S 2 KA 97/02

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Münster (NRW)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 2 KA 97/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 52/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid vom 19.11.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.07.2002 wird aufgehoben. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert wird auf 35.648,56 Euro festgestellt.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte berechtigt ist, Honorar für das Jahr 1997 in Höhe von 35.648,56 Euro zurückzufordern. Im Jahre 1997 gewährte die Beklagte allen Zahnärzten, die mindestens vom 01.01.1997 bis 30.06.1997 zugelassen waren, eine degressionsfreie Punktmenge von 350.000 Punkten gemäß § 85 Abs. 4b SGB V in der bis zum 30.06.1997 maßgeblichen Fassung. Demgegenüber vertraten die Krankenkassen die Auffassung, dass für das Jahr 1997 lediglich von einer degressionsfreien Punktmenge von 175.000 Punkten auszugehen sei und die darüber hinausgehenden Punkte der Degression unterlägen, sodass die Beklagte die Degressionsbeträge neu zu berechnen habe. Die Krankenkassen rechneten in der Folgezeit gegen den Anspruch der Beklagten auf Zahlung der Gesamtvergütung für spätere Zeiträume mit dem geltend gemachten Erstattungsanspruch aus der Neuberechnung der Degressions¬beträge für das Jahr 1997 auf. Die Vierteljahresabrechnungen für die Quartale I und II 1997 wurden im Juli 1997 und Oktober 1997 erteilt. Sie enthielten folgenden Vorbehalt: "Diese Vierteljahresabrechnung erfolgt gemäß § 3 des gültigen Honorarvertei¬lungsmaßstabs der KZV Westfalen-Lippe unter den dort genannten Vorbehalten. Alle Zahlungen der KZV Westfalen-Lippe gelten gemäß § 4 Abs. 1 des HVM als Vorschüsse auf den endgültigen Vergütungsanspruch, bis die Bescheide rechts¬beständig und die Vorbehalte gemäß § 3 HVM erledigt sind." § 3 des für das Jahr 1996 maßgeblichen HVM lautete wie folgt: "Die Abrechnungen der KZV Westfalen-Lippe ergehen unter folgenden Vorbehalten: 1. Spätere sachliche, rechnerische und gebührenordnungsmäßige Richtigstellung, 2. Wirtschaftlichkeitsprüfung einschließlich etwaiger Schadensfeststellung, 3. Berichtigung wegen Überschreitung gesetzlicher Punktmengengrenzen (§ 85 Abs. 4 b SGB V - Degression),sonstige Vorbehalte, die in die Abrechnung aufgrund gesetzlicher Bestimmungen aufgenommen werden müssen."

Mit Bescheid vom 19.11.2001 forderte die Beklagte Honorar in Höhe von 35.648,56 Euro zurück. In diesem Bescheid heißt es u.a.: "Da die Krankenkassen die KZVWL mit entsprechenden Einbehalten belasten, muss die KZVWL Ihnen bis Ende des Jahres einen Degressionskürzungsbescheid übersenden. Die vierjährige Ausschlussfrist für Honorarrückforderungen gegenüber dem einzelnen Zahnarzt läuft mit Ende des Jahres 2001 ab. Danach können Degressionskürzungen betreffend das Jahr 1997 gegenüber dem einzelnen Zahn¬arzt nicht mehr geltend gemacht werden und müssten von der Allgemeinheit der Zahnärzte finanziert werden. Eine solche Vorgehensweise wäre nicht korrekt. Deshalb sieht sich der Vorstand gezwungen, Degressionsbescheide zu erstellen, die eine entsprechende degressionsfreie Punktmenge, bezogen auf den Zeitraum 01.01.1997 bis 30.06.1997, ausweisen." Den gegen den Bescheid vom 19.11.2001 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30.07.2002 als unbegründet zurück. Die Klägerin hat am 06.08.2002 Klage erhoben. Zur Begründung ihrer Klage trägt sie vor, für das Jahr 1997 sei von einer degressionsfreien Punktmenge von 350.000 Punkten auszugehen, sodass die Beklagte zu einer Honorarrückforderung nicht befugt sei. Selbst wenn eine geringere Punktmenge als maßgeblich anzusehen sei, sei eine Rückforderung des Honorars nicht möglich. Der in den Honorarbescheiden aufgenommene Vorbehalt sei nicht ausreichend. Im Übrigen stehe der Honorarrückforderung auch der Ablauf der maßgeblichen Ausschlussfrist von 4 Jahren entgegen. Die Beklagte habe Honorar für die Quartale I und 11/1997 zurückgefordert. Sachlich- rechnerische Richtigstellungen seien nur innerhalb einer Frist von 4 Jahren seit Ergehen der Quartalsabrechnung zulässig. Die Klägerin beantragt, den Bescheid vom 19.11.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.07.2002 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Zur Begründung ihres Antrags trägt sie vor, sie sei befugt, im Hinblick auf die Einbehaltungen der Gesamtvergütung durch die Krankenkassen Honorar für das Jahr 1997 zurückzufordern. Auf Vertrauensschutz könne sich die Klägerin nicht berufen. Der Rückforderungsbescheid sei auch innerhalb der maßgeblichen Ausschlussfrist von vier Jahren erteilt worden. Diese Frist ende am 31.12.2001. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die die Klägerin betreffende Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 26.04.2004 gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig und begründet. Die mit der Klage angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig. Die Beklagte ist nicht berechtigt, Honorar in der im Bescheid vom 19,11.2001 festgesetzten Höhe von der Klägerin zurückzufordern. Zwar obliegt es der Beklagten nach § 19 Buchst, a) BMVZ bzw. § 12 Abs. 1 EKV-Z, die vom Vertragszahnarzt eingereichten Honoraranforderungen rechne¬risch und gebührenordnungsmäßig zu prüfen und gegebenenfalls zu berichtigen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 15.11.1995, Az.: 6 RKa 57/94, und Urteil vom 12.12.2001, Az.: B 6 KA 2/01 R) gilt für sachlich- rechnerische Beanstandungen eine Ausschlussfrist von 4 Jahren seit Ergehen des Quartalsabrechnungsbescheids. Nach Auffassung der Kammer hat die Beklagte diese maßgebliche Frist bei der Erteilung des Bescheides über die Honorarberichtigung nicht eingehalten. Wie sich aus dem Bescheid vom 19.11.2001 eindeutig ergibt, hat die Beklagte nicht Honorar für das gesamte Jahr 1997, sondern lediglich für die Quartale I und 11/1997 zurückgefordert. Dies wird aus der im Tatbestand wiedergegebenen Formulierung auf Seite 2 des Bescheids vom 19.11.2001 deutlich. Nur für die Quartale I und 11/1997 galten außerdem die Regelungen über die Degression. Anders als in den Vorjahren war im Jahre 1997 die Erteilung eines Degressionsbescheids auf der Basis einer verminderten degressionsfreien Punktmenge nicht erst nach Ablauf des letzten Quartals des jeweiligen Jahres, sondern bereits nach dem Ablauf des Quartals 11/1997 möglich. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts beginnt der Lauf der vierjährigen Ausschlussfrist mit dem Ergehen des Quartalsabrechnungsbescheids (Bundessozialgericht, Urteil vom 12.12.2001, Az.: B 6 KA 2/01 R). Nach Auf¬fassung der Kammer ist daher für den Lauf der vierjährigen Ausschlussfrist auf die Erteilung der Quartalsabrechnungen für das Quartal 11/1997 abzustel¬len. Da diese Abrechnung im Oktober 1997 erteilt worden ist, hätte die Beklagte den Honorarberichtigungsbescheid spätestens bis zum Oktober 2001 erteilen müssen. Dies ist jedoch nicht erfolgt. Da die Beklagte lediglich Honorar für einzelne Quartale zurückgefordert hat und die Honorarabrechnung auf der Grundlage einer verminderten degressionsfreien Punktmenge bereits im Verlaufe des Jahres 1997 hätte vorgenommen werden können, ist für den Beginn des Laufs der vierjährigen Ausschlussfrist auf den Zeitpunkt der Erteilung der Abrechnungen für die Quartale I und 11/1997 abzustellen. Dagegen hält es die Kammer im Hinblick auf die eindeutige Formulierung im Urteil des Bundessozialgerichts vom 1 2.12.2001, Az.: B 6 KA 2/01 R nicht für zulässig, in entsprechender Anwendung des § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV den Fristbeginn für die vierjährige Ausschlussfrist auf den 01.01.1998 festzusetzen (so aber: Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 05.06.2002, Az.: L 11 KA 37/01). Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 1 54 VwGO. Da die Klage nach dem 02.01.2002 erhoben worden ist, werden Kosten nach den Vorschriften des GKG erhoben. Als unterliegende Partei hat die Beklagte dabei in entsprechender Anwendung des § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Rechtsstreits zu tra¬gen. Gemäß § 13 Abs. 1 GKG war der Streitwert auf 35.648,56 Euro festzusetzen, da die mit der Klage angefochtenen Bescheide in dieser Höhe eine Geldleistung regeln.
Rechtskraft
Aus
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