L 5 AL 1707/01

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 9 AL 3463/98
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 AL 1707/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 73/03 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Wird der Arbeitslose unter Belehrung über die Rechtsfolgen aufgefordert, bei der nächsten Vorsprache in drei Monaten Nachweise über Eigenbewerbungen vorzulegen, und legt der Arbeitslose diesen Nachweise später nicht vor, ist das Arbeitsamt berechtigt, die Bewilligung von Alg wegen fehlender Beschäftigungssuche ab dem Zeitpunkt der Aufforderung rückwirkend aufzuheben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 14. Dezember 2000 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Aufhebung der Bewilligung und Erstattung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) sowie der hierauf entfallenden Sozialversicherungsbeiträge für die Zeit vom 29. April bis 28. Juli 1998 wegen nicht nachgewiesener ausreichender Beschäftigungssuche bzw. Eigenbemühungen zur Beendigung der Beschäftigungslosigkeit sowie die Festsetzung einer mehr als 6-wöchigen Säumniszeit ab dem 25. Juni 1999 streitig.

Der am 27. März 1965 geborene Kläger war nach Abschluss eines Elektronik-Studiums im Studiengang Technische Informatik vom 1. April 1991 bis 28. Februar 1993 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Technischen Universität H. /H. tätig. Während seiner anschließenden Promotion war er danach 2 Jahre lang bei der deutschen T. -B. GmbH in V. als Entwicklungsingenieur/Doktorand mit einem Bruttoarbeitsentgelt von monatlich DM 6.250,- beschäftigt. Danach befand er sich seit dem 1. März 1995 im Leistungsbezug der Beklagten. Nach Erschöpfung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld mit dem 27. Februar 1996 bezog er - nachdem wegen Vermögensanrechnung für 50 Wochen keine Leistung gezahlt wurde - ab 12. Februar 1997 Anschluss-Arbeitslosenhilfe (Bescheid vom 13. Januar 1997), die zuletzt vor dem hier streitigen Zeitraum mit Bescheid vom 21. Januar 1998 bis zum Ablauf des Bewilligungsabschnitts am 11.2.1999 bewilligt und nach einem wöchentlichen Leistungssatz von DM 395,85 (Bemessungsentgelt DM 1.420,- Leistungsgruppe A, Kindermerkmal 0) ab 12. Februar 1998 bis einschließlich 31. Dezember 1998 und ab 1.1.1999 in Höhe von wöchentlich DM 396,48 gezahlt wurde.

1.

Am 29. April 1998 fand laut Beratungsvermerk des Arbeitsvermittlers S. (Bl. 42 der Verwaltungsakte) ein Gespräch mit dem Kläger statt, in dem dieser auf die Folgen bei weiterhin unterlassenen Eigenbemühungen hingewiesen worden sei. Anlass sei gewesen, dass der Kläger den Erhalt seiner Promotionsurkunde im November 1997 wegen einer rechtlichen Auseinandersetzung über die Abschlussnote nicht mitgeteilt habe. Der Kläger habe auch keine Eigenbemühungen unternommen, weil dies nicht in seine beruflichen Pläne passe; seine letzte Bewerbung liege ca. 2 Jahre zurück. Daraufhin sei er mündlich und schriftlich aufgefordert worden, 15 Bewerbungen bis 29. Juli 1998 vorzulegen. Die schriftliche Aufforderung, die mit einer umfangreichen Rechtsfolgenbelehrung versehen war, wurde dem Kläger ausgehändigt (vgl. Bl. 14-17 der SG-Akte).

Am 29. Juli 1998 hielt der Arbeitsberater S. in einem Beratungsvermerk fest, der Streit um eine höhere Abschlussnote sei inzwischen erledigt, der Kläger werde jetzt anfangen, sich um eine Stelle zu bemühen; er habe jedoch auch in den vergangenen 3 Monaten keine Bewerbungen geschrieben und sei lediglich über einen früheren Professor bemüht, in den USA unterzukommen. Hierauf sei ihm nochmals eindringlich erläutert worden, dass seine Bemühungen um Arbeit nicht ausreichten. Er sei unter Erteilung einer Rechtsfolgenbelehrung aufgefordert worden, bis zum 29. Oktober 1998 15 Bewerbungen vorzulegen. Gleichzeitig vertrat er die Auffassung, dass die Verfügbarkeit des Klägers für die letzten 3 Monate zu verneinen sei, da er die geforderten Eigenbemühungen nach mündlicher und schriftlicher Rechtsfolgenbelehrung nicht nachgewiesen habe.

Hierauf hob das Arbeitsamt V. -S. mit Bescheid vom 6. August 1998 die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 29. April 1998 bis 28. Juli 1998 nach § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) mit der Begründung auf, der Kläger habe trotz Belehrung über die Rechtsfolgen in dem Beratungsgespräch vom 29. April 1998 (gemeint wohl 29. Juli 1998) erklärt, dass er in der Zeit vom 29. April 1998 bis 28. Juli 1998 keine Eigenbemühungen unternommen habe, obwohl er gewusst habe, dass fehlende Eigenbemühungen zum Wegfall bzw. zum Verlust des Anspruchs führten. Hierüber sei er sowohl durch die Ausführungen im Merkblatt wie auch innerhalb von Beratungsgesprächen informiert worden. Gleichzeitig forderte ihn das Arbeitsamt zur Erstattung der Leistung in Höhe von DM 5.146,05 sowie weiterer DM 2.291,33 zu Unrecht entrichteter Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge auf, d.h. insgesamt DM 7.437,38, die ab 29. Juli 1998 nach § 51 SGB I mit wöchentlich DM 106,85 gegen den Leistungsanspruch aufgerechnet würden.

Mit seinem Widerspruch hiergegen vom 21. August 1998 machte der Kläger geltend, dass sich der Bescheid nur auf ein Beratungsgespräch vom 29. Juli 1998 beziehen könne. Darin habe er nicht erklärt, dass er in dem entsprechenden Zeitraum keine Eigenbemühungen unternommen habe. Er habe nämlich zunächst über seine privaten persönlichen Kontakte die Aufnahme einer Beschäftigung in den USA versucht. In den USA habe er insgesamt 6 Bewerbungen unternommen. Zur Zeit erscheine es ihm auch sinnvoll, dorthin gegebenenfalls noch 9 weitere Bewerbungen bis zu seinem nächsten Beratungsgespräch am 29. Oktober 1998 zu versenden. Unter Berücksichtigung dessen, dass Bewerbungen zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort keine Einstellung erwarten ließen, hätten die von ihm jetzt abverlangten 15 Bewerbungen eher zum Verlust von potentiellen Arbeitgebern geführt. Dadurch wäre es dann zu einem späteren Zeitpunkt noch schwieriger geworden, einen Arbeitsplatz zu finden. Auch schienen ihm die angesetzten Zahlungen für die Kranken- und Pflegeversicherung nicht korrekt zu sein.

Arbeitsvermittler S. vertrat in seiner Stellungnahme vom 22. Oktober 1998, der alle Beratungsvermerke zwischen dem 24. Februar 1995 und dem 29. Oktober 1998 beigefügt waren, die Auffassung, die Bemühungen des Klägers während seiner bisherigen Arbeitslosigkeit hätten sich darauf beschränkt, seine Abschlussnote nachträglich zu korrigieren, später Kontakte in den USA zu knüpfen, wo er vorrangig arbeiten wolle. Er sei wiederholt darauf hingewiesen worden, dass er verpflichtet sei, alle Möglichkeiten zur Beendigung der Arbeitslosigkeit zu nutzen. Aus dem bisherigen Verhalten des Klägers gehe hervor, dass er zwar gewisse Zukunftspläne hinsichtlich einer Tätigkeit in den USA in die Tat umsetzen wolle, jedoch in keinster Weise versucht habe, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, der sich in erster Linie in Deutschland befinde, eine Stelle zu finden. Er gehe daher davon aus, dass sogar die Verfügbarkeit des Klägers anzuzweifeln sei, da sich seine Bemühungen ausschließlich auf Stellen in den USA richteten (Bl. 73 der Leistungsakte).

Nach Ermittlung der Beitragssätze der T. -Krankenkasse änderte die Widerspruchsstelle des Arbeitsamtes mit Widerspruchsbescheid vom 18. November 1998 den angefochtenen Bescheid vom 6. August 1998 dahingehend ab, dass die Erstattung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung von DM 2291,33 auf den Betrag von DM 2.241,33 reduziert wurde. Im Übrigen wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung führte die Beklagte aus, der Kläger sei vollständig und verständlich darüber belehrt worden, dass er nur bei Nachweis der von ihm geforderten Eigenbemühungen arbeitslos sei. Diese habe er unstreitig nicht erbracht, da er zwar gewisse Zukunftspläne hinsichtlich einer Tätigkeit in den USA in die Tat umsetzen wolle, jedoch in keinster Weise versucht habe, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt - der sich in erster Linie im Geltungsbereich der Bundesrepublik Deutschland befände - eine Beschäftigung zu finden. Die geforderten Eigenbemühungen seien auch unter Berücksichtigung der Dauer seiner Arbeitslosigkeit ab 1. März 1995 gerechtfertigt und angemessen. Über deren Sinn und Zweck sei er persönlich informiert worden. Die Entscheidung sei daher zutreffend nach § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 SGB X aufgehoben worden, da er aus den dargelegten Gründen hätte wissen müssen, dass der Leistungsanspruch für den genannten Zeitraum ganz wegfallen werde.

Hiergegen erhob der Kläger am 21. Dezember 1998 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG), (Verfahren S 9 AL 3643/98) zu deren Begründung er unter Vorlage von Kopien von Bewerbungsschreiben (betreffend die Zeit vom 1.8.1998 bis 31.1.1999) vortrug, die Situation in dem genannten Zeitbereich sei so gewesen, dass sich seine eigenen Bemühungen zunächst auf die Lösung von Problemen im privaten Bereich hätten beschränken müssen. Er habe abklären müssen, ob seine privaten persönlichen Kontakte die Aufnahme einer Beschäftigung in den USA zuließen. Da er nicht gewusst habe, dass dies länger dauern würde, habe er das Arbeitsamt auch schlecht im Voraus darüber informieren können. Es habe sich dann herausgestellt, dass die private Beziehung einer Beschäftigung in den USA nicht entgegenstehe. Daraufhin habe er sich weiterhin um einen Arbeitsplatz in den USA über seinen ehemaligen Chef an der Universität in H. bemüht. Seines Erachtens werde er durch die Anweisungen des Arbeitsamts zu einer völlig konzeptionslosen Vorgehensweise bei der Stellensuche gezwungen, was er sich insbesondere aufgrund der Dauer seiner Arbeitslosigkeit nicht erlauben könne. Durch die Anweisungen und Maßnahmen des Arbeitsamts seien ihm bereits erhebliche Nachteile entstanden und die Stellensuche erschwert worden.

2. Mit der weiteren, am 20. September 1999 beim SG Reutlingen erhobenen Klage (Az.: S 9 AL 2521/99), die mit Beschluss vom 22. Dezember 1999 zu dem Verfahren S 9 AL 3463/98 verbunden wurde, wendete sich der Kläger gegen die Festsetzung einer mindestens 6-wöchigen Säumniszeit ab dem 24. Juni 1999.

Ihm hatte die Beklagte mit Bescheid vom 28. Januar 1999 Arbeitslosenhilfe ab 12. Februar 1999 in Höhe von DM 392,56 für den bis 11. Februar 2000 dauernden Bewilligungsabschnitt bewilligt. In einem Schreiben vom 2. Mai 1999 übte der Kläger Kritik am Arbeitsamt und vertrat die Auffassung, das Arbeitsamt sollte ihn die Stellensuche selbst durchführen lassen, die er für richtig halte. Dieses Schreiben wurde vom Arbeitsamt als Abmeldung ausgelegt. Dementsprechend hob es die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe mit Wirkung ab 1. Mai 1999 mit Bescheid vom 19. Mai 1999 auf. Auf den Widerspruch des Klägers gewährte das Arbeitsamt mit Bescheid vom 14. Juli 1999 die bisher gewährte Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 1. Mai bis 24. Juni 1999 fort und half mit weiterem Bescheid vom 18. August 1999 dem Widerspruch zudem förmlich ab.

Der Kläger hatte zuvor der Einladung vom 2. Juni 1999 zum Meldetermin vom 24. Juni 1999 ohne Angabe von Gründen keine Folge geleistet und war auch nach der Einladung vom 29. Juni 1999 zur zweiten Meldung am 5. Juli 1999 nicht erschienen, nachdem er zuvor am 2. Juli 1999 fernmündlich mitgeteilt hatte, er wolle den Termin nicht wahrnehmen, da er über seinen Widerspruch vom 3. Juni 1999 gegen den Einstellungsbescheid vom 17. Mai 1999 noch keinen Widerspruchsbescheid erhalten habe. Ausweislich des Beratungsvermerks vom 2. Juli 1999 wurde ihm durch den Arbeitsvermittler S. der Zweck des Termins (Prüfung der Eigenbemühungen) erläutert, der Kläger habe aber erwidert, er wolle trotz Hinweis auf die Folgen des Meldeversäumnisses den Termin nicht wahrnehmen. Mit Bescheid vom 14. Juli 1999 wurde unter Bezugnahme auf den Bewilligungsbescheid vom selben Tage mitgeteilt, die Arbeitslosenhilfe werde nur bis zu der genannten Befristung gewährt, weil er der Aufforderung des Arbeitsamtes, sich am 24. Juni 1999 zu melden, nicht nachgekommen sei und auch einem zweiten innerhalb von zwei Wochen danach liegenden Meldetermin trotz Belehrung über die Rechtsfolgen ohne wichtige Gründe nicht nachgekommen sei.

Mit seinem hiergegen am 13. August 1999 erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, aufgrund der Aufhebung der Bewilligung durch das Schreiben vom 19. Mai 1999 sei er am 24. Juni 1999 überhaupt nicht arbeitslos gemeldet gewesen. Außerdem sei er an diesem Tag bei der Beerdigung seines Großvaters gewesen. Mit Widerspruchsbescheid vom 19. August 1999 wies die Widerspruchsstelle des Arbeitsamts den Widerspruch mit der Begründung zurück, ein wichtiger Grund für beide Meldeversäumnisse sei nicht erkennbar. Deswegen trete wegen der Versäumung der beiden Meldetermine eine 6-wöchige Säumniszeit ein, die zutreffend festgesetzt worden sei. Während dieser Zeit ruhe sein Leistungsanspruch.

Arbeitslosenhilfe wurde in der Folgezeit dem Kläger erst ab erneuter Arbeitslosmeldung am 23. August 1999 weitergewährt.

Zur Begründung seiner hiergegen erhobenen Klage brachte der Kläger vor, die Trauerfeier habe am 23. Juni 1999 um 13.00 in N. stattgefunden und er habe sich am Folgetag auf der Rückreise befunden, wo er am Abend am Wohnort angelangt sei. Diesen Hinderungsgrund habe er dem Arbeitsamt vor dem Termin nicht mitgeteilt, da er davon ausgegangen sei, dass er überhaupt nicht arbeitslos wäre.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat das SG eine schriftliche Zeugenbefragung der Eltern des Klägers durchgeführt. Diese teilten mit Schreiben vom 3. April 2000 mit, der Kläger habe sich am 23. Juni 1999 anlässlich der Beerdigung seines Großvaters in Neu-W. aufgehalten. Zur Frage der Ankunft bzw. der Abfahrt oder ob der Kläger die Fahrt mit dem PKW oder mit der Bahn (oder mit sonstigen Verkehrsmitteln) zurückgelegt habe, werde von dem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht (Bl. 49 der SG-Akte).

3. Mit Urteil vom 14. Dezember 2000 wies das SG daraufhin die Klagen als unbegründet ab. Zur Begründung führte es aus, durch die nicht ausreichend dokumentierte Beschäftigungssuche sei eine wesentliche Änderung im Sinne von § 48 SGB X eingetreten, die den Eintritt einer Sperrzeit für die Zeit vom 29. April 1998 bis 28. Juli 1998 rechtfertige. Dies werde auch dadurch bestätigt, dass der Kläger sich seinerzeit nach seinem eigenen Vorbringen im Widerspruchs- und Klageverfahren ausschließlich um eine Anstellung (insbesondere an einem Forschungslabor) in den USA bemüht habe und deswegen an der Aufnahme einer Arbeit in der Bundesrepublik Deutschland nicht - jedenfalls nicht nachweisbar - interessiert gewesen sei. Hierüber sei er vollständig und richtig informiert worden, folgerichtig habe er die im streitbefangenen Zeitraum ohne Rechtsgrund bezogenen Leistungen zu erstatten. Auch der Eintritt einer mindestens 6-wöchigen Säumniszeit sei rechtmäßig, da der Kläger zwei ordnungsgemäßen Aufforderungen zur Meldung ohne wichtigen Grund nicht nachgekommen sei. Seine Rechtsansicht, er sei durch die Aufhebung der Leistungsbewilligung ab 1. Mai 1999 nicht arbeitslos gewesen und hätte deswegen den Vorladungen des Arbeitsamts keine Folge leisten müssen, sei irrig. Dies ergebe sich bereits daraus, dass das Arbeitsamt ihm rückwirkend ab 1. Mai 1999 Arbeitslosenhilfe bewilligt hätte. Das Vorbringen des Klägers könne nur dahin verstanden werden, dass er von vornherein nicht gewillt gewesen sei, die Meldetermine wahrzunehmen. Der Besuch der Trauerfeier anlässlich der Beerdigung seines Großvaters am 23. Juni 1999 sei für die Versäumung des Meldetermins am Folgetag nicht kausal gewesen, zumal er keinen Nachweis dafür erbracht habe, dass er noch an diesem Tag sich außerhalb des Nahbereichs des Arbeitsamts aufgehalten hätte. Außerdem habe er sich ohne Zustimmung des Arbeitsamts und ohne dessen Unterrichtung außerhalb des Nahbereichs des Arbeitsamts befunden, so dass für diesen Tag die Voraussetzungen für eine Leistungsbewilligung ohnehin nicht vorgelegen hätten. Des Weiteren sei er nicht befugt, Meldetermine von sich aus für überflüssig zu erklären.

4. Gegen das am 7. März 2001 zum Zwecke der Zustellung mit Übergabe-Einschreiben zur Post gegebene Urteil hat der Kläger am 9. April 2001 Berufung beim SG eingelegt, zu deren Begründung er vorträgt, er habe seine Gründe für die fehlenden Eigenbemühungen dargelegt. Hinsichtlich der Meldetermine sei nicht nachvollziehbar, dass seine Teilnahme an der Beerdigung trotz der Erklärung seiner Eltern nicht als nachgewiesen anerkannt werde. Darüber hinaus habe er erläutert, weshalb das Arbeitsamt unter den damaligen Umständen ohnehin nicht hätte erwarten können, dass er zu den Besprechungen erscheine.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 14. Dezember 2000 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 6.August 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. November 1998 sowie des Bescheides vom 14. Juli 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. August 1999 zu verurteilen, ihm Arbeitslosenhilfe in gesetzlicher Höhe auch in der Zeit vom 25. Juni 1999 bis 22. August 1999 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat unter Vorlage einer Stellungnahme des Arbeitsvermittlers S. vom 26. August 2002 die Auffassung vertreten, dass der Kläger in dem Beratungsgespräch vom 29. April 1998 über die Rechtsfolgen fehlender Eigenbemühungen belehrt worden sei.

Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung schriftlich einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die nach den §§ 151, 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund des § 144 Abs. 1 SGG liegt nicht vor. Der Beschwerdewert von DM 1.000,- bzw. seit dem 1.1.2002 500,- EUR ist überschritten, da allein der Erstattungsanspruch für die Zeit vom 29. April bis 28. Juli 1998 7.387,38 DM (entspricht 3.777,11 EUR) beträgt.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klagen zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide erweisen sich sowohl hinsichtlich der verfügten Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für den Zeitraum vom 29. April 1998 bis 28. Juli 1998 und der Erstattung der für diesen Zeitraum erhaltenen Leistungen einschließlich der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung als auch hinsichtlich der Einstellung der Leistungen wegen einer mindestens sechswöchigen Säumniszeit ab 25. Juni 1999 als rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.

1. Rechtsgrundlage für den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 6. August 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. November 1998 ist § 48 Abs. 1 Nr. 4 SGB X. Nach dieser Vorschrift i.V.m. § 330 Abs. 3 S. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung (vorliegend die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe) vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit der Betroffene u.a. wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (Nr. 4).

Der Bescheid über die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe vom 21. Januar 1998 ist ein solcher Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. In den tatsächlichen Verhältnissen, die bei dessen Erlass vorgelegen haben, ist auch ab 29. April 1998 eine wesentliche Änderung eingetreten. Wesentlich im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X ist jede für die bewilligte Leistung rechtserhebliche Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse. Die Feststellung einer wesentlichen Änderung in den Verhältnissen richtet sich nach dem für die Leistung maßgeblichen Recht (BSG SozR 3-1300 § 48 Nr. 48 m.w.N.). Der Kläger ist während der in dem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid genannten Zeiträume nicht arbeitslos gewesen, denn er hat es an den erforderlichen Eigenbemühungen zur Beendigung der Arbeitslosigkeit fehlen lassen.

Die Beschäftigungssuche als Teilelement der Anspruchsvoraussetzung "Arbeitslosigkeit" ist durch Inkrafttreten des SGB III ab 1.1.1998 neu in das Arbeitsförderungsrecht eingefügt worden (§ 118 Abs. 1 Nr. 2 SGB III). Sie wird durch § 119 Abs. 1 Nr. 1 SGB III dahingehend definiert, dass der Arbeitslose alle Möglichkeiten nutzt und nutzen will, um seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden. Durch diese Pflicht zur Eigenbemühung will der Gesetzgeber stärker als im früheren Recht verdeutlichen, dass es in erster Linie Aufgabe des Arbeitslosen selbst ist, für seine berufliche Wiedereingliederung Sorge zu tragen. § 119 Abs. 5 SGB III bestimmt ergänzend, dass das Arbeitsamt den Arbeitslosen bei der Arbeitslosmeldung auf seine Verpflichtung zur Beschäftigungssuche nach Abs. 1 Nr. 1 besonders hinzuweisen hat. Auf Verlangen des Arbeitsamtes hat der Arbeitslose seine Eigenbemühungen nachzuweisen, wenn er rechtzeitig auf die Nachweispflicht hingewiesen worden ist (§ 119 Abs. 5 Satz 2 SGB III).

Für die Zeit vom 29. April 1998 bis 28. Juli 1998 war der Kläger nicht arbeitslos, weil er nicht bereit war, alle Möglichkeiten zu nutzen, um seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden. Der Kläger war, wie aus seinem Widerspruchsschreiben vom 23. August 1998 hervorgeht, zunächst damit beschäftigt, im privaten Bereich abzuklären, ob seine privaten Kontakte eine Beschäftigungsaufnahme in Amerika zuließen. Danach will er sich über seinen ehemaligen Chef insgesamt sechsmal in den USA beworben haben. Es bedarf hier keiner abschließenden Festlegung, ob ein Arbeitsloser, der sich nur in den USA nach Stellen umschaut, beschäftigungssuchend im Sinne des §119 Abs. 1 SGB III ist. Denn jedenfalls dann, wenn im Inland zumutbare Arbeitsplätze vorhanden sind, muss sich die Beschäftigungssuche auch auf inländische Arbeitsplätze erstrecken. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, der Kläger hat solche auch nicht vorgetragen, dass es für ihn als promovierten Absolventen eines Elektronik-Studiums im Fachbereich Technische Informatik im Inland keine zumutbaren Arbeitsplätze gegeben hätte. Die Strategie des Klägers bestand darin, statt Arbeitsplätze zu suchen, sich nicht zu bewerben, damit ihm später diese Bewerbungen noch offen stehen. Der Kläger hatte somit nur die Absicht, sich zu einem späteren Zeitpunkt im Inland eine Beschäftigung zu suchen. Während des hier streitigen Zeitraums, in dem er sich absichtlich nicht beworben hat, ist er jedenfalls nicht beschäftigungssuchend gewesen.

Die Beklagte hat auch die Verfahrensvorschrift nach § 119 Abs. 5 SGB III eingehalten. Sie hat den Kläger mit der schriftlichen Aufforderung vom 29. April 1998, die vollständig in Ablichtung auf Blatt 14 bis 16 der SG-Akte vorliegt, auf seine Verpflichtung zur Beschäftigungssuche hingewiesen. Bezüglich der Rechtsfolgenbelehrung kann offen bleiben, ob das Arbeitsamt hier ähnliche Hinweispflichten trifft wie bei Sperrzeiten nach § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGB III. Das Arbeitsamt hatte den Kläger am 29. April 1998 ordnungsgemäß belehrt. Abs. 1 der in Anlage 1 enthaltenen Rechtsfolgenbelehrung erfasst die hier vorliegende Sachverhaltsvariante. Dies verkennt das Schreiben der Berichterstatterin vom 10. Juli 2002, bei dessen Abfassung offensichtlich übersehen worden ist, dass der Kläger selbst mit seiner Klageschrift vom 18. Dezember 1998 eine vollständige Ablichtung des am 29. April 1998 enthaltenen Hinweises vorgelegt hat.

Der Kläger hat für den hier streitigen Zeitraum vom 29. April bis 28. Juli 1998 seine Eigenbemühungen nicht nachgewiesen. Auffällig ist dabei, dass er auch die behaupteten Eigenbemühungen in den USA nicht schriftlich näher dokumentiert hat.

Damit war der Kläger nicht arbeitslos i. S. des § 118 SGB III und hatte keinen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 29. April bis 28. Juli 1998. Die Beklagte durfte die Bewilligung der Arbeitslosenhilfe auch mit Wirkung für die Vergangenheit aufheben. Der Kläger hätte wissen müssen, wenn er die erforderliche Sorgfalt nicht in besonders schwerem Maße verletzt hätte, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes ganz zum Wegfall kommen würde. Der Kläger ist vorsätzlich seiner Verpflichtung zur Beschäftigungssuche nicht nachgekommen und hätte auf Grund der ihm erteilten Belehrung vom 29. April 1998 wissen müssen, dass dies zur Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für die Zeit ab Belehrung führt. Soweit Brand in Niesel, Sozialgesetzbuch-Arbeitsförderung § 119 RdNr 11 im Zusammenhang mit dem Nachweis von Eigenbemühungen die Vorschrift des § 66 SGB I über unterlassene Mitwirkung für anwendbar hält, betrifft dies andere Fallkonstellationen, nämlich dass der Arbeitslose ihm vorliegende Bewerbungskorrespondenz nicht vorlegt oder das Arbeitsamt ihm solange - beim Vorliegen aller übrigen Leistungsvoraussetzungen - die Leistung verweigert, bis der Betreffende die entsprechenden Nachweise über Eigenbemühungen vorlegt, es quasi im Nachhinein gegen Vorlage der Bewerbungsunterlagen die Leistung auszahlt. Da diese Auffassung von einem anderen Sachverhalt ausgeht, braucht der Senat dazu auch keine Stellung zu nehmen.

2. Auch die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe mit Wirkung ab 25. Juni 1999 wegen des Eintritts einer Säumniszeit von mindestens 6 Wochen Dauer nach § 145 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 198 S. 2 Nr. 6 SGB III erweist sich als rechtmäßig. Danach verlängert sich die Säumniszeit von 2 Wochen bis zur persönlichen Meldung des Arbeitslosen beim Arbeitsamt, mindestens um 4 Wochen, wenn der Arbeitslose einer Aufforderung des Arbeitsamtes, sich zu melden, trotz Belehrung über die Rechtsfolgen ohne wichtigen Grund nicht nachkommt.

Der Kläger ist unstreitig den beiden Meldeaufforderungen vom 24. Juni und 5. Juli 1999 nicht nachgekommen, da er davon ausgegangen ist, dass er nicht arbeitslos sei und deswegen Vorladungen keine Folge leisten müsse. Da der Kläger nach seinem eigenen Vorbringen selbst davon ausgegangen ist, dass die Beklagte noch über seinen Widerspruch entscheiden müsse, folglich er nicht endgültig aus dem Leistungsbezug ausgeschieden sei, kann von seinem Empfängerhorizont nicht davon ausgegangen werden, dass er sich von sämtlichen Verpflichtungen gegenüber dem Arbeitsamt ledig fühlte. Hierfür spricht auch, dass er vor dem zweiten Meldetermin noch telefonische Rücksprache mit dem Arbeitsberater genommen hat. Überdies hätte er sich in einem solchen Falle beim Arbeitsamt rückversichern müssen, ob er zum Meldetermin erscheinen muss.

Der Kläger hat für den 24. Juni 1999 keinen wichtigen Grund, der sein Erscheinen unmöglich gemacht hätte, nachgewiesen. Der Kläger war zwar ausweislich der schriftlichen Zeugenaussage seiner Eltern sowie der vorgelegten Traueranzeige am 23. Juni 1999 um 13.00 Uhr auf der Beerdigung seines Großvaters. Ob ihn dies davon abgehalten hat, an einem Meldetermin am folgenden Tage teilzunehmen, ist von ihm nur pauschal behauptet, nicht aber konkret und in sich schlüssig dargelegt worden. Zwar liegt zwischen der Begräbnisstätte seines Großvaters in N. und seinem damaligen Wohnsitz in V. - S. eine erhebliche Wegstrecke, der Kläger hat aber zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens näher dargelegt, warum es ihm trotz allgemein bekannt guter Verkehrsverbindungen zwischen H. und S. nicht möglich gewesen sein soll, nach der Beerdigung nach V. -S. zurückzufahren. Seine Eltern haben insofern von dem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht, so dass unklar ist, wo sich der Kläger am 24. Juni 1999 - übrigens ohne vorherige Unterrichtung des Arbeitsamtes - aufgehalten hat bzw. ob es ihm möglich gewesen wäre, den Meldetermin wahrzunehmen.

Nach alledem hat ihm daher die Beklagte zu Recht für diesen Zeitraum keine Leistungen gewährt, sondern die Zahlung bis zum 24. Juli 1999 befristet.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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