellung, kein Hämatom, keine Hautverletzung. Bei Bewegung Schmerzen bei Anteversion und Abduktion. Retroversion aktiv weit möglich. Anteversion schmerzfrei etwa 20 , Abduktion schmerzfrei etwa 20 °. Keine sicheren Frakturzeichen. Die radiologischen Untersuchung des linken Schultergelenks in zwei Ebenen erbrachte keinen sicheren Frakturnachweis. Die Gelenkstellung im Schultergelenk und im Acromioclaviculargelenk war korrekt. Die Diagnose lautete: Verdacht auf Kontusion der linken Schulter. Der Kläger erhielt zur Ruhigstellung einen Gilchrist-Verband, den er zwei Wochen lang trug.

Bei einer Nachuntersuchung am 16.10.1996 klagte der Kläger immer noch über erhebliche Schmerzen im linken Schultergelenk. Er konnte nach wie vor den Arm nicht heben. Bei der Untersuchung durch den Orthopäden Dr. L. äußerte der Kläger einen heftigen Druckschmerz über der ventralen Rotatorenmanschette, insbesondere im Bereich des Supraspinatussehnenansatzes. Die Innenrotation war endgradig schmerzhaft, die Außenrotation hochgradig schmerzhaft eingeschränkt. Dr. L. fand keine eindeutige Pseudoparalyse; er diagnostizierte eine Periarthropathie des linken Schultergelenks und äußerte den Verdacht auf eine Schädigung der Rotatorenmanschette. Den Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit schätzte er auf 10 vH. Ab 14.11.1996 wurde der Kläger wieder als arbeitsfähig betrachtet.

Am 15.01.1997 stellte sich der Kläger in der Ambulanz der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik in T. vor. Nach dem über die dortige Untersuchung angefertigten Untersuchungsbericht soll der Kläger angegeben haben, er sei beim Volleyballspielen direkt auf die linke Schulter bei angelegtem Arm gestürzt. Ferner heißt es in dem Bericht, im Rahmen der klinischen, sonographischen und radiologischen Untersuchung hätten keine auf die Schulterprellung vom 02.10.1996 zurückzuführenden pathologischen Veränderungen mehr nachgewiesen werden können. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass selbst bei reduzierter Kompensationsfähigkeit einer bereits degenerativ vorgeschädigten Schulter der Vorzustand nach Schulterprellung wieder eingetreten sei. Der Unfallmachanismus sei nicht geeignet gewesen, eine Läsion der Rotatorenmanschette hervorzurufen; es fänden sich auch sonographisch lediglich degenerative Veränderungen.

Am 05.06.1997 stellte sich der Kläger aufgrund weiterhin bestehender Beschwerden in der Ortopädischen Abteilung des Rehabilitationskrankenhauses U. vor. Dort wurde eine Impingementsymptomatik links diagnostiziert und eine kernspintomograhische Untersuchung veranlasst. Röntgenologisch ergab sich ein Kalkdepot am Ansatz der Supraspinatussehne am Tuberculum major. Die kernspintomographische Untersuchung wurde am 14.07.1997 durchgeführt. Dabei zeigte sich ein vollständiger Abriss der Supraspinatussehne. Die hypointense Sehnenstruktur war unterhalb des Acromions nicht mehr nachweisbar. Hier hatte sich eine Flüssigkeitsansammlung gebildet (Untersuchungsbericht Dres S. und H. vom 14.07.1997). Unter Hinweis auf diesen Befund beantragte der Kläger mit einem am 04.08.1997 bei der Beklagten eingegangenen Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten den Abriss der Supraspinatussehne als Unfallfolge anzuerkennen.

Vom 08. bis 18.12.1997 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung im Rehabilitationskrankenhaus U ... Dort wurde am 11.12.1997 eine Arthroskopie der linken Schulter durchgeführt. Bei der Operation zeigte sich eine große Rotatorenmanschettenruptur mit ausgefransten degenerativ abgerundeten avitalen Rändern am Tuberculum major. Auf Veranlassung der Beklagten erstattete Prof. Dr. P., Ärztlicher Direktor der Abteilung des Rehabilitationskrankenhauses, in der die Operation durchgeführt wurde, ein Gutachten über den Kläger. Darin diagnostizierte er eine alte Rotatorenmanschettenruptur der linken Schulter mit sekundärem Impingement-Syndrom. Bei dem Sturz am 02.10.1996 sei es mit ausreichender Wahrscheinlichkeit zu einer schweren Prellung im Schultergelenk gekommen. Dies habe zu einer Verschlimmerung eines degenerativen Leidens geführt. Die MdE nach dem Wegfall der Arbeitsunfähigkeit werde für die Zeit vom 15.11.1996 bis 02.01.1997 auf 30 vH eingeschätzt, danach auf unter 20 vH. Der beratende Arzt der Beklagten vertrat hierzu die Auffassung, für die Beurteilung des vorliegenden Falles sei es letztendlich ohne Bedeutung, dass im Befund der Kernspinuntersuchung vom 14.07.1997 eine Ruptur der Supraspinatussehne beschrieben werde. Die Diskrepanz zwischen diesem Befund und der sonographischen Untersuchung vom 16.01.1997 in T. könne so erklärt werden, dass es im Zeitraum vom 16.01.1997 bis zum 14.07.1997 zu einer schleichenden Ruptur der Supraspinatussehne bzw. zu einer Vergrößerung eines kleines Risses gekommen ist. Der bestehende Acromionsporn belege die degenerative Genese der beschriebenen Veränderungen an der linken Schulter. Das Unfallereignis sei vom Mechanismus her nicht geeignet gewesen, den Riss der Rotatorenmanschette hervorzurufen (Stellungnahme Dr. S., Oberarzt der Unfallchirurgischen Klinik am Klinikum L. und Beratungsarzt der Beklagten vom 15.02.1998).

Mit Bescheid vom 11.03.1998 und Widerspruchsbescheid vom 28.05.1998 lehnte die Beklagte einen Anspruch auf Verletztenrente ab. Als Folgen des Unfalls anerkannte sie lediglich eine ohne wesentliche Folgen verheilte Prellung der linken Schulter mit Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit bis einschließlich 13.11.1996. Nicht als Folgen des Unfalls anerkannte sie eine degenerative Erkrankung der linken Schulter mit Riss der Supraspinatussehne. Zur Begründung führte sie aus, unfallunabhängig hätten bereits degenerative Veränderungen im linken Schultergelenk bestanden. Selbst wenn der Kläger bis zum Unfallzeitpunkt mit der linken Schulter keine größeren Probleme gehabt habe, sei der Unfallmechanismus nicht geeignet gewesen, einen Riss der Rotatorenmanschette hervorzurufen.

Am 22.06.1998 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Er hat insbesondere geltend gemacht, der Sturz beim Volleyballspielen und sein ungeschickter Abstützungsversuch seien ohne weiteres geeignete Unfallereignisse zur Verletzung der Rotatorenmanschetten. Aufgrund der schweren Prellung sei es außerdem zu einer Verschlimmerung des degenerativen Leidens gekommen. Das SG hat zunächst von Amts wegen Prof. Dr. S. von der Universität U. mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Prof. Dr. S. hat in seinem Gutachten vom 09.12.1998 die Auffassung vertreten, die jetzigen Beschwerden des Klägers stünden nicht im Zusammenhang mit dem Unfall, sondern seien auf degenerative Veränderungen der Rotatorenmanschette links zurückzuführen. Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG ferner Prof. Dr. G. vom Bundeswehrkrankenhaus gutachtlich gehört. Dieser hat dargelegt, die Ruptur der Supraspinatussehne sei als eine rein traumatische Ruptur anzusehen, da die übrige Muskulatur der Rotatorenmanschette keinerlei degenerative Veränderungen aufweise. Die unfallbedingte MdE betrage 20 vH. Trotz Kritik der Beklagten an diesem Gutachten ist Prof. Dr. G. in einer ergänzenden Stellungnahme bei seiner Auffassung geblieben.

Auf Nachfrage des SG hat der Kläger den Unfallhergang mit einer am 01.12.1999 beim SG eingegangenen Stellungnahme näher geschildert; hierauf wird Bezug genommen.

Das SG hat die Beklagte mit Urteil vom 25.01.2000 verurteilt, dem Kläger wegen der Folgen des Unfalls vom 02.10.1996 Rente nach einer MdE um 20 vH zu gewähren. Nach Würdigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger bei dem versicherten Unfall am 02.10.1996 eine Ruptur der Supraspinatussehne links erlitten habe. Obwohl der Schilderung des Unfallhergangs durch den Kläger mit Vorsicht zu begegnen sei, weil die Erinnerung an einen Vorgang, der sich in Sekundenbruchteilen abgespielt habe, mit zunehmenden zeitlichen Abstand vom Ereignis mehr und mehr verblassen dürfte, sei das Gericht dennoch der Überzeugung, dass der Kläger nicht mit angelegtem Arm auf die linke Schulter gestürzt ist, sondern sich mit der linken Hand bzw. dem linken Arm abzustützen versucht habe. Die gesicherten Befunde ließen einen anderen Schluss nicht zu. Bei der Untersuchung am 04.10.1996 seien an der linken Schulter keinerlei Zeichen (Schwellung, Hämatom, Hautverletzungen) entdeckt worden, die auf einen Sturz hindeuteten. Auch seien im Kernspintomogramm keine degenerativen Veränderungen der übrigen Muskeln der Rotatorenmanschette gefunden worden. Die Zerreißung der Sehne könne daher nur traumatische Ursachen haben. Die für die Beklagte bestimmte Ausfertigung des Urteils ist dieser mittels Empfangsbekenntnis am 25.04.2000 zugestellt worden.

Am 05.05.2000 hat die Beklagte Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, dass der Kläger bei ausgestrecktem Arm gestürzt sein soll, sei für sie nicht bewiesen. Damit sei das im Bundeswehrkrankenhaus erstellte Gutachten nicht verwertbar, weil es von falschen Voraussetzungen ausgehe. Die Argumentation des SG vermöge nicht zu überzeugen. Eine Schürfung sei nicht zu erwarten, da der Schulterbereich idR durch ein T-Shirt geschützt sei. Auch eine Schwellung und ein Hämatom seien bei einem Turnhallenboden nicht zwangsläufig zu erwarten, da dieser bei einem Aufprall etwas nachgebe, gerade um das Risiko schwerer Verletzungen zu reduzieren.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 25. Januar 2000 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Der Kläger hält das Urteil des SG für zutreffend. Der Unfall habe sich so wie von ihm geschildert ereignet.

Der Senat hat zunächst eine schriftliche sachverständige Zeugenaussage des behandelnden Arztes eingeholt (Schreiben Dr. R. vom 17.11.2000) und anschließend von Amts wegen Prof. Dr. P., Ärztlicher Direktor der Orthopädischen Klinik des O. S., mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 20.03.2001 hat der Sachverständige ausgeführt, ein Sturz mit angelegtem Arm sei nach der Lehrmeinung nicht geeignet, eine traumatisch bedingte Rotatorenmanschettenruptur herbeizuführen. Gehe man davon aus, dass der Kläger bei dem Sturz versucht habe, sich mit dem linken Arm abzustützen, wäre der Sturzmechanismus ebenfalls nicht ausreichend für eine traumatische Ruptur der Rotatorenmanschette. Der Kläger hat zu diesem Gutachten eine Stellungnahme von Prof. Dr. G. vorgelegt und beantragt, diesen Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens in die mündliche Verhandlung zu laden.

In der mündlichen Verhandlung ist der Kläger noch einmal ausführlich zum Unfallhergang befragt worden. Er hat dargelegt, er sei nicht wie von vielen Gutachtern behauptet mit angelegtem Arm auf die Schulter gestürzt und auch nicht auf den nach vorne ausgestreckten Arm gefallen, sondern sei mit seitlich abgespreiztem Arm zu Fall gekommen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Beklagte zu Recht verurteilt, dem Kläger aufgrund des Versicherungsfalls vom 02.10.1996 eine Verletztenrente zu zahlen. Eine solche Rente steht dem Kläger zu, weil über die von der Beklagten im angefochtenen Bescheid anerkannten Unfallfolgen hinaus weitere Unfallfolgen vorliegen, die eine MdE von 20 vH bedingen.

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vH gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - SGB VII). Versicherungsfälle in der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 SGB VII). Mit der Formulierung "von außen" bringt das Gesetz zum Ausdruck, dass ein aus innerer Ursache, aus dem Menschen selbst kommendes Ereignis nicht als Unfall anzusehen ist. Wesentlich für den Begriff des Unfalls sind somit ein Ereignis als Ursache und eine Körperschädigung als Wirkung (st. Rspr. des BSG seit BSG SozR 2200 § 548 Nr. 56).

Die Beklagte hat den Sturz des Klägers am 02.10.1996 im angefochtenen Bescheid zutreffend als Arbeitsunfall gewertet und aufgrund dieses Versicherungsfalles auch Leistungen erbracht. Sie hat es jedoch zu Unrecht abgelehnt, den Riss der Supraspinatussehne als Unfallfolge anzuerkennen und dem Kläger Verletztenrente zu gewähren.

Für die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht der nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit - nicht allerdings die bloße Möglichkeit - ausreicht (BSG-Urteile vom 22.08.2000 - B 2 U 34/99 R - und vom 27.06.2000 - B 2 29/99 R - mwN). Hinreichende Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSGE 45, 285, 286). Lässt sich ein Zusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten des Versicherten.

Nach Würdigung aller im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren getroffenen ärztlichen Feststellungen steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der beim Kläger festgestellte Riss der Suptaspinatussehne und die daraus resultierende jetzt noch vorhandene schmerzhafte Bewegungseinschränkung im Bereich des linken Schultergelenks mit Wahrscheinlichkeit ursächlich auf den Unfall am 02.10.1996 zurückzuführen ist. Der Senat schließt sich damit der Auffassung des SG an. Zwar unterliegt die Rotatorenmanschette nach der herrschenden medizinischen Lehrmeinung in hohem Maße der Degeneration; den isolierten, ausschließlich traumatischen Supraspinatussehnenriss gibt es daher nicht (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6. Aufl. 1998 S. 472f; vgl. auch LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.07.1999 - L 3 U 186/98 - HVBG-INFO 2000, 705). Der Sturz des Klägers ist jedoch als rechtlich wesentliche Teilursache für die jetzt bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen an der linken Schulter anzusehen. Dies folgt aus dem Gutachten, das Prof. Dr. G. auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG für das SG erstattet hat und dem der Senat folgt.

Das Unfallereignis stellt nach Überzeugung des Senats einen Mechanismus dar, der geeignet war, eine Beschädigung der Supraspinatussehne herbeizuführen. Der Kläger ist nicht mit angelegtem Arm auf die Schulter gestürzt; er ist auch nicht nach vorne auf den ausgestreckten Arm gefallen, sondern hat versucht, den Sturz mit seitlich abgespreiztem Arm abzufangen und sich dabei verletzt. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger, der einen glaubwürdigen Eindruck gemacht hat, überzeugend und nachvollziehbar geschildert, dass er den Ball mit der linken Hand weggeschlagen hat und dabei ins Stolpern gekommen ist. Er hat versucht, den entsprechend der Bewegungsrichtung drohenden Sturz auf die linke Seite abzufangen und sich mit dem linken Arm abzustützen. Dies ist ihm aber nur teilweise gelungen. Wie er glaubhaft dargelegt hat, ist er gar nicht auf die linke Schulter aufgeschlagen, sondern er hat den Boden zuerst mit der linken Hand berührt und sofort starke Schmerzen im linken Schultergelenk verspürt. Der Senat glaubt den Ausführungen des Klägers und hält daher den Unfallhergang wie ihn der Kläger geschildert hat für erwiesen. Dabei verkennt das Gericht nicht die Gefahr, auf die auch das SG aufmerksam gemacht hat, dass die Erinnerung an das Unfallereignis mit zunehmendem zeitlichem Abstand verblassen oder sich mit der Vorstellung, wie der Sturz abgelaufen sein könnte, vermengen kann. Deshalb ist grundsätzlich der ersten Schilderung eines Unfallherganges ein größeres Gewicht beizumessen als späteren Versionen. Im vorliegenden Fall besteht jedoch die Besonderheit, dass der Kläger im Grunde genommen nie etwas anderes behauptet hat. Zwar hat er in der mündlichen Verhandlung offen eingeräumt, im Krankenhaus in I. nur angegeben zu haben, auf die Schulter gefallen zu sein. In der mündlichen Verhandlung ist jedoch deutlich geworden, dass es sich insoweit lediglich um eine etwas unglückliche Form der Beschwerdeschilderung gehandelt hat, nicht aber um eine ausführliche Schilderung des Geschehens. Der Kläger ist auch nicht nach Einzelheiten gefragt worden, sodass eine ausführliche Schilderung des Unfallhergangs damals nicht erfolgt ist. Später wurden dann immer die Angaben aus dem Durchgangsarztbericht als glaubhaft betrachtet, weil es sich um die ersten Angaben zum Unfallhergang gehandelt hat. Der Hinweis von Prof. Dr. P., dass beim Volleyballspielen der Ball von unten mit beiden Händen geschlagen wird, mindert die Glaubhaftigkeit der vom Kläger vorgebrachten Schilderung in keiner Weise. Denn der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass er zum ersten Mal in seinem Leben überhaupt Volleyball gespielt hat und daher die Spieltechnik nicht ausreichend beherrscht hat. Dies erklärt hinreichend die etwas unübliche Spielweise. Im Übrigen hat bereits das SG in den Entscheidungsgründen seines Urteils überzeugend dargelegt, weshalb auf Grund der im Krankenhaus in I. erhobenen Befunde ein direkter Sturz auf die linke Schulter nicht erfolgt ist. Auch diesen Ausführungen schließt sich der Senat an.

Für einen Zusammenhang zwischen dem Unfall und dem später festgestellten Defekt der Rotatorenmanschette spricht ferner, dass die Rotatorenmanschette keine wesentlichen degenerativen Veränderungen aufweist und der Kläger vor dem Sturz keinerlei Beschwerden im Bereich der Schultern hatte. Der Hinweis von Prof. Dr. P., dass bei einem 49-jährigen Mann, der seit vielen Jahren eine schwere körperliche Arbeit verrichtet, bereits degenerative Veränderungen im Bereich der Rotatorenmanschette vorliegen können, ist durchaus richtig. Entscheidend ist aber nicht, ob solche Veränderungen vorliegen können, sondern ob sie vorliegen und, falls ja, in welchem Umfang. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass bei einer kernspintomographischen Untersuchung der linken Schulter im August 1999 keine pathologischen Verkalkungen im Bereich der Rotatorenmanschette erkennbar waren. Prof. Dr. G. hat diesen Umstand zutreffend als Indiz für einen traumatischen Riss der Supraspinatussehne gewertet.

Auch die bei der Erstuntersuchung erhobenen Befunde sprechen für eine traumatische Ruptur. Prof. Dr. P. hält zwar das Fehlen einer Pseudoparalyse, d.h. das Vorliegen eines unmittelbaren Kraft- und Funktionsverlustes, für ein Indiz, das gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht. Er übersieht jedoch, dass der Orthopäde Dr. L. noch bei der Nachuntersuchung am 16.10.1996 einen Befund erhoben hat, der lediglich den Schluss rechtfertigte, dass keine eindeutige Pseudoparalyse vorliegt. Daraus ist im Umkehrschluss zu folgern, dass sehr wohl Hinweise für eine solche Bewertung vorlagen. Dr. L. hat daher konsequenterweise auch den Verdacht auf Schädigung der Rotatorenmanschette geäußert.

Gegen einen Zusammenhang zwischen dem Sturz am 02.10.1996 und dem Riss der Supraspinatussehne spricht nicht, dass dieser Riss erstmals am 14.07.1997 festgestellt worden ist, also etwa neun Monate nach dem Unfallereignis und dass die sonographische Untersuchung des linken Schultergelenks in der Berufsgenossenschaftlichen Klinik Tübingen am 15.01.1997 keine auf die Schulterprellung zurückzuführenden pathologischen Veränderungen ergeben hat. Denn die kernspintomographische Untersuchung im Juli 1997 hat gezeigt, dass der Riss bereits seit längerer Zeit bestand. Der Senat ist deshalb davon überzeugt, dass es durch den Sturz zu einem kleinen, mittels Sonographie nicht feststellbaren oder bei der sonographischen Untersuchung nicht festgestellten Einriss der Rotatorenmanschette gekommen ist, der sich im Laufe der Zeit zu einem Abriss der Sehne vergrößert hat. Dies erklärt auch, weshalb Dr. L. keine vollständige Pseudoparalyse hat feststellen können. Im Übrigen hängt nach den Ausführungen von Prof. Dr. P., das Ergebnis der sonographischen Untersuchung des Schultergelenks davon ab, welche Untersuchungsvariante gewählt wurde.

Die Höhe der MdE folgt aus dem Gutachten des Prof. Dr. G ... Hinsichtlich der Grundsätze, nach denen die MdE bemessen wird, nimmt der Senat auf die Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils Bezug.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Berufung liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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