Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 3 SB 5126/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 2615/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 25.03.2015 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin gegen den Beklagten ein Anspruch auf Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB) sowie auf Feststellung der gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs (Merkzeichen) "aG" (außergewöhnliche Gehbehinderung) zusteht.
Bei der 1947 geborenen Klägerin, deutsche Staatsangehörige, war auf Grundlage eines gerichtlichen Vergleichs vom 30.01.2004 (vgl. Blatt 53 der Beklagtenakte) durch Bescheid des Versorgungsamtes F. vom 24.02.2004 (Blatt 54/55 der Beklagtenakte) ein GdB von 50 festgestellt worden (zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Funktionsbehinderung beider Kniegelenke, Arthrose; Bronchialasthma, Allergie; Psychovegetative Störungen; degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Spinalkanalstenose).
Am 15.06.2010 (Blatt 63/67 der Beklagtenakte) beantragte die Klägerin die höhere (Neu-)Feststellung des GdB sowie die Feststellung Merkzeichen "aG". Unter Auswertung der vorgelegten ärztlichen Unterlagen (Blatt 68/82, 97/101, 107 der Beklagtenakte), eines vom Landratsamt in Auftrag gegebenen Gutachtens des Arztes für Orthopädie Dr. Dr. Schr. vom 27.02.2012 (Blatt 108/121 der Beklagtenakte) sowie unter Berücksichtigung der versorgungsärztlichen Stellungnahmen vom 14.07.2010 (Dr. E. , Blatt 83/84 der Beklagtenakte), vom 02.10.2011 (Dr. K. , Blatt 104/105 der Beklagtenakte) und vom 09.03.2012 (Blatt 122/123 der Beklagtenakte) stellte das Landratsamt E. mit Bescheid vom 12.03.2012 bei der Klägerin einen GdB von 70 seit dem 15.6.2010 (zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Funktionsbehinderung beider Kniegelenke (Einzel-GdB 40); Diabetes mellitus, Adipositas permagna (Einzel-GdB 30); degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Spinalkanalstenose (Einzel-GdB 30); Bronchialasthma, Allergie (Einzel-GdB 20); Psychovegetative Störungen (Einzel-GdB 20); Bluthochdruck (Einzel-GdB 10)) sowie die Merkzeichen "G" und "B" fest. Das Merkzeichen "aG" könne nicht festgestellt werden. Den hiergegen am 02.04.2012 eingelegten Widerspruch (Blatt 128/129 der Beklagtenakte) wies der Beklagte durch das Regierungspräsidium Stuttgart – Landesversorgungsamt - unter Berücksichtigung versorgungsärztlicher Stellungnahmen von Dr. K. vom 15.05.2012 und 13.07.2012 (Blatt 135/136, 140/141 der Beklagtenakte) zurück (Widerspruchsbescheid vom 19.09.2012, Blatt 144/146 der Beklagtenakte).
Mit ihrer am 18.10.2012 beim Sozialgericht (SG) Freiburg erhobenen Klage hat die Klägerin begehrt, den GdB mit mindestens 80 sowie das Merkzeichen "aG" festzustellen.
Das SG Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der behandelnden Ärzte Dr. Wö. (Facharzt für Innere Medizin), Dr. S. (Facharzt für Chirurgie und Sportmedizin), Dr. Wi. (Hausarzt) und Dr. H. (Facharzt für Lungen- und Bronchialheilkunde) als sachverständige Zeugen. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 26/33, 34/51, 52/57 und 59/66 der SG-Akte Bezug genommen.
Nachdem das SG zur mündlichen Verhandlung am 26.03.2014 geladen hatte, hat das SG den Termin wieder aufgehoben, weil die Bevollmächtigten der Klägerin wegen Verhinderung dies beantragt hatten (Blatt 100/107 der SG-Akte). Ein weiterer Termin zur mündlichen Verhandlung am 17.12.2014 wurde von Amts wegen aufgehoben.
Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 25.03.2015 den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 12.03.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.09.2012 verurteilt, bei der Klägerin einen GdB von 80 seit dem 01.10.2012 festzustellen und im Übrigen die Klage abgewiesen.
Der Gerichtsbescheid wurde den Bevollmächtigten der Klägerin, Rechtsanwälte K. , am 30.03.2015 zugestellt (Blatt 136a der SG-Akte).
Die Klägerin hat sich mit Schreiben vom 09.06.2015, am 10.06.2015 beim SG eingegangen (Blatt 137 der SG-Akte) an das SG gewandt. Mit Verärgerung, Wut und Enttäuschung habe sie das Urteil erhalten. Sie sei die Tochter eines Vaters, der während des Krieges in Russland gewesen sei und mit einer schweren Gehirnverletzung zurück gekommen sei, und neu wieder habe lesen und schreiben lernen müssen. 1947 sei sie zur Welt gekommen und sei von Anfang an krank gewesen. Zuerst Neurodermitis (früher Milchschorf) und dann sei Asthma dazu gekommen. Alle anderen Krankheiten könnten den Unterlagen entnommen werden. Außerdem könne sie ja wohl am besten eine Aussage über ihren tatsächlichen Gesundheitszustand machen. Trotz Krankheiten habe sie einen Beruf erlernt, zwei Kinder geboren, sei berufstätig gewesen und habe ständig in die Renten- und Krankenversicherung Beiträge einbezahlt. Sie finde es äußerst unerträglich, sich vor Gericht nicht erklären zu können und dass das SG nicht vor Ort ihren schlechten Gesundheitszustand habe sehen können. Dafür sei solch eine Verhandlung doch da. Schon vor Weihnachten habe das SG einen vereinbarten Termin ohne Angabe von Gründen abgesagt. Sie sei ständig auf den Rollstuhl angewiesen wegen massiver Schmerzen in den Kniegelenken und im Rücken. Deshalb benötige sie einen Behindertenparkplatz. Sie sei ständig zu Hause, könne an Veranstaltungen nicht teilnehmen. Die Lebensqualität sei ihr genommen und in manchen Situationen fehle ihr der Lebenswille.
Das Schreiben der Klägerin wurde am 19.06.2015 dem Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg vorgelegt. Der Senat hat mit Schreiben vom 07.07.2015 (Blatt 20/21 der Senatsakte), der Klägerin am 14.07.2015 (Blatt 21a der Senatsakte) zugestellt, darauf hingewiesen, dass die Berufungsfrist vom 31.03.2015 bis zum 30.04.2015 gelaufen sei, das Schreiben der Klägerin vom 09.06.2015 außerhalb der Berufungsfrist eingegangen sei und eine Berufung daher wegen Fristversäumnis unzulässig sei. Es wurde der Klägerin Gelegenheit gegeben, sich zu den Gründen der verspäteten Berufungseinlegung zu äußern und auf die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei unverschuldeter Fristversäumnis hingewiesen.
Die Klägerin hat mit Schreiben vom 25.07.2015 (Blatt 23 der Senatsakte) ausgeführt, sie wolle gar nicht lange auf das Schreiben des Senats vom 07.07.2015 eingehen. Sie halte nochmals fest, dass sie nach wie vor der Meinung sei, dass ihr die Nutzung des Behindertenstellplatzes zustehe. Aufgrund der bei ihr vorliegenden Behinderungen sei sie nicht in der Lage, Wegstrecken welche im Ortsverkehr üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden können (2 km bei einer Gehzeit von 30 Minuten) zurückzulegen. Die Voraussetzung zur Gewährung des Merkzeichens "G" seien somit gegeben. Sie bitte um Kenntnisnahme und Stellungnahme, am besten mit der Gewährung eines Behindertenausweises mit "G" damit sie einen Behindertenparkplatz nutzen könne, den sie dringend benötige.
Mit Schreiben vom 28.07.2015 (Blatt 24 der Senatsakte) haben Rechtsanwälte K. Akteneinsicht begehrt, die ihnen gewährt wurde (Blatt 25 der Senatsakte).
Die Klägerin führte mit Schreiben vom 05.09.2015 (Blatt 29 der Senatsakte) aus, bis zum heutigen Tag erwarte sie die Stellungnahme des Senats auf ihr Schreiben vom 25.07.2015. Sie habe das Gefühl, dass der Senat nicht an ihren schlechten Gesundheitszustand glaube, sonst würde er ihre Probleme ernst nehmen. Sie weise nochmals daraufhin, dass ein vereinbarter Gerichtstermin ohne Angabe von Gründen abgesagt worden sei. Dort hätte man sich ein Bild über ihren tatsächlich Gesundheitszustand machen können. Sie verlange dass dieser Termin nachgeholt werde, andernfalls werde sie entweder das Bundessozialgericht in Kassel oder das Ministerium für Arbeit und Soziales, Ministerin Andrea Nahles ,in Berlin informieren.
Mit Schreiben vom 07.10.2015 hat der Berichterstatter mitgeteilt, dass die geltend gemachten Gesundheitsbeeinträchtigungen zur Kenntnis genommen worden seien. Die von der Klägerin beauftragte Kanzlei habe zwar Akteneinsicht genommen, die angekündigte Stellungnahme stehe aber noch aus. Außerdem ist der Klägerin unter Hinweis auf das Schreiben vom 07.07.2015 nochmals mitgeteilt worden, dass die Berufung unzulässig sein dürfte, da die Berufungsfrist nicht eingehalten worden sei.
Mit Schreiben vom 20.10.2015 (Blatt 31 der Senatsakte), der Klägerin zugestellt am 23.10.2015 (Blatt 32a der Senatsakte) haben die Bevollmächtigten der Klägerin mitgeteilt, dass das Mandat beendet sei. Dieses Schreiben wurde der Klägerin übersandt (Blatt 31 RS der Senatsakte) und der Klägerin zugleich mit Schreiben vom 21.10.2015 (Blatt 32 der Senatsakte) u.a. mitgeteilt, dass bisher Gründe, die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand anzeigten, nicht vorgebracht worden seien. Der Klägerin wurde Gelegenheit gegeben, sich zu einer Entscheidung durch Beschluss zu äußern.
Die Klägerin hat sich mit Schreiben vom 09.11.2015 (Blatt 34 der Senatsakte) geäußert und u.a. ausgeführt, es solle ihr nachgesehen werden, dass sie die Frist nicht eingehalten habe. Ihr Versäumnis solle nicht als Desinteresse an einer zeitnahen Terminvereinbarung in Ihrem Hause gewertet werden. Ganz im Gegenteil sei es ihr größtes Bedürfnis im einem persönlich Gespräch ihre Gründe für die Beantragung " Erlaubnis zur Nutzung eines Behindertenparkplatz" zu erläutern. Das vorliegende Gutachten über ihren Gesundheitszustand sei mehrere Jahre alt und entspreche nicht mehr dem aktuellen Zustand. Ihre gesundheitliche Situation beruhe inzwischen auf der Tatsache, dass sie permanent für die notwendige Mobilität ständig auf einen Rollstuhl angewiesen sei. Da es für beide Seiten wenig aufbauend sei, ihren schlechten Gesundheitszustand in schriftlicher Form ausführlich zu schildern, vertraue sie auf die fachliche Kompetenz, dass in einem persönlichen Gespräch die Notwendigkeit ihres Anliegens erkannt werde. Der gegenwärtige gesundheitliche Zustand reduziere ihre Lebensqualität auf ein Minimum. Da ihr Mann ebenfalls erkrankt sei (Aneurysma im Kopf) könne sie nicht mehr auf seine Unterstützung (u.a. das Ein- und Ausladen des Rollstuhls) zurückgreifen. Wenn die Nutzung eines Behindertenparkplatzes für sie verwehrt bleibe, sei sie nicht mehr in der Lage, aktiv am Leben teilzunehmen. Deshalb möchte sie höflich wie eindringlich bitten, ihr die Möglichkeit eines Gesprächstermins zu gewähren.
Die Klägerin beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 25.03.2015 abzuändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 12.03.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.09.2012 zu verurteilen, bei ihr das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "aG" seit 01.10.2012 festzustellen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.
Der Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Die Berufung sei nicht fristgemäß erhoben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat wertet das Schreiben der Klägerin vom 09.06.2015, auch wenn es direkt an den Richter des SG gerichtet war, als Berufung. Denn die Klägerin hat sich in diesem Schreiben nicht nur persönlich an diesen gewandt, sondern inhaltlich ausgeführt, den Gerichtsbescheid nicht für richtig zu erachten und weiterhin den schon mit der Klage geltend gemachten Anspruch zu verfolgen. Daher hat der Senat das Schreiben vom 09.06.2015 als Rechtsmittel gegen die in Form eines urteilsersetzenden Gerichtsbescheids ergangene Entscheidung des SG verstanden.
Diese Berufung ist zwar gegen den Gerichtsbescheid statthaft (§ 144 SGG) und formgerecht eingelegt, (§ 151 Abs. 1 und 2 SGG), dennoch ist sie unzulässig. Denn nach § 151 Abs. 1 SGG ist die Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Vorliegend war der Gerichtsbescheid des SG mit einer zutreffenden Rechtsmittelbelehrung versehen und den Bevollmächtigten der Klägerin am 30.03.2015 zugestellt worden. Die Berufungsfrist lief daher vom 31.03.2015 bis zum 30.04.2015. Die am 10.06.2015 beim SG eingegangene Berufung war somit außerhalb dieser einmonatigen Berufungsfrist eingegangen und daher verfristet.
Gründe, die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand i.S.d. § 67 SGG anzeigen, hat die Klägerin – trotz entsprechender schriftlicher Aufforderung durch den Senat – nicht vorgebracht. Solche sind auch für den Senat nicht ersichtlich. Allein die im Schreiben vom 09.11.2015 geäußert Bitte der Klägerin, die Fristversäumnis nachzusehen, es sei keine Nachlässigkeit gewesen, begründet keinen Anhalt für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und macht auch nicht glaubhaft, dass die Berufungsfrist unverschuldet versäumt worden war. Außerdem ist auch die Monatsfrist (§ 67 Abs. 2 S. 1 SGG) zur Geltendmachung der Wiedereinsetzung nicht eingehalten, denn spätestens mit Zugang des richterlichen Hinweisschreibens vom 07.07.2015 ist diese Frist in Lauf gesetzt worden. Dies gilt insbesondere für die Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, der Gerichtsbescheid habe sie so belastet, dass sie ihn weggelegt habe. Damit macht die Klägerin aber auch keinen Grund glaubhaft, der eine unverschuldete Fristversäumung annehmen lässt. Denn gesundheitliche Gründe wurden erstmals in der mündlichen Verhandlung behauptet, sind nicht ärztlicherseits dokumentiert und erstmals nach Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist vorgebracht. Damit war Wiedereinsetzung in den Lauf der Berufungsfrist nicht zu gewähren.
Die Berufung ist mangels fristgerechter Berufungseinlegung unzulässig. Daher war es dem Senat auch verwehrt, in der Sache das Begehren der Klägerin zu prüfen und darüber zu entscheiden. Insoweit wird am Rande der Entscheidung darauf hingewiesen, dass die Klägerin jederzeit berechtigt ist, einen neuen Antrag beim zuständigen Landratsamt zu stellen.
Die Berufung war daher als unzulässig zu verwerfen
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin gegen den Beklagten ein Anspruch auf Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB) sowie auf Feststellung der gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs (Merkzeichen) "aG" (außergewöhnliche Gehbehinderung) zusteht.
Bei der 1947 geborenen Klägerin, deutsche Staatsangehörige, war auf Grundlage eines gerichtlichen Vergleichs vom 30.01.2004 (vgl. Blatt 53 der Beklagtenakte) durch Bescheid des Versorgungsamtes F. vom 24.02.2004 (Blatt 54/55 der Beklagtenakte) ein GdB von 50 festgestellt worden (zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Funktionsbehinderung beider Kniegelenke, Arthrose; Bronchialasthma, Allergie; Psychovegetative Störungen; degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Spinalkanalstenose).
Am 15.06.2010 (Blatt 63/67 der Beklagtenakte) beantragte die Klägerin die höhere (Neu-)Feststellung des GdB sowie die Feststellung Merkzeichen "aG". Unter Auswertung der vorgelegten ärztlichen Unterlagen (Blatt 68/82, 97/101, 107 der Beklagtenakte), eines vom Landratsamt in Auftrag gegebenen Gutachtens des Arztes für Orthopädie Dr. Dr. Schr. vom 27.02.2012 (Blatt 108/121 der Beklagtenakte) sowie unter Berücksichtigung der versorgungsärztlichen Stellungnahmen vom 14.07.2010 (Dr. E. , Blatt 83/84 der Beklagtenakte), vom 02.10.2011 (Dr. K. , Blatt 104/105 der Beklagtenakte) und vom 09.03.2012 (Blatt 122/123 der Beklagtenakte) stellte das Landratsamt E. mit Bescheid vom 12.03.2012 bei der Klägerin einen GdB von 70 seit dem 15.6.2010 (zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Funktionsbehinderung beider Kniegelenke (Einzel-GdB 40); Diabetes mellitus, Adipositas permagna (Einzel-GdB 30); degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Spinalkanalstenose (Einzel-GdB 30); Bronchialasthma, Allergie (Einzel-GdB 20); Psychovegetative Störungen (Einzel-GdB 20); Bluthochdruck (Einzel-GdB 10)) sowie die Merkzeichen "G" und "B" fest. Das Merkzeichen "aG" könne nicht festgestellt werden. Den hiergegen am 02.04.2012 eingelegten Widerspruch (Blatt 128/129 der Beklagtenakte) wies der Beklagte durch das Regierungspräsidium Stuttgart – Landesversorgungsamt - unter Berücksichtigung versorgungsärztlicher Stellungnahmen von Dr. K. vom 15.05.2012 und 13.07.2012 (Blatt 135/136, 140/141 der Beklagtenakte) zurück (Widerspruchsbescheid vom 19.09.2012, Blatt 144/146 der Beklagtenakte).
Mit ihrer am 18.10.2012 beim Sozialgericht (SG) Freiburg erhobenen Klage hat die Klägerin begehrt, den GdB mit mindestens 80 sowie das Merkzeichen "aG" festzustellen.
Das SG Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der behandelnden Ärzte Dr. Wö. (Facharzt für Innere Medizin), Dr. S. (Facharzt für Chirurgie und Sportmedizin), Dr. Wi. (Hausarzt) und Dr. H. (Facharzt für Lungen- und Bronchialheilkunde) als sachverständige Zeugen. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 26/33, 34/51, 52/57 und 59/66 der SG-Akte Bezug genommen.
Nachdem das SG zur mündlichen Verhandlung am 26.03.2014 geladen hatte, hat das SG den Termin wieder aufgehoben, weil die Bevollmächtigten der Klägerin wegen Verhinderung dies beantragt hatten (Blatt 100/107 der SG-Akte). Ein weiterer Termin zur mündlichen Verhandlung am 17.12.2014 wurde von Amts wegen aufgehoben.
Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 25.03.2015 den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 12.03.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.09.2012 verurteilt, bei der Klägerin einen GdB von 80 seit dem 01.10.2012 festzustellen und im Übrigen die Klage abgewiesen.
Der Gerichtsbescheid wurde den Bevollmächtigten der Klägerin, Rechtsanwälte K. , am 30.03.2015 zugestellt (Blatt 136a der SG-Akte).
Die Klägerin hat sich mit Schreiben vom 09.06.2015, am 10.06.2015 beim SG eingegangen (Blatt 137 der SG-Akte) an das SG gewandt. Mit Verärgerung, Wut und Enttäuschung habe sie das Urteil erhalten. Sie sei die Tochter eines Vaters, der während des Krieges in Russland gewesen sei und mit einer schweren Gehirnverletzung zurück gekommen sei, und neu wieder habe lesen und schreiben lernen müssen. 1947 sei sie zur Welt gekommen und sei von Anfang an krank gewesen. Zuerst Neurodermitis (früher Milchschorf) und dann sei Asthma dazu gekommen. Alle anderen Krankheiten könnten den Unterlagen entnommen werden. Außerdem könne sie ja wohl am besten eine Aussage über ihren tatsächlichen Gesundheitszustand machen. Trotz Krankheiten habe sie einen Beruf erlernt, zwei Kinder geboren, sei berufstätig gewesen und habe ständig in die Renten- und Krankenversicherung Beiträge einbezahlt. Sie finde es äußerst unerträglich, sich vor Gericht nicht erklären zu können und dass das SG nicht vor Ort ihren schlechten Gesundheitszustand habe sehen können. Dafür sei solch eine Verhandlung doch da. Schon vor Weihnachten habe das SG einen vereinbarten Termin ohne Angabe von Gründen abgesagt. Sie sei ständig auf den Rollstuhl angewiesen wegen massiver Schmerzen in den Kniegelenken und im Rücken. Deshalb benötige sie einen Behindertenparkplatz. Sie sei ständig zu Hause, könne an Veranstaltungen nicht teilnehmen. Die Lebensqualität sei ihr genommen und in manchen Situationen fehle ihr der Lebenswille.
Das Schreiben der Klägerin wurde am 19.06.2015 dem Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg vorgelegt. Der Senat hat mit Schreiben vom 07.07.2015 (Blatt 20/21 der Senatsakte), der Klägerin am 14.07.2015 (Blatt 21a der Senatsakte) zugestellt, darauf hingewiesen, dass die Berufungsfrist vom 31.03.2015 bis zum 30.04.2015 gelaufen sei, das Schreiben der Klägerin vom 09.06.2015 außerhalb der Berufungsfrist eingegangen sei und eine Berufung daher wegen Fristversäumnis unzulässig sei. Es wurde der Klägerin Gelegenheit gegeben, sich zu den Gründen der verspäteten Berufungseinlegung zu äußern und auf die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei unverschuldeter Fristversäumnis hingewiesen.
Die Klägerin hat mit Schreiben vom 25.07.2015 (Blatt 23 der Senatsakte) ausgeführt, sie wolle gar nicht lange auf das Schreiben des Senats vom 07.07.2015 eingehen. Sie halte nochmals fest, dass sie nach wie vor der Meinung sei, dass ihr die Nutzung des Behindertenstellplatzes zustehe. Aufgrund der bei ihr vorliegenden Behinderungen sei sie nicht in der Lage, Wegstrecken welche im Ortsverkehr üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden können (2 km bei einer Gehzeit von 30 Minuten) zurückzulegen. Die Voraussetzung zur Gewährung des Merkzeichens "G" seien somit gegeben. Sie bitte um Kenntnisnahme und Stellungnahme, am besten mit der Gewährung eines Behindertenausweises mit "G" damit sie einen Behindertenparkplatz nutzen könne, den sie dringend benötige.
Mit Schreiben vom 28.07.2015 (Blatt 24 der Senatsakte) haben Rechtsanwälte K. Akteneinsicht begehrt, die ihnen gewährt wurde (Blatt 25 der Senatsakte).
Die Klägerin führte mit Schreiben vom 05.09.2015 (Blatt 29 der Senatsakte) aus, bis zum heutigen Tag erwarte sie die Stellungnahme des Senats auf ihr Schreiben vom 25.07.2015. Sie habe das Gefühl, dass der Senat nicht an ihren schlechten Gesundheitszustand glaube, sonst würde er ihre Probleme ernst nehmen. Sie weise nochmals daraufhin, dass ein vereinbarter Gerichtstermin ohne Angabe von Gründen abgesagt worden sei. Dort hätte man sich ein Bild über ihren tatsächlich Gesundheitszustand machen können. Sie verlange dass dieser Termin nachgeholt werde, andernfalls werde sie entweder das Bundessozialgericht in Kassel oder das Ministerium für Arbeit und Soziales, Ministerin Andrea Nahles ,in Berlin informieren.
Mit Schreiben vom 07.10.2015 hat der Berichterstatter mitgeteilt, dass die geltend gemachten Gesundheitsbeeinträchtigungen zur Kenntnis genommen worden seien. Die von der Klägerin beauftragte Kanzlei habe zwar Akteneinsicht genommen, die angekündigte Stellungnahme stehe aber noch aus. Außerdem ist der Klägerin unter Hinweis auf das Schreiben vom 07.07.2015 nochmals mitgeteilt worden, dass die Berufung unzulässig sein dürfte, da die Berufungsfrist nicht eingehalten worden sei.
Mit Schreiben vom 20.10.2015 (Blatt 31 der Senatsakte), der Klägerin zugestellt am 23.10.2015 (Blatt 32a der Senatsakte) haben die Bevollmächtigten der Klägerin mitgeteilt, dass das Mandat beendet sei. Dieses Schreiben wurde der Klägerin übersandt (Blatt 31 RS der Senatsakte) und der Klägerin zugleich mit Schreiben vom 21.10.2015 (Blatt 32 der Senatsakte) u.a. mitgeteilt, dass bisher Gründe, die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand anzeigten, nicht vorgebracht worden seien. Der Klägerin wurde Gelegenheit gegeben, sich zu einer Entscheidung durch Beschluss zu äußern.
Die Klägerin hat sich mit Schreiben vom 09.11.2015 (Blatt 34 der Senatsakte) geäußert und u.a. ausgeführt, es solle ihr nachgesehen werden, dass sie die Frist nicht eingehalten habe. Ihr Versäumnis solle nicht als Desinteresse an einer zeitnahen Terminvereinbarung in Ihrem Hause gewertet werden. Ganz im Gegenteil sei es ihr größtes Bedürfnis im einem persönlich Gespräch ihre Gründe für die Beantragung " Erlaubnis zur Nutzung eines Behindertenparkplatz" zu erläutern. Das vorliegende Gutachten über ihren Gesundheitszustand sei mehrere Jahre alt und entspreche nicht mehr dem aktuellen Zustand. Ihre gesundheitliche Situation beruhe inzwischen auf der Tatsache, dass sie permanent für die notwendige Mobilität ständig auf einen Rollstuhl angewiesen sei. Da es für beide Seiten wenig aufbauend sei, ihren schlechten Gesundheitszustand in schriftlicher Form ausführlich zu schildern, vertraue sie auf die fachliche Kompetenz, dass in einem persönlichen Gespräch die Notwendigkeit ihres Anliegens erkannt werde. Der gegenwärtige gesundheitliche Zustand reduziere ihre Lebensqualität auf ein Minimum. Da ihr Mann ebenfalls erkrankt sei (Aneurysma im Kopf) könne sie nicht mehr auf seine Unterstützung (u.a. das Ein- und Ausladen des Rollstuhls) zurückgreifen. Wenn die Nutzung eines Behindertenparkplatzes für sie verwehrt bleibe, sei sie nicht mehr in der Lage, aktiv am Leben teilzunehmen. Deshalb möchte sie höflich wie eindringlich bitten, ihr die Möglichkeit eines Gesprächstermins zu gewähren.
Die Klägerin beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 25.03.2015 abzuändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 12.03.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.09.2012 zu verurteilen, bei ihr das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "aG" seit 01.10.2012 festzustellen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.
Der Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Die Berufung sei nicht fristgemäß erhoben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat wertet das Schreiben der Klägerin vom 09.06.2015, auch wenn es direkt an den Richter des SG gerichtet war, als Berufung. Denn die Klägerin hat sich in diesem Schreiben nicht nur persönlich an diesen gewandt, sondern inhaltlich ausgeführt, den Gerichtsbescheid nicht für richtig zu erachten und weiterhin den schon mit der Klage geltend gemachten Anspruch zu verfolgen. Daher hat der Senat das Schreiben vom 09.06.2015 als Rechtsmittel gegen die in Form eines urteilsersetzenden Gerichtsbescheids ergangene Entscheidung des SG verstanden.
Diese Berufung ist zwar gegen den Gerichtsbescheid statthaft (§ 144 SGG) und formgerecht eingelegt, (§ 151 Abs. 1 und 2 SGG), dennoch ist sie unzulässig. Denn nach § 151 Abs. 1 SGG ist die Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Vorliegend war der Gerichtsbescheid des SG mit einer zutreffenden Rechtsmittelbelehrung versehen und den Bevollmächtigten der Klägerin am 30.03.2015 zugestellt worden. Die Berufungsfrist lief daher vom 31.03.2015 bis zum 30.04.2015. Die am 10.06.2015 beim SG eingegangene Berufung war somit außerhalb dieser einmonatigen Berufungsfrist eingegangen und daher verfristet.
Gründe, die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand i.S.d. § 67 SGG anzeigen, hat die Klägerin – trotz entsprechender schriftlicher Aufforderung durch den Senat – nicht vorgebracht. Solche sind auch für den Senat nicht ersichtlich. Allein die im Schreiben vom 09.11.2015 geäußert Bitte der Klägerin, die Fristversäumnis nachzusehen, es sei keine Nachlässigkeit gewesen, begründet keinen Anhalt für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und macht auch nicht glaubhaft, dass die Berufungsfrist unverschuldet versäumt worden war. Außerdem ist auch die Monatsfrist (§ 67 Abs. 2 S. 1 SGG) zur Geltendmachung der Wiedereinsetzung nicht eingehalten, denn spätestens mit Zugang des richterlichen Hinweisschreibens vom 07.07.2015 ist diese Frist in Lauf gesetzt worden. Dies gilt insbesondere für die Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, der Gerichtsbescheid habe sie so belastet, dass sie ihn weggelegt habe. Damit macht die Klägerin aber auch keinen Grund glaubhaft, der eine unverschuldete Fristversäumung annehmen lässt. Denn gesundheitliche Gründe wurden erstmals in der mündlichen Verhandlung behauptet, sind nicht ärztlicherseits dokumentiert und erstmals nach Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist vorgebracht. Damit war Wiedereinsetzung in den Lauf der Berufungsfrist nicht zu gewähren.
Die Berufung ist mangels fristgerechter Berufungseinlegung unzulässig. Daher war es dem Senat auch verwehrt, in der Sache das Begehren der Klägerin zu prüfen und darüber zu entscheiden. Insoweit wird am Rande der Entscheidung darauf hingewiesen, dass die Klägerin jederzeit berechtigt ist, einen neuen Antrag beim zuständigen Landratsamt zu stellen.
Die Berufung war daher als unzulässig zu verwerfen
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
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