S 12 KA 360/18

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 360/18
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze
Für Streitigkeiten um den Vergütungsanspruch eines ermächtigten Krankenhausarztes gegen den Krankenhausträger nach § 120 Abs. 1 Satz 3 SGB V ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten (Kammern für Vertragsarztrecht) eröffnet (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG).
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Beklagte hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf 61.933,52 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten stritten ursprünglich um das Honorar aus der Tätigkeit als ermächtigter Arzt für die Quartale III u. IV/16 in Höhe von 61.933,52 EUR. Nach Abgabe eines Anerkenntnisses der Beklagten bzgl. der Hauptforderung und Annahme durch den Kläger streiten die Beteiligten noch über die Nebenforderungen und die Verfahrenskosten.

Der Kläger ist Facharzt für Innere Medizin. Er war seit 01.04.1987 bis zu seinem Ausscheiden zum Jahresende 2012 als leitender Arzt, zuletzt als Chefarzt am CX. Krankenhaus in C-Stadt, dessen Trägerin die Beklagte ist, tätig. Anschließend war er am Krankenhaus als leitender Arzt der Palliativmedizin und kurzfristig wiederum als Chefarzt bis Ende 2016 beschäftigt.

Der Zulassungsausschuss für Ärzte bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen ermächtigte ihn u. a. auch für den strittigen Zeitraum. Die Beteiligten hatten vereinbart, dass der Kläger für seine Tätigkeit im Rahmen der Ermächtigung von den ihm daraus zustehenden Honoraren einen Anteil von 3 % als Nutzungsentgelt an die Klinik abzuführen hat.

Die Kassenärztliche Vereinigung Hessen setzte mit Honorarbescheid vom 03.01.2017 das Honorar aus der ermächtigten Tätigkeit des Klägers für das Quartal III/16 auf 31.176,94 EUR und mit Honorarbescheid vom 05.04.2017 für das Quartal IV/16 auf 26.531,68 EUR nach Abzug von Verwaltungskosten fest.

Der Kläger hat am 23.11.2018 die Klage erhoben. Er trägt vor, erstmals in einem Schreiben von März 2017 habe die Beklagte sich für die letzten beiden Quartale seiner Tätigkeit im Krankenhaus, nämlich die beiden streitbefangenen Quartale, geweigert, die entsprechenden Zahlungen zu leisten und das für ihn zur Weiterleitung an ihn von der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen gezahlte Honorar auszukehren, obwohl er seinerzeit bereits im Vorgriff auf die von ihm auszugleichenden Nutzungsentgelte zum Jahresende 2016 einen Betrag in Höhe von 25.000,00 EUR an die Beklagte überwiesen habe. Die Beklagte habe sich angeblicher Gegenforderungen berühmt, mit der sie glaube, gegenüber seinen Honorarforderungen aufrechnen zu dürfen und zu können. Die Beklagte behaupte, sie habe einen Anspruch auf Schadensersatz, weil er in seiner Zeit als angestellter Arzt auch Behandlungen und deren Abrechnung veranlasst habe, die von Seiten der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen im Nachhinein beanstandet worden seien. Die Beklagte beruft sich hier auf zwei Bescheide der KVH, mit welchen diese nach Durchführung einer repräsentativen Einzelfallprüfung mit anschließender Hochrechnung - eine Überzahlung von Honorar im Gesamtbetrag von etwa 64.000,00 EUR geltend mache. Eine Aufrechnungslage bestehe nicht. Äußerstenfalls handle es sich um eine Schadensersatzforderung im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses. Die strittigen Abrechnungen hätten auch nicht seiner Verantwortung unterlegen. Trotz seiner Empfehlung habe die Beklagte keinen Widerspruch eingelegt, jedenfalls sei ihm bislang nichts bekannt geworden. Bei seinem Anspruch aus § 120 SGB V handele es sich auch um eine vertragsarztrechtliche Streitigkeit, die in die Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit falle. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bestünde ein Anspruch auf Prozesszinsen. Im Einzelnen wird auf die Schriftsätze des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 23.11.2018, 12.02.2019, 14.03.2019, 25.04.2019, 29.07.2019 und 01.10.2019 verwiesen

Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn das Honorar aus seiner Tätigkeit als ermächtigter Arzt für die Quartale llI und IV/16 in Höhe von insgesamt 61.933,52 EUR auszuzahlen und den Betrag in Höhe von 19.914,74 EUR ab dem 01.06.2017 und den Betrag in Höhe von 42.018,78 EUR ab Rechtshängigkeit mit 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu verzinsen.

Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie hält die Klage für unzulässig, da der Kläger Ansprüche auf Zahlung aus einem Dienstverhältnis begehre. Die Zahlung sei im Wege des Dienstvertrages auszugleichen. Örtlich zuständig sei das Sozialgericht, in dessen Bezirk der Kläger seinen Wohnsitz habe. Aufgrund eines Regressanspruchs habe die Kassenärztliche Vereinigung Hessen mit Honorarforderungen bereits aufgerechnet. Es sei Sache des Klägers gewesen, hiergegen vorzugehen. Im Einzelnen wird auf die Schriftsätze der Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 10.01.2019, 04.04.2019, 17.05.2019, 20.08.2019 und 11.09.2019 verwiesen

Die Beklagte hat mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 17.05.2019 die Klageforderung der Höhe nach anerkannt - da sich der Regressbescheid der KVH gegen sie richte -, nicht aber einen Zinsanspruch. Auch behalte sie sich vor, ihren Regressanspruch zivilrechtlich gegen den Kläger geltend zu machen.

Der Kläger hat mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 01.10.2019 das Anerkenntnis angenommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid nach § 105 SGG entscheiden. Die Sache hat keine Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art, und der Sachverhalt ist geklärt. Die Kammer hat die Beteiligten hierzu mit Verfügung vom 08.11.2019 angehört. Ein Einverständnis der Beteiligten hierzu wird vom Gesetz nicht verlangt.

Die Klage ist zulässig, denn sie sind insb. form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden.

Streitgegenstand der Klage sind nach Annahme des Anerkenntnisses nur noch die Nebenforderungen und die Verfahrenskosten. Das angenommene Anerkenntnis des geltend gemachten Anspruchs erledigt insoweit den Rechtsstreit in der Hauptsache (§ 101 Abs. 2 SGG).

Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten und den Kammern für Angelegenheiten der Vertragsärzte ist eröffnet.

Für eine vertragsarztrechtliche und damit sozialrechtliche Streitigkeit ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG ("gesetzliche Krankenversicherung")).

Streitig war in der Hauptsache ein Vergütungsanspruch des Klägers aufgrund der Tätigkeit als nach § 116 SGB V ermächtigter Arzt gegen die Beklagte. Als Anspruchsgrundlage kommt § 120 Abs. 1 Satz 3 SGB V in Betracht.

Die im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen Leistungen der ermächtigten Krankenhausärzte werden nach den für Vertragsärzte geltenden Grundsätzen aus der vertragsärztlichen Gesamtvergütung vergütet. Die mit diesen Leistungen verbundenen allgemeinen Praxiskosten, die durch die Anwendung von ärztlichen Geräten entstehenden Kosten sowie die sonstigen Sachkosten sind mit den Gebühren abgegolten, soweit in den einheitlichen Bewertungsmaßstäben nichts Abweichendes bestimmt ist. Die den ermächtigten Krankenhausärzten zustehende Vergütung wird für diese vom Krankenhausträger mit der Kassenärztlichen Vereinigung abgerechnet und nach Abzug der anteiligen Verwaltungskosten sowie der dem Krankenhaus nach Satz 2 entstehenden Kosten an die berechtigten Krankenhausärzte weitergeleitet (§ 120 Abs. 1 Satz 1 bis 3 SGB V).

Die mit dem Gesundheitsreformgesetz 1989 eingeführte Vorschrift will nach der Entwurfsbegründung mit dem in Satz 3 gewählten Abrechnungsverfahren die Abrechnung erleichtern, die Ärzte des Krankenhauses von dem mit der Abrechnung verbundenen Verwaltungsaufwand befreien und eine ordnungsgemäße Kostenerstattung erleichtern. Der Vergütungsanspruch geht nicht auf den Krankenhausträger über. Dieser gilt lediglich als ermächtigt, die Leistungen gegenüber der KV abzurechnen und die den Krankenhausärzten zustehende Vergütung in Empfang zu nehmen (vgl. BT-Drs. 11/2237, S. 203 (zu § 129 Absatz 1)).

Aus § 120 Abs. 1 Satz 3 SGB V folgt, dass es sich um einen eigenen Vergütungsanspruch des behandelnden Arztes gegen die Kassenärztliche Vereinigung und nicht um einen Anspruch des Krankenhausträgers handelt (vgl. BSG, Urt. v. 27.11.2014 - B 3 KR 12/13 R - SozR 4-2500 § 129a Nr. 1, juris Rdnr. Nr. 21). Der Anspruch bleibt trotz der gesetzlichen Einziehungsbefugnis des Krankenhausträgers materiell zumindest auch dem Krankenhausarzt zugeordnet; dieser hat ihn erforderlichenfalls gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung und den Prüfgremien zu vertreten (vgl. BSG, Urt. v. 10.12.2008 - B 6 KA 66/07 R - KRS 08.105, juris Rdnr. 13). Die Vorschrift normiert damit eine gesetzlich angeordnete Einzugsermächtigung bzw. ein sog. Inkassomandat, welches die Befugnis beinhaltet, ein fremdes Recht im eigenen Namen geltend zu machen. Grundsätzlich wird eine Einziehungsermächtigung wirksam, wenn sie mit Einwilligung oder Genehmigung des Berechtigten erfolgt (vgl. hierzu § 185 BGB). Die entsprechende Einwilligung/Genehmigung wird vorliegend kraft Gesetzes angeordnet (so Köhler-Hohmann in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 120 SGB V, Rn. 29).

Das Gesetz gestaltet damit auch das besondere Abrechnungsverfahren als Teil des Sozialrechts und damit des öffentlichen Rechts aus. Entsprechend ist eine Abmachung zwischen einem ermächtigten Krankenhausarzt und seinem Krankenhausträger, die inhaltlich die Abrechnungs- und Zahlungsweise des § 120 Abs. 1 Satz 3 SGB V betrifft und sie in spezifischem (abweichendem) Sinn regelt, ihrer Rechtsnatur nach ein öffentlich-rechtlicher Vertrag i. S. des § 53 Abs. 1 SGB X, durch den ein Rechtsverhältnis auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts begründet, verändert oder aufgehoben wird (vgl. BSG, Urt. v. 28.10.1992 - 6 RKa 19/91 - SozR 3-2500 § 120 Nr. 3, juris Rdnr. 17; Köhler-Hohmann in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 120 SGB V, Rn. 34), wenn auch der Rechtsgrund für die Geltendmachung der Kosten des Krankenhauses gegenüber dem Arzt beamten-/arbeitsvertraglichen Regelungen im Innenverhältnis zwischen Arzt und Krankenhausträger sind (vgl. Köhler-Hohmann, a.a.O. Rn. 40).

Nach Annahme des Anerkenntnisses war von der Kammer nur noch über die Nebenforderungen zu entscheiden.

Insoweit war die Klage unbegründet und abzuweisen. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, den Betrag in Höhe von 19.914,74 EUR ab dem 01.06.2017 und den Betrag in Höhe von 42.018,78 EUR ab Rechtshängigkeit mit 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu verzinsen.

Nach der der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, von der abzuweichen die Kammer hier keine Veranlassung sieht, ist geklärt, dass Vertragsärzten für Ansprüche gegen ihre Kassenärztlichen Vereinigungen weder Verzugszinsen noch Prozesszinsen zustehen Anderes gilt (nur) für Ansprüche der Kassenärztlichen Vereinigungen gegen Krankenkassen auf Zahlung von Gesamtvergütungen, hier allerdings auch nur für Prozesszinsen, also für Zinsen, die (erst) ab Klageerhebung zu zahlen sind (vgl. BSG, Beschl. v. 27.06.2012 - B 6 KA 65/11 B - juris = BeckRS 2012, 71761 m.w.N.; SG Düsseldorf, Urt. v. 02.10.2013 - S 2 KA 674/12 - juris Rdnr. 15 ff.).

Von daher war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

Abzustellen ist auf die Hauptforderung. Diese hat die Beklagte anerkannt. Damit hat der Kläger obsiegt. Die Beklagte hat das Anerkenntnis auch erst nach entsprechenden Hinweisen des Gerichts abgegeben. Die Voraussetzungen nach § 156 VwGO liegen nicht vor. Die Kostenentscheidung bzgl. der Nebenfolgen (Zinsansprüche) folgt der Hauptsache.

Die Streitwertentscheidung ergeht als Beschluss.

In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach den sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der Sach- und Streitwert für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, so ist ein Streitwert von 5.000,00 EUR anzunehmen (§ 52 Abs. 1 und 2 GKG).

Der Streitwert folgt aus der ursprünglichen Klageforderung.
Rechtskraft
Aus
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