Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 17 KR 138/17
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KR 605/17
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Eine Kostenerstattung findet nicht statt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Kostenerstattung für Liposuktionen (Fettabsaugungen) zur Behandlung einer Lipödemerkrankung.
Die am 25.01.19xx geborene Klägerin ist gesetzlich krankenversichertes Mitglied der beklagten Krankenkasse. Mit Schreiben vom 26.06.2016, der Beklagten am selben Tag zugegangen, beantragte die Klägerin ausdrücklich die "Kostenübernahme für eine stationäre Liposuktion" wegen einer im Jahr 2014 erstmalig diagnostizierten Lipödemerkrankung (Fettverteilungsstörung) der Beine, des Gesäßes und der Hüften. Dem Antrag waren Bescheinigung der Capio Deutsche Klinik Hilden GmbH (nachfolgend: C-GmbH) vom 19.05.2016 und 08.06.2016 beigefügt, die bei der Klägerin (Körpergewicht 81 kg, 173 cm Körpergröße) ein Lipödem beider Beine im Stadium I-II attestierte und die Kostenübernahme für eine Liposuktionsbehandlung beidseits "im Bereich der Ober- und Unterschenkel" empfahl. Weiterhin reichte die Klägerin eine Fotodokumentation, die nicht in der Verwaltungsakte befindlich ist, sowie einen "unverbindlichen" Kostenvoranschlag der C-GmbH ein. Ausweislich des Kostenvoranschalgs sollte der geplante Eingriff ambulant durchgeführt werden. Demzufolge wurde Analog-Ziffern nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) und ein "Zuschlag bei ambulanter Durchführung" angesetzt. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Antragsunterlagen Bezug genommen.
Die Beklagte holte ein sozialmedizinisches Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Nordrhein vom 30.06.2016 ein. Hierrüber wurde die Klägerin zuvor mit Schreiben vom 28.06.2016 unterrichtet. Der MDK-Beratungsarzt Dr. M. H. befasste sich ausschließlich mit einer ambulanten Liposuktion, deren Voraussetzungen für eine Leistungsgewährung er verneinte. Bei der Lipödemerkrankung handele es sich um Erkrankung, die mit manueller Lymphdrainage, Kompressionstherapie, Rehabilitationsmaßnahmen etc. behandelt werden müsse. Die Fettabsaugung stelle eine neue Methode im Sinne von § 135 Sozialgesetzbuch, 5. Buch (SGB V) dar, die der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) noch nicht abschließend bewertet habe und zu der es noch keine kontrollierte Studien gebe, die eine Überlegenheit dieser Methode zu den herkömmlichen Therapien beweise. Auch ein Systemversagen könne nicht angenommen werden.
Gestützt hierauf lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11.07.2016 die Kostenübernahme für die "beantragte Behandlung" ab. Insoweit und hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Ablehnungsbescheid vom 11.07.2016 Bezug genommen.
Die Klägerin widersprach mit Schreiben vom 12.07.2016. Zur Begründung führte sie an, dass sie konservative Behandlungsmethoden bereits erfolglos durchgeführt habe, sodass von einem Systemversagen auszugehen sei, wie es von einzelnen Sozialgerichten auch zur Lipödemliposuktion anerkannt worden sei. Außerdem monierte die Klägerin, dass sie ausdrücklich eine stationäre Liposuktion beantragt habe, der MDK aber ausschließlich auf eine ambulante Liposuktion abgestellt habe.
Die Klägerin ließ in der Folgezeit an den Beinen (Ober- und Unterschenkel) Liposuktionsbehandlungen am 14.09.2016 und 09.11.2016 in der C-GmbH durchführen. Ausweislich der Behandlungsrechnungen wurden diese Liposuktionen im ambulanten Umfeld durchgeführt, weil Zuschläge für ambulantes Operieren abgerechnet wurden. Darüber hinaus wurden GOÄ-Analogziffern abgerechnet. Insofern wird auf die Behandlungsrechnungen Bezug genommen.
Die Beklagte holte aufgrund des laufenden Widerspruchs der Klägerin ein Widerspruchsgutachten des MDK Nordrhein vom 02.11.2016 ein. Der MDK-Beratungsarzt H. S. bestätigte darin das Erstgutachten des MDK vom 30.06.2016 und wiederholte und vertiefte die Begründung. Darüber hinaus führte er aus, warum auch eine Kostenübernahme für eine stationäre Liposuktionsbehandlung aus seiner Sicht nicht in Betracht komme.
Mit Bescheid vom 26.01.2017 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Eine Kostenübernahme für eine Liposuktionsbehandlung könne bei der Klägerin weder im ambulanten, noch im stationären Umfeld abgegeben werden. Auf den Widerspruchsbescheid wird insoweit Bezug genommen.
Hiergegen richtet sich die Klägerin mit ihrer Klage vom 08.02.2017. Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihre Ausführungen aus dem Widerspruchsverfahren. Ergänzend führt sie an, dass sie vor den durchgeführten Liposuktionsbehandlungen nach der Schulmedizin austherapiert gewesen sei, da erfolglos Kompressionsstrümpfe getragen worden seien und auch wöchentliche Lymphdrainagen bei einer befreundeten Physiotherapeutin keine Besserung herbeigeführt hätten. Die Beklagte verkenne zudem, dass bei der Klägerin eine stationäre Liposuktion erforderlich gewesen sei, da aufgrund der Resektionsmenge, einer vorbestehenden Mitralklappeninsuffizienz und eines ausgeprägten Schmerzsyndroms eine Liposuktion unter ambulanten Bedingungen nicht verantwortbar gewesen sei. Tatsächlich sei bei ihr auch eine stationäre Behandlung durchgeführt worden, denn sie sei im Krankenhaus der C-GmbH über mehrere Tage beobachtet worden. Die Kostenübernahme für eine stationäre Liposuktion könne die Beklagte aber jedenfalls nach Einführung des § 137c Abs. 2 SGB V nicht mehr ablehnen. Da die Beklagte sich im Rahmen ihrer Ablehnungsentscheidung nur mit der ambulanten Liposuktion befasst habe, seien zudem die Voraussetzungen einer Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a SGB V erfüllt.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 11.07.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2017, ihr die für die Liposuktion von Oberschenkeln, Unterschenkeln und Gesäß aufgewandten Kosten in Höhe von 9.255,37 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verteidigt ihre Bescheide und nimmt auf diese Bezug.
Auf Anordnung des Gerichts legte die Klägerin sämtliche Behandlungsberichte und Abrechnungen für die am 14.09.2016 und 09.11.2016 durchgeführten Liposuktionsbehandlungen vor. Auf diese Unterlagen wird Bezug genommen. Hervorzuheben ist lediglich, dass es in dem Bericht der C-GmbH vom 08.03.2017 heißt:
"Das geplante ambulante Setting war flankiert von möglichen postoperativen Übernachtungen zur stationären weiteren Überwachung.
Bei der Patientin stellte sich postoperativ ein ausgeprägtes Schmerzsyndrom ein, so dass eine ambulante Therapie unmöglich wurde.
Während des stationären postoperativen Aufenthaltes konnte durch die gezielte medikamentöse Intervention durch den anästhesiologischen Schmerztherapeuten und Ärzte der Klinik schließlich ein Zustand der ambulant zu führenden Schmerztherapie erreicht werden bis zum jeweiligen Entlassungstag."
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Beteiligtenvorbringens wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Die Akten waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig. Sie ist jedoch sachlich nicht begründet. Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide nicht beschwert im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), da sie rechtmäßig sind. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Erstattung der Kosten, die ihr durch die Operationen vom 14.09.2016 und 09.11.2016 nebst Begleitkosten entstanden sind. Da die Klägerin keine Kostenerstattung nach § 13 Abs. 2 SGB V gewählt hat, kommt eine Erstattung der Behandlungskosten nur nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V (hierzu nachfolgend unter 1.) oder § 13 Abs. 3 Satz 7 SGB V (hierzu nachfolgend unter 2.) in Betracht. Beides war hier indes abzulehnen.
1. Nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V gilt: "Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war."
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Dabei kann das Gericht offen lassen, ob die Klägerin überhaupt den notwendigen Beschaffungsweg eingehalten hat. Eine Prüfung dieses Tatbestandsmerkmals war nicht möglich, da die Klägerin entgegen der Aufforderung des Gerichts den Behandlungsvertrag mit der C-GmbH nicht vorgelegt hatte. Das Gericht versprach sich hieraus die Möglichkeit der Prüfung, ob die Klägerin bereits einen verbindlichen Behandlungsvertrag mit der C-GmbH abgeschlossen hatte, noch ehe sie sich mit der Beklagten ins Benehmen gesetzt hat. Letztlich konnte das erkennende Gericht diese Frage aber offen lassen, denn ein Anspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V setzt einen entsprechenden Primärleistungsanspruch voraus, also einen Sach- oder Dienstleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse und geht in der Sache nicht weiter als ein solcher Anspruch; er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (vgl. BSG, Urteil vom 24.09.1996 – 1 RK 33/95; Urteil vom 07.11.2006 – B 1 KR 24/06 R; Urteil vom 14.12.2006 – B 1 KR 8/06 R). Die Klägerin hatte aber von Anfang gegen die Beklagte keinen Anspruch auf – hier durchgeführte – ambulante Liposuktionen zur Behandlung einer Lipödemerkrankung der Beine (nicht auch des Gesäßes).
a) Für eine ambulante Liposuktion bestand jedenfalls im Zeitpunkt der Operationen vom 14.09.2016 und 09.11.2016 keine rechtliche Anspruchsgrundlage.
Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern, § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Eine Krankheit ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht (vgl. BSG, Urteil vom 28.09.2010 - B 1 KR 5/10 R, juris-Rn 10). Ob die Klägerin an einem Lipödem im Bereich der Beine (nur hier wurde ein Eingriff durchgeführt, sodass denknotwendig nur hier eine Kostenerstattung in Betracht kam) leidet und welchen Grad diese Erkrankung ggf. hat, musste das Gericht nicht ermitteln. Denn selbst wenn die Klägerin an einer Fettverteilungsstörung leiden sollte, hat sie hierdurch keinen Anspruch auf Behandlung der Erkrankung durch ambulante Liposuktionen, weil die begehrte Therapie jedenfalls bis zum Beschluss des GBA vom 20.07.2017 nicht zu den im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung geschuldeten Leistungen gehörte.
Der Sachleistungsanspruch eines Versicherten auf eine Behandlung nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V unterliegt den sich aus §§ 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er umfasst folglich nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnis entsprechen. Dies ist bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V nur dann der Fall, wenn der GBA in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat. Durch Richtlinien nach § 192 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 in Verbindung mit § 135 Abs. 1 SGB V wird nämlich nicht nur geregelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu Lasten der Krankenkassen erbringen und abrechnen dürfen. Vielmehr wird durch diese Richtlinien auch der Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich festgelegt (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 1 KR 24/06 R, juris-Rn 12 m.w.N.; BSG, Urteil vom 05.05.2009 - B 1 KR 15/08 R, juris-Rn 11). Ärztliche Behandlungsmethoden in diesem Sinne sind medizinische Vorgehensweisen, denen ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zu Grunde liegt, das sie von anderen Therapieverfahren unterscheidet und das ihre systematische Anwendung in der Behandlung bestimmter Krankheiten rechtfertigen soll (BSG, Urteil 03.04.2001 - B 1 KR 22/00 R, juris-Rn 23). Neu ist eine Behandlungsmethode, wenn sie nicht als abrechnungsfähige Leistung im EBM für vertragsärztliche Leistungen enthalten ist (vgl. BSG, Urteil vom 04.04.2006 - B 1 KR 12/05 R, juris-Rn 20; BSG, Urteil vom 05.05.2009 - B 1 KR 15/08 R, juris-Rn 11). Bei der ambulanten Liposuktion handelt es sich im vorgenannten Sinn um eine neue Behandlungsmethode, weil hierfür eine Abrechnungsziffer im EBM nicht existiert. Dies ist auch der Grund, warum von den Behandlern der C-GmbH auf Analogziffern nach der GOÄ zurückgegriffen wurde.
Eine positive Empfehlung des GBA liegt indessen weiterhin nicht vor, auch nicht nach dem Beschluss des GBA vom 20.07.2017, so dass eine Kostenübernahmepflicht der Beklagten grundsätzlich ausscheidet (BSG, Urteil vom 16.12.2008 - B 1 KR 11/08 R, juris-Rn 13). Dass der GBA in seiner Sitzung vom 22.05.2014 den Beschluss gefasst hat, ein Beratungsverfahren einzuleiten und den Unterausschuss Methodenbewertung mit der Durchführung der Bewertung der Liposuktion bei Lipödem gemäß §§ 135 Abs. 1, 137c SGB V beauftragt hat, kann eine positive Bewertung nicht ersetzen. Der Beschluss des GBA vom 20.07.2017 hat, wie noch auszuführen sein wird, keine rückwirkende Geltung für die hier im Jahr 2016 bereits durchgeführten Liposuktionen.
Es liegt auch kein Ausnahmefall vor, wonach eine positive Empfehlung des GBA ausnahmsweise entbehrlich wäre. Weder ist Raum für ein Systemversagen (nachfolgend unter aa), noch ist eine Notstandslage gegeben, bei der ausnahmsweise unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten eine Ausnahme geboten ist (nachfolgend unter bb).
aa) Insbesondere ist kein Systemversagen festzustellen, aus dem ein Anspruch hergeleitet werden könnte. Danach kann eine Leistungspflicht der Krankenkasse ausnahmsweise dann bestehen, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Behandlungsmethode darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem GBA trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzung nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde. Ein derartiger Systemmangel wird angenommen, wenn das Verfahren vor dem GBA von den antragsberechtigten Stellen oder dem GBA selbst überhaupt nicht, nicht zeitgerecht oder nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde (BSG, Urteil vom 04.04.2006 - B 1 KR 12/05 R). Da sich der GBA unterdessen seit dem 22.05.2014 mit der ambulanten Liposuktion bei Lipödem beschäftigt und mit Beschluss vom 20.07.2017 vorläufig nach Maßgabe des § 137e SGB V entschieden hat, scheidet ein Systemversagen aus. Eine vorherige Anspruchsentstehung aus einem Systemmangel scheidet schon deshalb aus, weil die Klägerin erst im Juni 2016 und damit erst lange nach Einleitung des GBA-Beratungsverfahrens einen Antrag auf Kostenübernahme bei der beklagten Krankenkasse gestellt hat, zumal der Antrag der Patientenvertretung nach § 140f SGB V, der dem GBA-Beschluss vorausgegangen ist, bereits vom 20.03.2014 datiert. Hinzu kommt, dass das BSG für vorangegangene Zeiträume bereits konkret für die ambulante Liposuktion bei Lipödem entschieden hat, dass ein Systemmangel nicht vorliege (BSG, Urteil vom 10.05.2012 - B 1 KR 78/11, juris-Rn 6; keine Revisionszulassung: BSG, Beschluss vom 12.02.2014 - B 1 KR 30/13 B; vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 01.03.2013 - L 4 KR 3517/11). Abgesehen davon, dass schon in tatsächlicher Sicht nicht ersichtlich sei, aufgrund welcher neueren oder schon vorhandenen, aber bislang nicht berücksichtigten medizinischen Erkenntnisse die antragsberechtigten Stellen es versäumt hätten, einen Antrag zu stellen, bestünden nach dem BSG keine vernünftigen Zweifel daran, dass eine solche Fürsorgepflicht nicht besteht (so ausdrücklich: BSG, Urteil vom 10.05.2012 - B 1 KR 78/11, juris-Rn 6).
bb) Die Klägerin kann auch keinen Anspruch auf Kostenübernahme aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 06.12.2005 (1 BvR 347/97 – sog. Nikolausbeschluss) herleiten. Aus der genannten Entscheidung ergeben sich folgende Kriterien, die kumulativ erfüllt sein müssen, um unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten unmittelbar einen Leistungsanspruch auf Übernahme der Kosten für Arzneimittel- oder sonstige Therapiemaßnahme im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung geltend machen zu können (vgl. dazu auch: Hauck, NJW 2007, 1320ff.,1321; sowie Pade, NZS 2007, 352ff.) und die mittlerweile in § 2 Abs. 1a SGB V kodifiziert und konkretisiert wurden:
1. Es muss sich um eine lebensbedrohliche, regelmäßig tödlich verlaufende Krankheit oder wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung handeln. 2. Bezüglich dieser Krankheit darf eine allgemein anerkannte, medizinisch dem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung stehen. 3. Bezüglich der bei dem Versicherten angewandten Methode muss eine "auf Indizien gestützte", nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestehen.
Vorliegend fehlt es bereits an der ersten Voraussetzung. Denn im Anschluss an die Entscheidung des BSG in seinem Urteil vom 27.03.2007 (B 1 KR 17/06 R, juris-Rn 23) und nach Maßgabe des neuen § 2 Abs. 1a SGB V kommt eine Gleichstellung mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung, die das Lipödem der Klägerin nicht ist, nur in Betracht, wenn eine notstandsähnliche Situation vorliegt, die in einem gewissen Zeitdruck zum Ausdruck kommt und die für einen zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarf typisch ist. Das bedeutet, dass nach den konkreten Umständen des Falles bereits drohen muss, dass sich der voraussichtlich tödliche Krankheitsverlauf innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums mit großer Wahrscheinlichkeit verwirklichen wird (BSG, a.a.O.). Ähnliches kann für den ggf. gleichzustellenden akut drohenden und nicht kompensierbaren Verlust eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausragenden Körperfunktion gelten (BSG, a.a.O.). Diese Voraussetzungen sind bei einem Lipödem jedoch nicht erfüllt (Sächsisches LSG, Urteil vom 16.01.2004 - L 1 KR 229/10, juris-Rn 58; Thüringer LSG, Urteil vom 06.08.2014 - L 6 KR 645/14 B, juris-Rn 14).
Daher kommt es auch nicht darauf an, ob die weiteren vom BVerfG genannten Voraussetzungen vorliegen. Es ist rechtlich nicht erheblich, ob Behandlungsalternativen zur Liposuktion bestehen oder die konservativen Behandlungsmethoden nur eine vorübergehende Symptomlinderung bewirken können, wovon die behandelnden Ärzte der Klägerin offensichtlich ausgehen. Gleichfalls spielt auch keine Rolle, ob die von der Beklagten als Alternative angeführte Kompressionsstrumpfbehandlung evtl. aus medizinisch nachvollziehbaren Gründen der Klägerin nicht zumutbar ist oder nicht erfolgversprechend ist. Auch ist die Studienlage zur ambulanten Liposuktion im Fall des Lipödems nicht von der Kammer zu bewerten.
cc) Dem gefundenen Ergebnis steht der Beschluss des GBA vom 20.07.2017 nicht entgegen. Denn zum einen haben Beschlüsse des GBA keine rückwirkende Geltung, sodass bereits abgeschlossene Behandlungen durch einen nachfolgenden GBA-Beschluss nicht wieder aufgenommen werden können (vgl. statt aller: BSG, Urteil vom 08.07.2015 – B 3 KR 5/14 R, juris-Rn 14). Zum anderen hat der GBA die ambulante und stationäre Liposuktion als Kassenleistung nur im Wege der Erprobung für einen befristen Zeitraum nach § 137e SGB V eröffnet, wobei die Leistung nur von bestimmten Leistungserbringern erbracht werden darf, die gegenüber eine noch zu berufenen wissenschaftlichen Institution im Sinne von § 137e Abs. 5 SGB V einen Qualitätsnachweis nach § 137e Abs. 2 SGB V erbracht hat, § 137e Abs. 3 SGB V. Einen solchen Nachweis kann die C-GmbH im Jahr 2016 schon deswegen nicht erbracht haben, weil der GBA-Beschluss erst am 20.07.2017 ergangen ist.
b) Ein Sachleistungsanspruch der Klägerin bestand auch nicht aus dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit einer vollstationären Behandlung nach § 39 SGB V.
Anspruchsgrundlage für die Kostenübernahme einer stationär durchzuführenden Liposuktion wäre § 27 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Satz 2 Nr. 5 SGB V. Danach umfasst die Krankenbehandlung unter anderem auch die Krankenhausbehandlung. Nach § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V haben Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Der Anspruch eines Versicherten auf Behandlung nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V unterliegt ebenso wie die ambulante Behandlung dabei den sich aus § 2 Abs. 1 Satz 3 und § 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Einschränkungen.
Ein Kostenerstattungsanspruch als Folge eines Sachleistungsanspruchs auf stationäre Behandlung scheidet schon deswegen aus, weil bei der Klägerin – in Bezug auf die Liposuktion – kein stationärer Eingriff durchgeführt wurde. Die Prüfung der Leistungsvoraussetzung hat mithin nach dem Regime einer ambulanten Liposuktion zu erfolgen.
Aus den Behandlungsrechnungen ergibt sich eindeutig, dass beide Liposuktionen ambulant durchgeführt wurden, denn deswegen wurde ein Zuschlag für ambulantes Operieren angesetzt und nur deswegen ist erklärlich, dass GOÄ-Analogziffern (und nicht Diagnosis Related Group – DRG-Fallpauschalen) von der C-GmbH abgerechnet wurden. Wenn aber die Erstattung eines Rechnungsbetrages für eine ambulante Behandlung in Rede steht, können, anders als die Klägerin meint, nicht die Prüfungsvoraussetzungen für eine stationäre Behandlung geprüft werden.
Es mag sein, dass bei der Klägerin im Rahmen der ambulanten Operationen Komplikationen aufgetreten sind, die eine stationäre Nachbehandlung erforderlich machten, jedoch führt dies nicht dazu, dass die ambulante Operation in eine stationäre umgewidmet wird, denn die Notwendigkeit einer vollstationären Behandlung muss sich gemäß § 39 SGB V "nach Prüfung", mithin bei ex-ante-Betrachtung ergeben (BSG, SozR 3-2500, § 76 Nr. 2). Außerdem können allenfalls die Leistungsinhalte nach Feststellung der Komplikationen nach dem DRG-Fallpauschalenkatakog abgerechnet werden. Dies sehen nicht zuletzt auch die Behandler der C-GmbH so, denn sie haben auch in Kenntnis der Komplikationen und der postoperativen Beobachtung über Nacht jeweils ambulante Operationen nach der GOÄ abgerechnet.
Zusammengefasst ist daher festzustellen, dass die Klägerin die Kostenerstattung für ambulante Operationen unter dem Prüfregime von stationären Operationen begehrt, wofür es keine Rechtsgrundlage gibt, da wie bereits eingangs dargelegt, der Kostenerstattungsanspruch dem Sachleistungsanspruch folgt.
Lediglich hilfsweise weist das erkennende Gericht darauf hin, dass die herrschende Meinung in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung, der das erkennende Gericht bereits wiederholt gefolgt ist, auch eine Kostenübernahme einer Liposuktion nach Maßgabe der Vorschriften für stationäre Behandlungen ablehnt. Hier verweist das erkennende Gericht auf seinen Gerichtsbescheid vom 30.12.2016 (S 9 KR 105/15), indem folgendes festgestellt wurde:
"Ob die Erforderlichkeit einer vollstationären Behandlung notwendig ist, kann das Gericht aber letztlich auch offen lassen. Denn auch eine Behandlung der Klägerin im Wege der stationären Durchführung einer Liposuktion zur Behandlung eines Lipödems gehört nicht zum Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenversicherung, weil die Liposuktion derzeit nicht dem Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht.
Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V haben Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen. Das Tatbestandsmerkmal des anerkannten Stands der medizinischen Erkenntnisse knüpft an den Maßstab der evidenzbasierten Medizin an (vgl. BSG, Urteil vom 01.03.2011 – B 1 KR 7/10 R, juris-Rn 65). Aus dem Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenversicherung werden daher solche Leistungen ausgeschlossen, die nicht ausreichend erprobt sind (BT-Drucksache 11/2237, Seite 157; Peters, in: Kasseler-Kommentar, SGB V § 2 Rn 3). Denn es ist nicht Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung, die medizinische Forschung zu finanzieren. Eine neue Behandlungsmethode gehört deshalb erst dann zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung, wenn ihre Erprobung abgeschlossen ist und über Qualität und Wirksamkeit der neuen Methode zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen möglich sind (Wagner, in: Krauskopf, Stand Juni 2008, SGB V, § 13 Rn 19). Dieser Maßstab gilt nach der Rechtsprechung des BSG nicht nur im Anwendungsbereich des § 135 SGB V (siehe insoweit BSG, Urteil vom 12.08.2009 – B 3 KR 10/07 R, juris-Rn 29), sondern auch im Bereich des § 137c SGB V, und zwar unabhängig davon, ob ein Negativvotum des GBA existiert (vgl. BSG, Urteil vom 17.02.2010 – B 1 KR 10/09 R, juris-Rn 23; BSG, Urteil vom 21.03.2013 – B 3 KR 2/12 R, juris-Rn 16 ff.; BSG, Urteil vom 07.05.2013 – B 1 KR 44/12 R, juris-Rn 23 f.). Erforderlich ist daher, dass der Erfolg der Behandlungsmethode objektivierbar, also in einer ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt ist (Landessozialgericht – LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 01.03.2013 – L 4 KR 351/11, juris-Rn 32 m.w.N.). Die einzige Ausnahme zu diesen Grundsätzen ist in § 137c Abs. 2 Satz 2 SGB V geregelt. Danach können Behandlungen im Rahmen der Durchführung klinischer Studien zur Förderung des medizinischen Fortschritts stets zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgerechnet werden. Darum ging es hier aber nicht.
Demgegenüber vertritt der 1. Senat des Hessischen LSG die Auffassung, im Rahmen der stationären Behandlung müssten die Kriterien der evidenzbasierten Medizin nicht erreicht werden, es genüge insoweit ein abgesenkter Maßstab (LSG Hessen, Urteil vom 05.02.2013 – L 1 KR 391/12, juris-Rn 20). Bei der Liposuktion handele es sich nicht um eine Methode von experimentellem Charakter. Dies folge zum einen aus den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie. Zum anderen könnten die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für ästhetische Chirurgie zur Liposuktion herangezogen werden, da ihnen eine umfassende medizinische Relevanz zukomme (LSG Hessen, a.a.O., juris-Rn 18). Der abgesenkte Prüfmaßstab sei deshalb gerechtfertigt, weil im Bereich der ambulanten Versorgung bezüglich neuer Behandlungsmethoden gemäß § 135 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt gelte, wohingegen bei der stationären Versorgung gemäß § 137c SGB V eine grundsätzliche Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt maßgeblich sei, so dass ein Anspruch nur dann ausgeschlossen sei, wenn der GBA eine negative Stellungnahme abgegeben habe (LSG Hessen, a.a.O., juris-Rn 19). Dies sei bei einer stationär durchzuführenden Liposuktion nicht der Fall (LSG Hessen, a.a.O unter Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 16.12.2008 – B 1 KR 11/08 R, juris-Rn 16). Der sachliche Grund für diese unterschiedliche rechtliche Behandlung bestehe darin, dass der Gesetzgeber die Gefahr des Einsatzes zweifelhafter oder unwirksamer Maßnahmen wegen der internen Kontrollmechanismen und der anderen Vergütungsstrukturen im Krankenhausbereich geringer einstufe als bei der Behandlung durch einzelne niedergelassene Ärzte (LSG Hessen, a.a.O. unter Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 26.09.2008 – B 1 KR 3/06 R, juris-Rn 21).
Diese Argumentation des 1. Senats des Hessischen LSG überzeugt allerdings nicht, weil sie zu Wertungswidersprüchen führt. Denn letztlich läuft sie darauf hinaus, dass allein das Erfordernis einer stationär gebotenen Behandlung, die hier sogar erheblich zweifelhaft ist, zu einer Leistungsverpflichtung der gesetzlichen Krankenversicherung führen kann, und zwar unabhängig davon, ob die Wirksamkeit und Qualität der eigentlichen Behandlung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht. Derjenige Patient, der bestimmte Risikofaktoren erfüllt, die einen Krankenhausaufenthalt erforderlich machen, hätte dann einen Anspruch auf eine Behandlung im stationären Rahmen, obwohl sich für die Wirksamkeit einer bestimmten Methode keine bislang hinreichend wissenschaftlich gefestigten Anhaltspunkte ergeben (so überzeugend: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 01.03.2013 – L 4 KR 351/11, juris-Rn 34). Dieses Ergebnis ist mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) nicht vereinbar.
Soweit das Hessische LSG aus den Leitlinien der Fachgesellschaften eine Erweiterung des Leistungsspektrums der gesetzlichen Krankenversicherung herleitet, lässt sich dies mit der Rechtsprechung des BSG nicht in Einklang bringen. Denn danach bestimmen die Leitlinien der medizinischen Fachgesellschaften den Umfang der Leistungsansprüche der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich nicht (BSG, Urteil vom 30.06.2009 – B 1 KR 5/09 R, juris-Rn 47). Qualität und Wirksamkeit der begehrten Liposutktion zur Behandlung des Lipödems entsprechen nach der Überzeugung des erkennenden Gerichts auch nicht dem Maßstab der evidenzbasierten Medizin. Ausweislich des Gutachtens der Sozialmedizinischen Expertengruppe 7 "Methoden- und Produktbewertung" zum Thema "Liposuktion bei Lip- und Lymphödemen" vom 06.10.2011, zuletzt in der evaluierten Fassung vom 2015, das eine umfassende Auswertung der über den Einsatz von Liposuktion als Methode zur Behandlung von Lipödemen veröffentlichten Studien vornimmt, gab es zum Zeitpunkt der Datenerhebung im Mai 2011 nur zwei kontrollierte Studien, deren Aussagewert nicht ausreichte, um einen langfristigen Nutzen der Liposuktion zu belegen. Alle übrigen im Mai 2011 zugänglichen Veröffentlichungen wiesen einen noch geringeren Aussagewert auf. Daraus folgt, dass die Methode der Liposuktion zur Therapie des Lipödems zu diesem Zeitpunkt noch Gegenstand wissenschaftlicher Diskussion war und weitere randomisierte Studien erforderlich waren, um sie als eine den Kriterien der evidenzbasierten Medizin entsprechende Behandlungsmethode qualifizieren zu können. Daran hat sich nichts geändert (siehe insoweit auch: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 01.03.2013 – L 4 KR 3517/11; Urteil vom 27.04.2012 – L 4 KR 595/11; für das Beihilferecht ebenso: Oberverwaltungsgericht – OVG Lüneburg, Urteil vom 22.01.2013 – 5 LB 50/11, juris-Rn 31). Dies wurde auch vom gerichtlichen Sachverständigen Dr. S. eindrucksvoll belegt.
Dies ergibt sich auch aus dem überzeugenden MDK-Gutachten vom 09.12.2014, in dem die Studienlage und Auswertung des Schrifttums ausführlich dargelegt wurde. Der MDK ist nicht in die Verwaltungseinheit der Krankenkassen eingebunden, sondern institutionell von diesen getrennt (vgl. BSG, Urteil vom 14.12.2009 – B 3 P 5/00 R). Es handelt sich auf Länderebene jeweils um eigenständige Körperschaften des öffentlichen Rechts (§ 278 Abs. 1 SGB V). Um auch den Anschein eines Weisungsverhältnisses zwischen Kranken- oder Pflegekassen und den Ärzten des MDK auszuschließen, stellt § 275 Abs. 5 SGB V ausdrücklich klar, dass die Ärzte des MDK bei der Wahrnehmung ihrer medizinischen Aufgaben nur ihrem ärztlichen Gewissen unterworfen sind. Gutachten des MDK können deshalb auch im gerichtlichen Verfahren verwertet werden (so auch BSG, Beschluss vom 23. Dezember 2004 – B 1 KR 84/04 R, juris-Rn 5). Dies gilt insbesondere dann, wenn sie – wie vorliegend – mit SEG 7-Expertengutachten und gerichtlichen Sachverständigengutachten in Einklang stehen.
Aufgrund dieser – aus Versichertensicht bestenfalls unklaren – Studienlage haben zuletzt zahlreiche Landessozialgerichtssenate einen Anspruch auf Kostenübernahme für eine stationäre Durchführung der Liposuktion selbst bei der gebotenen stationären Erforderlichkeit unter Berufung auf ein Gutachten der sozialmedizinischen Expertengruppe 7 "Methoden- und Produktbewertung" zum Thema "Liposuktion bei Lip- und Lymphödemen", wonach Qualität und Wirksamkeit der Liposuktion zur Behandlung des Lipödems nicht dem Maßstab der evidenzbasierten Medizin entsprechen, vereint (vgl. Landessozialgericht - LSG – Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 30.08.2016 – L 16/1 KR 303/15; LSG Sachsen, Urteil vom 23.07.2015 – L 1 KR 104/15; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 05.02.2015 – L 5 KR 228/13; LSG Hessen, Urteil vom 29.01.2015 – L 8 KR 339/11; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16.01.2014 - L 16 KR 558/13; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 01.03.2013 - L 4 KR 3517/11). Das erkennende Gericht folgt nach eigener Prüfung dieser Rechtsprechung und nimmt auf diese Bezug."
2. Zuletzt kann die Klägerin ihr Klagebegehren auch nicht auf § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V stützen. Ein fiktionsfähiger Antrag lag bei der Beklagten ausweislich des Eingangsstempels am 26.06.2016 vor, sodass die Beklagte, die ein MDK-Gutachten einholte und die die Klägerin hierüber mit Schreiben vom 28.06.2016 unterrichtete, die fünfwöchige Bearbeitungsfrist nach § 13 Abs. 3a Satz 1 und 2 SGB V eingehalten hat. Da die Klägerin bereits mit Schreiben vom 12.07.2016 Widerspruch eingelegt hat, ist sogar erwiesen, dass die Entscheidung der Beklagten der Klägerin noch innerhalb der 5-wöchigen Bearbeitungsfrist zugegangen ist, sodass es auf den Meinungsstreit, ob auf die Absendung oder den Zugang des Verwaltungsaktes abzustellen ist, nicht ankommt.
Anders als die Klägerin meint, wurde von Seiten der Beklagten am 11.07.2016 auch nicht nur über die ambulante Liposuktion entschieden, sondern über alle Anträge, die die Klägerin gestellt hat, denn es heißt dort, dass die "beantragte Behandlung" bzw. "beantragte Liposuktion" nicht übernahmefähig ist. Soweit die Klägerin meint, dass die Beklagte im Rahmen einer Mentalreservation nur die ambulante Liposuktion meinte, ist nicht ersichtlich, worauf sie diese These stützt, schließlich wird in den Gründen der Ablehnungsentscheidung auch die stationäre Liposuktion ausdrücklich angesprochen. Letztlich kann dies aber offen lassen, denn bei der Genehmigungsfiktion kommt es auf den formalen Inhalt des Verwaltungsaktes an. § 13a SGB V konstituiert einen Leistungsanspruch allein aufgrund eines Fristenfehlers der Behörde. Es ist daher folgerichtig bei dieser rein formalen Rechtsposition, die keiner materiell-rechtlichen Prüfung unterliegt, bei dem Entscheidungstenor ebenfalls auf den formalen Inhalt abzustellen. Dies gebietet auch der Grundsatz der Rechtssicherheit. Wenn aber alle beantragten Leistungen von der Krankenkasse abgelehnt werden, besteht kein Raum für eine partielle Nichtbecheidung. Von daher schied auch eine Kostenerstattung aus dem Gesichtspunkt der Genehmigungsfiktion aus.
Ob eine Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a SGB V bei ambulanten und stationären Liposuktionen darüber hinaus ausscheidet, weil diese Behandlungen grundsätzlich nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehören, von den Krankenkassen also allgemein als Sach- oder Dienstleistung nicht zu erbringen sind (so LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.09.2016 – L 4 KR 320/16), braucht das erkennende Gericht nicht zu entscheiden.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Rechtsstreits Rechnung.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Kostenerstattung für Liposuktionen (Fettabsaugungen) zur Behandlung einer Lipödemerkrankung.
Die am 25.01.19xx geborene Klägerin ist gesetzlich krankenversichertes Mitglied der beklagten Krankenkasse. Mit Schreiben vom 26.06.2016, der Beklagten am selben Tag zugegangen, beantragte die Klägerin ausdrücklich die "Kostenübernahme für eine stationäre Liposuktion" wegen einer im Jahr 2014 erstmalig diagnostizierten Lipödemerkrankung (Fettverteilungsstörung) der Beine, des Gesäßes und der Hüften. Dem Antrag waren Bescheinigung der Capio Deutsche Klinik Hilden GmbH (nachfolgend: C-GmbH) vom 19.05.2016 und 08.06.2016 beigefügt, die bei der Klägerin (Körpergewicht 81 kg, 173 cm Körpergröße) ein Lipödem beider Beine im Stadium I-II attestierte und die Kostenübernahme für eine Liposuktionsbehandlung beidseits "im Bereich der Ober- und Unterschenkel" empfahl. Weiterhin reichte die Klägerin eine Fotodokumentation, die nicht in der Verwaltungsakte befindlich ist, sowie einen "unverbindlichen" Kostenvoranschlag der C-GmbH ein. Ausweislich des Kostenvoranschalgs sollte der geplante Eingriff ambulant durchgeführt werden. Demzufolge wurde Analog-Ziffern nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) und ein "Zuschlag bei ambulanter Durchführung" angesetzt. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Antragsunterlagen Bezug genommen.
Die Beklagte holte ein sozialmedizinisches Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Nordrhein vom 30.06.2016 ein. Hierrüber wurde die Klägerin zuvor mit Schreiben vom 28.06.2016 unterrichtet. Der MDK-Beratungsarzt Dr. M. H. befasste sich ausschließlich mit einer ambulanten Liposuktion, deren Voraussetzungen für eine Leistungsgewährung er verneinte. Bei der Lipödemerkrankung handele es sich um Erkrankung, die mit manueller Lymphdrainage, Kompressionstherapie, Rehabilitationsmaßnahmen etc. behandelt werden müsse. Die Fettabsaugung stelle eine neue Methode im Sinne von § 135 Sozialgesetzbuch, 5. Buch (SGB V) dar, die der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) noch nicht abschließend bewertet habe und zu der es noch keine kontrollierte Studien gebe, die eine Überlegenheit dieser Methode zu den herkömmlichen Therapien beweise. Auch ein Systemversagen könne nicht angenommen werden.
Gestützt hierauf lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11.07.2016 die Kostenübernahme für die "beantragte Behandlung" ab. Insoweit und hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Ablehnungsbescheid vom 11.07.2016 Bezug genommen.
Die Klägerin widersprach mit Schreiben vom 12.07.2016. Zur Begründung führte sie an, dass sie konservative Behandlungsmethoden bereits erfolglos durchgeführt habe, sodass von einem Systemversagen auszugehen sei, wie es von einzelnen Sozialgerichten auch zur Lipödemliposuktion anerkannt worden sei. Außerdem monierte die Klägerin, dass sie ausdrücklich eine stationäre Liposuktion beantragt habe, der MDK aber ausschließlich auf eine ambulante Liposuktion abgestellt habe.
Die Klägerin ließ in der Folgezeit an den Beinen (Ober- und Unterschenkel) Liposuktionsbehandlungen am 14.09.2016 und 09.11.2016 in der C-GmbH durchführen. Ausweislich der Behandlungsrechnungen wurden diese Liposuktionen im ambulanten Umfeld durchgeführt, weil Zuschläge für ambulantes Operieren abgerechnet wurden. Darüber hinaus wurden GOÄ-Analogziffern abgerechnet. Insofern wird auf die Behandlungsrechnungen Bezug genommen.
Die Beklagte holte aufgrund des laufenden Widerspruchs der Klägerin ein Widerspruchsgutachten des MDK Nordrhein vom 02.11.2016 ein. Der MDK-Beratungsarzt H. S. bestätigte darin das Erstgutachten des MDK vom 30.06.2016 und wiederholte und vertiefte die Begründung. Darüber hinaus führte er aus, warum auch eine Kostenübernahme für eine stationäre Liposuktionsbehandlung aus seiner Sicht nicht in Betracht komme.
Mit Bescheid vom 26.01.2017 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Eine Kostenübernahme für eine Liposuktionsbehandlung könne bei der Klägerin weder im ambulanten, noch im stationären Umfeld abgegeben werden. Auf den Widerspruchsbescheid wird insoweit Bezug genommen.
Hiergegen richtet sich die Klägerin mit ihrer Klage vom 08.02.2017. Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihre Ausführungen aus dem Widerspruchsverfahren. Ergänzend führt sie an, dass sie vor den durchgeführten Liposuktionsbehandlungen nach der Schulmedizin austherapiert gewesen sei, da erfolglos Kompressionsstrümpfe getragen worden seien und auch wöchentliche Lymphdrainagen bei einer befreundeten Physiotherapeutin keine Besserung herbeigeführt hätten. Die Beklagte verkenne zudem, dass bei der Klägerin eine stationäre Liposuktion erforderlich gewesen sei, da aufgrund der Resektionsmenge, einer vorbestehenden Mitralklappeninsuffizienz und eines ausgeprägten Schmerzsyndroms eine Liposuktion unter ambulanten Bedingungen nicht verantwortbar gewesen sei. Tatsächlich sei bei ihr auch eine stationäre Behandlung durchgeführt worden, denn sie sei im Krankenhaus der C-GmbH über mehrere Tage beobachtet worden. Die Kostenübernahme für eine stationäre Liposuktion könne die Beklagte aber jedenfalls nach Einführung des § 137c Abs. 2 SGB V nicht mehr ablehnen. Da die Beklagte sich im Rahmen ihrer Ablehnungsentscheidung nur mit der ambulanten Liposuktion befasst habe, seien zudem die Voraussetzungen einer Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a SGB V erfüllt.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 11.07.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2017, ihr die für die Liposuktion von Oberschenkeln, Unterschenkeln und Gesäß aufgewandten Kosten in Höhe von 9.255,37 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verteidigt ihre Bescheide und nimmt auf diese Bezug.
Auf Anordnung des Gerichts legte die Klägerin sämtliche Behandlungsberichte und Abrechnungen für die am 14.09.2016 und 09.11.2016 durchgeführten Liposuktionsbehandlungen vor. Auf diese Unterlagen wird Bezug genommen. Hervorzuheben ist lediglich, dass es in dem Bericht der C-GmbH vom 08.03.2017 heißt:
"Das geplante ambulante Setting war flankiert von möglichen postoperativen Übernachtungen zur stationären weiteren Überwachung.
Bei der Patientin stellte sich postoperativ ein ausgeprägtes Schmerzsyndrom ein, so dass eine ambulante Therapie unmöglich wurde.
Während des stationären postoperativen Aufenthaltes konnte durch die gezielte medikamentöse Intervention durch den anästhesiologischen Schmerztherapeuten und Ärzte der Klinik schließlich ein Zustand der ambulant zu führenden Schmerztherapie erreicht werden bis zum jeweiligen Entlassungstag."
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Beteiligtenvorbringens wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Die Akten waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig. Sie ist jedoch sachlich nicht begründet. Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide nicht beschwert im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), da sie rechtmäßig sind. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Erstattung der Kosten, die ihr durch die Operationen vom 14.09.2016 und 09.11.2016 nebst Begleitkosten entstanden sind. Da die Klägerin keine Kostenerstattung nach § 13 Abs. 2 SGB V gewählt hat, kommt eine Erstattung der Behandlungskosten nur nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V (hierzu nachfolgend unter 1.) oder § 13 Abs. 3 Satz 7 SGB V (hierzu nachfolgend unter 2.) in Betracht. Beides war hier indes abzulehnen.
1. Nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V gilt: "Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war."
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Dabei kann das Gericht offen lassen, ob die Klägerin überhaupt den notwendigen Beschaffungsweg eingehalten hat. Eine Prüfung dieses Tatbestandsmerkmals war nicht möglich, da die Klägerin entgegen der Aufforderung des Gerichts den Behandlungsvertrag mit der C-GmbH nicht vorgelegt hatte. Das Gericht versprach sich hieraus die Möglichkeit der Prüfung, ob die Klägerin bereits einen verbindlichen Behandlungsvertrag mit der C-GmbH abgeschlossen hatte, noch ehe sie sich mit der Beklagten ins Benehmen gesetzt hat. Letztlich konnte das erkennende Gericht diese Frage aber offen lassen, denn ein Anspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V setzt einen entsprechenden Primärleistungsanspruch voraus, also einen Sach- oder Dienstleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse und geht in der Sache nicht weiter als ein solcher Anspruch; er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (vgl. BSG, Urteil vom 24.09.1996 – 1 RK 33/95; Urteil vom 07.11.2006 – B 1 KR 24/06 R; Urteil vom 14.12.2006 – B 1 KR 8/06 R). Die Klägerin hatte aber von Anfang gegen die Beklagte keinen Anspruch auf – hier durchgeführte – ambulante Liposuktionen zur Behandlung einer Lipödemerkrankung der Beine (nicht auch des Gesäßes).
a) Für eine ambulante Liposuktion bestand jedenfalls im Zeitpunkt der Operationen vom 14.09.2016 und 09.11.2016 keine rechtliche Anspruchsgrundlage.
Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern, § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Eine Krankheit ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht (vgl. BSG, Urteil vom 28.09.2010 - B 1 KR 5/10 R, juris-Rn 10). Ob die Klägerin an einem Lipödem im Bereich der Beine (nur hier wurde ein Eingriff durchgeführt, sodass denknotwendig nur hier eine Kostenerstattung in Betracht kam) leidet und welchen Grad diese Erkrankung ggf. hat, musste das Gericht nicht ermitteln. Denn selbst wenn die Klägerin an einer Fettverteilungsstörung leiden sollte, hat sie hierdurch keinen Anspruch auf Behandlung der Erkrankung durch ambulante Liposuktionen, weil die begehrte Therapie jedenfalls bis zum Beschluss des GBA vom 20.07.2017 nicht zu den im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung geschuldeten Leistungen gehörte.
Der Sachleistungsanspruch eines Versicherten auf eine Behandlung nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V unterliegt den sich aus §§ 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er umfasst folglich nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnis entsprechen. Dies ist bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V nur dann der Fall, wenn der GBA in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat. Durch Richtlinien nach § 192 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 in Verbindung mit § 135 Abs. 1 SGB V wird nämlich nicht nur geregelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu Lasten der Krankenkassen erbringen und abrechnen dürfen. Vielmehr wird durch diese Richtlinien auch der Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich festgelegt (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 1 KR 24/06 R, juris-Rn 12 m.w.N.; BSG, Urteil vom 05.05.2009 - B 1 KR 15/08 R, juris-Rn 11). Ärztliche Behandlungsmethoden in diesem Sinne sind medizinische Vorgehensweisen, denen ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zu Grunde liegt, das sie von anderen Therapieverfahren unterscheidet und das ihre systematische Anwendung in der Behandlung bestimmter Krankheiten rechtfertigen soll (BSG, Urteil 03.04.2001 - B 1 KR 22/00 R, juris-Rn 23). Neu ist eine Behandlungsmethode, wenn sie nicht als abrechnungsfähige Leistung im EBM für vertragsärztliche Leistungen enthalten ist (vgl. BSG, Urteil vom 04.04.2006 - B 1 KR 12/05 R, juris-Rn 20; BSG, Urteil vom 05.05.2009 - B 1 KR 15/08 R, juris-Rn 11). Bei der ambulanten Liposuktion handelt es sich im vorgenannten Sinn um eine neue Behandlungsmethode, weil hierfür eine Abrechnungsziffer im EBM nicht existiert. Dies ist auch der Grund, warum von den Behandlern der C-GmbH auf Analogziffern nach der GOÄ zurückgegriffen wurde.
Eine positive Empfehlung des GBA liegt indessen weiterhin nicht vor, auch nicht nach dem Beschluss des GBA vom 20.07.2017, so dass eine Kostenübernahmepflicht der Beklagten grundsätzlich ausscheidet (BSG, Urteil vom 16.12.2008 - B 1 KR 11/08 R, juris-Rn 13). Dass der GBA in seiner Sitzung vom 22.05.2014 den Beschluss gefasst hat, ein Beratungsverfahren einzuleiten und den Unterausschuss Methodenbewertung mit der Durchführung der Bewertung der Liposuktion bei Lipödem gemäß §§ 135 Abs. 1, 137c SGB V beauftragt hat, kann eine positive Bewertung nicht ersetzen. Der Beschluss des GBA vom 20.07.2017 hat, wie noch auszuführen sein wird, keine rückwirkende Geltung für die hier im Jahr 2016 bereits durchgeführten Liposuktionen.
Es liegt auch kein Ausnahmefall vor, wonach eine positive Empfehlung des GBA ausnahmsweise entbehrlich wäre. Weder ist Raum für ein Systemversagen (nachfolgend unter aa), noch ist eine Notstandslage gegeben, bei der ausnahmsweise unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten eine Ausnahme geboten ist (nachfolgend unter bb).
aa) Insbesondere ist kein Systemversagen festzustellen, aus dem ein Anspruch hergeleitet werden könnte. Danach kann eine Leistungspflicht der Krankenkasse ausnahmsweise dann bestehen, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Behandlungsmethode darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem GBA trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzung nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde. Ein derartiger Systemmangel wird angenommen, wenn das Verfahren vor dem GBA von den antragsberechtigten Stellen oder dem GBA selbst überhaupt nicht, nicht zeitgerecht oder nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde (BSG, Urteil vom 04.04.2006 - B 1 KR 12/05 R). Da sich der GBA unterdessen seit dem 22.05.2014 mit der ambulanten Liposuktion bei Lipödem beschäftigt und mit Beschluss vom 20.07.2017 vorläufig nach Maßgabe des § 137e SGB V entschieden hat, scheidet ein Systemversagen aus. Eine vorherige Anspruchsentstehung aus einem Systemmangel scheidet schon deshalb aus, weil die Klägerin erst im Juni 2016 und damit erst lange nach Einleitung des GBA-Beratungsverfahrens einen Antrag auf Kostenübernahme bei der beklagten Krankenkasse gestellt hat, zumal der Antrag der Patientenvertretung nach § 140f SGB V, der dem GBA-Beschluss vorausgegangen ist, bereits vom 20.03.2014 datiert. Hinzu kommt, dass das BSG für vorangegangene Zeiträume bereits konkret für die ambulante Liposuktion bei Lipödem entschieden hat, dass ein Systemmangel nicht vorliege (BSG, Urteil vom 10.05.2012 - B 1 KR 78/11, juris-Rn 6; keine Revisionszulassung: BSG, Beschluss vom 12.02.2014 - B 1 KR 30/13 B; vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 01.03.2013 - L 4 KR 3517/11). Abgesehen davon, dass schon in tatsächlicher Sicht nicht ersichtlich sei, aufgrund welcher neueren oder schon vorhandenen, aber bislang nicht berücksichtigten medizinischen Erkenntnisse die antragsberechtigten Stellen es versäumt hätten, einen Antrag zu stellen, bestünden nach dem BSG keine vernünftigen Zweifel daran, dass eine solche Fürsorgepflicht nicht besteht (so ausdrücklich: BSG, Urteil vom 10.05.2012 - B 1 KR 78/11, juris-Rn 6).
bb) Die Klägerin kann auch keinen Anspruch auf Kostenübernahme aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 06.12.2005 (1 BvR 347/97 – sog. Nikolausbeschluss) herleiten. Aus der genannten Entscheidung ergeben sich folgende Kriterien, die kumulativ erfüllt sein müssen, um unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten unmittelbar einen Leistungsanspruch auf Übernahme der Kosten für Arzneimittel- oder sonstige Therapiemaßnahme im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung geltend machen zu können (vgl. dazu auch: Hauck, NJW 2007, 1320ff.,1321; sowie Pade, NZS 2007, 352ff.) und die mittlerweile in § 2 Abs. 1a SGB V kodifiziert und konkretisiert wurden:
1. Es muss sich um eine lebensbedrohliche, regelmäßig tödlich verlaufende Krankheit oder wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung handeln. 2. Bezüglich dieser Krankheit darf eine allgemein anerkannte, medizinisch dem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung stehen. 3. Bezüglich der bei dem Versicherten angewandten Methode muss eine "auf Indizien gestützte", nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestehen.
Vorliegend fehlt es bereits an der ersten Voraussetzung. Denn im Anschluss an die Entscheidung des BSG in seinem Urteil vom 27.03.2007 (B 1 KR 17/06 R, juris-Rn 23) und nach Maßgabe des neuen § 2 Abs. 1a SGB V kommt eine Gleichstellung mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung, die das Lipödem der Klägerin nicht ist, nur in Betracht, wenn eine notstandsähnliche Situation vorliegt, die in einem gewissen Zeitdruck zum Ausdruck kommt und die für einen zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarf typisch ist. Das bedeutet, dass nach den konkreten Umständen des Falles bereits drohen muss, dass sich der voraussichtlich tödliche Krankheitsverlauf innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums mit großer Wahrscheinlichkeit verwirklichen wird (BSG, a.a.O.). Ähnliches kann für den ggf. gleichzustellenden akut drohenden und nicht kompensierbaren Verlust eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausragenden Körperfunktion gelten (BSG, a.a.O.). Diese Voraussetzungen sind bei einem Lipödem jedoch nicht erfüllt (Sächsisches LSG, Urteil vom 16.01.2004 - L 1 KR 229/10, juris-Rn 58; Thüringer LSG, Urteil vom 06.08.2014 - L 6 KR 645/14 B, juris-Rn 14).
Daher kommt es auch nicht darauf an, ob die weiteren vom BVerfG genannten Voraussetzungen vorliegen. Es ist rechtlich nicht erheblich, ob Behandlungsalternativen zur Liposuktion bestehen oder die konservativen Behandlungsmethoden nur eine vorübergehende Symptomlinderung bewirken können, wovon die behandelnden Ärzte der Klägerin offensichtlich ausgehen. Gleichfalls spielt auch keine Rolle, ob die von der Beklagten als Alternative angeführte Kompressionsstrumpfbehandlung evtl. aus medizinisch nachvollziehbaren Gründen der Klägerin nicht zumutbar ist oder nicht erfolgversprechend ist. Auch ist die Studienlage zur ambulanten Liposuktion im Fall des Lipödems nicht von der Kammer zu bewerten.
cc) Dem gefundenen Ergebnis steht der Beschluss des GBA vom 20.07.2017 nicht entgegen. Denn zum einen haben Beschlüsse des GBA keine rückwirkende Geltung, sodass bereits abgeschlossene Behandlungen durch einen nachfolgenden GBA-Beschluss nicht wieder aufgenommen werden können (vgl. statt aller: BSG, Urteil vom 08.07.2015 – B 3 KR 5/14 R, juris-Rn 14). Zum anderen hat der GBA die ambulante und stationäre Liposuktion als Kassenleistung nur im Wege der Erprobung für einen befristen Zeitraum nach § 137e SGB V eröffnet, wobei die Leistung nur von bestimmten Leistungserbringern erbracht werden darf, die gegenüber eine noch zu berufenen wissenschaftlichen Institution im Sinne von § 137e Abs. 5 SGB V einen Qualitätsnachweis nach § 137e Abs. 2 SGB V erbracht hat, § 137e Abs. 3 SGB V. Einen solchen Nachweis kann die C-GmbH im Jahr 2016 schon deswegen nicht erbracht haben, weil der GBA-Beschluss erst am 20.07.2017 ergangen ist.
b) Ein Sachleistungsanspruch der Klägerin bestand auch nicht aus dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit einer vollstationären Behandlung nach § 39 SGB V.
Anspruchsgrundlage für die Kostenübernahme einer stationär durchzuführenden Liposuktion wäre § 27 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Satz 2 Nr. 5 SGB V. Danach umfasst die Krankenbehandlung unter anderem auch die Krankenhausbehandlung. Nach § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V haben Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Der Anspruch eines Versicherten auf Behandlung nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V unterliegt ebenso wie die ambulante Behandlung dabei den sich aus § 2 Abs. 1 Satz 3 und § 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Einschränkungen.
Ein Kostenerstattungsanspruch als Folge eines Sachleistungsanspruchs auf stationäre Behandlung scheidet schon deswegen aus, weil bei der Klägerin – in Bezug auf die Liposuktion – kein stationärer Eingriff durchgeführt wurde. Die Prüfung der Leistungsvoraussetzung hat mithin nach dem Regime einer ambulanten Liposuktion zu erfolgen.
Aus den Behandlungsrechnungen ergibt sich eindeutig, dass beide Liposuktionen ambulant durchgeführt wurden, denn deswegen wurde ein Zuschlag für ambulantes Operieren angesetzt und nur deswegen ist erklärlich, dass GOÄ-Analogziffern (und nicht Diagnosis Related Group – DRG-Fallpauschalen) von der C-GmbH abgerechnet wurden. Wenn aber die Erstattung eines Rechnungsbetrages für eine ambulante Behandlung in Rede steht, können, anders als die Klägerin meint, nicht die Prüfungsvoraussetzungen für eine stationäre Behandlung geprüft werden.
Es mag sein, dass bei der Klägerin im Rahmen der ambulanten Operationen Komplikationen aufgetreten sind, die eine stationäre Nachbehandlung erforderlich machten, jedoch führt dies nicht dazu, dass die ambulante Operation in eine stationäre umgewidmet wird, denn die Notwendigkeit einer vollstationären Behandlung muss sich gemäß § 39 SGB V "nach Prüfung", mithin bei ex-ante-Betrachtung ergeben (BSG, SozR 3-2500, § 76 Nr. 2). Außerdem können allenfalls die Leistungsinhalte nach Feststellung der Komplikationen nach dem DRG-Fallpauschalenkatakog abgerechnet werden. Dies sehen nicht zuletzt auch die Behandler der C-GmbH so, denn sie haben auch in Kenntnis der Komplikationen und der postoperativen Beobachtung über Nacht jeweils ambulante Operationen nach der GOÄ abgerechnet.
Zusammengefasst ist daher festzustellen, dass die Klägerin die Kostenerstattung für ambulante Operationen unter dem Prüfregime von stationären Operationen begehrt, wofür es keine Rechtsgrundlage gibt, da wie bereits eingangs dargelegt, der Kostenerstattungsanspruch dem Sachleistungsanspruch folgt.
Lediglich hilfsweise weist das erkennende Gericht darauf hin, dass die herrschende Meinung in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung, der das erkennende Gericht bereits wiederholt gefolgt ist, auch eine Kostenübernahme einer Liposuktion nach Maßgabe der Vorschriften für stationäre Behandlungen ablehnt. Hier verweist das erkennende Gericht auf seinen Gerichtsbescheid vom 30.12.2016 (S 9 KR 105/15), indem folgendes festgestellt wurde:
"Ob die Erforderlichkeit einer vollstationären Behandlung notwendig ist, kann das Gericht aber letztlich auch offen lassen. Denn auch eine Behandlung der Klägerin im Wege der stationären Durchführung einer Liposuktion zur Behandlung eines Lipödems gehört nicht zum Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenversicherung, weil die Liposuktion derzeit nicht dem Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht.
Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V haben Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen. Das Tatbestandsmerkmal des anerkannten Stands der medizinischen Erkenntnisse knüpft an den Maßstab der evidenzbasierten Medizin an (vgl. BSG, Urteil vom 01.03.2011 – B 1 KR 7/10 R, juris-Rn 65). Aus dem Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenversicherung werden daher solche Leistungen ausgeschlossen, die nicht ausreichend erprobt sind (BT-Drucksache 11/2237, Seite 157; Peters, in: Kasseler-Kommentar, SGB V § 2 Rn 3). Denn es ist nicht Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung, die medizinische Forschung zu finanzieren. Eine neue Behandlungsmethode gehört deshalb erst dann zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung, wenn ihre Erprobung abgeschlossen ist und über Qualität und Wirksamkeit der neuen Methode zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen möglich sind (Wagner, in: Krauskopf, Stand Juni 2008, SGB V, § 13 Rn 19). Dieser Maßstab gilt nach der Rechtsprechung des BSG nicht nur im Anwendungsbereich des § 135 SGB V (siehe insoweit BSG, Urteil vom 12.08.2009 – B 3 KR 10/07 R, juris-Rn 29), sondern auch im Bereich des § 137c SGB V, und zwar unabhängig davon, ob ein Negativvotum des GBA existiert (vgl. BSG, Urteil vom 17.02.2010 – B 1 KR 10/09 R, juris-Rn 23; BSG, Urteil vom 21.03.2013 – B 3 KR 2/12 R, juris-Rn 16 ff.; BSG, Urteil vom 07.05.2013 – B 1 KR 44/12 R, juris-Rn 23 f.). Erforderlich ist daher, dass der Erfolg der Behandlungsmethode objektivierbar, also in einer ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt ist (Landessozialgericht – LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 01.03.2013 – L 4 KR 351/11, juris-Rn 32 m.w.N.). Die einzige Ausnahme zu diesen Grundsätzen ist in § 137c Abs. 2 Satz 2 SGB V geregelt. Danach können Behandlungen im Rahmen der Durchführung klinischer Studien zur Förderung des medizinischen Fortschritts stets zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgerechnet werden. Darum ging es hier aber nicht.
Demgegenüber vertritt der 1. Senat des Hessischen LSG die Auffassung, im Rahmen der stationären Behandlung müssten die Kriterien der evidenzbasierten Medizin nicht erreicht werden, es genüge insoweit ein abgesenkter Maßstab (LSG Hessen, Urteil vom 05.02.2013 – L 1 KR 391/12, juris-Rn 20). Bei der Liposuktion handele es sich nicht um eine Methode von experimentellem Charakter. Dies folge zum einen aus den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie. Zum anderen könnten die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für ästhetische Chirurgie zur Liposuktion herangezogen werden, da ihnen eine umfassende medizinische Relevanz zukomme (LSG Hessen, a.a.O., juris-Rn 18). Der abgesenkte Prüfmaßstab sei deshalb gerechtfertigt, weil im Bereich der ambulanten Versorgung bezüglich neuer Behandlungsmethoden gemäß § 135 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt gelte, wohingegen bei der stationären Versorgung gemäß § 137c SGB V eine grundsätzliche Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt maßgeblich sei, so dass ein Anspruch nur dann ausgeschlossen sei, wenn der GBA eine negative Stellungnahme abgegeben habe (LSG Hessen, a.a.O., juris-Rn 19). Dies sei bei einer stationär durchzuführenden Liposuktion nicht der Fall (LSG Hessen, a.a.O unter Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 16.12.2008 – B 1 KR 11/08 R, juris-Rn 16). Der sachliche Grund für diese unterschiedliche rechtliche Behandlung bestehe darin, dass der Gesetzgeber die Gefahr des Einsatzes zweifelhafter oder unwirksamer Maßnahmen wegen der internen Kontrollmechanismen und der anderen Vergütungsstrukturen im Krankenhausbereich geringer einstufe als bei der Behandlung durch einzelne niedergelassene Ärzte (LSG Hessen, a.a.O. unter Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 26.09.2008 – B 1 KR 3/06 R, juris-Rn 21).
Diese Argumentation des 1. Senats des Hessischen LSG überzeugt allerdings nicht, weil sie zu Wertungswidersprüchen führt. Denn letztlich läuft sie darauf hinaus, dass allein das Erfordernis einer stationär gebotenen Behandlung, die hier sogar erheblich zweifelhaft ist, zu einer Leistungsverpflichtung der gesetzlichen Krankenversicherung führen kann, und zwar unabhängig davon, ob die Wirksamkeit und Qualität der eigentlichen Behandlung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht. Derjenige Patient, der bestimmte Risikofaktoren erfüllt, die einen Krankenhausaufenthalt erforderlich machen, hätte dann einen Anspruch auf eine Behandlung im stationären Rahmen, obwohl sich für die Wirksamkeit einer bestimmten Methode keine bislang hinreichend wissenschaftlich gefestigten Anhaltspunkte ergeben (so überzeugend: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 01.03.2013 – L 4 KR 351/11, juris-Rn 34). Dieses Ergebnis ist mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) nicht vereinbar.
Soweit das Hessische LSG aus den Leitlinien der Fachgesellschaften eine Erweiterung des Leistungsspektrums der gesetzlichen Krankenversicherung herleitet, lässt sich dies mit der Rechtsprechung des BSG nicht in Einklang bringen. Denn danach bestimmen die Leitlinien der medizinischen Fachgesellschaften den Umfang der Leistungsansprüche der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich nicht (BSG, Urteil vom 30.06.2009 – B 1 KR 5/09 R, juris-Rn 47). Qualität und Wirksamkeit der begehrten Liposutktion zur Behandlung des Lipödems entsprechen nach der Überzeugung des erkennenden Gerichts auch nicht dem Maßstab der evidenzbasierten Medizin. Ausweislich des Gutachtens der Sozialmedizinischen Expertengruppe 7 "Methoden- und Produktbewertung" zum Thema "Liposuktion bei Lip- und Lymphödemen" vom 06.10.2011, zuletzt in der evaluierten Fassung vom 2015, das eine umfassende Auswertung der über den Einsatz von Liposuktion als Methode zur Behandlung von Lipödemen veröffentlichten Studien vornimmt, gab es zum Zeitpunkt der Datenerhebung im Mai 2011 nur zwei kontrollierte Studien, deren Aussagewert nicht ausreichte, um einen langfristigen Nutzen der Liposuktion zu belegen. Alle übrigen im Mai 2011 zugänglichen Veröffentlichungen wiesen einen noch geringeren Aussagewert auf. Daraus folgt, dass die Methode der Liposuktion zur Therapie des Lipödems zu diesem Zeitpunkt noch Gegenstand wissenschaftlicher Diskussion war und weitere randomisierte Studien erforderlich waren, um sie als eine den Kriterien der evidenzbasierten Medizin entsprechende Behandlungsmethode qualifizieren zu können. Daran hat sich nichts geändert (siehe insoweit auch: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 01.03.2013 – L 4 KR 3517/11; Urteil vom 27.04.2012 – L 4 KR 595/11; für das Beihilferecht ebenso: Oberverwaltungsgericht – OVG Lüneburg, Urteil vom 22.01.2013 – 5 LB 50/11, juris-Rn 31). Dies wurde auch vom gerichtlichen Sachverständigen Dr. S. eindrucksvoll belegt.
Dies ergibt sich auch aus dem überzeugenden MDK-Gutachten vom 09.12.2014, in dem die Studienlage und Auswertung des Schrifttums ausführlich dargelegt wurde. Der MDK ist nicht in die Verwaltungseinheit der Krankenkassen eingebunden, sondern institutionell von diesen getrennt (vgl. BSG, Urteil vom 14.12.2009 – B 3 P 5/00 R). Es handelt sich auf Länderebene jeweils um eigenständige Körperschaften des öffentlichen Rechts (§ 278 Abs. 1 SGB V). Um auch den Anschein eines Weisungsverhältnisses zwischen Kranken- oder Pflegekassen und den Ärzten des MDK auszuschließen, stellt § 275 Abs. 5 SGB V ausdrücklich klar, dass die Ärzte des MDK bei der Wahrnehmung ihrer medizinischen Aufgaben nur ihrem ärztlichen Gewissen unterworfen sind. Gutachten des MDK können deshalb auch im gerichtlichen Verfahren verwertet werden (so auch BSG, Beschluss vom 23. Dezember 2004 – B 1 KR 84/04 R, juris-Rn 5). Dies gilt insbesondere dann, wenn sie – wie vorliegend – mit SEG 7-Expertengutachten und gerichtlichen Sachverständigengutachten in Einklang stehen.
Aufgrund dieser – aus Versichertensicht bestenfalls unklaren – Studienlage haben zuletzt zahlreiche Landessozialgerichtssenate einen Anspruch auf Kostenübernahme für eine stationäre Durchführung der Liposuktion selbst bei der gebotenen stationären Erforderlichkeit unter Berufung auf ein Gutachten der sozialmedizinischen Expertengruppe 7 "Methoden- und Produktbewertung" zum Thema "Liposuktion bei Lip- und Lymphödemen", wonach Qualität und Wirksamkeit der Liposuktion zur Behandlung des Lipödems nicht dem Maßstab der evidenzbasierten Medizin entsprechen, vereint (vgl. Landessozialgericht - LSG – Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 30.08.2016 – L 16/1 KR 303/15; LSG Sachsen, Urteil vom 23.07.2015 – L 1 KR 104/15; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 05.02.2015 – L 5 KR 228/13; LSG Hessen, Urteil vom 29.01.2015 – L 8 KR 339/11; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16.01.2014 - L 16 KR 558/13; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 01.03.2013 - L 4 KR 3517/11). Das erkennende Gericht folgt nach eigener Prüfung dieser Rechtsprechung und nimmt auf diese Bezug."
2. Zuletzt kann die Klägerin ihr Klagebegehren auch nicht auf § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V stützen. Ein fiktionsfähiger Antrag lag bei der Beklagten ausweislich des Eingangsstempels am 26.06.2016 vor, sodass die Beklagte, die ein MDK-Gutachten einholte und die die Klägerin hierüber mit Schreiben vom 28.06.2016 unterrichtete, die fünfwöchige Bearbeitungsfrist nach § 13 Abs. 3a Satz 1 und 2 SGB V eingehalten hat. Da die Klägerin bereits mit Schreiben vom 12.07.2016 Widerspruch eingelegt hat, ist sogar erwiesen, dass die Entscheidung der Beklagten der Klägerin noch innerhalb der 5-wöchigen Bearbeitungsfrist zugegangen ist, sodass es auf den Meinungsstreit, ob auf die Absendung oder den Zugang des Verwaltungsaktes abzustellen ist, nicht ankommt.
Anders als die Klägerin meint, wurde von Seiten der Beklagten am 11.07.2016 auch nicht nur über die ambulante Liposuktion entschieden, sondern über alle Anträge, die die Klägerin gestellt hat, denn es heißt dort, dass die "beantragte Behandlung" bzw. "beantragte Liposuktion" nicht übernahmefähig ist. Soweit die Klägerin meint, dass die Beklagte im Rahmen einer Mentalreservation nur die ambulante Liposuktion meinte, ist nicht ersichtlich, worauf sie diese These stützt, schließlich wird in den Gründen der Ablehnungsentscheidung auch die stationäre Liposuktion ausdrücklich angesprochen. Letztlich kann dies aber offen lassen, denn bei der Genehmigungsfiktion kommt es auf den formalen Inhalt des Verwaltungsaktes an. § 13a SGB V konstituiert einen Leistungsanspruch allein aufgrund eines Fristenfehlers der Behörde. Es ist daher folgerichtig bei dieser rein formalen Rechtsposition, die keiner materiell-rechtlichen Prüfung unterliegt, bei dem Entscheidungstenor ebenfalls auf den formalen Inhalt abzustellen. Dies gebietet auch der Grundsatz der Rechtssicherheit. Wenn aber alle beantragten Leistungen von der Krankenkasse abgelehnt werden, besteht kein Raum für eine partielle Nichtbecheidung. Von daher schied auch eine Kostenerstattung aus dem Gesichtspunkt der Genehmigungsfiktion aus.
Ob eine Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a SGB V bei ambulanten und stationären Liposuktionen darüber hinaus ausscheidet, weil diese Behandlungen grundsätzlich nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehören, von den Krankenkassen also allgemein als Sach- oder Dienstleistung nicht zu erbringen sind (so LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.09.2016 – L 4 KR 320/16), braucht das erkennende Gericht nicht zu entscheiden.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Rechtsstreits Rechnung.
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