S 10 R 1090/15 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 10 R 1090/15 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 12.12.2014 in Gestalt des Widerspruchs¬bescheides vom 02.05.2015 wird abgelehnt. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I.

Im Streit ist die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 12.12.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.05.2015, mit dem für den Zeitraum vom 01.02.2013 bis zum 31.12.2013 für die Tätigkeit des Herrn Ali L. Sozialversicherungsbeiträge und Umlagen in einer Gesamthöhe von 8.702,87 EUR sowie Säumniszuschläge in Höhe von 1.389,50 EUR nachgefordert wer¬den.

Der Antragsteller ist alleiniger Inhaber eines Autoverwertungsunternehmens, das er als Ein¬zelunternehmer führt. Der Antragsteller schloss mit Herrn Ali L. am 01.02.2013 einen "Arbeitsvertrag", der von dem Antragsteller als "der Arbeitgeber" und von Herrn L. als "der Arbeitnehmer" unterschrieben wurde. Der Arbeitsvertrag, der mit Wirkung zum 01.02.2013 in Kraft trat, enthielt u. a. folgende Regelungen:

§ 1 Aufgabenbereich

Herr L. übernimmt ab dem 01.02.2013 im Unternehmen die Zuständigkeit im kaufmännischen und praktischen Bereich, Kundenverkehr usw. und stellt dem Unternehmen seine volle Arbeitskraft und sein ganzes Wissen und Können zur Verfügung. Aufgrund der familienhaften Rücksichtnahme zwischen den Vertragsparteien und der Berücksichtigung des Betriebswohles werden Herrn L. ausdrücklich keine Weisungen zur Ausführung der Tätigkeit hinsichtlich Zeit, Ort, Art und Weise der Tätigkeit erteilt.

§ 2 Arbeitszeit

Herr L. unterliegt keinen festen Arbeitszeiten und kann sich unter Berücksichtigung der Unternehmensbelange die Arbeitszeit selbst einteilen.

§ 3 Gehalt

(1) Herr L. erhält als Gehalt einen monatlichen Betrag in Höhe von 1.900 EUR. Die Auszahlung des monatlichen Gehalts erfolgt zum Monatsende bargeldlos. (2) Für etwaig geleistete Überstunden erfolgt im Hinblick auf die Unterstützung des Familienbetriebes keine gesonderte Vergütung; Überstunden gelten mit der unter Abs. (1) dieses Paragraphen vereinbarten Vergütung als abgegolten. (3) Im Falle des Wegfalles der Arbeitsleistung infolge von Krankheit besteht der Anspruch auf Weitergewährung der Gehaltszahlung.

§ 4 Sonderzuwendungen

Gratifikationen und sonstige Sonderzahlungen sind streng von der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens abhängig und sind daher als freiwillige und widerrufliche Leistungen des Unternehmens anzusehen.

§ 5 Urlaub

Die Anzahl der Urlaubstage werden anhand der wirtschaftlichen Unternehmenslage jährlich neu geregelt und nach Absprache durchgeführt.

Herr L. war bis zum 31.12.2012 bei der A. in Stadt D. pflichtversichert. Am 26.10.2012 stellte er bei der B. einen Antrag auf Mitgliedschaft bei Versicherungspflicht, wobei er angab, Arbeitnehmer zu sein. Am 10.12.2012 beantragte die a.ag bei der B. im Auftrag und unter Vorlage einer Vollmacht des Antragstellers eine Überprüfung der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung der Tätigkeit des Herrn Ali L. für den Antragsteller. Die a.ag vertrat die Ansicht, Herr L. sei nicht sozialversicherungspflichtig, da er absolut nicht weisungsgebunden sei, seine umfangreiche Tätigkeit völlig frei bestimme und für seinen Aufgabenbereich seit vielen Jahren eigenständig verantwortlich sei. Herr L. sei absolut gleichwertiger Partner im Betrieb und setze sich ganz und gar für das Wohl des Unternehmens ein. In dem beigefügten von Herrn L. unterschriebenen Fest¬stellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen wird ausgeführt, dass Herr L. der Schwiegersohn des Antragstellers sei und er den Beruf des Kfz-Mechatronikers erlernt habe. Die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit betrage an fünf Arbeitstagen 45 bzw. 50 Stunden. Die Tätigkeit werde im Betrieb, bei Kunden oder bei Lieferanten ausgeübt. In einer anliegenden Tätigkeitsbeschreibung wird dargelegt, dass Herr L. die Tätigkeit tatsächlich ausübe, aber nicht wie eine fremde Arbeitskraft eingegliedert sei, sondern einen weitaus höheren Stand im Unternehmen habe. Seine Aufgaben seien weitaus umfassender und verantwortungsvoller als die einer fremden Arbeitskraft. Aufgrund der Tatsache, dass Herr L. seit Oktober 2007 das Unternehmen begleite, seien alle Entscheidungen von ihm mit getroffen worden, d. h. die gesamte gravierende Umstrukturierung im Betrieb sei gemeinsam mit ihm getroffen und ausgeführt worden.

In einem an Herrn L. gerichteten Schreiben der B. vom 14.12.2012 wird ausgeführt, dass Herr L. seit dem 01.01.2013 Mitglied der B. sei und dass zu einer kom¬petenten und kundenorientierten Betreuung die Beratung in versicherungsrechtlichen Fragestellungen gehöre. Grundsätzlich würden durch verwandtschaftliche Beziehungen versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse nicht ausgeschlossen. Die Mitarbeit eines Angehörigen in Gleichstellung zum Betriebsinhaber oder die Mitarbeit auf familienrechtlicher Basis begründe jedoch kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Vorbehaltlich einer abschließenden versicherungsrechtlichen Beurteilung könne nach den vorliegenden Unterlagen und Informationen davon ausgegangen werden, dass es sich bei der Tätigkeit des Herrn L. in der Firma A. B. Autoverwertung ab dem 01.02.2013 um eine sozialversicherungsfreie Tätigkeit handeln würde. In diesem Fall sei die Abmeldung zur So¬zialversicherung durch den Arbeitgeber zum 31.01.2013 erforderlich. Für die weitere Versicherung des Herrn L. ab dem 01.02.2013 würden weitere Unterlagen wie z. B. ein Mit¬gliedsantrag für freiwillig Versicherte benötigt.

Mit einem an Herrn L. gerichteten Bescheid vom 11.02.2013 stellte die B. fest, dass in der Beschäftigung bei der Firma Autoverwertung A. B. ab dem 01.02.2013 keine Versicherungspflicht zur Sozialversicherung bestehe, da es sich nicht um ein abhängiges versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis handele. Zwar spreche der Umstand, dass das Arbeitsentgelt als Betriebsausgabe verbucht werde und von dem Arbeitsentgelt Lohnsteuer entrichtet werde, für ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis. Jedoch würden die überwiegenden Kriterien für eine selbständige Tätigkeit sprechen. Herr L. wirke an der Führung des Betriebes mit, seine Mitarbeit sei aufgrund von familienhaften Rücksichtnahmen durch ein gleichberechtigtes Nebeneinander zum Betriebsinhaber geprägt. Er könne seine Tätigkeit frei bestimmen und gestalten und unterliege nicht dem Direktionsrecht des Arbeitgebers. Herr L. sei nicht wie eine fremde Arbeitskraft in den Betrieb eingegliedert. Liege eine Eingliederung in den Betrieb und eine Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers nicht vor, sei von einer familien¬haften Mitarbeit bzw. selbständigen Tätigkeit auszugehen. Dieser Sachverhalt werde durch die Tatsache belegt, dass die Tätigkeit gemäß der vertraglichen Vereinbarung vom 01.02.2013 weisungsfrei ausgeübt werde. Nach Prüfung aller Gegebenheiten des Einzelfalles sei Herr L. ab dem 01.02.2013 selbständig erwerbstätig.

Gegen diesen Bescheid, der der Deutschen Rentenversicherung Bund erst im Rahmen einer Sonderprüfung nach § 28 q SGB IV durch Übersendung von Dateien auf einer CD am 02.05.2014 bekannt geworden ist, hat die Deutsche Rentenversicherung Bund am 23.05.2014 beim Sozialgericht B. Klage erhoben (Az.: S 71 KR xxx/14). Die Deutsche Rentenversicherung Bund ist der Auffassung, dass sie als gesetzlich ermächtigte Einzugsstellenprüferin (§ 28 q SGB IV) sowohl formell als auch materiell durch den Bescheid der B. im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert sei. Die B. sei für die Entscheidung über Versicherungsfreiheit bzw. Versicherungspflicht bezüglich der Tätigkeit des Herrn L. für den Antragsteller nicht zuständig gewesen, da bei beschäftigten Ehegatten, Lebenspartnern, Angehörigen und geschäftsführenden GmbH-Gesellschaftern es allein der Deutschen Rentenversicherung Bund obliegen würde, die inhaltliche Richtigkeit der Meldung nach § 28 a SGB IV zu prüfen. Wenn die Auswertung der Meldung ggf. im Zusammenhang mit dem Feststellungsbogen durch die Einzugsstelle ergebe, dass ein entsprechender Sachverhalt vorliege, sei dieser unmittelbar an die Clearingstelle zur Entscheidung weiterzuleiten. Die B. habe durch den Erlass des Feststellungsbescheides vom 11.02.2013 in das gemäß § 7 a Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 SGB IV ausschließlich der Clearingstelle zustehende Recht zur Prüfung der Richtigkeit der Meldung nach § 28 a SGB IV im Rahmen des obligatorischen Anfrageverfahrens eingegriffen, so dass der Bescheid vom 11.02.2013 bereits deshalb rechtswidrig sei, weil er von der hierfür nicht zuständigen Behörde erlassen worden sei. Im Übrigen sei auch die mit dem Bescheid vom 11.02.2013 vorgenommene sozialversicherungsrechtliche Beurteilung rechtswidrig, da allein der Einzelunternehmer das Unternehmerrisiko trage und die Geschäftsführung innehabe, so dass Herr L. nicht die Rechtsmacht habe, weisungsfrei im Einzelunternehmen tätig zu sein. Aus diesen Gründen liege eine abhängige Beschäftigung des Herrn L. vor. Das Sozialgericht B. hat mit Beschluss vom 19.06.2015 im Hinblick auf einen vor dem Landessozialgericht B.-B. anhängigen Rechtsstreit (Az.: L 1 KR xxx/15) das Ruhen des Verfahrens angeordnet.

Der Einzugsstellenprüfdienst der Deutschen Rentenversicherung Bund hatte die Antragsgegnerin am 04.06.2014 über den Bescheid der B. vom 11.02.2013 und die Ergebnisse ihrer Überprüfung informiert. Die Antragsgegnerin führte daraufhin in der Zeit vom 22.09. bis zum 04.11.2014 bei der Autoverwertung B. eine Betriebsprüfung durch. Mit einem an Herrn L. gerichteten Bescheid vom 11.12.2014 hob sie den Bescheid der B. vom 11.02.2013 mit Wirkung für die Vergangenheit ab dem 01.02.2013 nach § 45 SGB X auf, nachdem Herr L., der Antragsteller und die B. zuvor angehört worden waren. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Bescheid vom 11.02.2013 rechtswidrig sei, weil Herr L. seit dem 01.02.2013 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses für den Antragsteller tätig sei und Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung vorliege. Im Falle der Beschäftigung bei Angehörigen seien bezüglich der Versicherungspflicht die gleichen Grundsätze zu beachten, die auch für jedes andere Beschäftigungsverhältnis gelten würden. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung unterscheide sich die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung einer Erwerbstätigkeit im Einzelunternehmen eines Familienangehörigen nicht wesentlich von der Erwerbstätigkeit in einer Familien-GmbH. Danach komme es für die selbständige Tätigkeit neben dem erforderlichen Unternehmerrisiko maßgeblich auch auf die Rechtsmacht an. Allein eine faktische Machtposition, die vom Bundessozialgericht als Schönwetter-Selbständigkeit bezeichnet werde, reiche für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit nicht aus. Im Rahmen der Betriebsprüfung sei festgestellt worden, dass Herr L., der Schwiegersohn des Inhabers der Einzelfirma keinerlei rechtliche Machtposition ausübe und von den Entscheidungen des Betriebsinhabers abhängig sei. Das Kriterium der familienhaften Rücksichtnahme sei von der höchstrichterlichen Rechtsprechung verworfen worden. Die Entscheidung über die Rücknahme des Bescheides der Einzugsstelle sei nach pflichtgemäßem Ermessen getroffen worden. Auf Vertrauen könne sich Herr L. nicht berufen, da der Einzugsstellenprüfdienst der Deutschen Rentenversicherung ermittelt habe, dass bei Fortsetzung der freiwilligen Krankenversicherung bei der Einzugsstelle ein Gefälligkeitsbescheid mit dem Ergebnis der nicht abhängigen Beschäftigung und damit der Versicherungsfreiheit zu allen Zweigen der Sozialversicherung in einer Vielzahl von Fällen nach gleichbleibendem Muster erlassen worden sei.

Am 12.12.2014 erging nach vorheriger Anhörung ein Bescheid der Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller, mit dem aufgrund der in der Zeit vom 22.09.2014 bis zum 12.11.2014 durchgeführten Betriebsprüfung Sozialversicherungsbeiträge und Umlagen in Höhe von 8.702,87 EUR nachgefordert und Säumniszuschläge in Höhe von 1.389,50 EUR erhoben wurden. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass für den Zeitraum vom 01.02.2013 bis zum 31.12.2013 Sozialversicherungsbeiträge für die Tätigkeit des Herrn L. bei dem Antragsteller nachzuerheben seien, weil es sich um ein abhängiges und damit versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis handele. Im Rahmen der Betriebsprüfung sei festgestellt worden, dass Herr L. (Schwiegersohn des Betriebsinhabers der Einzelfirma) keinerlei rechtliche Machtposition ausübe und von den Entscheidungen des Betriebsinhabers abhängig sei. Das Kriterium der familienhafte Rücksichtnahme sei durch die höchstrichterliche Rechtsprechung bereits im Jahre 2012 verworfen worden. Die Entscheidung der zuständigen Einzugsstelle vom 11.02.2013 sei mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 11.12.2014 gemäß § 45 SGB X aufgehoben worden. Folglich bestehe für Herrn L. für die Zeit ab dem 01.02.2013 bis laufend ein abhängiges und somit versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis.

Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller am 12.01.2015 Widerspruch und trug zur Begründung vor, Herr L. führe im Betrieb des Antragstellers eine unternehmensführende Funktion aus, so dass eine selbständige Tätigkeit vorliege. Herr L. arbeite bereits seit dem Jahr 2007 für seinen Schwiegervater, den Antragsteller als Betriebsinhaber. Es handele sich um ein rein familiär geprägtes Unternehmen, in dem nur der Antragsteller als Betriebsinhaber und ein weiterer Mitarbeiter tätig seien. Der Antragsteller und Herr L. würden eigenverantwortlich und vollständig unternehmensgleich handeln. Herr L. übe weitgehende unternehmerische Befugnisse aus und besitze entsprechende Handlungsvollmachten. Der Betrieb sei damit faktisch sein eigener Betrieb. Das Unternehmen werde als Familienunternehmen geführt, bei dem gerade die familiäre Verbundenheit im Vordergrund stehe. In diesem Zusammenhang sei auch die unternehmensbezogene Ausbildung des Herrn L. als Kfz-Mechatroniker zu berücksichtigen. Herr L. könne seine Tätigkeit und Arbeitszeit frei gestalten und unterliege nicht den Weisungen des Antragstellers. Unternehmensentscheidungen würden bei dem Antragsteller im Wege der einvernehmlichen Zusammenarbeit getroffen und entstehende Konflikte im Wege des Kompromisses und Vergleiches gelöst. Die zukünftige Übertragung des Betriebes auf Herrn L. sei mit dem absehbaren altersbedingten Ausscheiden des Antragstellers vorgesehen. Der Nachforderung der Sozialversicherungsbeiträge stehe auch entgegen, dass der Bescheid der B. formell nicht wirksam aufgehoben sei, mit dem festgestellt worden sei, dass kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis und keine Versicherungspflicht zur Sozialversicherung bestehe. Der Antragsteller habe darauf vertrauen können, dass die B. als Einzugsstelle eine rechtmäßige Prüfung und Beurteilung vorgenommen habe.

Der Antragsteller beantragte gleichzeitig die Aussetzung der sofortigen Vollziehung des Be¬scheides. Die Antragsgegnerin lehnte diesen Antrag mit Schreiben vom 26.02.2015 ab und führte zur Begründung aus, auch unter Berücksichtigung der im Widerspruchsverfahren vorgebrachten Gründe bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides. Die Vollziehung des Bescheides habe für den Antragsteller keine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge.

Die Antragsgegnerin wies den Widerspruch des Antragstellers mit Bescheid vom 02.07.2015 mit der Begründung zurück, die im Widerspruchsverfahren vorgebrachten Ausführungen hätten zu keinen neuen Erkenntnissen geführt. Der Bescheid der B. sei zu Recht nach § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X gegenüber Herrn L. aufgehoben worden.

Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller am 04.08.2015 Klage vor dem Sozialgericht D. (Az.: S 10 R xxx/15) erhoben. Mit einem am 30.09.2015 eingegangenen Schrift¬satz hat er die Anordnung der aufschiebenden Wirkung geltend gemacht. Der Antragsteller ist der Auffassung, die geltend gemachte Nachforderung der vermeintlich rückständigen Beiträge in Höhe von 10.092,37 EUR stelle einen erheblichen wirtschaftlichen Eingriff in die Liquiditätssituation seines Unternehmens dar, die zu erheblichen Belastungen führe. Er sei von der Ein-zugsstelle aufgefordert worden, die rückständigen Beiträge zu zahlen. Die Beurteilung der Antragsgegnerin, dass ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliege, sei nicht rechtmäßig, da Herr L. als Schwiegersohn des Antragstellers als mitarbeitender Familienangehöriger eine unternehmergleiche, selbständige Stellung einnehme. Die rein formelle Unternehmerstellung des Antragstellers sei in den besonderen, hier gelebten Verhältnissen eines kleinen Familienbetriebes von untergeordneter Bedeutung. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass die Tätigkeit des Herrn L. darauf ausgerichtet sei, den Betrieb in Kürze mit dem Ausscheiden des Antragstellers eigenverantwortlich und auch formell eigenständig zu führen. Der Bescheid vom 12.12.2014 sei auch insoweit rechtswidrig, als die Antragsgegnerin mittelbar gegenüber dem Antragsteller die seitens der B. mit Bescheid vom 11.02.2013 gewährte Befreiung von der Sozialversicherungspflicht des Herrn L. rückwirkend ab dem 01.02.2013 aufgehoben habe. Der Antragsteller habe darauf vertrauen dürfen, dass die B. eine sorgfältige Prüfung der Versicherungspflicht vornimmt und eine rechtmäßige Entscheidung trifft. Der Antragsteller habe weder Kenntnis noch grob fahrlässige Unkenntnis von einer Rechtswidrigkeit des Bescheides der B. gehabt.

Der Antragsteller beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 12.12.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.07.2015 anzuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt schriftsätzlich,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung sei nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sich der angefochtene Bescheid im Hauptsacheverfahren als rechtswidrig erweisen werde. Im Rahmen der Betriebsprüfung sei festgestellt worden, dass Herr L. keinerlei rechtliche Machtposition ausübe und von den Entscheidungen des Antragstellers als Betriebsinhabers abhängig sei.

Auf Nachfrage des Gerichts hat die B. als zuständige Einzugsstelle mit Schreiben vom 02.11.2015 mitgeteilt, dass nicht beabsichtig sei, die nachgeforderten Beiträge zu stunden. Das Gericht hat die das Klageverfahren der Deutschen Rentenversicherung Bund gegen die B. betreffende Gerichtsakte des Sozialgerichts B. (Az.: S 71 KR xxx/14) und die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin beigezogen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungsakte und der beigezogenen Gerichtsakte des Sozialgerichtes Berlin Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage ist zulässig, aber nicht begründet.

Nach § 86 b Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen eine Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung hat, diese ganz oder teilweise anordnen. Die Klage des Antragstellers gegen den Bescheid vom 12.12.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.07.2015 hat keine aufschiebende Wirkung, da diese bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten nach § 86 a Abs. 2 Nr. 1 SGG entfällt.

Die Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung ausnahmsweise durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Aufschubinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist in Anlehnung an § 86 a Abs. 3 Satz 2 SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Recht¬mäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen und ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Da § 86 a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko grundsätzlich auf den Adressaten des Bescheides verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Aufschubinteresse begründen, die einen Erfolg der Klage überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. Hierfür reicht es nicht schon aus, dass im Rechtsbehelfsverfahren möglicherweise noch ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen sind. Maßgebend ist vielmehr, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeit¬punkt der Entscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (LSG vom 14.02.2011 L 8 R 833/10 B ER m. w. N.; LSG NRW vom 05.11.2008 L 16 B 7/08 R ER; Meyer-Ladewig § 86 a Rn. 27 a).

Unter Heranziehung dieser Grundsätze war der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage abzulehnen, da nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 12.12.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.07.2015 bestehen, mit dem Sozialversicherungsbeiträge und Umlagen für die Zeit vom 01.02.2013 bis zum 31.12.2013 in einer Gesamthöhe von 8.702,87 EUR sowie Säumniszuschläge in Höhe von 1.389,50 EUR nachgefordert werden.

Bei dem angefochtenen Bescheid vom 12.12.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.07.2015 handelt es sich um einen Prüfbescheid im Sinne des § 28 p Abs. 1 Satz 5 SGB IV. Soweit der Antragsteller im einstweiligen Rechtsschutzverfahren geltend gemacht hat, die Antragsgegnerin habe mit diesem Bescheid mittelbar gegenüber dem Antragsteller die mit Bescheid der B. vom 11.02.2013 gewährte Befreiung von der Sozialversiche¬rungspflicht des Herrn L. rückwirkend ab dem 01.02.2013 aufgehoben, ergibt sich eine Aufhebung des Bescheides vom 11.02.2013 weder aus dem Verfügungssatz noch aus der im Rahmen der Auslegung des Verfügungssatzes ggf. ergänzend heranzuziehenden Begründung des Bescheides. In dem Verfügungssatz des Bescheides vom 12.12.2014 wird ausgeführt, dass eine Betriebsprüfung nach § 28 p Abs. 1 SGB IV in der Zeit vom 22.09. bis zum 12.11.2014 bezogen auf den Prüfzeitraum vom 01.01.2010 bis zum 31.12.2013 durchgeführt worden sei und dass die sich aus der Prüfung ergebende Nachforderung insgesamt 10.092,37 EUR betrage, wobei in der Nachforderung Säumniszuschläge in Höhe von 1.389,50 EUR enthalten seien. Eine rückwirkende Aufhebung des früheren Bescheides der zuständigen Einzugsstelle B. vom 11.02.2013 ist nicht geregelt worden. Damit übereinstimmend ist in der Begründung des Bescheides lediglich darauf hingewiesen worden, dass die Entscheidung der zuständigen Einzugsstelle vom 11.02.2013 mit – weiterem – Bescheid vom 11.12.2014 gemäß § 45 SGB X aufgehoben worden sei. Auch im Widerspruchsbescheid wird nicht darüber hinausgehend eine Regelung getroffen, mit der eine Aufhebung des Bescheides der Einzugsstelle vom 11.02.2013 vorgenommen wird. Vielmehr beschränkt sich der Widerspruchsbescheid vom 02.07.2015 auf eine Entscheidung über den Widerspruch vom 12.01.2015 gegen den Prüfbescheid vom 12.12.2014 und weist den Widerspruch zurück. Soweit die Antragsgegnerin in der Begründung des Widerspruchsbescheides – auch – auf die Rechtmäßigkeit der Rücknahmeentscheidung und den fehlenden Vertrauensschutz des Herrn L. eingeht, ist darin keine eigenständige Rege¬lung im Sinne einer Aufhebung des Feststellungsbescheides der B. vom 11.02.2013 enthalten. Auch in diesem Zusammenhang wird seitens der Antragsgegnerin auf den bereits gegenüber Herrn L. ergangenen – weiteren – Bescheid vom 11.12.2014 hingewiesen, der die Aufhebung des Feststellungsbescheides zum Gegenstand hat. Da bereits keine Aufhebungsentscheidung der Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller ergangen ist, bedarf es keines weiteren Eingehens auf den Umstand, dass Adressat des Feststellungsbescheides vom 11.02.2013 nach der Aktenlage ausschließlich Herr L. gewesen ist, so dass eine Aufhebung dieses Bescheides nicht gegenüber dem Antragstel¬ler, sondern gegenüber dem Adressaten des Bescheides, Herrn L. vorzunehmen ist.

Ermächtigungsgrundlage für den Erlass des Prüfbescheides der Antragsgegnern ist § 28 p Abs. 1 Satz 5 SGB IV. Danach erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pfle¬ge- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Gegenstand der Prüfung ist die ordnungsgemäße Erfüllung der Meldepflichten und der sonstigen Pflichten der Arbeitgeber, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen. Dabei prüfen die Rentenversicherungsträger insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen (§ 28 p Abs. 1 Satz 1 SGB IV).

Die Antragsgegnerin hat mit dem angefochtenen Bescheid beanstandet, dass der Antragsteller für Herrn L. keine Tätigkeit im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses zugrunde gelegt und keine Pflichtbeiträge zur Krankenversicherung, Pflege¬versicherung, Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung entrichtet hat. Es ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die Beurteilung der Antragsgegnerin, Herr L. übe seit dem 01.02.2013 seine Tätigkeit in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis aus und es bestehe Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung, rechtswidrig ist.

Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftig sind, unterliegen in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungspflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB XI, § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI und § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Danach ist jeweils Voraussetzung das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselb¬ständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG) setzt eine Beschäftigung voraus, dass eine persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber besteht. Persönliche Abhängigkeit erfordert eine Eingliederung in den Betrieb und die Unterordnung unter ein Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung umfassendes Wei¬sungsrecht des Arbeitgebers. Insbesondere bei Diensten höherer Art kann dieses Weisungsrecht erheblich eingeschränkt und zur dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert sein. Auch bei Diensten höherer Art muss eine fremdbestimmte Dienstleistung verbleiben, d. h. die Dienstleistung muss zumindest in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 20; BSG SozR 3-4100 § 104 Nr. 8). Demgegenüber ist die selbständige Tätigkeit in erster Linie durch das eigene Unternehmerrisiko, durch das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 8). Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen.

Ob eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung gerechtfertigt ist, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine – formlose – Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgebend ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (vgl. BSG Urteil vom 29.08.2012 – B 12 KR 25/10 RBSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr. 17, RdNr 16 mwN).

Nach diesen Grundsätzen ist auch zu beurteilen, ob ein Beschäftigungsverhältnis zwischen Familienangehörigen vorliegt bzw. ob die Tätigkeit eines Familienangehörigen in einem Familienunternehmen als abhängige Beschäftigung oder als selbständige Tätigkeit anzusehen ist (BSG vom 30.04.2013 B 12 KR 19/11 R; BSG SozR 3-2500 § 5 Nr. 17). Der An¬nahme eines Beschäftigungsverhältnisses steht dabei grundsätzlich nicht entgegen, dass die Abhängigkeit unter Verwandten im Allgemeinen weniger stark ausgeprägt ist und des¬halb das Weisungsrecht möglicherweise mit gewissen Einschränkungen verbunden ist (BSG vom 10.05.2007 B 7 a AL 8/06 R; BSG vom 17.12.2002 B 7 AL 34/02 R; BSG vom 31.07.1963 3 RK 46/59). Die Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit hängt auch bei Familienmitgliedern von den genannten Umständen des Einzelfalles ab.

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vorzunehmenden summarischen Prüfung die Antragsgegnerin zu Recht zu dem Er¬gebnis gelangt, dass Herr L. in dem streitigen Zeitraum vom 01.02.2013 bis zum 31.12.2013 seine Tätigkeit im Unternehmen des Antragstellers im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisse ausgeübt hat.

Ausgangspunkt der Prüfung, ob Herr L. im streitigen Zeitraum von dem Antragsteller abhängig beschäftigt worden ist, ist der zwischen ihm und dem Antragsteller ausdrücklich so bezeichnete schriftliche Arbeitsvertrag vom 01.03.2013. Da der Antragsteller mehrfach auf das schriftlich niedergelegte Vertragsverhältnis Bezug genommen hat, gibt es keine An¬haltspunkte, dass die gelebte Beziehung in wesentlicher Hinsicht von der getroffenen Ver¬einbarung abweicht.

Der Vertrag vom 01.03.2013 hat sowohl von seiner Bezeichnung als auch von seinem Inhalt ein Arbeitsverhältnis im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV zum Gegenstand. Der Vertrag wird nicht nur als Arbeitsvertrag bezeichnet, sondern auch von dem Antragsteller als Arbeitgeber und von Herrn L. als Arbeitnehmer unterschrieben. Es wird geregelt, dass Herr L. seine volle Arbeitskraft sowie sein ganzes Wissen und Können dem Unterneh¬men zur Verfügung zu stellen habe. Der Vertrag beinhaltet eine regelmäßige monatliche Gehaltszahlung in Höhe von 1.900 EUR und die Verpflichtung des Arbeitgebers, die Auszahlung des monatlichen Gehaltes jeweils zum Monatsende vorzunehmen. Darüber hinaus ist ein Anspruch des Herrn L. auf Weitergewährung der Gehaltszahlung im Falle des Weg¬falles der Arbeitsleistung infolge von Krankheit vorgesehen. Gratifikationen und sonstige Sonderzahlungen werden als freiwillige und widerrufliche Leistungen des Unternehmens von der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens abhängig gemacht. Diese Regelungen sprechen für eine abhängige Beschäftigung des Herrn L.

Für eine abhängige Beschäftigung spricht maßgeblich auch der Umstand, dass Herr L. nach seinen Angaben im Feststellungsverfahren der Einzugsstelle in keiner Weise an dem Unternehmen beteiligt ist. Unternehmensinhaber ist der Antragsteller, so dass nur er unmittelbar begünstigtes Rechtssubjekt für die sich aus dem Auftreten des Unternehmens im Geschäftsverkehr ergebenden Ansprüche und Rechte ist. Umgekehrt ist nur er den Verpflichtungen hinsichtlich der aus dem Geschäftsbetrieb resultierenden Lasten ausgesetzt, indem er für die über das Unternehmen eingegangenen Verbindlichkeiten als natürliche Person mit seinem ganzen Vermögen haftet. Da der Antragsteller der alleinige Unternehmensträger ist, verfügt Herr L. nicht über eine rechtliche Handhabe, die ihm einen mitbeherrschenden Einfluss auf die Unternehmensleitung sichert (vgl. BSG vom 30.04.2013 B 12 KR 19/11 R). Entgegen der Auffassung des Antragstellers kann in diesem Zusammenhang nicht berücksichtigt werden, dass für die Zukunft beabsichtigt ist, dass das Unternehmen Herrn L. nach altersbedingtem Ausscheiden des Antragstellers übertragen werden soll. Entscheidend ist, dass der Antragsteller bisher seine mit der Unternehmerstellung verbundene Kontrolle und Letztentscheidungsbefugnis nicht aufgegeben und an Herrn L. übertragen hat. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung kann für die Trägerschaft eines Unternehmens durch eine (natürliche) Einzelperson insoweit im Kern nichts anderes gelten, als in den Fällen, in denen eine juristische Person des Privatrechts Unternehmensträger ist. In diesen Fällen erkennt die höchstrichterliche Rechtsprechung bei Familiengesellschaften den Status als Selbständiger nur an, wenn damit zugleich eine entsprechende Einflussmöglichkeit auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen verbunden ist, etwa durch ein dem Gesellschaftsanteil entsprechendes Stimmengewicht oder in Form einer Sperrminorität, wenn der Betroffene damit rechtlich über die Möglichkeit verfügt, ihm nicht genehme Weisungen hinsichtlich seiner Tätigkeit abzuwehren (BSG vom 30.04.2013 B 12 KR 19/11 R; BSG vom 29.08.2012 B 12 KR 25/10 R).

Eine Selbständigkeit des Herrn L. in seiner Tätigkeit für das Unternehmen des Antragstellers ergibt sich auch nicht daraus, dass in dem Arbeitsvertrag vom 01.02.2013 geregelt wird, dass aufgrund der familienhaften Rücksichtnahme zwischen den Vertragsparteien und der Berücksichtigung des Betriebswohles Herrn L. ausdrücklich keine Weisungen zur Ausführung der Tätigkeit hinsichtlich Zeit, Ort, Art und Weise der Tätigkeit erteilt würden und sich Herr L. unter Berücksichtigung der Unternehmensbelange die Arbeitszeit selbst einteile. Damit unterliegt Herr L. zwar nicht umfassend einem Weisungsrecht des Antragstellers als Unternehmensinhaber hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung seiner Tätigkeit. Jedoch werden gerade höhere Dienste dennoch im Rahmen einer abhän-gigen Beschäftigung geleistet, wenn sie – wie hier – fremdbestimmt bleiben, weil sie in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen (vgl. für den Fall eines ausdrücklichen Verzichtes auf das Weisungsrecht: BSG vom 29.08.2012 B 12 KR 25/10 R m. w. N.). Wie weit die Lockerung des Weisungsrechts in der Vorstellung des Gesetzgebers gehen kann, ohne dass deswegen die Stellung als Beschäftigter entfällt, zeigen beispielhaft die gesetzlichen Sonderregelungen zur Versicherungsfreiheit von Vorstandmitgliedern einer Aktiengesellschaft in der Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung (§ 1 Satz 4 SGB VI bzw. § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III), die regelmäßig abhängig beschäftigt sind, auch wenn sie die Gesellschaft in eigener Verantwortung zu leiten haben und gegenüber der Belegschaft Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen. Allein weitreichende Entscheidungsbefugnisse eines "leitenden Angestellten", der in funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess einem verfeinerten Weisungsrecht unterliegt, machen diesen nämlich nicht schon zu einem Selbständigen (BSG vom 29.08.2012 B 12 KR 25/10 R mwN).

Herr L. ist nach dem Arbeitsvertrag im Unternehmen für den kaufmännischen und prak¬tischen Bereich und den Kundenverkehr zuständig. Insoweit ist er in Teilbereichen in leitender Position für das Unternehmen tätig und schuldet Dienste höherer Art mit eigener Verantwortung. Danach ist Herr L. trotz seiner betrieblichen Befugnisse nicht umfassend mit der gleichen Position wie der Antragsteller als Betriebsinhaber ausgestattet und hat nicht wie ein Unternehmensinhaber die Rechtsmacht, Änderungen in den rechtlichen Verhältnissen des Unternehmens vorzunehmen. Der Antragsteller hat es beispielsweise nach wie vor in der Hand, etwa im Fall eines Zerwürfnisses Herrn L. zu entlassen oder an seiner Stelle eine andere Arbeitskraft mit entsprechendem Fachwissen einzustellen, ohne dass Herr L. die Rechtsmacht besitzt, dem mit Aussicht auf Erfolg entgegenzutreten (vgl. BSG vom 30.04.2013 B 12 KR 19/11 R; BSG vom 29.08.2012 B 12 KR 25/10 R). Somit ist Herr L. trotz des eingeschränkten Weisungsrechts und seinen weitreichenden Zuständigkeits- und Entscheidungsbefugnissen funktionsgerecht dienend in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes tätig, so dass seine Dienste fremdbestimmt bleiben.

Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass Herr L. aufgrund einer faktischen Machtposition eine beherrschende Stellung gegenüber dem Antragsteller als Unternehmensinhaber innehat und aus diesem Grund faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte nach eigenem Gutdünken führen und völlig frei schalten und walten kann. Für diesen Ausnahmefall hat zumindest die frühere Rechtsprechung die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass eine selbständige Tätigkeit innerhalb einer Familiengesellschaft auch ohne rechtliche Einfluss-möglichkeiten vorliegen kann, insbesondere dann, wenn ein Familienmitglied andere Gesellschafter aufgrund deren fehlenden Fachwissens völlig dominiert (vgl. BSG vom 29.08.2012 B 12 KR 25/10 R m. w. N.). Da entsprechende Anhaltspunkte nicht vorliegen, ist nicht näher darauf einzugehen, ob diese Rechtsprechung unterdessen aufgegeben worden ist (vgl. Entscheidungen des BSG vom 29.07.2015 B 12 KR 23/13 R und B 12 R 1/15 R).

Schließlich spricht auch das fehlende Unternehmerrisiko des Herrn L. für eine abhängige Beschäftigung. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes ist maßgebliches Kriterium dafür, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist (vgl. BSG vom 28.05.2008 B 12 KR 13/07 R). Eine solche Ungewissheit ist bei Herrn L. nicht gegeben, da er über ein monatliches Festgehalt verfügt und die Zahlung der monatlichen Vergütung nicht vom wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens abhängig ist. Darüber hinaus trägt Herr L. kein Haftungsrisiko für Verbindlichkeiten des Unternehmens.

Insgesamt überwiegen die für eine abhängige Beschäftigung des Herrn L. sprechenden Gesichtspunkte deutlich die dagegen sprechenden Gesichtspunkte, so dass keine erheblichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides der Antragsgegnerin bestehen, soweit festgestellt worden ist, dass ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis und Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung besteht.

Ein Erfolg der gegen den Bescheid der Antragsgegnerin erhobenen Klage ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt wahrscheinlich, dass ein Bescheid der B. als zuständiger Einzugsstelle am 11.02.2013 ergangen ist, in dem festgestellt wurde, dass es sich bei der Tätigkeit des Herrn L. nicht um eine abhängige Beschäftigung handelt und keine Versicherungspflicht zur Sozialversicherung besteht. Dieser Bescheid ist nicht gegenüber dem Antragsteller ergangen, sondern an Herrn L. adressiert gewesen. Selbst wenn man zugunsten des Antragstellers davon ausgeht, dass der Bescheid dem Antragsteller zum da¬maligen Zeitpunkt bekannt gegeben worden ist oder er auf andere Art und Weise Kenntnis von dem Bescheid erlangt hat, ergibt sich daraus nach der im einstweiligen Rechtsschutz¬verfahren vorzunehmenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht, dass der Antragsteller darauf vertrauen durfte, dass die Antragsgegnerin im Rahmen einer Betriebsprüfung nicht zu einer anderen Beurteilung gelangt und auf dieser Grundlage Sozialversicherungsbeiträge für das Jahr 2013 nachfordert.

Eine in Betracht zu ziehende Verwirkung einer Beitragsforderung setzt voraus, dass die Bei¬tragsberechtigten, d. h. die Antragsgegnerin und die übrigen Versicherungsträger die Ausübung ihres Rechts während eines langen Zeitraumes unterlassen und dass der Verpflichtete zudem aufgrund eines konkreten Verhaltens des Forderungsberechtigten darauf vertrauen durfte und auch tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr besteht und nicht mehr geltend gemacht wird (vgl. BSG Urteil vom 14.07.2004 B 12 KR 1/04 R), so dass die verspätete Geltendmachung ihm gegenüber als illoyal und nicht zumutbar erscheinen würde. Einer Verwirkung der Beitragsnachforderung durch die Antragsgegnerin steht entgegen, dass die Antragsgegnerin bis zur Durchführung der Betriebsprüfung bei dem Antragsteller bzw. bis zur Betriebsprüfung bei der Einzugsstelle keine Kenntnis von dem Bescheid der B. hatte. Eine Bekanntgabe des Bescheides gegenüber der Antragsgegnerin ist nicht erfolgt, was zur Folge hat, dass der Antragsgegnerin grundsätzlich ein Klagerecht gegen den Bescheid zusteht. Die Einzugsstelle ist grundsätzlich verpflichtet, ihre Entscheidung allen Beteiligten, d. h. gegenüber dem potentiellen Arbeitgeber, dem Arbeitnehmer und gegenüber den Versicherungsträgern bekanntzugeben. Die Anfechtungsfristen laufen für jeden Beteiligten – Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Versicherungsträger – gesondert von der Bekanntgabe des Bescheides an den betreffenden Beteiligten (BSG vom 01.07.1999 B 12 KR 2/99 R). Ist eine Bekanntgabe nicht erfolgt, läuft die Rechtsmittelfrist nicht. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat in diesem Zusammenhang ausdrücklich festgestellt, dass das Interesse des Arbeitgebers, bei einer erfolgreichen Anfechtung durch andere Versicherungsträger vor einer nachträglichen Inanspruchnahme sicher zu sein, nicht als überwiegend schutzwürdig anzusehen sei (BSG vom 01.07.1999 B 12 KR 2/99 R).

Eine Verwirkung der Beitragsnachforderung aufgrund des Bescheides der B. steht nach summarischer Prüfung zudem entgegen, dass der Bescheid nicht bestandskräftig geworden ist. Die Rechtmäßigkeit des Bescheides ist Gegenstand eines Klageverfahrens beim Sozialgericht B. (Az.: S 71 KR xxx/14), in dem die Deutsche Rentenversicherung Bund in ihrer Eigenschaft als Einzugsstellenprüferin die Rechtswidrigkeit des Bescheides der B. geltend gemacht hat und die Aufhebung des Bescheides sowie die Feststellung begehrt, dass der Versicherte L. in seiner Tätigkeit bei dem Antragsteller seit dem 01.02.2013 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterliegt. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin unterdessen gegenüber Herrn L. einen Bescheid vom 11.12.2014 erlassen hat, mit der Bescheid der B. nach § 45 SGB X mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben worden ist. Soweit sich der Antragsteller darauf berufen hat, dass die Rücknahmevoraussetzungen des § 45 Abs. 2 SGB X nicht vorlägen, ist auch insoweit zu berücksichtigen, dass der Bescheid der B. bereits Gegenstand eines Klageverfahrens ist, so dass die Anwendbarkeit des § 49 SGB X in Betracht zu ziehen ist. Danach gilt § 45 Abs. 1 bis Abs. 4 SGB X nicht, wenn ein begünstigender Verwaltungsakt, der von einem Dritten angefochten worden ist, während eines sozialgerichtlichen Verfahrens aufgehoben wird, soweit dadurch der Klage stattgegeben wird. Die Regelung dient der Wahrung der Rechte des Drittbetroffenen. Bei einer Anfechtung des Bescheides durch den Drittbetroffenen verdient der Begünstigte, da er mit der Einlegung von Rechtsbehelfen durch andere Personen oder Stellen rechnen muss, keinen Vertrauensschutz (vgl. für die Klage eines Rentenversicherungsträgers gegen den Bescheid der Einzugsstelle: BSG vom 01.07.1999 B 12 KR 2/99 R).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 VwGO).
Rechtskraft
Aus
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