L 7 U 663/99

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 6 U 2154/97
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 U 663/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Keine Beitragsklassenherabsetzung nach Teil II Nr. 2 des Gefahrtarifs 1995 der Verwaltungs-BG für Gewerkschaft mit geringem Außendienstanteil der Mitarbeiter.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgartvom 09. Dezember 1998 aufgehoben und die Klage - auch gegen die Beitragsbescheide vom 25. April 1997 und 27. April 1998 - abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Veranlagung zu Gefahrklassen im Beitragsrecht der gesetzlichen Unfallversicherung, insbesondere um die Rechtmäßigkeit des Wegfalls einer früher zuerkannten Beitragsermäßigung.

Der Kläger ist die für Baden-Württemberg zuständige Untergliederung eines Verbandes, der sich nach § 1 Abs. 1 seiner Satzung zum Ziel gesetzt hat, als Gewerkschaft die Berufsausübung der Journalisten zu sichern und ihre beruflichen, rechtlichen und sozialen Interessen zu vertreten. Er ist seit 01.07.1986 Mitglied der Beklagten.

Mit Bescheid vom 13.07.1990 veranlagte die Beklagte den Kläger für die Zeit ab 01.01.1990 als Nachrichtenagentur zu der Gefahrtarifstelle (GT-Stelle) 5.4 und zur Gefahrklasse 2,60.

Mit Schreiben vom 29.11.1991 trug der Kläger vor, sein Bundesverband sei als Verband der freien Berufe rückwirkend zum 01.01.1990 in die Gefahrklasse 1,10 eingestuft worden. Er beantragte deshalb eine entsprechende Herabsetzung der Gefahrklasse. Mit Bescheid vom 23.07.1992 wies die Beklagte den Kläger daraufhin der GT-Stelle 3.2 (Verband der freien Berufe) und der Gefahrklasse 1,70 zu.

Hiergegen erhob der Kläger mit der Begründung Widerspruch, seine Betriebsweise weiche von derjenigen der in der GT-Stelle 3.2 genannten Verbände, Kammern, Parteien etc. erheblich ab. Die Unfallgefahren, die in seinem Geschäftsbereich üblicherweise zu erwarten seien, seien vielmehr mit denen der in Gefahrtarifstelle 4.1 genannten Unternehmensarten vergleichbar. Arbeiten außer Haus fänden lediglich einmal im Jahr, entweder in Form der Mandatsträgerkonferenz oder des Gewerkschaftstages statt.

Nach Einschaltung ihres Präventionsstabes führte die Beklagte am 14.07.1993 bei dem Kläger eine Betriebsbesichtigung durch. In seinem Bericht vom 14.07.1993 führte der Technische Aufsichtsbeamte (TAB) aus, nur der Geschäftsführer des Klägers leiste mit der Teilnahme an Tarifverhandlungen und Besprechungen Außendienst mit einem Anteil von maximal 8% bis 10% seiner Arbeitszeit. Die übrigen zwei Mitarbeiterinnen seien ausschließlich im Büro tätig. In seiner Stellungnahme vom 23.09.1993 empfahl der Stabsleiter Prävention daraufhin eine Herabsetzung der Gefahrklasse auf 1,10, da im Hinblick auf den geringen Außendienst eine erhebliche Abweichung von der Gefahrengemeinschaft vorliege. Mit dem Veranlagungsbescheid vom 02.02.1994 setzte die Beklagte daraufhin die Gefahrklasse rückwirkend ab 01.01.1990 gemäß Teil II Nr. 2 Ihres GT auf den Wert 1,10 herab. In ihrem Begleitschreiben vom selben Datum führte die Beklagte aus, die Herabsetzung gelte bis zum Zeitpunkt des Wegfalls der dieser Herabsetzung zugrunde liegenden Tatbestandsmerkmale, längstens jedoch bis zum Ablauf des jetzigen Tarifzeitraumes. Mit den Beitragsbescheiden vom 02.02.1994 ermäßigte die Beklagte ferner die Beitragsforderungen für die Jahre 1990 bis 1992 in Abänderung der Beitragsbescheide vom 23.07.1992 und vom 27.04.1993.

Nach Inkrafttreten Ihres ab 01.01.1995 geltenden GT veranlagte die Beklagte den Kläger mit Bescheid vom 29.09.1995 ab 01.01.1995 zu der GT-Stelle 05 (Kammer, Verband, Organisation der freien Berufe und der gewerblichen Wirtschaft) und zu der Gefahrklasse 2,0. Diese Einstufung legte sie auch ihrem Beitragsbescheid für 1995 vom 26.04.1996 zugrunde.

Gegen beide Bescheide erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, die tatsächlichen Verhältnisse hätten sich bei Ihm seit Erteilung des Veranlagungsbescheids vom 02.02.1994 nicht geändert.

Die Beklagte wertete die Widersprüche zugleich als Antrag auf Herabsetzung der Gefahrklasse gemäß Teil II Nr. 2 ihres GT. Sie holte die Stellungnahme ihrer Präventionsabteilung vom 10.10.1996 ein, die vorschlug, die Gefahrklasse zu belassen, weil keine von der üblichen erheblich abweichende Betriebsweise vorliege. Mit dem Bescheid vom 08.11.1996 lehnte es die Beklagte daraufhin ab, die Gefahrklasse gemäß Teil II Nr. 2 ihres GT herabzusetzen.

Auch hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Er trug vor, der Neuzuschnitt der Gefahrklassen könne auf seine Einstufung in Gefahrklasse 1,1 keinen Einfluß haben. Auch vor der Änderung der Gefahrklassen sei er aufgrund der damaligen Außenprüfung nicht in die von der Unternehmensart her "passendere" Gefahrklasse 1,7 eingestuft worden. Die hohen Voraussetzungen für die Herabsetzung seien auch heute noch erfüllt. Zu berücksichtigen sei ferner, dass es sich bei ihm um ein sehr kleines "Unternehmen" handle. In den 10 ½ Jahren seines Bestehens habe kein einziger Schadensfall zur Beklagten gemeldet werden müssen. Anders als im Bescheid angegeben, habe der TAB aktuell keine Prüfung der Unternehmensverhältnisse durchgeführt.

Mit dem Widerspruchsbescheid vom 04.04.1997 wies die Beklagte die Widersprüche gegen die Bescheide vom 29.09.1995, 26.04. und 08.11.1996 zurück. Zur Begründung führte sie unter anderem aus, es lägen regelrechte Betriebsverhältnisse vor. Dem stehe nicht entgegen, dass es sich um einen sehr kleinen Betrieb mit wenig Außendienstarbeit handle. Eine Betriebsbesichtigung sei nicht erforderlich, da sich die Betriebsstruktur im wesentlichen aus dem Sachvortrag ergebe. Die Ermäßigung der Gefahrklasse sei schließlich unabhängig von der tatsächlichen Unfallbelastung des einzelnen Unternehmens.

Am 25.04.1997 erteilte die Beklagte dem Kläger den Beitragsbescheid für 1996 unter Zugrundelegung der Gefahrklasse 2,00.

Der Kläger erhob am 05.05.1997 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) mit dem Ziel, ihn wie früher gemäß Teil II Nr. 2 des GT in die Gefahrklasse 1,1 einzustufen. Er wiederholte seinen Vortrag aus dem Verwaltungsverfahren.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Am 27.04.1998 erteilte sie ihm den Beitragsbescheid für 1997.

Mit Urteil vom 09.12.1998 - der Beklagten zugestellt am 21.01.1999 - verurteilte das SG die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide, dem Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts einen neuen Bescheid nach Teil II Nr. 2 des GT 1995 zu erteilen. Zur Begründung führte das SG aus, bei der Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten handle es sich um ein auf Dauer angelegtes Verwaltungsrechtsverhältnis. Seine "Konkretisierung" unterliege den Rechtsregeln des § 48 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X). Bei dessen Anwendung sei der allgemeine Gleichheitssatz des Grundgesetzes (GG) zu berücksichtigen. Nach Teil II Nr. 2 ihres GT habe die Beklagte ihr Ermessen hinsichtlich der Gefahrklasseneinstufung ausgeübt und dadurch eine "Selbstbindung der Verwaltung" herbeigeführt. Hiervon könne die Beklagte ohne sachliche Gründe nicht mehr abweichen. Da sich die Betriebsverhältnisse des Klägers nicht geändert hätten, müsse ihm die Beklagte weiterhin eine Beitragsermäßigung einräumen und könne lediglich noch bei der "mathematischen Umsetzung der Beitragsreduktion" ausgehend von der Gefahrklasse 2,00 Ermessen ausüben.

Hiergegen hat die Beklagte am 19.02.1999 Berufung zum erkennenden Gericht eingelegt.

Sie trägt vor, zum einen habe das SG verkannt, dass die Voraussetzungen für eine Herabsetzung der Gefahrklasse im GT-Zeitraum von 1995 bis 1997 bei dem Kläger nicht vorgelegen hätten. Seine Betriebsweise sei von derjenigen, wie sie bei Unternehmen der Unternehmensart "Kammer, Verband, Organisation der gewerblichen Wirtschaft" sowie bei Gewerkschaften üblich sei, nicht erheblich abgewichen. Typischerweise handle es sich hier nämlich um überwiegend büromäßig betriebene Verwaltungsunternehmen, die durch den Außendienst nicht geprägt seien. Das vom Kläger vorgebrachte Argument, es finde nur ganz geringfügig Außendienst statt, stelle deshalb keine ganz außergewöhnliche Abweichung dar, sondern sei branchenüblich.

Zwar sei es nicht zu beanstanden, dass das SG in der Mitgliedschaft des Klägers ein auf Dauer angelegtes Verwaltungsrechtsverhältnis gesehen habe, dessen Konkretisierung im einzelnen den Rechtsregeln des § 48 SGB X unterliege. Es widerspreche jedoch tragenden Grundelementen der Unfallversicherung, hieraus zu folgern, eine für einen zurückliegenden Zeitraum gewährte Herabsetzung der Gefahrklasse (hier: 1990 bis 1994) müsse auch für kommende GT-Zeiträume fortgelten. Vielmehr stelle jeder einzelne GT eine eigenständige Rechtsnorm dar, woraus folge, dass auch bei der Prüfung der Herabsetzung mit Beginn jedes neuen GT neue Maßstäbe angelegt würden. Hierfür sprächen auch praktische Erwägungen. Zum einen könne sich nämlich im Laufe der Zeit die übliche Betriebsweise der einzelnen Unternehmensarten verändern. Zum anderen unterliege auch die Zusammensetzung der einzelnen Unternehmensarten ganz wesentlichen Änderungen. Dies habe gravierende Auswirkungen auf die Beurteilung, ob eine von der üblichen erheblich abweichende Betriebsweise der Unternehmensart vorliege. Nach heutiger Beurteilung hätten die Voraussetzungen für eine Herabsetzung der Gefahrklasse im GT-Zeitraum von 1990 bis 1994 ebensowenig vorgelegen wie im GT-Zeitraum von 1995 bis 1997, und zwar bezogen sowohl auf dem Oberbegriff "Kammer, Verband, Organisation der gewerblichen Wirtschaft" als auch auf den Begriff der Gewerkschaften. Schon aus Gründen des Rechtsstaatsgedankens müsse es dem Unfallversicherungsträger möglich sein, seine Rechtsauffassung bei Vorliegen gewichtiger Gründe ändern zu können, da er sonst möglicherweise über Jahrzehnte hinweg an fehlerhafte oder nicht mehr zutreffende Entscheidungen statisch gebunden wäre. Im übrigen gehe es nicht um die vom SG bejahte "Selbstbindung der Verwaltung". Die Prüfung, ob die Voraussetzungen einer Herabsetzung der Beitragsklasse vorlägen, beinhalte keine Ermessensausübung, sondern sei deren Voraussetzung.

Schließlich habe das SG zu Unrecht angenommen, die Beklagte habe in Teil II Nr. 2 ihres von 1995 bis 1997 geltenden GT sinngemäß die Bestimmungen über das Beitragszuschlags- bzw. Nachlassverfahrens nach § 725 Abs. 2 der Reichversicherungsordnung (RVO) nachvollzogen. Diese Bestimmung habe ebenso wie die seit 01.01.1997 geltende Vorschrift des § 162 Abs. 2 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) völlig unabhängig von der Veranlagung des Unternehmens zu den Gefahrklassen eine Beitragsreduzierung bzw. -erhöhung allein aufgrund der individuellen Unfallbelastung ermöglicht. Ausschließlich hier und nicht etwa im Rahmen der Regelungen im GT zu den Herabsetzungen sei die individuelle Unfallbelastung zu berücksichtigen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 9. Dezember 1998 aufzuheben und die Klage - auch gegen die Beitragsbescheide - vom 25.04.1997 und vom 27.04.1998 abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und die Beitragsbescheide vom 25.04.1997 und vom 27.04.1998 abzuändern.

Er trägt vor, die Voraussetzungen für die Herabsetzung der Gefahrklasse im GT-Zeitraum 1995 bis 1997 lägen sehr wohl vor. Entscheidend sei jedoch die Frage, ob die Beklagte die mit Bescheid vom 02.02.1994 aufgrund einer Außenprüfung ihres TAB vom 14.07.1993 verfügte Herabsetzung der Gefahrklasse für den anschließenden Veranlagungszeitraum ab 1995 in der geschehenen Weise habe rückgängig machen können. Zu Recht habe dies das SG unter Hinweis auf den in Art. 3 GG wurzelnden Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung abgelehnt. Die angefochtenen Bescheide enthielten keinerlei Ausführungen zu etwaigen Änderungen gegenüber der durch den TAB 1993 festgestellten Betriebsweise. Ebensowenig sei die Beklagte auf etwa vorgenommene Änderungen in der Zusammensetzung der Gefahrengemeinschaft eingegangen. Ganz offensichtlich sei sie selbst nicht vom Eintritt einer wesentlichen Änderung im Sinne des § 48 SGB X ausgegangen. Ebensowenig liege eine Änderung in den rechtlichen Verhältnissen vor. Die Argumentation der Beklagten laufe darauf hinaus, willkürlich ihre Rechtsmeinungen ändern zu können. Sie habe es unterlassen, die tatsächlichen Verhältnisse erneut zu prüfen und ihn auch nicht im Sinne des § 24 Abs.1 SGB X angehört. Es fehle mithin an einer wesentlichen Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse als Voraussetzung für eine Änderung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung nach § 48 Abs. 1 SGB X. Ferner habe die Beklagte dem Erfordernis der Begründung von Verwaltungsakten nicht Genüge geleistet. Schließlich könne die betriebliche Belastungsziffer (hier: bislang keinerlei Schadensfall) durchaus als Indiz für eine abweichende Unfallgefahr im klägerischen Betrieb im Vergleich zur Gefahrengemeinschaft herangezogen werden.

In ihrer Replik vom 15.11.1999 hat die Beklagte vorgetragen, die angegriffenen Bescheide stellten keine Verwaltungsakte mit Dauerwirkung dar. Den Anforderungern des § 35 SGB X sei Genüge geschehen.

Der Senat hat die Auskünfte des Christlichen Gewerkschaftsbundes Deutschland (CGB) vom 02.08.2001, des Bundesvorstands des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) vom 08.08.2001, der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di vom 10.08.2001, der Gewerkschaft der Polizei vom 20.08.2001, der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt vom 22.08.2001, der Union der Leitenden Angestellten (ULA) vom 30.08.2001, der Gewerkschaft Transnet vom 17.10.2001, der IG Bergbau, Chemie, Energie vom 16.10.2001, der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft vom 22.10.2001 und der Gewerkschaft Nahrung-Genuß-Gaststätten vom 30.10.2001 eingeholt.

Die Beklagte hat zuletzt mit Schreiben vom 29.01.2002 die Ergebnisse der Befragung unter den bei ihr zur Unternehmensart "Gewerkschaft" veranlagten Unternehmen vorgelegt. Daraus geht u.a. hervor, dass 21,46 v.H. der befragten Gewerkschaften (34,15 v.H. hatten nicht geantwortet) angegeben hatten, im Zeitraum von 1995 - 1997 einen Mitarbeiteranteil mit Außendienst von 0 bis unter 5 v. H. zu haben. Soweit Mitarbeiter Außendienst leisteten, lag der Außendienstzeitanteil dieser Mitarbeiter bei 26,34 v.H. der Gewerkschaften noch unter 5 v.H.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akten des Gerichts und auf die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht erhobene Berufung der Beklagten ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe (§ 144 des Sozialgesetzbuchs - SGG -) liegen nicht vor.

Gegenstand des Berufungsverfahrens sind auch die Beitragsbescheide vom 25.04.1997 für 1996 und vom 27.04.1998 für 1997. Sie wurden jedenfalls in entsprechender Anwendung des § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des sozialgerichtlichen Verfahrens, weil sie ebenso wie der Beitragsbescheid vom 26.04.1996 für das Jahr 1995 auf der strittigen Veranlagung zur Gefahrklasse 2,00 aufbauen. Entgegen der jeweils erteilten Rechtsmittelbelehrung konnten sie deshalb nicht mit dem Rechtsbehelf des Widerspruchs angefochten werden. Zwar hat das SG über die Beitragsbescheide für 1997 und für 1998 nicht entschieden. Das LSG muß jedoch auf Berufung über nicht miterledigte Verwaltungsakte entscheiden, wenn dies wie hier beantragt wird und die anderen Beteiligten nicht widersprechen (BSGE 27, 146; 61, 45). Das LSG entscheidet hierbei auf Klage, nicht auf Berufung (BSGE 18, 231).

Die Berufung der Beklagten ist auch begründet, die Klage des Klägers gegen die Beitragsbescheide vom 25.04.1997 und vom 27.04.1998 dagegen unbegründet.

Nach § 219 Abs. 1 SGB VII sind die Vorschriften über die Aufbringung der Mittel erstmals für das Haushaltsjahr 1997 anzuwenden. Für das Haushaltsjahr 1996 und frühere Haushaltsjahre sind die Vorschriften der RVO über die Aufbringung und die Verwendung der Mittel sowie Art. 3 des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes in der am Tag vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes geltenden Fassung weiter anzuwenden. Mithin ist im vorliegenden Fall nur der Beitragsbescheid vom 27.04.1998 für das Jahr 1997 nach den Vorschriften des SGB VII zu beurteilen. Prüfungsmaßstab für die übrigen angefochtenen Bescheide sind die Vorschriften der RVO. Da sich im vorliegenden Fall keine unterschiedlichen Rechtsfolgen ergeben - die Beitragsbescheide hängen sämtlich von den im streitbefangenen Veranlagungsbescheid vom 29.09.1995 und in dem Bescheid vom 08.11.1996 getroffenen Regelungen ab - werden im folgenden nur die Vorschriften der RVO zitiert.

Die Höhe der Beiträge richtet sich vorbehaltlich des § 723 Abs. 2 und des § 728 RVO nach dem Entgelt der Versicherten und nach dem Grade der Unfallgefahr (§ 725 Abs. 1 RVO). Zur Abstufung nach dem Grad der Unfallgefahr hat die Vertreterversammlung durch einen GT Gefahrklassen zu bilden (§ 730 RVO). Der Vorstand hat den GT mindestens alle fünf Jahre mit Rücksicht auf die eingetretenen Arbeitsunfälle nachzuprüfen (§ 731 Abs. 1 RVO). Die Berufsgenossenschaft veranlagt die Unternehmen für die Tarifzeit nach der Satzung zu den Gefahrklassen (§ 734 Abs. 1 RVO).

Der GT der Beklagten besteht aus zwei Teilen. Um die Beiträge nach der Unfallgefahr abzustufen, werden die Unternehmensarten in Teil I den Gefahrklassen zugeteilt. Hierdurch wird die Risikogemeinschaft "Berufsgenossenschaft" in kleinere Risikogemeinschaften (sogenannte Gefahrtarifstellen (GT-Stellen)) gegliedert. Gefahrklassen zeigen den durchschnittlichen Grad der Unfallgefahr jeder Tarifstelle. Je höher das Unfallrisiko, desto höher die Gefahrklasse und damit der Beitrag. In den GT-Stellen sind jeweils Gewerbezweige mit annähernd gleichen Unfallrisiken zusammengestellt (Gefahrengemeinschaften). Die Gefahrklasse erfasst nicht das Risiko des einzelnen Unternehmens, sondern das Risiko aller in einer bestimmten GT-Stelle zusammengefassten Unternehmen.

In Teil II sowohl der GT 1984 und 1990 als auch des GT 1995 (und 1998, nicht mehr 2001) hat die Beklagte eine Vorschrift aufgenommen, wonach sie die Gefahrklasse um 10 bis 50 v.H. herabsetzen oder erhöhen konnte, wenn sich in Einzelfällen ergab, dass wegen einer von der üblichen erheblich abweichenden Betriebsweise ein Unternehmen geringeren oder höheren Gefahren unterlag, als die, für welche die Gefahrklasse im Teil I berechnet war.

Schließlich hatten die Berufsgenossenschaften unter Berücksichtigung der anzuzeigenden Arbeitsunfälle Zuschläge aufzuerlegen oder Nachlässe zu bewilligen. Die Höhe der Zuschläge und Nachlässe richtete sich nach der Zahl, der Schwere und den Kosten der Arbeitsunfälle oder nach mehreren dieser Merkmale. Anstelle von Nachlässen oder zusätzlich zu den Nachlässen konnten nach der Wirksamkeit der Unfallverhütung gestaffelte Prämien gewährt werden. Das Nähere bestimmte die Satzung (§ 725 Abs. 2 RVO). Die Beklagte ist dieser gesetzlichen Verpflichtung in § 26 ihrer Satzung durch ein Beitragszuschlagsverfahren nachgekommen. Beitragsnachlässe wurden nicht gewährt.

Mit dem angefochtenen Veranlagungsbescheid vom 29.09.1995 und dem Bescheid vom 08.11.1996 betreffend die Beitragsklassenherabsetzung hat die Beklagte den Kläger für die Dauer des ab 01.01.1995 geltenden GT neu zu der Gefahrklasse veranlagt, nachdem sie den vorausgegangenen, seit 01.01.1990 gültig gewesenen GT entsprechend der aus § 731 Abs. 1 RVO folgenden Verpflichtung mit Rücksicht auf die eingetretenen Arbeitsunfälle überprüft hatte. Bei der Neuaufstellung des GT ab 01.01.1995 verfügte die Beklagte im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften über den vollen Gestaltungsspielraum. Rechtlich wurde er durch die zum vorausgegangenen GT getroffenen Entscheidungen nicht gebunden (vgl. Hauck/Freischmidt, SGG VII, Rz 23 zu § 157; KassKomm-Ricke, Rz 3 zu § 731 RVO nach dem Stand von September 1994 bzw. Rz 21 zu § 157 SGB VII; BSGE 43, 289, 291). Hierbei wird der Unfallversicherungsträger insbesondere nicht durch die Vorschrift des § 48 Abs. 1 SGB X eingeschränkt. Dahingestellt bleiben kann, ob es sich bei den Veranlagungsbescheiden nach § 734 Abs. 1 RVO um Verwaltungsakte mit Dauerwirkung im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X handelt. Das Gesetz gibt keine Definition der Dauerwirkung. Nach der Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des § 45 SGB X liegt ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung dann vor, wenn sich der Verwaltungsakt nicht in einem einmaligen Ge- oder Verbot oder in einer einmaligen Gestaltung der Sach- und Rechtslage erschöpft, sondern ein auf Dauer berechnetes oder in seinem Bestand von dem Verwaltungsakt abhängiges Rechtsverhältnis begründet oder inhaltlich verändert (BT-Drucksache 8/2034, S. 34). Bei Erteilung eines Veranlagungsbescheides steht zwar der Beginn, nicht aber das Ende des betreffenden GT-Zeitraumes fest. § 731 Abs. 1 RVO verpflichtete den Unfallversicherungsträger zwar zu einer Tarifrevision spätestens nach fünf Jahren (§ 157 Abs. 5 SGB VII entsprechend nach höchstens sechs Jahren). Eine Nachprüfung in kürzeren Abständen war und ist jedoch zulässig. Geht man wegen der sich in jedem Fall über einen Zeitraum von mehreren Jahren, nämlich für die Geltungsdauer eines GT, erstreckenden Bedeutung eines Veranlagungsbescheids nach § 734 Abs. 1 RVO davon aus, dass es sich hierbei um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung handelt, so kam die Anwendung des § 48 SGB X innerhalb eines laufenden GT-Zeitraums deshalb nicht in Betracht, weil § 734 Abs. 2 RVO dieser Vorschrift als lex specialis vorging (BSG SozR 2200 § 734 Nr. 5). Mit dem Ablauf der Tarifzeit bzw. dem Ende der Geltungsdauer eines GT endet die bisherige Veranlagung automatisch durch Zeitablauf (vgl. § 39 Abs. 2 SGB X), da sie von vornherein nur für die betreffende Tarifzeit gelten soll. Es bedarf also keines aufhebenden Verwaltungsaktes (KassKommRicke, Rz 2 zu § 734 RVO nach dem Stand von September 1994). Die Einstufung nach § 734 Abs. 1 RVO ist mithin auflösend bedingt durch die Geltungsdauer des jeweiligen GT (vgl. Urteil des Senats vom 13.12.2001 - L 7 U 674/99 -, nicht rechtskräftig). Für die Neuveranlagung des Klägers zu Beginn des GT-Zeitraums 1995 galten deshalb die allgemeinen Regeln, ohne dass ein Änderungsnachweis im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X zu führen war. Die Beklagte war deshalb berechtigt, ohne Bindung an ihre für die Zeit vor dem 01.01.1995 ergangenen Veranlagungsbescheide auch frei darüber zu entscheiden, ob die Gefahrklasse des Klägers nach Teil II Nr. 2 des ab 01.01.1995 geltenden GT herabzusetzen war. Die Beklagte war ferner vor Erteilung des Veranlagungsbescheids vom 29.09.1995 nicht gehalten, den Kläger wegen des beabsichtigten Wegfalls der Beitragsklassenherabsetzung nach Teil II Nr. 2 des vorausgegangenen GT im Sinne des § 24 SGB X anzuhören. Eine Neuveranlagung nach § 734 Abs. 1 RVO aufgrund eines neuen GT enthält keinen Eingriff in ein bestehendes Recht, auch nicht bei jetzt ungünstigerer Veranlagung, weil die bisherige Veranlagung, wie dargelegt, automatisch wirkungslos geworden ist. Die danach mögliche und gebotene freie Überprüfung ergibt, dass für die Zeit ab 01.01.1995 die Voraussetzungen einer Herabsetzung der Beitragsklasse nach Teil II Nr. 2 des GT nicht vorlagen. Wenn dort von Einzelfällen die Rede ist, bedeutet dies nach Auffassung des Senats, daß nur außergewöhnliche, für die betreffende Unternehmensart atypische Betriebsweisen (Betriebsverhältnisse) eine Herabsetzung der Beitragsklasse rechtfertigen können. Wie Schulz (SGb 1993, S. 402, 403) zutreffend dargelegt hat, beruhen nämlich gefahrtarifliche Regelungen über Gefahrklassenänderungen in Einzelfällen auf Empfehlungen des früheren Reichsversicherungsamtes (RVA) aus dem Jahre 1886, deren Ziel es war, mehr Einzelfallgerechtigkeit zu schaffen, als dies durch den GT möglich erschien. Während das RVA hierbei zunächst noch überwiegend auf subjektive Gesichtspunkte abstellte, rückte es später hiervon ab. In seinem Schreiben an den Vorstand des Verbandes der Deutschen Berufsgenossenschaften vom 22.02.1908 (zitiert nach Schulz, aaO, Fußnote 14) hat es vor einer großzügigen Auslegung dieser Bestimmung gewarnt, weil dadurch die Berechnung der Gefahrklassen "bedeutungslos" würde. Mit seinem Runderlass vom 15.06.1933 (AN 1933, 364f.) bekräftigte das RVA diesen Standpunkt und betonte, dass Herabsetzungen aus Billigkeitsgründen ausgeschlossen seien und Abweichungen von den normalen Gefahrklassen nur in einer geringen Zahl von Fällen vorkommen könnten. Das BSG hat sich in seiner Entscheidung vom 14.12.1967 - 2 RU 60/65 - (BSGE 27, 237, 241f.) der Rechtsauffassung des RVA im Grundsatz angeschlossen. Allerdings hat es bisher, soweit ersichtlich, nicht zu der Frage Stellung genommen, ob nur außergewöhnliche Betriebsverhältnisse eine Herabsetzung der Beitragsklasse rechtfertigen können. Die Entscheidungen vom 24.02.1982 - 2 RU 89/80 - und vom 27.02.1985 - 2 BU 81/83 - lassen insoweit keine eindeutigen Schlussfolgerungen zu. Große Bedeutung kommt nach Auffassung des Senats dem Gesichtspunkt zu, daß der Geltungsbereich der Regelgefahrklasse, welcher die Unternehmen einer bestimmten Gefahrtarifstelle zugeordnet sind, nicht dadurch ausgehöhlt werden darf, dass in erheblichem Umfang Beitragsklassenherabsetzungen nach Teil II Nr. 2 des GT bewilligt werden. Beschränkt man dieses Verfahren nicht auf seltene Ausnahmefälle, so tritt eine Entwertung der Gefahrklassenberechnung ein, die mit Beitragsnachteilen für andere Mitgliedsunternehmen verbunden ist, weil die feststehende Höhe der Umlage durch höhere Beiträge der anderen Unternehmen aufgebracht werden muß. Auch führt eine extensive Auslegung der Gefahrklassenherabsetzungsvorschrift zu erheblichem Verwaltungsmehraufwand, da bei fast jeder Unternehmensart eine oder mehrere mutmaßlich besonders gefährliche oder aber mutmaßlich weniger gefährliche Varianten der Betriebsweisen existieren, die dann über mehrere Gefahrtarife hinweg eine ständige Herab- oder Heraufsetzung der Gefahrklasse bedingen würden (vgl. Urteil des Senats vom 13.12.2001 aaO). Im vorliegenden Fall steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Betriebsweise des Klägers nicht "von der üblichen erheblich abweicht". Hierbei stellt der Senat darauf ab, dass bei der Prüfung der von der üblichen erheblich abweichenden Betriebsweise nicht sämtliche Unternehmensarten zu berücksichtigen sind, die in der betreffenden Gefahrtarifstelle zusammengefasst sind, sondern nur die Unternehmensart, zu welcher das betreffende Unternehmen gehört. Denn dem Unfallversicherungsträger ist ein Ermessen auch dahingehend eingeräumt, ob er nach dem Belastungsprinzip Gewerbezweige mit etwa gleichgroßer statistischer Belastung zusammenfasst, oder aber nach dem sogenannten Technologieprinzip Gewerbezweige, die in sachlicher Hinsicht (z.B. Arbeitsweise, eingesetztes Material, technische Einrichtungen) miteinander verwandt sind. Auch im letzteren Fall ist die Betriebsweise der zusammengefassten Gewerbezweige (= Unternehmensarten) nie vollkommen identisch. Wollte man das Gefahrenpotential sämtlicher Unternehmensarten einer Tarifstelle berücksichtigen, so müsste zunächst eine "durchschnittliche Betriebsweise" ermittelt und anschließend die Betriebsweise des einzelnen Unternehmens hiermit verglichen werden. Je heterogener eine Tarifstelle zusammengesetzt ist, desto schwieriger wäre es jedoch, eine "durchschnittliche Betriebsweise" festzulegen. Im vorliegenden Fall darf die Betriebsweise des Klägers deshalb nur mit derjenigen der Unternehmensart "Gewerkschaft" verglichen werden, welcher er zugehört. Daß der Kläger als "Gewerkschaft" anzusehen ist, ergibt sich schon aus seinem Namen. Dieser lautet nämlich vollständig "Deutscher Journalisten-Verband, Gewerkschaft der Journalistinnen und Journalisten, Landesverband Baden-Württemberg". Nach § 1 Abs. 2 Buchst. f seiner Satzung nimmt er die materiellen Interessen der Berufsangehörigen war, so besonders durch Abschluß von tarifvertraglichen und arbeitsrechtlichen Vereinbarungen und durch Vertretung ihrer Interessen bei Einrichtungen der sozialen Sicherheit. Nach § 1 Abs. 1 seiner Satzung bekennt er sich zu den Mitteln des Arbeitskampfes. Nach Sachlage ist ferner davon auszugehen, dass der Kläger gegnerfrei und unabhängig ist, so dass sämtliche rechtliche Voraussetzungen einer Gewerkschaft erfüllt sind.

Daß die Beklagte den Kläger sowohl im Veranlagungsbescheid vom 29.09.1995 als auch im Widerspruchsbescheid vom 04.04.1997 der Unternehmensart "Kammer, Verband, Organisation der freien Berufe und der gewerblichen Wirtschaft" anstellte der richtigen Unternehmensart "Gewerkschaft" zugeordnet hat, ist unrichtig, aber im Ergebnis unschädlich. Es kann offen bleiben, ob es sich hierbei lediglich um ein Begründungselement der genannten Bescheide handelt oder ob damit eine Regelung getroffen wurde, die zum jeweiligen Verfügungssatz der Bescheide gehört. Denn bei der Prüfung einer "von der üblichen erheblich abweichenden" Betriebsweise kann nicht von einer fiktiven Zuordnung, sondern nur von der Unternehmensart ausgegangen werden, welcher das betreffende Unternehmen tatsächlich zugehört.

Im vorliegenden Fall kann kein außergewöhnlicher Einzelfall darin gesehen werden, dass von den im strittigen Zeitraum bei dem Kläger gegen Entgelt beschäftigten drei Mitarbeitern zwei Mitarbeiter ausschließlich im Büro tätig waren und lediglich einer, der Geschäftsführer, zwischen 8 und 10 v.H. seiner Arbeitszeit im Außendienst tätig war. Die von der Beklagten durchgeführte Befragung der bei ihr zur Unternehmensart "Gewerkschaft" veranlagten Unternehmen hat nämlich ergeben, dass 21,46 v.H. der befragten Gewerkschaften angegeben haben, im Zeitraum von 1995 bis 1997 einen Mitarbeiteranteil mit Außendienst von 0 bis unter 5 v.H. gehabt zu haben. Berücksichtigt man die 35,12 v. H. der Gewerkschaften, die nicht geantwortet haben, anteilmäßig bei den erfragten Warten, so erhöht sich der Wert von 21,46 v. H. noch auf 33,08 v.H. Soweit Mitarbeiter Außendienst leisteten, lag der Außendienstzeitanteil dieser Mitarbeiter bei 26,34 v.H. bzw. 40,60 v. H. der Gewerkschaften noch unter 5 v.H. Die Ergebnisse der vom Senat eingeholten Auskünfte bei einzelnen Gewerkschaften können hiermit zwar nicht in jeder Hinsicht verglichen werden, da die Fragestellung nicht völlig identisch war und insbesondere vom Senat nicht erfragt worden ist, welcher Prozentsatz der Gewerkschaftsmitarbeiter einen geringfügigen Außendienstanteil bis zu 5 v.H. der Arbeitszeit leistet. Im wesentlichen zeichnet sich jedoch eine Übereinstimmung ab. Beispielsweise hat die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft unter dem 22.10.2001 mitgeteilt, dass in den Jahren 1995 bis 1997 zwischen 57 und 63 v.H. ihrer Mitarbeiter ausschließlich im Innendienst tätig waren. Von denjenigen, die auch Außendienst leisteten, entfielen auf diesen ca. 25 v.H. der Arbeitszeit. Die Auskunft der Union der Leitenden Angestellten (ULA) vom 30.08.2001 deutet daraufhin, dass der Außendienstanteil bei den kleinen Gewerkschaften besonders niedrig ist. Von den dort beschäftigten 15 Mitarbeitern war nämlich im Zeitraum von 1995 bis 1997 keiner im Außendienst beschäftigt. Anders liegen die Verhältnisse allerdings bei den großen Gewerkschaften, die zahlreiche Gewerkschaftssekretäre und -sekretärinnen beschäftigen. Der Senat lässt deshalb offen, ob die Schlussfolgerung der Beklagten im Schriftsatz vom 29.01.2002 zutrifft, der Außendienst in dem von dem Kläger vorgetragenen Umfang sei für Gewerkschaften keineswegs außergewöhnlich, sondern sogar üblich. Jedenfalls dürfte der Anteil der Gewerkschaften, deren Außendienstzeitanteil nicht größer ist als derjenige des Klägers, bei mindestens 20 v.H., unter Berücksichtigung der Gewerkschaften, die auf die Umfrage der Beklagten nicht geantwortet haben, sogar über 30 v. H. liegen. Damit liegt bei dem Kläger eine Betriebsweise vor, die wohl nur bei einer Minderheit der Gewerkschaften anzutreffen ist, jedoch immerhin so häufig vorkommt, dass von einer gängigen Betriebsweise gesprochen werden kann. Hiermit lässt es sich nicht vereinbaren, den Kläger als seltenen "Einzelfall" zu behandeln.

Soweit der Kläger darauf hingewiesen hat, die betriebliche Belastungsziffer (hier: bislang keinerlei Schadensfall) könne durchaus als Indiz für eine abweichende Unfallgefahr seines Betriebes im Vergleich zur Gefahrengemeinschaft herangezogen werden, ist ihm entgegenzuhalten, dass es für eine Herabsetzung der Gefahrklasse nicht genügt, wenn das Unternehmen hinsichtlich Zahl und Schwere der Unfälle unter dem Durchschnitt des Unternehmenszweiges liegt. Entscheidend ist, dass sich die besondere Gefahrensituation aus einer vom Durchschnitt erheblich abweichenden Betriebsweise oder -einrichtung ergibt. Sofern die Anzahl der Unfälle im Betrieb überhaupt als Indiz für die sich aus der abweichenden Betriebsweise ergebende geringere Unfallgefahr angesehen werden kann, kann dies nur für Unternehmen mit einer hohen Mitarbeiterzahl gelten. Bei Unternehmen mit nur wenigen Mitarbeitern kann allein aus der Anzahl der Unfälle nicht auf die Unfallrisiken geschlossen werden (Schulin-Platz, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band II, Rdziff. 51 zu § 58; Schulz, SGb 1991, 349, 351). Im Unternehmen des Klägers sind jedoch, wie die erwähnte Betriebsbesichtigung ergeben hat, nur drei Personen hauptamtlich beschäftigt.

Schließlich kann der Kläger sein Ziel einer Beitragsreduzierung auch nicht nach der Vorschrift des § 725 Abs. 2 RVO erreichen. In dieser Vorschrift ist den Unfallversicherungsträgern ein weites Ermessen eingeräumt, ob sie ein Zuschlags-, Nachlaß- oder ein kombiniertes Verfahren mit Beitragszuschlägen und -nachlässen einführen. Die Beklagte hat sich in § 26 ihrer im strittigen Zeitraum geltenden Satzung für ein Beitragszuschlagsverfahren entschieden; Beitragsnachlässe wurden nicht gewährt.

Nach alledem war der Berufung der Beklagten stattzugeben und die Klage des Klägers auch gegen die Beitragsbescheide vom 25.04.1997 und vom 27.04.1998, über die das SG noch nicht entschieden hat, abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG.

Gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG hat der Senat die Revision zugelassen, weil er der in einer großen Zahl anhängiger Streitsachen rechtserheblichen Frage nach den Voraussetzungen einer Betragsklassenherabsetzung entsprechend Teil II Nr. 2 des GT 1995 der Beklagten grundsätzliche Bedeutung beimisst.
Rechtskraft
Aus
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