L 11 EG 2037/01

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 8 EG 2410/00
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 EG 2037/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Einkommensberechnung für Erziehungsgeld. Kosten, die bei der Wahrnehmung von Umgangsregelungen mit Kindern entstehen, können bei der Berechnung des Einkommens für Erziehungsgeld nicht einkommensmindernd geltend gemacht werden.
LDie Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 27. März 2001 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch auf höheres Erziehungsgeld für die Zeit vom 7. bis zum 12. Lebensmonat von L., die am 28.10.1999 geboren wurde.

Laura ist das erste gemeinsame Kind der Klägerin und ihres Ehemannes B. Die Klägerin hat daneben noch 3 Kinder aus ihrer ersten Ehe, von denen ein Kind, für das sie auch Kindergeld bezieht, im gemeinsamen Haushalt lebt, der Ehemann hat noch zwei Kinder aus erster Ehe, die nicht im gemeinsamen Haushalt untergebracht sind.

Die Klägerin beantragte am 10.11.1999 Erziehungsgeld für die ersten 12 Lebensmonate ihres Kindes Laura.

Mit Bescheid vom 14.02.2000 bewilligte die Beklagte Erziehungsgeld für die ersten 12 Lebensmonate des Kindes in Höhe von insgesamt DM 3.278,-, dabei für den 7. bis 12. Monat gekürzt auf monatlich DM 133.-. Bei der Berechnung des Erziehungsgeldes für den 7. bis 12. Monat zog sie von dem ermittelten Jahres-Brutto-Arbeitslohn des B. die Werbungskosten (einfache Wegstrecke vom Wohnsitz bis zur Arbeitsstelle und pauschale Kosten), eine Pauschale von 27% daraus gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) und die Unterhaltsleistungen des B. an seine beiden Kinder aus erster Ehe in Höhe von DM 800,- monatlich zuzüglich Versicherungsleistungen in Höhe von DM 61,-, die durch Kontoauszüge belegt waren, ab. Auf der Grundlage dieser Berechnung überstieg das anrechnungsfähige Einkommen die Einkommensgrenze um monatlich DM 467,37, woraus die Beklagte dann den monatlichen Zahlbetrag in Höhe von DM 133,- errechnete.

Aufgrund der Aufnahme einer Teilerwerbstätigkeit der Klägerin führte die Beklagte eine Neuberechnung durch. Mit Änderungsbescheid vom 08.03.2000 beließ es die Beklagte bei den bisher bewilligten Beträgen.

Im nachfolgenden Widerspruchsverfahren machte die Klägerin geltend, dass zu Unrecht Unterhaltsleistungen an die Tante des B. und Mehrkosten für die Besuche der Kinder aus den beiden ersten Ehen jedes zweite Wochenende und die Hälfte der Ferien nicht in Abzug gebracht worden seien. Zu berücksichtigen seien auch die Werbungskosten der Klägerin und außerdem entstünde auch ein Mehraufwand für den Sohn des B., da dieser behindert sei. Belege zum Mehraufwand für den behinderten Sohn wurden nicht vorgelegt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17.07.2000 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie wies darauf hin, dass Unterhaltsleistungen des B. an dessen Tante nicht einkommensmindernd berücksichtigt werden könnten, da es sich hierbei nicht um Unterhaltsleistungen gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 oder § 33a Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) handele, die Mehrkosten, die durch den Aufenthalt der Kinder aus erster Ehe entstünden, wenn diese zu Besuch kämen, seien aufgrund der eindeutigen gesetzlichen Definition der abzugsfähigen Beträge ebenfalls nicht berücksichtigungsfähig, Werbungskosten der Klägerin seien nicht abzugsfähig, da die von ihr erzielten Erwerbseinkünfte - zu ihren Gunsten - gänzlich unberücksichtigt bleiben würden und nicht zuletzt würden auch die Mehraufwendungen des B. für seinen behinderten Sohn keinen abzugsfähigen Posten darstellen. Letztere stellten keine Werbungskosten dar und auch wenn für diesen Sohn ein steuerlicher Behindertenpauschbetrag gewährt werden könnte, wäre dieser bei der Berechnung des BErzGG nicht abzugsfähig, da für dieses Kind kein Kindergeld an B. bezahlt werde.

Hiergegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG). Sie brachte weiterhin vor, dass die Kosten für die Besuche der Kinder, die sie auf DM 369,20 pro Kind und Monat errechnet und die Unterhaltsleistungen an die Tante des B. berücksichtigt werden müssten.

Das SG forderte die Klägerin auf nähere Angaben im Hinblick auf den Unterhalt an die Tante zu machen, worauf die Klägerin Rentenbescheide der Tante vorlegte.

Mit Bescheid vom 03.11.2000 bewilligte die Beklagte daraufhin unter Abänderung des angefochtenen Bescheids der Klägerin für die Zeit vom 7. bis zum 12. Lebensmonat des Kindes Laura monatlich DM 204,- Bundeserziehungsgeld. Sie berücksichtigte nunmehr die Unterhaltszahlungen an die Tante des B. Der Bescheid wurde Gegenstand des Klageverfahrens.

Mit Urteil vom 27.03.2001, den Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt am 10.04.2001, wies das SG die Klage ab. Kosten für Mehraufwendungen für die Besuche der insgesamt vier Kinder aus jeweils erster Ehe der Klägerin und des B. an Wochenenden und den Ferien seien nicht abzugsfähig. Abzugsfähig seien lediglich Unterhaltsleistungen an Kinder bis zu dem durch Unterhaltstitel oder durch Vereinbarung festgelegten Betrag, dieser nachgewiesene Kindesunterhalt sei auch abgezogen worden. Bei den geltend gemachten Mehraufwendungen handele es sich nicht um Unterhaltsleistungen, vielmehr seien diese Ausfluss der elterlichen Sorge, solche Leistungen seien nicht nach § 6 BErzGG abzugsfähig.

Hiergegen hat die Klägerin am 09.05.2001 Berufung eingelegt. Sie ist weiter der Ansicht, dass der monatliche Mehraufwand für die Kinder in Abzug zu bringen sei, es sei zwar richtig, dass bei einer wörtlichen Auslegung und einer Auslegung nach Sinn und Zweck lediglich solche Unterhaltsleistungen zu berücksichtigen seien, welche durch Unterhaltstitel oder Unterhaltsvereinbarung festgeschrieben seien, indessen dürfe eine solch strenge Auslegung nicht mehr mit der jüngst ergangenen verfassungsrechtlich familienfreundlichen Rechtsprechung in Einklang zu bringen sein. Es gehe nicht an, dass Kinder aus der ersten Ehe rechtlich so zu behandeln seien wie ein Gästebesuch. Praktisch sei es tatsächlich so, dass das Umgangsrecht auch mit erheblichen Aufwendungen verbunden sei, die das der Familie zur Verfügung stehende Einkommen erheblich schmälern würden. Die Umgangsregelung sei als sonstige Vereinbarung im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 2 BErzGG anzusehen. Im übrigen seien die Werbungskosten falsch errechnet worden, es sei lediglich von der einfachen Entfernungsstrecke zwischen der Wohnung und dem Arbeitsplatz des Ehemannes ausgegangen worden, tatsächlich seien es nicht nur 17, sondern 34 km, so dass sich tatsächlich Werbungskosten in Höhe von DM 6.608,40 errechnen würden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 27. März 2001 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 14. Februar 2000, 8. März 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Juli 2000 und des Bescheides vom 3. November 2000 zu verurteilen, bei der Berechnung der Höhe des Erziehungsgeldes die der Klägerin und ihrem Ehemann entstehenden Mehraufwendungen für die Wochenend- und Ferienbesuche der Kinder aus erster Ehe in Höhe von DM 369,20 pro Kind und Monat als vom Einkommen abzugsfähige Posten zu behandeln und aufgrund höherer Fahrtkosten Werbungskosten in Höhe von DM 6.608,40 zugrundezulegen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Sie hält das angefochtene Urteil für richtig und weist ergänzend noch darauf hin, dass nur die steuerrechtlich abziehbaren Fahrtkosten als abzugsfähige Posten anzuerkennen seien.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die erst- und zweitinstanzlichen Gerichtsakten sowie die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und insgesamt zulässig. Sie ist aber nicht begründet. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf höheres BErzG für den 7. bis 12. Lebensmonat ihres Kindes L.

Das SG hat im Hinblick auf den geltend gemachten Mehraufwand für die Kinder aus erster Ehe zutreffend und ausführlich begründet, weshalb diese Kosten nicht abgesetzt werden können. Der Senat sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend wird insoweit ausgeführt, dass - wie von der Klägerin mittlerweile auch eingeräumt - § 6 Abs. 2 BErzGG im Hinblick auf die zu berücksichtigenden Unterhaltsleistungen vom Wortlaut her eindeutig ist. Es sollen nur die durch Unterhaltstitel oder sonstige durch - auch privatrechtliche - Vereinbarungen festgelegten Beträge abgesetzt werden. Dabei handelt es sich um die von B.R an seine geschiedene Ehefrau zu bezahlenden DM 800,- monatlich zuzüglich der Versicherungskosten für seine beiden Kinder. Der darüber hinaus geltend gemachte Mehraufwand in Höhe von monatlich DM 369,20 pro Kind fällt nicht aufgrund eines Unterhaltstitels oder einer sonstigen privatrechtlichen Unterhaltsvereinbarung an, weshalb diese Leistung nach dem eindeutigen Wortlaut des § 6 Abs. 1 Nr. 2 BErzGG außen vor zu bleiben hat. Es handelt sich insoweit nicht um eine Unterhaltsleistung, sondern um den Ausfluß des persönlichen Umgangsrechts der Klägerin bzw. des B. mit ihren leiblichen Kindern aus jeweils erster Ehe. Dieses Umgangsrecht ist Teil der elterlichen Sorge und kann mit Unterhaltsleistungen im Sinne der §§ 1601 ff. BGB und damit auch des § 6 Abs. 1 Nr. 2 BErzGG nicht gleichgesetzt werden. Es geht insoweit auch nicht an entgegen dem eindeutigen Wortlaut der Norm privatrechtliche Umgangsregelungen, zumal sich deren Bezifferung auch als Problem darstellen würde, den in der Norm genannten privatrechtlichen Vereinbarungen gleichzustellen, denn die privatrechtlichen Vereinbarungen im Sinne der Norm beziehen sich eindeutig nur auf Regelungen bezüglich des Unterhalts. Im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit hat der Gesetzgeber insoweit einen weiten Spielraum. Er kann grundsätzlich selbst bestimmen, auf welche Weise er den ihm aufgegebenen Schutz der Ehe und Familie verwirklichen will. Der Staat ist daher nicht verpflichtet, jegliche die Familie treffende finanzielle Belastung auszugleichen. Ein Anspruch des Einzelnen darauf, dass der Staat im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit in einer bestimmten Richtung tätig wird, besteht nicht (vgl. BSG SozR 3-7833 § 6 Nr. 13).

Die geltend gemachten Aufwendungen für die Kinder können auch nicht im Wege einer Härtefallregelung berücksichtigt werden. Eine allgemeine Härtefallregelung gibt es nicht. Der Prüfung zugrundezulegen ist insoweit, da L. vor dem 01.01.2001 geboren ist, § 6 Abs. 7 BerzGG in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung (§ 24 BErzGG). Danach werden voraussichtliche Einkünfte auf Antrag berücksichtigt, wenn die Einkünfte aufgrund eines Härtefalls geringer sind als in der Bewilligung zugrundegelegt. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollte eine Verminderung des Einkommens nach Erteilung des Bewilligungsbescheids nur noch in Ausnahmefällen zu einer Neuberechnung des Erziehungsgeldes führen (Pauli in Hamm-Büchen, Kindergeld/Erziehungsgeld, Stand März 1999, § 6 BerzGG, RdZiff. 65). Gedacht ist dabei an Ereignisse wie an den Tod des Ehegatten, schwerer Erkrankung oder Behinderung des Ehegatten sowie Scheidung der Ehe bzw. auch beim Eintritt von Arbeitslosigkeit während des laufenden Kalenderjahres. Nicht von einem solchen Härtefall erfasst werden Fälle, in denen es sich um schon zum Zeitpunkt der Bewilligung des BerzGG bekannte Ausgaben handelt, an denen sich nunmehr nichts geändert hat. Um solche Ausgaben handelt es sich jedoch bei den von der Klägerin geltend gemachten Mehraufwendungen für die Kinder, diese Aufwendungen bestanden bereits im Zeitpunkt der Erteilung des Bescheides, so dass sie nunmehr auf jeden Fall nicht im Wege der Härtefall- regelung Berücksichtigung finden können.

Was die von der Klägerin geltend gemachten höheren Werbungskosten im Hinblick auf die Fahrtkosten anbelangt, verhält es sich so, dass im Rahmen des § 6 Abs. 1 BerzGG diejenigen Aufwendungen als Werbungskosten berücksichtigt werden können, die auch im Rahmen des EstG abzugsfähig sind (vgl. Pauli in Hamm-Büchen, Kindergeld/Erziehungsgeld, Stand März 1999, § 6 BerzGG, RdNr. 24). Im Rahmen der einkommensteuerrechtlichen Bestimmungen sind jedoch nur Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte hinsichtlich der einfachen Entfernung zwischen den genannten Orten berücksichtigungsfähig. Auf dieser Grundlage hat die Beklagte die Berechnung durchgeführt, so dass der in Ansatz gebrachte Werbungskosten-Abzug nicht zu beanstanden ist.

Die Berufung der Klägerin ist zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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