L 12 AL 347/01

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 6 AL 3314/97
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 347/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Erstattungspflicht des Arbeitgebers wegen eines Wettbewerbsverbotes hängt nicht vom konkreten Nachweis ab, dass das Wettbewerbsvertbot die Vermittlung verhindert oder wesentlich erschwert.
Die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin 7/10 der außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Erstattungspflicht der Klägerin wegen einer Konkurrenzklausel streitig. Hierbei ist zwischen den Beteiligten noch umstritten, ob die Klägerin 30% des ihrem früheren Arbeitnehmer B. vom 1.1.1997 bis 31.5.1997 gewährten Arbeitslosengeldes (Alg) an die Beklagte zu erstatten hat.

Die Klägerin beschäftigte B vom 1.10.1994 bis 31.12.1996 als kaufmännischen Angestellten. In dem von der Klägerin mit B geschlossenen Anstellungsvertrag vom 23.8.1994 verpflichtete sich B, nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses für die Dauer von 2 Jahren weder direkt noch indirekt mit der Firma A. M., in vertragliche Beziehungen zu treten, sei dies in Form eines Arbeitsverhältnisses oder in anderer Form. Die Klägerin verpflichtete sich im Gegenzug für die Dauer des Wettbewerbsverbotes zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe der Hälfte der von B zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen.

Am 10.9.1996 kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis mit B zum 31.12.1996. Mit Wirkung zum 1.1.1997 meldete sich B beim Arbeitsamt M., Dienststelle W. arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. Mit Bewilligungsbescheid vom 8.1.1997 bewilligte die Beklagte ihm Alg in Höhe von DM 505,80 wöchentlich (DM 84,30 täglich, Bemessungsentgelt DM 1.320,-, Leistungsgruppe C/0, Lohnersatzquote 60 v.H., Leistungstabelle 1997, Anspruchsdauer 312 Tage). Der Kläger bezog diese Leistungen bis zum 31.5.1997.

Mit Schreiben vom 2.12.1996 wies die Beklagte die Klägerin auf die mögliche Erstattungspflicht wegen der Wettbewerbabrede gem. § 128a AFG hin und klärte sie darüber auf, dass die Erstattungspflicht entfalle, wenn die Klägerin auf die Einhaltung des Wettbewerbsverbots verzichten würde. Die Klägerin teilte mit Schreiben vom 8.1.97 mit, sie verzichte nicht auf die Wettbewerbsabrede.

Mit (Grundlagen-) Bescheid vom 12.3.1997 verpflichtete die Beklagte die Klägerin zu der Erstattung des während der Dauer des Wettbewerbsverbotes an B gezahlten Alg sowie der hierauf entfallenden Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung sowie zur sozialen Pflegeversicherung. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 6.11.1997 zurück.

Am 8.12.1997 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben. Hierzu hat sie ausgeführt, die Beschränkung des Wettbewerbs auf einen einzigen Konkurrenzbetrieb führe nicht dazu, dass die Vermittlung in eine neue Arbeitsstelle wesentlich erschwert werde. Die Erstattung des Alg sei daher nicht verhältnismäßig.

Während des Klageverfahrens hat die Beklagte den Abrechnungsbescheid vom 13.3.1998 erlassen, mit dem sie den Erstattungsbetrag für die Zeit vom 1.1.1997 bis 31.5.1997 auf insgesamt DM 19.195,80 festgesetzt hat.

Mit Urteil vom 19.8.1999 hat das SG den Bescheid vom 12.3.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6.11.1997 und den Bescheid vom 13.3.1998 aufgehoben. Diese Bescheide beruhten, wie das BVerfG mit Beschluss vom 10.11.98 - 1 BvR 2296/96 - (BVerfGE 99,202) entschieden habe, auf einer verfassungswidrigen Norm. Das SG sei auch nicht verpflichtet, das Verfahren bis zu einer gesetzlichen Neuregelung auszusetzen.

Am 3.9.1999 hat die Beklagte Berufung gegen das Urteil des SG eingelegt (L 12 AL 3600/99) und beantragt, entsprechend der Auffassung des BVerfG den Rechtsstreit bis zum Zeitpunkt einer Neuregelung durch den Gesetzgeber auszusetzen.

Mit Beschluss vom 20.1.2000 hat der Senat das Verfahren bis zu einer gesetzlichen Neuregelung, spätestens bis 1.1.2001 ausgesetzt.

Auf Antrag der Klägerin vom 19.1.2001 hat der Senat das Verfahren wieder aufgenommen.

Mit Bescheid vom 12.3.2001 hat die Beklagte, unter Hinweis auf die ab 1.1.2001 in Kraft getretenen neue Fassung des § 148 SGB III die bisherigen Bescheide ersetzt und den Erstattungsbetrag auf 30 % der Aufwendungen reduziert. Die Klägerin habe somit DM 5.758,74 zu erstatten. Weil die Klägerin bereits einen Betrag von DM 9.597,90 erstattet habe, werde der Betrag in Höhe von DM 3.839,16 wieder ausgezahlt.

Die Klägerin führt aus, auch der Bescheid vom 12.3.2001 sei rechtswidrig. Die Entscheidung des BVerfG vom 10.11.1998 sei in der Weise auszulegen, daß den Arbeitgeber nur dann eine Erstattungspflicht treffe, wenn die Wettbewerbsvereinbarung im konkreten Fall ursächlich für die Arbeitslosigkeit sei. Dies sei vorliegend nicht der Fall, das Wettbewerbsverbot habe sich nur auf einen Mitbewerber bezogen. Die Vermittelbarkeit des B sei nicht eingeschränkt.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 12. März 2001 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, der Bescheid vom 12.3.2001 entspreche der gesetzlichen Neuregelung.

Bezüglich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akten der Beklagten sowie auf die Akten des SG und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Nachdem die Bescheide vom 12.3.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6.11.1997 und vom 13.3.1998 durch den Bescheid vom 12.3.2001 ersetzt worden sind, entscheidet der Senat über die Anfechtung des Bescheides 12.3.2001 im Klageverfahren.

Die Anfechtungsklage ist zulässig, jedoch nicht begründet. Der Bescheid vom 12.3.2001 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Maßgebend ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht § 148 SGB III in der ab 1.1.1998 geltenden Fassung (Art. 1 und 6 Einmalzahlungs-Neuregelungsgesetz vom 21.12.2000 - BGBl. I 1971).

Rechtsgrundlage ist weiterhin §128a AFG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des 6. Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 15.12.1995 (BGBl. I 1809) nach Maßgabe des § 434c SGB III.

Nach § 434c SGB III (eingeführt durch das Einmalzahlungs-Neuregelungsgesetz vom 21.12.00) ist § 128a AFG in der jeweils geltenden Fassung für die Zeit vom 1. Januar 1982 bis 31. Dezember 1997 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Arbeitgeber der Bundesanstalt vierteljährlich 30% des Arbeitslosengeldes (Alg) einschließlich der anteilig darauf entfallenden Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung, Rentenversicherung sowie der sozialen Pflegeversicherung zu erstatten hat.

Ist der Arbeitslose durch eine Vereinbarung mit dem bisherigen Arbeitgeber in seiner beruflichen Tätigkeit als Arbeitnehmer beschränkt, so erstattet der bisherige Arbeitgeber der Bundesanstalt vierteljährlich 30 % des Arbeitslosengeldes, das dem Arbeitslosen für die Zeit gezahlt worden ist, in der diese Beschränkung besteht. §§ 146 und 152 Absatz 5 gelten entsprechend. Das Alg, das der Arbeitgeber erstattet, muss sich der Arbeitnehmer wie Arbeitsentgelt auf die Entschädigung für die Wettbewerbsbeschränkung anrechnen lassen (§ 128a Absatz 1 AFG).

Soweit nach Absatz 1 Alg zu erstatten ist, schließt dies die auf diese Leistung (bzw. anteilig darauf) entfallenden Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung sowie zur sozialen Pflegeversicherung ein (§ 128a Absatz 2 AFG).

Diese gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen sind erfüllt.

Die Klägerin hat mit B im Anstellungsvertrag vom 23.8.1994 ein Wettbewerbsverbot vereinbart, das B für die Dauer von zwei Jahren nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin untersagt hat, ein Arbeitsverhältnis oder andere vertragliche Beziehungen mit dem Konkurrenzunternehmen der Klägerin, der Firma Auer, einzugehen. Damit ist B auf Grund der Vereinbarung in seiner beruflichen Tätigkeit als Arbeitnehmer für die Dauer des Verbotes in seiner beruflichen Tätigkeit als Arbeitnehmer beschränkt gewesen. B hat für die Dauer des Wettbewerbsverbotes eine Entschädigung in Höhe der Hälfte des von ihm zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Gehalts erhalten. Dieses vertragliche Wettbewerbsverbot entspricht den formalen und materiellen Voraussetzungen der §§ 74 ff des Handelsgesetzbuchs (HGB).

Die Beklagte hat auch die ihr obliegenden Beratungspflichten ordnungsgemäß erfüllt. Die Beklagte hatte die Klägerin mit Schreiben vom 2.12.1996 entsprechend der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. u.a. BSGE 66, 250,257) darauf hingewiesen, dass die Erstattungspflicht dann entfalle, wenn sie auf die Einhaltung des Wettbewerbsverbotes verzichte. Dies hat die Klägerin abgelehnt.

Die Erstattungspflicht des Arbeitgebers ist auch nicht vom Nachweis abhängig, dass das Wettbewerbsverbot die Vermittlung verhindert der wesentlich erschwert. Sie besteht selbst dann, wenn das Wettbewerbsverbot die Arbeitsplatzsuche auch nur unwesentlich beeinträchtigt (BSGE 66, 250, 256). Hieran hat der Gesetzgeber auch bezüglich der hier anzuwendenden Übergangsvorschrift bzw. der Nachfolgeregelung des § 148 SGB III festgehalten. (Bundestagsdrucksache 14/4371 Seite 12). Sowohl das BSG aaO, als auch der Gesetzgeber haben daran festgehalten, dass zwischen arbeitsmarktbedingter Arbeitslosigkeit und Arbeitslosigkeit, die allein Folge der Wettbewerbsabrede ist, selbst bei hohen Verwaltungsaufwand auch nicht annähernd zuverlässig unterschieden werden kann.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist eine andere Auslegung auch nicht im Hinblick auf den Beschluss des BVerfG vom 10.11.1998 - 1 BvR 1081/97 - (BVerfGE 99, 202-216) geboten. Das BVerfG hat die Verfassungswidrigkeit der Regelung des § 128a AFG a.F., nach der die Arbeitgeber das Alg sowie die Beiträge zur Kranken-, Renten- und sozialen Pflegeversicherung in vollem Umfang zu erstatten hatten, damit begründet, dass die Arbeitgeber in der Freiheit ihrer Berufsausübung (Artikel 12 GG) durch das Ausmaß der Belastung unverhältnismäßig eingeschränkt würden. Hierbei hat das BVerfG unter anderem die Unverhältnismäßigkeit der vollen Belastung der Arbeitgeber damit begründet, da die Bestimmungen des Handelsgesetzbuchs es ausschlössen, die Unterlassungspflicht auf den gesamten Arbeitsmarkt zu erstrecken, bleibe der karenzpflichtige Arbeitnehmer vermittelbar, wenn auch nur im nicht geschützten Bereich des Arbeitsmarktes. Könne er hier nicht vermittelt werden, beruhe die Arbeitslosigkeit nicht wesentlich auf dem Wettbewerbsverbot, sondern auf der allgemeinen Arbeitsmarktlage oder den persönlichen Eigenschaften des Arbeitslosen. Unter diesen Umständen lasse sich nicht generell sagen, dass Wettbewerbsabreden die typische Ursache für die Arbeitslosigkeit seien. Habe der Arbeitgeber aber nur abstrakt eine von mehreren möglichen Ursachen für das Fortbestehen der Arbeitslosigkeit gesetzt, sei es nicht angemessen, ihm die vollen Kosten der Arbeitslosigkeit aufzuerlegen. Das BVerfG hat dem Gesetzgeber jedoch freigestellt, wie er diesen unverhältnismäßigen Eingriff beseitigt. Die vom Gesetzgeber (BT-Drucksache 14/4371) gewählte Pauschalierung der Erstattungspflicht auf 30% trägt den Bedenken des Bundesverfassungsgerichts ausdrücklich und auch angemessen Rechnung (vgl. Gagel SGB III § 148 RdNr.13). Das BVerfG hat nicht gefordert, eine Regelung einzuführen, die dem Arbeitgeber den Nachweis ermögliche, das Wettbewerbsverbot habe auf die Arbeitslosigkeit keinen Einfluss. Der Gesetzgeber hat dies auch nicht getan.

Die Beklagte hat den Erstattungsbetrag zutreffend errechnet. Dies wird von der Klägerin auch nicht beanstandet.

Die Kostenentscheidung beruht auf §193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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