L 4 KR 3540/00

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 10 KR 2991/99
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 3540/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Viagra zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung. Eine erhebliche Dysfunktion ist eine Krankheit, für die Anspruch auf Krankenbehandlung in der gesetzlichen Krankenversicherung besteht. Die Behandlung umfasst die Versorgung mit dem Arzneimittel Viagra. Die Viagra-Medikation ist nicht nach § 3 SGB 5 ausgeschlossen. Die Kostenübernahme ist auch nicht durch Nr 17.1 der Arzneimittelrichtlinien (AMRL) ausgeschlossen. Eine zeitliche Begrenzung von vornherein, um ausreichende Erfahrungswerte hinsichtlich der Verträglichkeit und des Erfolgs des Medikaments abzuwarten, ist nicht zulässig.
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen. Auf die Anschlussberufung des Klägers wird die Beklagte verurteilt, beim Kläger die Kosten für Viagra-Tabletten 100 mg entsprechend vertragsärztlicher Verordnung bis zu vier Tabletten im Monat zu übernehmen.

Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte den Kläger aufgrund ärztlicher Verordnung mit dem Medikament "Viagra 100" zu versorgen hat.

Der 1963 geborene ledige Kläger ist bei der Beklagten pflichtversichert. Er leidet an einer erektilen Dysfunktion ohne Hinweis auf eine hormonelle Ursache. Diese wurde schon im Oktober 1986 festgestellt. In der Urologischen Abteilung des Bundeswehrkrankenhauses U. wurde eine dorsale Penisvenenligatur durchgeführt. Vom 11. Mai bis 10. Juni 1992 wurde der Kläger in der Urologischen Klinik des Klinikums der Stadt M. wiederum wegen der obengenannten Diagnose stationär behandelt. Am 14. Mai 1992 wurde eine Revaskularisationsoperation nach Hauri durchgeführt und eine Sekundärnaht mit Circumcision am 01. Juni 1992 angelegt. Diese chirurgischen und die konservativen urologischen Therapieversuche, u.a. SKAT-Injektionen, hatten keinen Erfolg. Verschiedene Medikationen waren ebensowenig erfolgreich. Ein Therapieversuch mit Viagra 100 mg zeigte beim Kläger einen positiven Effekt. Hierauf beantragte der Kläger unter Vorlage einer befürwortenden Stellungnahme des Arztes für Allgemeinmedizin S. vom 19. März 1999 am 25. März 1999 bei der Beklagten die Kostenübernahme für die Verordnung von Viagra 100 mg. Die körperliche und seelische Beeinträchtigung des Klägers durch die Erkrankung gehe über eine reine Befindlichkeitsstörung weit hinaus, eine dauerhafte Beziehungsaufnahme oder eine Familiengründung sei ihm bisher verwehrt. Die Erkrankung führe zu einer relativen Isolierung, da die dauerhafte Kontaktaufnahme zum anderen Geschlecht sehr stark angstbesetzt sei und dadurch immer wieder scheitere. Das Abgleiten in eine reaktive Depression habe eine psychotherapeutische Behandlung notwendig gemacht. Der Kläger legte hierzu den Befundbericht des Urologen Dr. U., den Befundbericht der Urologischen Klinik M. und den Befundbericht des Bundeswehrkrankenhauses U. vor. Mit Bescheid vom 25. März 1999 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen (BA) habe festgestellt, dass die Behandlung zu Lasten der Krankenversicherung mit Viagra nicht möglich sei, da eine wirtschaftliche Versorgung anderweitig sichergestellt sei. Hiergegen erhob der Kläger am 07. Oktober 1999 Widerspruch, den der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss mit Bescheid vom 29. August 2001 zurückwies.

Schon am 18. November 1999 hatte der Kläger beim Sozialgericht (SG) Mannheim Klage mit dem Antrag erhoben, ihm alle Kosten zu erstatten, die zukünftig durch die Verordnung des Medikaments Viagra an ihn entstehen, solange er behandlungsbedürftig sei. Er legte hierzu weiter den Befundbericht des Arztes für Urologie Dr. U. vom 29. Januar 1999 vor.

Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage ihrer Verwaltungsakten und unter Hinweis auf eine Pressemitteilung des BA zum Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) B 8 KN 9/98 KR vom 30. September 1999 entgegen.

Das SG zog das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen vom 23. Februar 2000 (L 4 KR 130/98) bezüglich einer künstlichen Befruchtung sowie das Urteil des SG Hannover vom 16. November 1999 (S 2 KR 485/99) bei und gab der Klage mit Urteil vom 21. August 2000, das gegen Empfangsbekenntnis der Beklagten am 28. August 2000, dem Bevollmächtigten des Klägers am 24. August 2000 zugestellt wurde, unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 25. März 1999 insoweit statt, als es die Beklagte verurteilte, den Kläger mit dem Medikament Viagra 100, und zwar mit monatlich einer Viererpackung bis 31. Dezember 2003, zu versorgen. Das SG hat zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, die Klage sei als Untätigkeitsklage nach § 88 Abs. 1 SGG zulässig. Sie sei auch begründet. Der Kläger leide mit der erektilen Dysfunktion an einer behandlungsbedürftigen Krankheit. Die Behandlung mit dem Medikament Viagra 100 entspreche auch den Erfordernissen des Wirtschaftlichkeitsgebotes des § 12 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V), nachdem die vom Kläger geltend gemachte und zuerkannte Leistung mit einer Viererpackung Viagra 100 pro Monat einschließlich Mehrwertsteuer DM 107,60 koste (12er Packung für drei Monate DM 312,50). Die Versorgung mit Viagra 100 sei nicht durch § 27 Abs. 1 Satz 4 SGB V ausgeschlossen, wonach Mittel, die ausschließlich der Anreizung und Steigerung der sexuellen Potenz dienten, nicht verordnet werden dürften. Bei dem beim Kläger gegebenen Krankheitsbild diene das Medikament nicht der Anreizung und Steigerung der sexuellen Potenz. Im übrigen sei die Verordnung des Medikamentes Viagra 100 nicht durch den Beschluss des BA vom 03. August 1998 ausgeschlossen, wie sich aus dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30. September 1999 (B 8 KN 9/98 KR R) ergebe. Die zeitliche Begrenzung der rechtlichen Verpflichtung der Beklagten rechtfertige sich daraus, dass zum 31. Dezember 2003 ausreichende Erfahrungswerte hinsichtlich der Verträglichkeit und des Erfolges des Medikamentes vorhanden sein müssten.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit der am 04. September 2000 beim (LSG) schriftlich eingegangenen Berufung und verweist zur Begründung darauf, dass eine Widerspruchsentscheidung noch nicht ergangen sei. Der vom BA am 03. August 1998 in Ziff. 17.1.f der Arzneimittelrichtlinien (AMRL) mit Wirkung ab 30. September 1998 beschlossene Ausschluss der Mittel zur Behandlung der erektilen Dysfunktion von der kassenärztlichen Verordnung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sei für sie bindend. Das Medikament Viagra 100 sei als neue therapeutische Leistung im Sinne von § 135 SGB V durch die Entscheidung des BA von der Leistungspflicht der Krankenkassen ausgeschlossen. Diese in § 135 Abs. 1 SGB V ausdrücklich ausgesprochene Rechtswirkung gelte auch für die übrigen Richtlinien im Sinne des § 92 Abs. 1 SGB V.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 21. August 2000 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er beantragt weiter im Wege der am 09. November 2000 eingegangenen Anschlussberufung,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 21. August 2000 insoweit aufzuheben, als die Beklagte lediglich verpflichtet wurde, ihn mit dem Medikament Viagra 100 bis zum 31. Dezember 2003 zu versorgen, und die Beklagte zu verpflichten, ihn solange monatlich mit einer Viererpackung des Medikaments "Viagra 100" zu versorgen, wie dieses medizinisch nach Feststellung des Arztes erforderlich ist, hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des LSG Baden-Württemberg neu zu bescheiden.

Der Kläger hält das Urteil des SG bis auf die zeitliche Begrenzung der Versorgung für richtig. Im Bereich der privaten Krankenversicherung sei Viagra nicht als Stärkungsmittel, sondern als spezifisches Medikament zur Behandlung der erektilen Dysfunktion eingestuft worden. Da gemäß § 76 Abs. 4 SGB V auch gegenüber Kassenpatienten eine Behandlung nach den Vorschriften des Bürgerlichen Vertragsrechts geschuldet werde und auch nach den AMRL vom 31. August 1993 Arzneimittelverordnungen den medizinischen Fortschritt berücksichtigen müssten (§ 2 SGB V i.V.m. A Nr. 3 AMRL), sei sein Anspruch auf die beantragte Versorgung mit dem Medikament Viagra 100 begründet. Nach D Nr. 12 AMRL sei für die Verordnung von Arzneimitteln der therapeutische Nutzen wichtiger als die Kosten.

Die Beklagte beantragt ergänzend,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Der Berichterstatter hat den Sachverhalt mit den Beteiligten am 17. November 2000 erörtert. Nach der Rücknahme der Revision im Verfahren B 1 KR 19/00 R beim BSG hat der Kläger um baldige Entscheidung im vorliegenden Berufungsverfahren gebeten.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten sowie die als unselbständig zu bewertende Anschlussberufung des Klägers, über die der Senat nach Zustimmung der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, sind statthaft und zulässig. Begründet ist jedoch nur die Berufung des Klägers.

Der Bescheid der Beklagten vom 25. März 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. August 2001, mit dem sie die Kostenübernahme für die Verordnung von Viagra 100 mg abgelehnt hat, verletzt den Kläger in seinen Rechten. Das SG hat dies dem Grunde nach zu Recht so entschieden. Die Berufung der Beklagten gegen dieses Urteil ist unbegründet.

Soweit die Berufung der Beklagten unbegründet ist, verweist der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG zunächst auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des SG. Ergänzend ist hierzu im Hinblick auf deren Kürze und das Vorbringen der Beteiligten im Berufungsverfahren auszuführen, dass die beim Kläger bestehende arterielle Durchblutungsstörung des Penisschwellkörpers eine Krankheit im Sinne der GKV darstellt (vgl. BSG Urteil vom 30. September 1999, SozR 3-2500 § 27 Nr. 11). Das Vorliegen dieser Krankheit ist beim Kläger durch die verschiedenen ärztlichen Stellungnahmen und die mit Befundberichten belegte Krankheitsgeschichte nachgewiesen. Zu Recht ist das SG davon ausgegangen, dass die beim Kläger bestehende Krankheit behandlungsbedürftig ist. Das Medikament Viagra 100 mg konnte somit zur Behandlung dieser Krankheit verordnet werden.

Zutreffend hat das SG dargelegt, dass der Anspruch des Klägers auf Übernahme der Kosten für Viagra-Tabletten sich aus § 27 Abs. 1 Satz 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V ergibt. Danach haben Versicherte wie der Kläger Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst, worum es hier geht, die Versorgung mit Arzneimitteln. Hierbei ist ferner die Grundnorm des § 12 Abs. 1 SGB V, worauf das SG zutreffend hingewiesen hat, zu beachten. Nach dessen Abs. 1 gilt: Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken. Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 4 SGB V gehören zur Krankenbehandlung auch Leistungen zur Herstellung der Zeugungs- oder Empfängnisfähigkeit, wenn diese Fähigkeit nicht vorhanden war oder durch Krankheit oder wegen einer durch Krankheit erforderlichen Sterilisation verlorengegangen ist. Dieser Vorschrift kann nicht entnommen werden, dass die Verordnung von Viagra 100 mg als Leistung der GKV ausgeschlossen ist. Dies ergibt sich schon aus der Bestätigung des den Kläger behandelnden Arztes S. vom 19. März 1999, wonach der Kläger zu einer Erektion nicht fähig ist. Wie ausgeführt, ist die erektile Dysfunktion beim Kläger auch behandlungsbedürftig (vgl. BSG a.a.O. Bl. 41), und zwar mittels Viagra, nachdem andere Behandlungsversuche keinen Erfolg zeitigten.

Der Viagra-Medikation beim Kläger stehen auch sonstige gesetzliche Vorschriften nicht entgegen. Insbesondere ergibt sich der Ausschluss nicht aus § 34 SGB V (vgl. BSG, a.a.O., Bl. 43). Viagra zur Behandlung einer erektilen Dysfunktion im Sinne der Linderung der Krankheitsäußerung (Beschwerden) gehört nicht zu den in § 34 Abs. 1 SGB V genannten Bagatellarzneimitteln, für die die Versorgung gemäß § 31 SGB V bereits von Gesetzeswegen ausgeschlossen ist. Eine Verordnung (VO) nach § 34 Abs. 2 SGB V (erweiterte Bagatellarzneimittelliste) ist bisher nicht ergangen. Auch ist § 34 Abs. 2 SGB V bisher nicht durch eine auf der Grundlage des § 33 a SGB V (in der Fassung des Gesetzes vom 22. Dezember 1999, BGBl. I S. 2626) erlassene Rechtsverordnung außer Kraft gesetzt worden. Die auf der Ermächtigungsgrundlage des § 34 Abs. 3 SGB V erlassene Verordnung über unwirtschaftliche Arzneimittel in der GKV vom 21. Februar 1990, BGBl. I S. 301, zuletzt geändert durch die Verordnung vom 16. November 2000, BGBl. I S. 1593, enthält ebenfalls keinen Ausschluss von Viagra.

Schließlich hat das SG zutreffend entschieden, dass dem Anspruch des Klägers auf Kostenübernahme von Viagra auch nicht die Regelung der Nr. 17.1 Buchstabe f der auf der Grundlage des § 92 Abs. 1 Nr. 6 SGB V beschlossenen AMRL in der ab 30. September 1998 geltenden Fassung des Beschlusses des BA vom 03. August 1998, zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 03. Juli 2000 (Bundesanzeiger Nr. 179 S. 18864), entgegensteht. Der BA hat Viagra durch den Beschluss vom 03. August 1998 zu Nr. 17.1f der AMRL "Mittel zur Behandlung der erektilen Dysfunktion und Mittel, die der Anreizung und Steigerung der sexuellen Potenz dienen" den Verordnungsverboten im vertragsärztlichen System unterstellt (Bundesanzeiger vom 29. September 1998 Nr. 182 S. 14491). Der BA war nicht berechtigt, unterschiedslos und ohne Differenzierung jegliche notwendige Behandlung einer erektilen Dysfunktion mit Arzneimitteln, also auch mittels Viagra, auszuschließen. Die Rechtfertigung für die weitgehende Beschlussregelung in den AMRL lässt sich nicht daraus herleiten, dass sich der BA möglicherweise nicht in der Lage gesehen hat, eine differenzierte Lösung des von ihm bei der Viagra-Medikation in den Vordergrund gerückten Problems der Wirtschaftlichkeit ärztlicher Verordnung zu finden. Auch das BSG hat unter eingehender Würdigung der Materialien zum Beschluss des BA vom 03. August 1998 entschieden, dass dem BA die von ihm beanspruchte Kompetenz für den Ausschluss der Behandlung einer erektilen Dysfunktion mittels Arzneimitteln gefehlt hat. Es obliegt nämlich danach derzeit nur dem Gesetzgeber zu entscheiden, ob er die Behandlung von Gesundheitsstörungen, die nach der herkömmlichen Begriffsbestimmung als "Krankheit" im Sinne des § 27 Abs. 1 SGB V zu verstehen sind, auf Kosten der solidarisch haftenden Versichertengemeinschaft deshalb untersagen will, weil die Wirtschaftlichkeit der Verordnung nicht überprüfbar ist. Damit hätte es auch bezüglich Viagra dem Gesetzgeber oblegen, die finanziellen Auswirkungen der Verordnung von Viagra bei Vorliegen einer erektilen Dysfunktion als Sachleistung, ins Blickfeld zu nehmen.

Der Senat vermag auch nicht den Ausschluss von Viagra als Sachleistung der GKV daraus herzuleiten, dass der Text des § 31 Abs. 1 SGB V durch das Gesetz vom 22. Dezember 1999 (BGBl. I S. 2626) geändert worden ist. § 31 Abs. 1 SGB V in der bis zur Neufassung durch das Gesetz vom 22. Dezember 1999 maßgebenden Fassung lautete: "Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht durch § 34 SGB V ausgeschlossen sind, und auf Versorgung mit Verbandsmitteln, Harn- und Blutteststreifen." Durch das Gesetz vom 22. Dezember 1999 erhielt Abs. 1 der genannten Vorschrift folgende Fassung: "Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel in der vertragsärztlichen Versorgung verordnungsfähig sind, und auf Versorgung mit Verbandsmitteln, Harn- und Blutteststreifen." Der BA hat in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V festzulegen, in welchen medizinisch notwendigen Fällen Aminosäuremischungen, Eiweißhydrolysate, Elementardiäten und Sondennahrung ausnahmsweise in die Versorgung mit Arzneimitteln einbezogen werden". Damit soll klargestellt werden, dass nach Inkrafttreten der Rechtsverordnung nach § 33 a SGB V grundsätzlich nur noch die in dieser Rechtsverordnung enthaltenen Arzneimitteln zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden dürfen (vgl. BT-Drucksache 14/1245 S. 34b zu Nr. 17 [§ 31]). Aus dieser Gesetzesänderung vermag der Senat, abgesehen davon, dass die für das Inkrafttreten des § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V n.F. maßgebende Verkündung der Rechtsverordnung zu § 33a Abs. 1 SGB V bisher noch nicht erfolgt ist, nicht die Klarstellung zu entnehmen, dass nunmehr der BA die Kompetenz hat, die Behandlung einer erektilen Dysfunktion mit Viagra als Sachleistung auf Kosten der Versichertengemeinschaft deshalb generell zu untersagen, weil die Wirtschaftlichkeit der Verordnung nicht zu überprüfen sei. Der Kläger hat somit einen Anspruch auf Übernahme der Kosten der von seinem Hausarzt verordneten Viagra-Tabletten.

Die zulässige Anschlussberufung des Klägers erweist sich als begründet, da die zeitliche Begrenzung in der Verordnungsfähigkeit von Viagra zugunsten des Klägers mit vier Tabletten im Monat nicht haltbar ist. Auch wenn dies im Tenor des SG-Urteils keinen weiteren Ausdruck gefunden hat, ist der Kläger durch die Befristung in der Verurteilung beschwert. Ausgehend von der beim Kläger gegebenen Diagnose einer erektilen Dysfunktion kann die rechtliche Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger dieses Medikament zur Verfügung zu stellen, nicht bis Ende des Jahres 2003 zeitlich begrenzt werden, weil zu diesem Zeitpunkt damit gerechnet werden könne, dass ausreichende Erfahrungswerte hinsichtlich der Verträglichkeit und des Erfolgs des Medikamentes vorhanden sind, um eine Entscheidung für die danach liegende Zeit zu treffen. Der Kläger hat zu Recht darauf verwiesen, dass vertragsärztliche Arzneimittelverordnungen immer den medizinischen Fortschritt berücksichtigen müssen (§ 2 SGB V i.V.m. A Nr. 3 AMRL). Nach A Nr. 3 der AMRL haben Versicherte grundsätzlich einen Anspruch auf die Versorgung mit allen nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) verkehrsfähigen Arzneimitteln, sofern sie nicht aus der Leistungspflicht der GKV ausgeschlossen sind oder soweit sie nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot, wie es in den Richtlinien konkretisiert ist, nur eingeschränkt verordnet werden dürfen (§§ 2, 12, 28, 31, 34, 35, 70, 73, 92, 92a, 93 und 106 SGB V). Der Anspruch umfasst die Versorgung nach den Regeln der ärztlichen Kunst auf der Grundlage des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse im Umfange einer ausreichenden zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung (Wirtschaftlichkeitsgebot). Die Arzneimittelverordnungen müssen dem Erfordernis der Wirksamkeit und Qualität entsprechen und den medizinischen Fortschritt berücksichtigen (§ 2 SGB V).

Hieraus ergibt sich, dass die Dauer der Verordnung der Beurteilung des vom Kläger konsultierten Vertragsarztes zu überlassen ist. Dies ergibt sich auch aus dem Abschnitt D der AMRL (Allgemeine Verordnungsmöglichkeiten auf der Grundlage von § 2 Abs. 1 Satz 3, §§ 12, 70 SGB V), wonach (Nr. 12) für die Verordnung von Arzneimitteln der therapeutische Nutzen gewichtiger ist als die Kosten. Dabei ist auch für die Erzielung des Heilerfolges maßgebliche Zeit zu berücksichtigen.

Insoweit muss die Dauer und die Verordnungsmenge von der Entwicklung der Partnerschaftsbeziehungen des Klägers abhängig gemacht werden und kann nicht in ein starres Schema gefügt werden.

Somit erweist sich die Berufung der Beklagten als unbegründet, die Anschlussberufung des Klägers als begründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 160 Abs. 1 Nr. 2 SGG zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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