Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 2 KR 3052/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 131/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine sog Adaptionsbehandlung, die im Anschluss an eine Drogenentwöhnungstherapie durchgeführt wird, kann eine Leistung der medizinischen Rehabilitation iS des § 40 SGB V sein. Der Umstand, dass ärztliche Interventionen im Rahmen einer Entwöhnungstherapie mit zunehmender Dauer weniger intensiv werden, spricht für den Erfolg der Maßnahme und führt nicht dazu, dass aus der mit dem Ziel der Entwöhnung medizinisch ausgerichteten Maßnahme eine berufliche oder soziale Maßnahme wird.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 26.11.2015 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger 12.915,90 EUR nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 06.12.2013 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt die Beklagte.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 12.915,90 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Der Träger der Sozialhilfe begehrt von der Krankenkasse die Erstattung der Kosten für die Durchführung einer Adaptionsbehandlung
Die bei der Beklagten versicherte Frau A.-S. R. (geb. 1993; im Weiteren nur: die Versicherte) litt an einer Suchterkrankung. Sie nahm ihren eigenen Angaben zufolge seit dem 14. Lebensjahr in unterschiedlichem Ausmaß verschiedene Drogen. In der Zeit vom 27.06. bis zum 06.07.2012 führte sie einen stationären Entzug (Entgiftung) durch. Am 20.08.2012 stellte die Versicherte bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund einen Antrag auf stationäre Leistungen zur medizinischen Rehabilitation für Abhängigkeitskranke. Die DRV Bund leitete den Antrag an die beklagte Krankenkasse weiter (Eingang dort am 31.08.2012), da die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine von der DRV Bund zu gewährende Maßnahme bei der Versicherten nicht erfüllt waren. Nachdem der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) die Notwendigkeit der beantragten stationären Rehabilitation für die Dauer von 3 bis 9 Monaten befürwortet hatte (Sozialmedizinische Fallberatung vom 29.08.2012), bewilligte die Beklagte der Versicherten eine 3-monatige stationäre Entwöhnungstherapie (Bescheid vom 27.09.2012). Diese Therapie wurde vom 23.10.2012 bis 27.01.2013 in der Rehabilitationsklinik F. in G. (einer Klinik des Fachverbands für Prävention und Rehabilitation in der Erzdiözese Fr. e.V.) durchgeführt.
Mit Schreiben vom 10.01.2013 stellte die Rehaklinik bei der Beklagten für die Versicherte einen Verlängerungsantrag bis zum 14.05.2013. Die Klinik gab an, es sei geplant, die Versicherte am 21.01.2013 in die Adaptionseinrichtung der Rehaklinik F. (L.) zu verlegen. Sie bitte daher um Übernahme der Kosten für eine Adaptionsbehandlung in der zum Behandlungsnetzwerk gehörenden Adaptionseinrichtung in L. Es sei geplant gewesen, die Versicherte zunächst nach Hause zu entlassen. Bei einer mehrtägigen Heimfahrt sei dieser jedoch deutlich geworden, dass dies mit einer enormen Rückfallgefährdung verbunden wäre. Die Adaptionsbehandlung würde der Versicherte neben der weiteren Auseinandersetzung mit der eigenen Suchtmittelabhängigkeit, der psychischen Stabilisierung sowie der Festigung ihrer Abstinenz, den notwendigen Rahmen bieten, sich schrittweise den Anforderungen des Lebens- und Arbeitsalltags zu stellen und entsprechende Weichenstellungen für eine soziale und berufliche Reintegration vorzunehmen. In dem Antrag wurden als Ziele für die weitere Maßnahme angegeben: Herstellen der Berufs- und Erwerbsfähigkeit; Herstellen eines drogenabstinenten Umfeldes und soziale Neuorientierung; Aufbau befriedigender Freizeitaktivitäten; Aufbau und Verbesserung des Selbstwertgefühls, des Selbstbildes und der Selbstwirksamkeit; Aufbau und Erprobung rückfallprophylaktischer Strategien; Abbau des Perfektionismus und der Überforderungstendenzen; Entwicklung einer Zukunftsperspektive; Verbesserung der Selbständigkeit und Verantwortungsübernahme. Weiter wurde angegeben, die Adaptionsbehandlung erfolge im Rahmen der medizinischen Reha und unter ärztlicher Leitung. In einem 14-tägigen Umfang habe eine ärztliche Intervention stattgefunden. Schwerpunkte seien Außenorientierung und soziale und berufliche Reintegration. Der Mittelpunkt sei ein Berufspraktikum, aktive Freizeitgestaltung und Abstinenztraining unter realen Lebensbedingungen. Diesen Antrag leitete die Beklagte mit Schreiben vom 15.01.2013 an den Kläger als zuständigen Träger der Eingliederungshilfe weiter, da eine Adaptionsbehandlung keine Leistung der gesetzlichen Krankenkasse darstelle.
In der Zeit vom 28.01.2013 bis 20.05.2013 wurde die Adaptionsbehandlung in L. durchgeführt. Träger dieser Adaptionseinrichtung in L. und der Reha-Klinik in G. ist der AGJ Fachverband für Prävention und Rehabilitation in der Erzdiözese Fr. eV. Der Einrichtungsträger verfügt sowohl für die Reha-Klinik als auch für die Adaptionseinrichtung seit dem Jahr 2002 über einen Versorgungsvertrag nach § 111 Abs 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Nach § 2 des Versorgungsvertrages erbringen die Einrichtungen für die Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung stationäre medizinische Rehabilitationsleistungen nach § 40 Abs 2 SGB V für den Indikationsbereich Suchterkrankungen (Drogen- und Mehrfachabhängigkeit bei Männern und Frauen).
Nach einer Untersuchung durch den Amtsarzt und nachdem die Versicherte Unterlagen über ihre finanzielle Situation eingereicht hatte, bewilligte der Kläger der Versicherten mit Bescheid vom 28.06.2013 die Kostenübernahme für die Adaptionsbehandlung für die Zeit vom 28.01.2013 bis 20.05.2013. Als Rechtsgrundlage für die getroffene Entscheidung gab der Kläger § 40 Abs 2 SGB V an. Die von ihm angeforderten Unterlagen ließen nur den Schluss zu, dass es sich bei der durchgeführten Maßnahme auch aufgrund der ärztlichen Präsenz um eine Leistung der medizinischen Rehabilitation gehandelt habe.
Mit Schreiben vom 08.07.2013 machte der Kläger bei der Beklagten einen Erstattungsanspruch in Höhe von insgesamt 12.915,90 EUR für die Adaptionsbehandlung geltend. Er habe als zweitangegangener Träger gemäß § 14 SGB IX die Maßnahme bewilligt. Die Leistung sei jedoch als medizinische Rehabilitation zu qualifizieren und daher von der Beklagten zu übernehmen. Mit Verweis auf das Urteil des Bundessozialgericht (BSG) vom 19.06.2007 (B 1 KR 36/06 R) lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten ab. Es habe sich nicht überwiegend um eine medizinische Rehabilitation gehandelt. Für eine berufliche und soziale Rehabilitation sei die Beklagte nicht zuständig.
Am 06.12.2013 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, er sei aufgrund der Weiterleitung des Antrags der Beklagten für die Entscheidung über die Kostenübernahme nach allen Anspruchsgrundlagen zuständig geworden. Bei der gewährten Adaptionsmaßnahme handle es sich jedoch um eine medizinische Rehabilitation im Sinne des § 40 SGB V. Es habe einem Rückfall der Versicherten in die Sucht vorgebeugt werden sollen. Aufgrund einer hohen Rückfallgefahr sei der Behandlungserfolg am 28.01.2013 noch nicht eingetreten gewesen. Die Behandlung habe unter ärztlicher Präsenz und ärztlicher Intervention stattgefunden. Vieles spreche dafür, dass die Festigung der Abstinenz und nicht der Aufbau beruflicher Fähigkeiten im Mittelpunkt gestanden haben. Bei der Adaptionsbehandlung handle es sich um die Phase II der Entwöhnungsbehandlung. Dies sehe auch der Fachverband Sucht eV so.
Mit Schriftsatz vom 22.12.2014, beim SG eingegangen am 05.02.2015, hat der Kläger seinen Antrag erweitert und auch Zinsen aus dem Betrag vom 12.915,90 EUR ab dem 12.08.2013 verlangt. Gemäß § 108 Abs 2 SGB X bestehe ein Anspruch auf Verzugszinsen gegen die Beklagte. Der Antrag auf Kostenerstattung sei am 09.07.2013 zur Post gegeben worden und gelte somit ab dem 12.07.2013 als zugestellt. Der Zinsanspruch bestehe somit ab dem 12.08.2013.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat ausgeführt, dass die Entwöhnungsbehandlung der Versicherten übernommen worden sei. Die Adaptionsbehandlung sei jedoch nicht zu übernehmen gewesen, da eine räumliche und soziale Neuorientierung keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung darstelle. Die Adaptionsphase diene zur Bewältigung lebenspraktischer und beruflicher Anforderungen in einem nicht gefährdeten Milieu, so dass die Integration zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft im Vordergrund stehe. Die im Entlassbericht angegeben Ziele (Studienplatz finden, aktiver werden und die Antriebslosigkeit überwinden, Selbstwertgefühl steigern, Umgang mit Geld erlernen) seien keine Ziele der medizinischen Rehabilitation. Bei einer 14-tägigen ärztlichen Intervention könne nicht von einer ständigen ärztlichen Verantwortung ausgegangen werden, welche aber Voraussetzung für eine medizinische Rehabilitation nach den Regelungen der gesetzlichen Krankenversicherung sei.
Die Versicherte hat in die Einsicht der Behandlungsakte nicht eingewilligt, so dass diese unterblieben ist.
Das SG hat bei der Rehaklinik F. eine Auskunft eingeholt. Die Klinik hat mitgeteilt, dass die Adaptionsphase im Rahmen der letzten Behandlungsphase der medizinischen Rehabilitation der Außenorientierung und der Annäherung an realitätsnahe Rahmenbedingungen diene. Die Klinik F., zu der die Einrichtung in L. gehöre, stehe unter ärztlicher Leitung durch Frau Dr. B ... In L. vor Ort sei eine Ärztin im Umfang von 20 % angestellt, die Patientinnen und Patienten sehe und im Rahmen der Therapieplanungskonferenzen und ärztlichen Sprechstunden die Therapieverläufe begleite. Im Mittelpunkt stehe die berufliche und soziale Reintegration und Außenorientierung unter kontrollierten Rahmenbedingungen. Es würden unbezahlte Praktika in Betrieben des ersten Arbeitsmarktes absolviert und an Freizeitaktivitäten örtlicher Vereine teilgenommen. Alkohol- und Urinkontrollen sowie ein fester Wochenplan mit kontrollierten Nachtruhezeiten würden für begleitete und beschützte Rahmenbedingungen sorgen. Das Team setze sich aus Ärzten, Psychotherapeuten, Sozialarbeitern und Arbeitstherapeuten zusammen. Der strukturierte Wochenplan bestehe aus Einzel- und Gruppentherapiegesprächen, begleiteten Freizeitaktivitäten, Sport und interner Arbeitstherapie bzw Durchführung von Praktika.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 26.11.2015, dem Kläger zugestellt am 15.12.2015, abgewiesen. Die Klage sei als allgemeine Leistungsklage gemäß § 54 Abs 4 SGG statthaft und auch ansonsten zulässig erhoben worden. Die Klage sei jedoch unbegründet. Der Kläger habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Erstattung des für die Adaptionsbehandlung der Versicherten aufgewendeten Betrages von 12.915,90 EUR.
Ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Erstattung ergebe sich nicht aus § 14 Abs 4 Satz 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX). Danach seien die Aufwendungen vom zuständigen Rehabilitationsträger zu erstatten, wenn dessen Zuständigkeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 4 nach Bewilligung der Leistung durch einen nicht zuständigen Rehabilitationsträger festgestellt worden sei. Das Gericht sei jedoch zu der Auffassung gelangt, dass die Beklagte vorliegend für die Erbringung der Adaptionsmaßnahme an die Versicherte nicht zuständig gewesen sei. Die Zuständigkeit eines Rehabilitationsträgers im Sinne des § 14 SGB IX bestehe nur dann, wenn dieser zur Erbringung der Leistung nach den für diesen außerhalb des § 14 SGB IX geltenden Regelungen unmittelbar verpflichtet gewesen wäre. Die Versicherte habe jedoch keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Erbringung einer Adaptionsmaßnahme als Rehabilitationsbehandlung in der Einrichtung in L. gehabt. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bestehe die Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung auch nach Inkrafttreten des SGB IX allein in der medizinischen Rehabilitation nach Maßgabe des SGB V, also der möglichst weitgehenden Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktion einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolges, um ein selbstständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation bleibe Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme.
Leistungen der Rehabilitation iSd § 40 SGB V stellten Komplexmaßnahmen dar, bei denen die im Einzelfall erforderlichen therapeutischen Interventionen (wie zB Krankengymnastik, Bewegungs-, Sprach- und Beschäftigungstherapie, Psychotherapie und Hilfsmittelversorgung) aufgrund eines ärztlichen Behandlungsplanes (vgl § 107 Abs 2 Nr 2 SGB V) zu einem in sich verzahnten Gesamtkonzept zusammengefasst seien. Das bedeute, dass es bei einer Maßnahme nach § 40 Abs 2 SGB V um mehr gehen müsse als lediglich im Wesentlichen um die Gewährung von Unterkunft in einem nicht gefährdenden Milieu mit Anleitung zur Bewältigung lebenspraktischer und beruflicher Anforderungen, mögen sie auch gelegentlich durch verhaltenstherapeutische Leistungen ergänzt werden. Insbesondere müsse für die Rehabilitation erforderlich sein, dass sie unter ständiger ärztlicher Verantwortung ablaufe.
Das Gericht habe nicht feststellen können, dass die Versicherte einer solchen Behandlung bedurft habe bzw dass eine solche Behandlung bei dieser in der Adaptionsmaßnahme in L. durchgeführt worden sei. Nach dem von der Klinik F. vorgelegten Behandlungsplan und den von dort gemachten Angaben sei das Gericht zu der Ansicht gelangt, dass der Schwerpunkt der Maßnahme nicht im rein medizinischen Bereich gelegen habe. Vielmehr habe bei der Maßnahme die berufliche und soziale Reintegration und Außenorientierung unter kontrollierten Rahmenbedingungen im Mittelpunkt gestanden. Dies habe die Einrichtung explizit so angegeben. Es hätten Arbeitstherapie und später auch ein Berufspraktikum sowie begleitende Freizeitaktivitäten stattgefunden. Außerdem sei bereits im Antrag angegeben worden, dass die Versicherte sich örtlich und sozial neu orientieren wolle. Dies werde auch in den Zielen der Maßnahme deutlich, die von der Einrichtung mitgeteilt worden seien. Es sollten insbesondere eine generelle und eine berufliche (Zukunfts-) Perspektive erarbeitet, ein neues soziales Umfeld gefunden und die Selbständigkeit und die Verantwortungsübernahme verbessert werden. Zur Erreichung dieser Ziele bestehe keine medizinische Notwendigkeit im engeren Sinne, auch wenn diese sicherlich hilfreich seien, um ein abstinentes Leben führen zu können. Die daneben bestehenden Ziele des Aufbaus des Selbstwertgefühls, der Erprobung rückfallprophylaktischer Strategien und des Abbaus von Überforderungstendenzen dürften zwar insbesondere durch Maßnahmen der Psychotherapie zu erreichen sein, stellten jedoch nach den Angaben der Klinik nicht den Schwerpunkt der Adaptionsphase dar. Aus dem Wochenplan ergebe sich auch nicht, in welchem Umfang Psychotherapie tatsächlich stattgefunden habe.
Auch der Umstand, dass die Klinik F. durch eine Ärztin geleitet werde, könne nicht dazu führen, dass es sich bei der Maßnahme um eine Rehabilitation im Sinne des § 40 SGB V handelt. Es sei zum einen nicht ersichtlich, dass Frau Dr. B. an der Behandlung der Versicherten während des Aufenthalts in der Adaptionseinrichtung überhaupt beteiligt gewesen sei. Die Klinik F. und die Einrichtung in L. trennten außerdem eine Fahrtstrecke von ca einer Stunde, so dass eine ständige ärztliche Verantwortung für die Behandlung in L. durch Frau Dr. B. auch nicht gewährleistet gewesen sei. Vor Ort in L. sei eine Ärztin lediglich im Umfang von 20 % beschäftigt, welche nach den Angaben der Klinik an der Therapieplanung und im Rahmen einer ärztlichen Sprechstunde die Therapieverläufe begleite. Jedoch könne bei einer wohl lediglich an einem Tag der Woche anwesenden Ärztin nicht davon gesprochen werden, dass diese maßgeblich und vor allem verantwortlich an der Behandlung der Versicherten beteiligt gewesen sei.
Am 13.01.2013 hat der Kläger Berufung eingelegt. Er ist weiterhin der Auffassung, dass die Beklagte die Kosten der Adaptionsmaßnahme zu tragen habe. Es habe sich um eine medizinische Rehabilitation nach dem SGB V gehandelt. Das Urteil des BSG aus dem Jahre 2006, auf das sich das SG gestützt habe, betreffe nicht den vorliegenden Fall. Das SG habe nicht berücksichtigt, dass eine medizinische Intervention erforderlich gewesen und auch erfolgt sei. Im vorliegenden Fall sei in einem 14-tägigen Umfang eine ärztliche Intervention gegeben gewesen; bei Bedarf wäre eine solche auch öfter möglich gewesen. Aus Tatsache, dass die in der Adaptionseinrichtung anwesende Ärztin lediglich in einem Umfang von 20% beschäftigt sei, dürfe nicht auf das Fehlen einer ärztlichen Verantwortung geschlossen werden. Das Gesamtkonzept der Behandlung habe unter ärztlicher und psychotherapeutischer Gesamtverantwortung gestanden. In Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen sei die Betreuung durch ärztliches Personal derjenigen durch nichtärztliches Personal eher gleichwertig nebengeordnet, wenn nicht gar untergeordnet.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 26.11.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Kosten in Höhe von 12.915,90 EUR für die Zeit vom 28.01.2013 bis 20.05.2013 nebst Zinsen in Höhe von 4 vH ab dem 12.08.2013 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 26.11.2015 zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das Urteil des SG für zutreffend.
Der Senat hat eine schriftliche Auskunft der Rehaklinik F. eingeholt. Diese hat mit Schreiben vom 09.03.2017 ihre Personalaufstellung für das erste Halbjahr 2013 übersandt und ausgeführt, das Fachärzteteam setze sich aus den drei aufgeführten Ärztinnen, einer approbierten Psychologischen Psychotherapeutin in Vollzeit sowie aus drei Sozialarbeitern bzw Sozialpädagogen zusammen. Für den Bereich Ergo- und Arbeitstherapie seien zwei Arbeits- und Berufstherapeuten in Vollzeit bzw. Teilzeit weitere Mitglieder des multiprofessionellen Teams. Die Adaptionseinrichtung habe im ersten Halbjahr 2013 über 20 Adaptionsplätze verfügt. Die Versicherte habe wöchentliche verhaltenstherapeutisch orientierte Einzelgespräche erhalten. Neben diesen regelmäßigen wöchentlichen Gesprächen hätten regelmäßige psychotherapeutische Kurzkontakte mit den Ärztinnen und weiteren Psychotherapeutinnen der Einrichtung stattgefunden. Im Rahmen der Gruppentherapie habe die Versicherte wöchentlich an zwei 90-minütigen Gruppentherapiesitzungen sowie an psychotherapeutisch geleiteten Indikationsgruppen teilgenommen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten und des Klägers verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig.
Die Berufung des Klägers ist gemäß den §§ 143, 144 Abs 1 Satz 1 Nr 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Es handelt sich hier um eine Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts auf der Grundlage von § 14 SG IX, die den wirtschaftlichen Ausgleich zwischen Verwaltungsträgern betrifft. Für eine zulassungsfreie Berufung muss der Wert des Beschwerdegegenstandes bzw Rechtsmittelgegenstandes mehr als 10.000 EUR betragen. Diese Voraussetzung ist bei dem geltend gemachten Anspruch auf Zahlung von 12.915,90 EUR erfüllt.
Der Kläger hat die Berufung gegen das ihm am 15.12.2015 zugestellte Urteil des SG am 13.01.2016 schriftlich und damit sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt. Richtige Klageart ist die allgemeine Leistungsklage (§ 44 Abs 5 SGG).
Die Berufung des Klägers ist auch in Bezug auf die Hauptforderung begründet; lediglich der geltend gemachte Zinsanspruch besteht nicht in vollem Umfang. Die Forderung ist nicht bereits ab dem 12.08.2013, sondern erst ab dem 06.12.2013 mit 4% zu verzinsen. Insoweit ist die Berufung unbegründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht insgesamt abgewiesen. Die beklagte Krankenkasse ist verpflichtet, dem klagenden Landkreis (Sozialhilfeträger) für die in der Zeit vom 28.01.2013 bis 20.05.2013 durchgeführte Adaptionsbehandlung der Versicherten 12.915,90 EUR nebst 4% Zinsen aus diesem Betrag ab 06.12.2013 zu zahlen.
Rechtsgrundlage des Erstattungsbegehrens der Klägerin ist § 14 Abs 4 Satz 1 SGB IX, da die Beklagte einen Antrag des Versicherten innerhalb der Zweiwochenfrist des § 14 Abs 1 Satz 1 SGB IX an den Kläger als zweitangegangenen Rehabilitationsträger weitergeleitet hatte. Der Erstattungsanspruch nach § 14 Abs 4 Satz 1 SGB IX ist nur dann eröffnet, wenn der Kläger als zweitangegangener Rehabilitationsträger die Adaptionsbehandlung auf einen Antrag nach § 14 Abs 1 Satz 2 bis 4 SGB IX bewilligte. § 14 Abs 4 Satz 1 und 2 SGB IX trifft nach seinem Sinn und Zweck sowie dem Regelungssystem für zweitangegangene Rehabilitationsträger eine Spezialregelung gegenüber § 102 SGB X. Dieser spezielle Anspruch geht den allgemeinen Erstattungsansprüchen nach dem SGB X vor (BSG 13.09.2011, B 1 KR 25/10 R, BSGE 109, 122).
Für den Senat steht fest, dass der Kläger als zweitangegangener Rehabilitationsträger tätig geworden ist. § 14 Abs 1 Satz 2 SGB IX umschreibt zweitangegangene Träger bei antragsabhängigen Leistungen in Abhängigkeit von einer Antragstellung: Stellt der Rehabilitationsträger, bei dem zuerst Leistungen beantragt worden sind (erstangegangener Rehabilitationsträger), binnen zwei Wochen fest, dass er für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich, dh innerhalb der Zweiwochenfrist, dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger (zweitangegangener Rehabilitationsträger) zu (§ 14 Abs 1 Satz 1 und 2 SGB IX). So lag es hier. Das Schreiben der Rehaklinik F. vom 10.01.2013 ist ein an die Beklagte (Krankenkasse) gerichteter Antrag der Versicherten auf Bewilligung einer Adaptionsbehandlung bzw Verlängerung einer für eine bestimmte Dauer bereits bewilligten Leistung zur medizinischen Rehabilitation. Der Senat entnimmt den Gesamtumständen, dass die Rehaklinik namens und in Vollmacht für die Versicherte gehandelt hat (zum Erfordernis einer Antragstellung für einen Anspruch nach § 14 Abs 4 Satz 1 SGB IX ausführlich BSG 13.09.2011, B 1 KR 25/10 R, BSGE 109, 122). Dem Schreiben der Klinik vom 10.01.2013 war ein für den MDK bestimmter ärztlicher Bericht beigefügt, aus dem sich ergibt, dass die Versicherte in einem am 08.01.2013 in der Klinik geführten Bilanzierungsgespräch ausdrücklich den Wunsch geäußert hatte, entgegen ihrer ursprünglichen Planung eine Anschlussbehandlung für sich nutzen zu wollen. Darin sieht der Senat im vorliegenden Fall die konkludente Erteilung einer Vollmacht für die Stellung eines Leistungsantrages bei der Beklagten. Die im Verwaltungsverfahren erforderliche Vollmacht muss nicht schriftlich erteilt werden, nur der auf Verlangen zu führende Nachweis einer Vollmacht bedarf der Schriftform (§ 13 Abs 1 Satz 3 SGB X). Die Beklagte leitete den Antrag innerhalb der Frist von zwei Wochen (§ 14 Abs 1 Satz 1 SGB IX) an den Kläger als örtlichen Träger der Sozialhilfe weiter.
Der Anspruch nach § 14 Abs 4 Satz 1 SGB IX setzt voraus, dass nach Bewilligung der Leistung durch einen Rehabilitationsträger nach § 14 Abs 1 Satz 2 bis 4 SGB IX festgestellt wird, dass ein anderer Rehabilitationsträger für die Leistung "zuständig" ist. In diesem Sinne "zuständig" ist ein Träger, der ohne die Regelung in § 14 SGB IX zuständig wäre und von dem der Versicherte die gewährte Maßnahme hätte beanspruchen können (BSG 13.09.2011, B 1 KR 25/10 R, BSGE 109, 122 mwN). Dies ist hier der Fall, weil nicht der Kläger (Sozialhilfeträger), sondern die Beklagte (Krankenkasse) für die Leistung "zuständig" war.
Nach § 11 Abs 2 Satz 1 SGB V haben Versicherte gegen ihre Krankenkasse Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie auf unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen, die notwendig sind, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. Dieser Anspruch wird in § 40 SGB V konkretisiert. Danach erbringt die Krankenkasse aus medizinischen Gründen erforderliche ambulante Rehabilitationsleistungen in Rehabilitationseinrichtungen, für die ein Versorgungsvertrag nach § 111c SGB V besteht, wenn bei Versicherten eine ambulante Krankenbehandlung nicht ausreicht, um die in § 11 Abs 2 SGB V beschriebenen Ziele zu erreichen (§ 40 Abs 1 Satz 1 SGB V). Der Anspruch auf eine stationäre Rehabilitation setzt nach § 40 Abs 2 Satz 1 SGB V voraus, dass eine ambulante Rehabilitation nach § 40 Abs 1 Satz 1 SGB V nicht ausreicht. Aus diesen Vorschriften ergibt sich ein Stufenverhältnis (Urteile des Senats vom 21.05.2015, L 11 KR 3057/14; 13.03.2012, L 11 KR 1612/11, 28.04.2009, L 11 KR 4828/09 und vom 20.04.2010, L 11 KR 5047/09): Zuerst ist ambulante Krankenbehandlung iSd § 27 SGB V in Anspruch zu nehmen (erste Stufe). Reicht diese nicht aus, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern, erbringt die Krankenkasse ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation in Rehabilitationseinrichtungen, für die ein Versorgungsvertrag nach § 111c SGB V besteht, oder mobile Rehabilitationsleistungen durch wohnortnahe Einrichtungen (§ 40 Abs 1 Satz 1 SGB V; zweite Stufe). Reichen solche ambulanten Maßnahmen zur Rehabilitation nicht aus, erbringt die Krankenkasse stationäre Rehabilitation mit Unterkunft und Verpflegung in einer nach § 20 Abs 2a des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) zertifizierten Rehabilitationseinrichtung, mit der ein Vertrag nach § 111 SGB V besteht; für pflegende Angehörige kann die Krankenkasse unter denselben Voraussetzungen stationäre Rehabilitation mit Unterkunft und Verpflegung auch in einer zertifizierten Rehabilitationseinrichtung erbringen, mit der ein Vertrag nach § 111a SGB V besteht (§ 40 Abs 2 Satz 1 SGB V, dritte Stufe).
Leistungen der jeweils höheren Stufe können nur in Anspruch genommen werden, wenn die Leistungen der vorherigen Stufe aus medizinischen Gründen nicht ausreichen. Maßgeblich ist, ob die Erbringung von Leistungen nach den vorrangigen Stufen bei einer prognostischen Beurteilung im Hinblick auf die Erreichung der Ziele des § 11 Abs 2 SGB V erfolglos sein wird (Senatsurteile vom 25.07.2017, L 11 KR 324/17 und 13.03.2012, L 11 KR 1612/11). Die Feststellung der Notwendigkeit und Erfolgsaussicht einer beantragten Reha-Maßnahme gehört zu den gerichtlich voll überprüfbaren Anspruchsvoraussetzungen und nicht zu der "Art der Leistung" im Sinne von § 40 Abs 3 Satz 1 SGB V, die die Krankenkasse nach pflichtgemäßen Ermessen bestimmt (BSG 25.03.2003, B 1 KR 33/01 R, SozR 4-1500 § 54 Nr 1).
Der Anspruch auf stationäre Rehabilitation nach § 40 Abs 2 Satz 1 SGBV umfasst auch eine Adaptionsbehandlung als eine Form der medizinischen Rehabilitation zur Drogenentwöhnung. Nach § 40 Abs 4 SGB V werden zwar Leistungen der ambulanten und stationären Rehabilitation von den Krankenkassen nur erbracht werden, wenn nach den für andere Träger der Sozialversicherung geltenden Vorschriften solche Leistungen nicht erbracht werden können. Eine hier allein in Betracht kommende Leistung des Rentenversicherungsträgers scheidet aus, weil die Versicherte die für eine solche Leistung notwendigen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (§ 11 SGB VI) nicht erfüllt.
Wie sich aus der die §§ 40 ff, § 11 Abs 2 SGB V ergänzenden Legaldefinition der Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen in § 107 Abs 2 SGB V ergibt, setzt medizinische Rehabilitation im Sinne des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung ihrem Hauptzweck nach eine stationäre Behandlung des Patienten voraus, um ua im Anschluss an Krankenhausbehandlung den dabei erzielten Behandlungserfolg zu sichern oder zu festigen. Neben dieser Zielsetzung muss die Maßnahme erfordern, dass die Einrichtung in organisatorischer, institutioneller Hinsicht "fachlich-medizinisch unter ständiger ärztlicher Verantwortung" steht und unter Mitwirkung von besonders geschultem Personal darauf eingerichtet ist, den Gesundheitszustand des Patienten "nach einem ärztlichen Behandlungsplan vorwiegend durch Anwendung von Heilmitteln einschließlich Krankengymnastik, Bewegungstherapie, Sprachtherapie oder Arbeits- und Beschäftigungstherapie, ferner durch andere geeignete Hilfen, auch durch geistige und seelische Einwirkungen, zu verbessern und den Patienten bei der Entwicklung eigener Abwehr- und Heilungskräfte zu helfen" (vgl § 107 Abs 2 Nr 2 SGB V). Diese Anforderungen an die Einrichtung, die die Rehabilitationsmaßnahme tatsächlich zu erbringen hat, bestimmen zugleich die Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, um eine stationäre Maßnahme nach § 40 Abs 2 SGB V beanspruchen zu können. Das bedeutet, dass es bei einer Maßnahme nach § 40 Abs 2 SGB V um mehr gehen muss als lediglich im Wesentlichen um die Gewährung von Unterkunft in einem nicht gefährdenden Milieu mit Anleitung zur Bewältigung lebenspraktischer und beruflicher Anforderungen, mag sie auch gelegentlich durch verhaltenstherapeutische Leistungen ergänzt werden. Insbesondere muss für die Rehabilitation erforderlich sein, dass sie unter ständiger ärztlicher Verantwortung abläuft (BSG 26.06.2007, B 1 KR 36/06 R, BSGE 98, 277).
Einer solchen stationären Rehabilitationsmaßnahme bedurfte auch die Versicherte. Diese litt an einer Suchterkrankung, die zunächst eine Krankenhausbehandlung (Entgiftung) sowie eine 3-monatige stationäre medizinische Rehabilitation erforderlich machte. Bereits der MDK war in seiner Sozialmedizinischen Fallberatung vom 29.08.2012 zu dem Ergebnis gelangt, dass bei der Versicherten eine Entwöhnungstherapie von 3 bis 9 Monaten notwendig sei. Noch bei Beginn der Adaptionsbehandlung in L. wurde die bei der Versicherten bestehende Krankheit wie folgt diagnostiziert: psychische und Verhaltensstörungen durch multiplen Substanzgebrauch, Abhängigkeitssyndrom; psychische und Verhaltensstörungen durch Tabak, Abhängigkeitssyndrom (Bericht des Integrationszentrums L. vom 03.06.2013). Der Senat ist deshalb davon überzeugt, dass die Adaptionsbehandlung zum Ziel hatte, den durch die Krankenhausbehandlung erzielten Behandlungserfolg (Entgiftung) zu sichern und zu festigen und der Versicherten bei der Entwicklung eigener Abwehr- und Heilungskräfte zu helfen. Bei einer Suchterkrankung zielt die Entwicklung eigener Abwehr- und Heilungskräfte vor allem auf die Vermeidung eines Rückfalls durch psychische Stabilisierung und Festigung der Abstinenz. Mit diesem Ziel wurde die Notwendigkeit einer Adaptionsbehandlung in erster Linie begründet. Einer Qualifizierung der Maßnahme als medizinische Rehabilitation steht nicht entgegen, dass daneben auch die berufliche und soziale Integration der Versicherten gefördert werden soll. Insgesamt diente die Adaptionsmaßnahme folgenden Zielen: • Herstellen der Berufs- und Erwerbsfähigkeit; • Herstellen eines drogenabstinenten Umfeldes und soziale Neuorientierung; • Aufbau befriedigender Freizeitaktivitäten; • Aufbau und Verbesserung des Selbstwertgefühls, des Selbstbildes und der Selbstwirksamkeit; • Aufbau und Erprobung rückfallprophylaktischer Strategien; • Abbau des Perfektionismus und der Überforderungstendenzen; • Entwicklung einer Zukunftsperspektive; • Verbesserung der Selbständigkeit und Verantwortungsübernahme.
Auch nach dem "Gesamtkonzept der Deutschen Rentenversicherung und der gesetzlichen Krankenversicherung zur ganztägig ambulanten medizinischen Rehabilitation Abhängigkeitskranker vom 18. August 2011" ist es Ziel von Leistungen zur Teilhabe abhängigkeitskranker Menschen, diese zur gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu befähigen. Dazu gehören: • Erreichen und Erhaltung von Abstinenz, • Behebung oder Ausgleich körperlicher und psychischer Störungen, • möglichst dauerhafte Erhaltung bzw. Erreichung der Eingliederung in Arbeit, Beruf und Gesellschaft.
Personell war die für 20 Patienten ausgelegte Adaptionseinrichtung (ohne Berücksichtigung der Leitungsebene) wie folgt mit Vollkostenstellen (VK) ausgestattet: • Ärzte und Psychologische Psychotherapeuten 1,3 • Sozialarbeiter 2,0 • Arbeit- und Berufstherapeuten 1,3
Die Versicherte hat wöchentliche verhaltenstherapeutisch orientierte Einzelgespräche erhalten. Neben diesen regelmäßigen wöchentlichen Gesprächen haben regelmäßige psychotherapeutische Kurzkontakte mit den Ärztinnen und weiteren Psychotherapeutinnen der Einrichtung stattgefunden. Im Rahmen der Gruppentherapie hat die Versicherte ferner wöchentlich an zwei 90-minütigen Gruppentherapiesitzungen sowie an psychotherapeutisch geleiteten Indikationsgruppen teilgenommen. Der Senat entnimmt diesen Sachverhalt dem Schreiben der Einrichtung vom 09.03.2017. Nach Auffassung des Senats genügt diese Behandlungsintensität, um speziell bei Suchterkrankungen, die von vornherein auf eine mehrmonatige Therapie ausgerichtet sind, noch von einer medizinischen Ausrichtung der Behandlung auszugehen. Der Umstand, dass ärztliche Interventionen im Rahmen einer Entwöhnungsbehandlung mit zunehmender Dauer weniger intensiv werden, spricht für den Erfolg der Maßnahme und führt nicht dazu, dass aus der mit dem Ziel der Entwöhnung medizinisch ausgerichteten Maßnahme eine berufliche oder soziale Maßnahme wird.
Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Verzugszinsen besteht nicht. Das BVerwG differenziert seit jeher zwischen Verzugszinsen, die im öffentlichen Recht nur geltend gemacht werden könnten, wenn das gesetzlich oder vertraglich explizit geregelt sei, und Prozesszinsen ab Eintritt der Rechtshängigkeit einer Geldforderung, die gezahlt werden müssten, soweit der darauf gerichtete Anspruch nicht ausgeschlossen sei (BVerwG 09.02.2005, 6 B 80/04, juris). Dieser Auffassung hat sich die Rechtsprechung des BSG inzwischen angeschlossen (BSG 28.09.2005, B 6 KA 71/04 R, BSGE 95, 141). Eine analoge Anwendung der §§ 284, 288 BGB scheidet daher aus mit der Folge, dass Erstattungsansprüche von Sozialleistungsträgern untereinander grundsätzlich nicht zu verzinsen sind (BSG 12.11.2015, B 14 AS 50/14 R, SozR 4-4200 § 6b Nr 4). Ein Ausnahme hiervon enthält die Regelung in § 108 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB X iVm § 44 Abs 3 Satz 1 SGB I, auf die sich der Kläger hier auch beruft. Nach diesen Vorschriften haben die Sozialhilfeträger und die anderen in § 108 Abs 2 SGB X genannten Träger auf Antrag Anspruch auf Verzinsung eines Erstattungsanspruchs mit 4 vH für den Zeitraum nach Ablauf eines Kalendermonats nach Eingang des vollständigen, den gesamten Erstattungszeitraum umfassenden Erstattungsantrages beim zuständigen Erstattungsverpflichteten bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung (§ 108 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB X). Verzinst werden dabei aber nur volle Euro-Beträge (§ 44 Abs 3 Satz 1 SGB I). Diese Regelungen gelten für Erstattungsansprüche nach § 14 Abs 4 SGB IX entsprechend (BSG 03.11.2011, B 3 KR 8/11 R, BSGE 109, 199; BSG 20.11.2008, B 3 KR 16/08 R, - juris, Rn 26). Allerdings setzt der Zinsanspruch einen besonderen Antrag voraus; der bloße Erstattungsantrag reicht hierfür nicht aus (KassKomm/Kater SGB X § 108 Rn 9). Die mit Schreiben vom 08.07.2013 erfolgte Geltendmachung des Erstattungsbetrages beinhaltete keinen Antrag auf Verzinsung. Der Kläger hat daher keinen Anspruch auf die geltend gemachten Verzugszinsen.
Dagegen besteht ein Anspruch auf Prozesszinsen. Ein solcher Anspruch folgt aus den entsprechend anwendbaren §§ 291, 288 BGB. Der Grundsatz, dass für öffentlich-rechtliche Geldforderungen in sinngemäßer Anwendung des § 291 BGB Prozesszinsen zu entrichten sind, wenn das jeweils einschlägige Fachrecht keine gegenteilige Regelung trifft, gilt auch für Erstattungsansprüche zwischen Sozialleistungsträgern (BSG 12.11.2015, B 14 AS 50/14 R, SozR 4-4200 § 6b Nr 4). Der Anspruch auf Prozesszinsen beginnt im vorliegenden Fall am 06.12.2013. Denn die Klage ist an diesem Tag beim SG eingegangen und damit nach § 94 SGG rechtshängig geworden. Der Höhe nach ist der Zinsanspruch auf 4 % begrenzt, da der Kläger keinen höheren Zinssatz beantragt hat (§ 123 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 SGG iVm § 155 Abs 1 Satz 1 und 3 VwGO. Der Kläger ist im Verfahren nur zu einem geringen Teil unterlegen, da die teilweise Ablehnung der Zinsforderung im Verhältnis zum gesamten Streitgegenstand des Erstattungsbegehrens von untergeordneter Bedeutung ist. Dies zeigt sich bereits darin, dass Nebenforderungen, wie Zinsen, gegenüber dem Hauptanspruch grundsätzlich kostenmäßig keine Berücksichtigung finden (OVG Sachsen-Anhalt 29.11.2011, 1 L 96/10, juris).
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 3, § 47 Abs 1 GKG. Die Höhe des Streitwerts entspricht der mit der Klage geltend gemachten Hauptforderung; die als Nebenforderungen geltend gemachten Zinsen werden bei der Bemessung des Streitwerts nicht berücksichtigt (§ 43 Abs 1 GKG).
Der Senat sieht auch im Hinblick auf das Urteil des BSG vom 26.06.2007 (B 1 KR 36/06 R, BSGE 98, 277) keinen Grund, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs 2 SGG). Die hier streitige Adaptionsbehandlung geht über die Gewährung von Unterkunft in einem nicht gefährdenden Milieu mit Anleitung zur Bewältigung lebenspraktischer und beruflicher Anforderungen hinaus und wird auch nicht bloß gelegentlich durch verhaltenstherapeutische Leistungen ergänzt.
Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt die Beklagte.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 12.915,90 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Der Träger der Sozialhilfe begehrt von der Krankenkasse die Erstattung der Kosten für die Durchführung einer Adaptionsbehandlung
Die bei der Beklagten versicherte Frau A.-S. R. (geb. 1993; im Weiteren nur: die Versicherte) litt an einer Suchterkrankung. Sie nahm ihren eigenen Angaben zufolge seit dem 14. Lebensjahr in unterschiedlichem Ausmaß verschiedene Drogen. In der Zeit vom 27.06. bis zum 06.07.2012 führte sie einen stationären Entzug (Entgiftung) durch. Am 20.08.2012 stellte die Versicherte bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund einen Antrag auf stationäre Leistungen zur medizinischen Rehabilitation für Abhängigkeitskranke. Die DRV Bund leitete den Antrag an die beklagte Krankenkasse weiter (Eingang dort am 31.08.2012), da die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine von der DRV Bund zu gewährende Maßnahme bei der Versicherten nicht erfüllt waren. Nachdem der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) die Notwendigkeit der beantragten stationären Rehabilitation für die Dauer von 3 bis 9 Monaten befürwortet hatte (Sozialmedizinische Fallberatung vom 29.08.2012), bewilligte die Beklagte der Versicherten eine 3-monatige stationäre Entwöhnungstherapie (Bescheid vom 27.09.2012). Diese Therapie wurde vom 23.10.2012 bis 27.01.2013 in der Rehabilitationsklinik F. in G. (einer Klinik des Fachverbands für Prävention und Rehabilitation in der Erzdiözese Fr. e.V.) durchgeführt.
Mit Schreiben vom 10.01.2013 stellte die Rehaklinik bei der Beklagten für die Versicherte einen Verlängerungsantrag bis zum 14.05.2013. Die Klinik gab an, es sei geplant, die Versicherte am 21.01.2013 in die Adaptionseinrichtung der Rehaklinik F. (L.) zu verlegen. Sie bitte daher um Übernahme der Kosten für eine Adaptionsbehandlung in der zum Behandlungsnetzwerk gehörenden Adaptionseinrichtung in L. Es sei geplant gewesen, die Versicherte zunächst nach Hause zu entlassen. Bei einer mehrtägigen Heimfahrt sei dieser jedoch deutlich geworden, dass dies mit einer enormen Rückfallgefährdung verbunden wäre. Die Adaptionsbehandlung würde der Versicherte neben der weiteren Auseinandersetzung mit der eigenen Suchtmittelabhängigkeit, der psychischen Stabilisierung sowie der Festigung ihrer Abstinenz, den notwendigen Rahmen bieten, sich schrittweise den Anforderungen des Lebens- und Arbeitsalltags zu stellen und entsprechende Weichenstellungen für eine soziale und berufliche Reintegration vorzunehmen. In dem Antrag wurden als Ziele für die weitere Maßnahme angegeben: Herstellen der Berufs- und Erwerbsfähigkeit; Herstellen eines drogenabstinenten Umfeldes und soziale Neuorientierung; Aufbau befriedigender Freizeitaktivitäten; Aufbau und Verbesserung des Selbstwertgefühls, des Selbstbildes und der Selbstwirksamkeit; Aufbau und Erprobung rückfallprophylaktischer Strategien; Abbau des Perfektionismus und der Überforderungstendenzen; Entwicklung einer Zukunftsperspektive; Verbesserung der Selbständigkeit und Verantwortungsübernahme. Weiter wurde angegeben, die Adaptionsbehandlung erfolge im Rahmen der medizinischen Reha und unter ärztlicher Leitung. In einem 14-tägigen Umfang habe eine ärztliche Intervention stattgefunden. Schwerpunkte seien Außenorientierung und soziale und berufliche Reintegration. Der Mittelpunkt sei ein Berufspraktikum, aktive Freizeitgestaltung und Abstinenztraining unter realen Lebensbedingungen. Diesen Antrag leitete die Beklagte mit Schreiben vom 15.01.2013 an den Kläger als zuständigen Träger der Eingliederungshilfe weiter, da eine Adaptionsbehandlung keine Leistung der gesetzlichen Krankenkasse darstelle.
In der Zeit vom 28.01.2013 bis 20.05.2013 wurde die Adaptionsbehandlung in L. durchgeführt. Träger dieser Adaptionseinrichtung in L. und der Reha-Klinik in G. ist der AGJ Fachverband für Prävention und Rehabilitation in der Erzdiözese Fr. eV. Der Einrichtungsträger verfügt sowohl für die Reha-Klinik als auch für die Adaptionseinrichtung seit dem Jahr 2002 über einen Versorgungsvertrag nach § 111 Abs 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Nach § 2 des Versorgungsvertrages erbringen die Einrichtungen für die Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung stationäre medizinische Rehabilitationsleistungen nach § 40 Abs 2 SGB V für den Indikationsbereich Suchterkrankungen (Drogen- und Mehrfachabhängigkeit bei Männern und Frauen).
Nach einer Untersuchung durch den Amtsarzt und nachdem die Versicherte Unterlagen über ihre finanzielle Situation eingereicht hatte, bewilligte der Kläger der Versicherten mit Bescheid vom 28.06.2013 die Kostenübernahme für die Adaptionsbehandlung für die Zeit vom 28.01.2013 bis 20.05.2013. Als Rechtsgrundlage für die getroffene Entscheidung gab der Kläger § 40 Abs 2 SGB V an. Die von ihm angeforderten Unterlagen ließen nur den Schluss zu, dass es sich bei der durchgeführten Maßnahme auch aufgrund der ärztlichen Präsenz um eine Leistung der medizinischen Rehabilitation gehandelt habe.
Mit Schreiben vom 08.07.2013 machte der Kläger bei der Beklagten einen Erstattungsanspruch in Höhe von insgesamt 12.915,90 EUR für die Adaptionsbehandlung geltend. Er habe als zweitangegangener Träger gemäß § 14 SGB IX die Maßnahme bewilligt. Die Leistung sei jedoch als medizinische Rehabilitation zu qualifizieren und daher von der Beklagten zu übernehmen. Mit Verweis auf das Urteil des Bundessozialgericht (BSG) vom 19.06.2007 (B 1 KR 36/06 R) lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten ab. Es habe sich nicht überwiegend um eine medizinische Rehabilitation gehandelt. Für eine berufliche und soziale Rehabilitation sei die Beklagte nicht zuständig.
Am 06.12.2013 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, er sei aufgrund der Weiterleitung des Antrags der Beklagten für die Entscheidung über die Kostenübernahme nach allen Anspruchsgrundlagen zuständig geworden. Bei der gewährten Adaptionsmaßnahme handle es sich jedoch um eine medizinische Rehabilitation im Sinne des § 40 SGB V. Es habe einem Rückfall der Versicherten in die Sucht vorgebeugt werden sollen. Aufgrund einer hohen Rückfallgefahr sei der Behandlungserfolg am 28.01.2013 noch nicht eingetreten gewesen. Die Behandlung habe unter ärztlicher Präsenz und ärztlicher Intervention stattgefunden. Vieles spreche dafür, dass die Festigung der Abstinenz und nicht der Aufbau beruflicher Fähigkeiten im Mittelpunkt gestanden haben. Bei der Adaptionsbehandlung handle es sich um die Phase II der Entwöhnungsbehandlung. Dies sehe auch der Fachverband Sucht eV so.
Mit Schriftsatz vom 22.12.2014, beim SG eingegangen am 05.02.2015, hat der Kläger seinen Antrag erweitert und auch Zinsen aus dem Betrag vom 12.915,90 EUR ab dem 12.08.2013 verlangt. Gemäß § 108 Abs 2 SGB X bestehe ein Anspruch auf Verzugszinsen gegen die Beklagte. Der Antrag auf Kostenerstattung sei am 09.07.2013 zur Post gegeben worden und gelte somit ab dem 12.07.2013 als zugestellt. Der Zinsanspruch bestehe somit ab dem 12.08.2013.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat ausgeführt, dass die Entwöhnungsbehandlung der Versicherten übernommen worden sei. Die Adaptionsbehandlung sei jedoch nicht zu übernehmen gewesen, da eine räumliche und soziale Neuorientierung keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung darstelle. Die Adaptionsphase diene zur Bewältigung lebenspraktischer und beruflicher Anforderungen in einem nicht gefährdeten Milieu, so dass die Integration zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft im Vordergrund stehe. Die im Entlassbericht angegeben Ziele (Studienplatz finden, aktiver werden und die Antriebslosigkeit überwinden, Selbstwertgefühl steigern, Umgang mit Geld erlernen) seien keine Ziele der medizinischen Rehabilitation. Bei einer 14-tägigen ärztlichen Intervention könne nicht von einer ständigen ärztlichen Verantwortung ausgegangen werden, welche aber Voraussetzung für eine medizinische Rehabilitation nach den Regelungen der gesetzlichen Krankenversicherung sei.
Die Versicherte hat in die Einsicht der Behandlungsakte nicht eingewilligt, so dass diese unterblieben ist.
Das SG hat bei der Rehaklinik F. eine Auskunft eingeholt. Die Klinik hat mitgeteilt, dass die Adaptionsphase im Rahmen der letzten Behandlungsphase der medizinischen Rehabilitation der Außenorientierung und der Annäherung an realitätsnahe Rahmenbedingungen diene. Die Klinik F., zu der die Einrichtung in L. gehöre, stehe unter ärztlicher Leitung durch Frau Dr. B ... In L. vor Ort sei eine Ärztin im Umfang von 20 % angestellt, die Patientinnen und Patienten sehe und im Rahmen der Therapieplanungskonferenzen und ärztlichen Sprechstunden die Therapieverläufe begleite. Im Mittelpunkt stehe die berufliche und soziale Reintegration und Außenorientierung unter kontrollierten Rahmenbedingungen. Es würden unbezahlte Praktika in Betrieben des ersten Arbeitsmarktes absolviert und an Freizeitaktivitäten örtlicher Vereine teilgenommen. Alkohol- und Urinkontrollen sowie ein fester Wochenplan mit kontrollierten Nachtruhezeiten würden für begleitete und beschützte Rahmenbedingungen sorgen. Das Team setze sich aus Ärzten, Psychotherapeuten, Sozialarbeitern und Arbeitstherapeuten zusammen. Der strukturierte Wochenplan bestehe aus Einzel- und Gruppentherapiegesprächen, begleiteten Freizeitaktivitäten, Sport und interner Arbeitstherapie bzw Durchführung von Praktika.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 26.11.2015, dem Kläger zugestellt am 15.12.2015, abgewiesen. Die Klage sei als allgemeine Leistungsklage gemäß § 54 Abs 4 SGG statthaft und auch ansonsten zulässig erhoben worden. Die Klage sei jedoch unbegründet. Der Kläger habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Erstattung des für die Adaptionsbehandlung der Versicherten aufgewendeten Betrages von 12.915,90 EUR.
Ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Erstattung ergebe sich nicht aus § 14 Abs 4 Satz 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX). Danach seien die Aufwendungen vom zuständigen Rehabilitationsträger zu erstatten, wenn dessen Zuständigkeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 4 nach Bewilligung der Leistung durch einen nicht zuständigen Rehabilitationsträger festgestellt worden sei. Das Gericht sei jedoch zu der Auffassung gelangt, dass die Beklagte vorliegend für die Erbringung der Adaptionsmaßnahme an die Versicherte nicht zuständig gewesen sei. Die Zuständigkeit eines Rehabilitationsträgers im Sinne des § 14 SGB IX bestehe nur dann, wenn dieser zur Erbringung der Leistung nach den für diesen außerhalb des § 14 SGB IX geltenden Regelungen unmittelbar verpflichtet gewesen wäre. Die Versicherte habe jedoch keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Erbringung einer Adaptionsmaßnahme als Rehabilitationsbehandlung in der Einrichtung in L. gehabt. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bestehe die Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung auch nach Inkrafttreten des SGB IX allein in der medizinischen Rehabilitation nach Maßgabe des SGB V, also der möglichst weitgehenden Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktion einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolges, um ein selbstständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation bleibe Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme.
Leistungen der Rehabilitation iSd § 40 SGB V stellten Komplexmaßnahmen dar, bei denen die im Einzelfall erforderlichen therapeutischen Interventionen (wie zB Krankengymnastik, Bewegungs-, Sprach- und Beschäftigungstherapie, Psychotherapie und Hilfsmittelversorgung) aufgrund eines ärztlichen Behandlungsplanes (vgl § 107 Abs 2 Nr 2 SGB V) zu einem in sich verzahnten Gesamtkonzept zusammengefasst seien. Das bedeute, dass es bei einer Maßnahme nach § 40 Abs 2 SGB V um mehr gehen müsse als lediglich im Wesentlichen um die Gewährung von Unterkunft in einem nicht gefährdenden Milieu mit Anleitung zur Bewältigung lebenspraktischer und beruflicher Anforderungen, mögen sie auch gelegentlich durch verhaltenstherapeutische Leistungen ergänzt werden. Insbesondere müsse für die Rehabilitation erforderlich sein, dass sie unter ständiger ärztlicher Verantwortung ablaufe.
Das Gericht habe nicht feststellen können, dass die Versicherte einer solchen Behandlung bedurft habe bzw dass eine solche Behandlung bei dieser in der Adaptionsmaßnahme in L. durchgeführt worden sei. Nach dem von der Klinik F. vorgelegten Behandlungsplan und den von dort gemachten Angaben sei das Gericht zu der Ansicht gelangt, dass der Schwerpunkt der Maßnahme nicht im rein medizinischen Bereich gelegen habe. Vielmehr habe bei der Maßnahme die berufliche und soziale Reintegration und Außenorientierung unter kontrollierten Rahmenbedingungen im Mittelpunkt gestanden. Dies habe die Einrichtung explizit so angegeben. Es hätten Arbeitstherapie und später auch ein Berufspraktikum sowie begleitende Freizeitaktivitäten stattgefunden. Außerdem sei bereits im Antrag angegeben worden, dass die Versicherte sich örtlich und sozial neu orientieren wolle. Dies werde auch in den Zielen der Maßnahme deutlich, die von der Einrichtung mitgeteilt worden seien. Es sollten insbesondere eine generelle und eine berufliche (Zukunfts-) Perspektive erarbeitet, ein neues soziales Umfeld gefunden und die Selbständigkeit und die Verantwortungsübernahme verbessert werden. Zur Erreichung dieser Ziele bestehe keine medizinische Notwendigkeit im engeren Sinne, auch wenn diese sicherlich hilfreich seien, um ein abstinentes Leben führen zu können. Die daneben bestehenden Ziele des Aufbaus des Selbstwertgefühls, der Erprobung rückfallprophylaktischer Strategien und des Abbaus von Überforderungstendenzen dürften zwar insbesondere durch Maßnahmen der Psychotherapie zu erreichen sein, stellten jedoch nach den Angaben der Klinik nicht den Schwerpunkt der Adaptionsphase dar. Aus dem Wochenplan ergebe sich auch nicht, in welchem Umfang Psychotherapie tatsächlich stattgefunden habe.
Auch der Umstand, dass die Klinik F. durch eine Ärztin geleitet werde, könne nicht dazu führen, dass es sich bei der Maßnahme um eine Rehabilitation im Sinne des § 40 SGB V handelt. Es sei zum einen nicht ersichtlich, dass Frau Dr. B. an der Behandlung der Versicherten während des Aufenthalts in der Adaptionseinrichtung überhaupt beteiligt gewesen sei. Die Klinik F. und die Einrichtung in L. trennten außerdem eine Fahrtstrecke von ca einer Stunde, so dass eine ständige ärztliche Verantwortung für die Behandlung in L. durch Frau Dr. B. auch nicht gewährleistet gewesen sei. Vor Ort in L. sei eine Ärztin lediglich im Umfang von 20 % beschäftigt, welche nach den Angaben der Klinik an der Therapieplanung und im Rahmen einer ärztlichen Sprechstunde die Therapieverläufe begleite. Jedoch könne bei einer wohl lediglich an einem Tag der Woche anwesenden Ärztin nicht davon gesprochen werden, dass diese maßgeblich und vor allem verantwortlich an der Behandlung der Versicherten beteiligt gewesen sei.
Am 13.01.2013 hat der Kläger Berufung eingelegt. Er ist weiterhin der Auffassung, dass die Beklagte die Kosten der Adaptionsmaßnahme zu tragen habe. Es habe sich um eine medizinische Rehabilitation nach dem SGB V gehandelt. Das Urteil des BSG aus dem Jahre 2006, auf das sich das SG gestützt habe, betreffe nicht den vorliegenden Fall. Das SG habe nicht berücksichtigt, dass eine medizinische Intervention erforderlich gewesen und auch erfolgt sei. Im vorliegenden Fall sei in einem 14-tägigen Umfang eine ärztliche Intervention gegeben gewesen; bei Bedarf wäre eine solche auch öfter möglich gewesen. Aus Tatsache, dass die in der Adaptionseinrichtung anwesende Ärztin lediglich in einem Umfang von 20% beschäftigt sei, dürfe nicht auf das Fehlen einer ärztlichen Verantwortung geschlossen werden. Das Gesamtkonzept der Behandlung habe unter ärztlicher und psychotherapeutischer Gesamtverantwortung gestanden. In Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen sei die Betreuung durch ärztliches Personal derjenigen durch nichtärztliches Personal eher gleichwertig nebengeordnet, wenn nicht gar untergeordnet.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 26.11.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Kosten in Höhe von 12.915,90 EUR für die Zeit vom 28.01.2013 bis 20.05.2013 nebst Zinsen in Höhe von 4 vH ab dem 12.08.2013 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 26.11.2015 zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das Urteil des SG für zutreffend.
Der Senat hat eine schriftliche Auskunft der Rehaklinik F. eingeholt. Diese hat mit Schreiben vom 09.03.2017 ihre Personalaufstellung für das erste Halbjahr 2013 übersandt und ausgeführt, das Fachärzteteam setze sich aus den drei aufgeführten Ärztinnen, einer approbierten Psychologischen Psychotherapeutin in Vollzeit sowie aus drei Sozialarbeitern bzw Sozialpädagogen zusammen. Für den Bereich Ergo- und Arbeitstherapie seien zwei Arbeits- und Berufstherapeuten in Vollzeit bzw. Teilzeit weitere Mitglieder des multiprofessionellen Teams. Die Adaptionseinrichtung habe im ersten Halbjahr 2013 über 20 Adaptionsplätze verfügt. Die Versicherte habe wöchentliche verhaltenstherapeutisch orientierte Einzelgespräche erhalten. Neben diesen regelmäßigen wöchentlichen Gesprächen hätten regelmäßige psychotherapeutische Kurzkontakte mit den Ärztinnen und weiteren Psychotherapeutinnen der Einrichtung stattgefunden. Im Rahmen der Gruppentherapie habe die Versicherte wöchentlich an zwei 90-minütigen Gruppentherapiesitzungen sowie an psychotherapeutisch geleiteten Indikationsgruppen teilgenommen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten und des Klägers verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig.
Die Berufung des Klägers ist gemäß den §§ 143, 144 Abs 1 Satz 1 Nr 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Es handelt sich hier um eine Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts auf der Grundlage von § 14 SG IX, die den wirtschaftlichen Ausgleich zwischen Verwaltungsträgern betrifft. Für eine zulassungsfreie Berufung muss der Wert des Beschwerdegegenstandes bzw Rechtsmittelgegenstandes mehr als 10.000 EUR betragen. Diese Voraussetzung ist bei dem geltend gemachten Anspruch auf Zahlung von 12.915,90 EUR erfüllt.
Der Kläger hat die Berufung gegen das ihm am 15.12.2015 zugestellte Urteil des SG am 13.01.2016 schriftlich und damit sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt. Richtige Klageart ist die allgemeine Leistungsklage (§ 44 Abs 5 SGG).
Die Berufung des Klägers ist auch in Bezug auf die Hauptforderung begründet; lediglich der geltend gemachte Zinsanspruch besteht nicht in vollem Umfang. Die Forderung ist nicht bereits ab dem 12.08.2013, sondern erst ab dem 06.12.2013 mit 4% zu verzinsen. Insoweit ist die Berufung unbegründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht insgesamt abgewiesen. Die beklagte Krankenkasse ist verpflichtet, dem klagenden Landkreis (Sozialhilfeträger) für die in der Zeit vom 28.01.2013 bis 20.05.2013 durchgeführte Adaptionsbehandlung der Versicherten 12.915,90 EUR nebst 4% Zinsen aus diesem Betrag ab 06.12.2013 zu zahlen.
Rechtsgrundlage des Erstattungsbegehrens der Klägerin ist § 14 Abs 4 Satz 1 SGB IX, da die Beklagte einen Antrag des Versicherten innerhalb der Zweiwochenfrist des § 14 Abs 1 Satz 1 SGB IX an den Kläger als zweitangegangenen Rehabilitationsträger weitergeleitet hatte. Der Erstattungsanspruch nach § 14 Abs 4 Satz 1 SGB IX ist nur dann eröffnet, wenn der Kläger als zweitangegangener Rehabilitationsträger die Adaptionsbehandlung auf einen Antrag nach § 14 Abs 1 Satz 2 bis 4 SGB IX bewilligte. § 14 Abs 4 Satz 1 und 2 SGB IX trifft nach seinem Sinn und Zweck sowie dem Regelungssystem für zweitangegangene Rehabilitationsträger eine Spezialregelung gegenüber § 102 SGB X. Dieser spezielle Anspruch geht den allgemeinen Erstattungsansprüchen nach dem SGB X vor (BSG 13.09.2011, B 1 KR 25/10 R, BSGE 109, 122).
Für den Senat steht fest, dass der Kläger als zweitangegangener Rehabilitationsträger tätig geworden ist. § 14 Abs 1 Satz 2 SGB IX umschreibt zweitangegangene Träger bei antragsabhängigen Leistungen in Abhängigkeit von einer Antragstellung: Stellt der Rehabilitationsträger, bei dem zuerst Leistungen beantragt worden sind (erstangegangener Rehabilitationsträger), binnen zwei Wochen fest, dass er für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich, dh innerhalb der Zweiwochenfrist, dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger (zweitangegangener Rehabilitationsträger) zu (§ 14 Abs 1 Satz 1 und 2 SGB IX). So lag es hier. Das Schreiben der Rehaklinik F. vom 10.01.2013 ist ein an die Beklagte (Krankenkasse) gerichteter Antrag der Versicherten auf Bewilligung einer Adaptionsbehandlung bzw Verlängerung einer für eine bestimmte Dauer bereits bewilligten Leistung zur medizinischen Rehabilitation. Der Senat entnimmt den Gesamtumständen, dass die Rehaklinik namens und in Vollmacht für die Versicherte gehandelt hat (zum Erfordernis einer Antragstellung für einen Anspruch nach § 14 Abs 4 Satz 1 SGB IX ausführlich BSG 13.09.2011, B 1 KR 25/10 R, BSGE 109, 122). Dem Schreiben der Klinik vom 10.01.2013 war ein für den MDK bestimmter ärztlicher Bericht beigefügt, aus dem sich ergibt, dass die Versicherte in einem am 08.01.2013 in der Klinik geführten Bilanzierungsgespräch ausdrücklich den Wunsch geäußert hatte, entgegen ihrer ursprünglichen Planung eine Anschlussbehandlung für sich nutzen zu wollen. Darin sieht der Senat im vorliegenden Fall die konkludente Erteilung einer Vollmacht für die Stellung eines Leistungsantrages bei der Beklagten. Die im Verwaltungsverfahren erforderliche Vollmacht muss nicht schriftlich erteilt werden, nur der auf Verlangen zu führende Nachweis einer Vollmacht bedarf der Schriftform (§ 13 Abs 1 Satz 3 SGB X). Die Beklagte leitete den Antrag innerhalb der Frist von zwei Wochen (§ 14 Abs 1 Satz 1 SGB IX) an den Kläger als örtlichen Träger der Sozialhilfe weiter.
Der Anspruch nach § 14 Abs 4 Satz 1 SGB IX setzt voraus, dass nach Bewilligung der Leistung durch einen Rehabilitationsträger nach § 14 Abs 1 Satz 2 bis 4 SGB IX festgestellt wird, dass ein anderer Rehabilitationsträger für die Leistung "zuständig" ist. In diesem Sinne "zuständig" ist ein Träger, der ohne die Regelung in § 14 SGB IX zuständig wäre und von dem der Versicherte die gewährte Maßnahme hätte beanspruchen können (BSG 13.09.2011, B 1 KR 25/10 R, BSGE 109, 122 mwN). Dies ist hier der Fall, weil nicht der Kläger (Sozialhilfeträger), sondern die Beklagte (Krankenkasse) für die Leistung "zuständig" war.
Nach § 11 Abs 2 Satz 1 SGB V haben Versicherte gegen ihre Krankenkasse Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie auf unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen, die notwendig sind, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. Dieser Anspruch wird in § 40 SGB V konkretisiert. Danach erbringt die Krankenkasse aus medizinischen Gründen erforderliche ambulante Rehabilitationsleistungen in Rehabilitationseinrichtungen, für die ein Versorgungsvertrag nach § 111c SGB V besteht, wenn bei Versicherten eine ambulante Krankenbehandlung nicht ausreicht, um die in § 11 Abs 2 SGB V beschriebenen Ziele zu erreichen (§ 40 Abs 1 Satz 1 SGB V). Der Anspruch auf eine stationäre Rehabilitation setzt nach § 40 Abs 2 Satz 1 SGB V voraus, dass eine ambulante Rehabilitation nach § 40 Abs 1 Satz 1 SGB V nicht ausreicht. Aus diesen Vorschriften ergibt sich ein Stufenverhältnis (Urteile des Senats vom 21.05.2015, L 11 KR 3057/14; 13.03.2012, L 11 KR 1612/11, 28.04.2009, L 11 KR 4828/09 und vom 20.04.2010, L 11 KR 5047/09): Zuerst ist ambulante Krankenbehandlung iSd § 27 SGB V in Anspruch zu nehmen (erste Stufe). Reicht diese nicht aus, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern, erbringt die Krankenkasse ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation in Rehabilitationseinrichtungen, für die ein Versorgungsvertrag nach § 111c SGB V besteht, oder mobile Rehabilitationsleistungen durch wohnortnahe Einrichtungen (§ 40 Abs 1 Satz 1 SGB V; zweite Stufe). Reichen solche ambulanten Maßnahmen zur Rehabilitation nicht aus, erbringt die Krankenkasse stationäre Rehabilitation mit Unterkunft und Verpflegung in einer nach § 20 Abs 2a des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) zertifizierten Rehabilitationseinrichtung, mit der ein Vertrag nach § 111 SGB V besteht; für pflegende Angehörige kann die Krankenkasse unter denselben Voraussetzungen stationäre Rehabilitation mit Unterkunft und Verpflegung auch in einer zertifizierten Rehabilitationseinrichtung erbringen, mit der ein Vertrag nach § 111a SGB V besteht (§ 40 Abs 2 Satz 1 SGB V, dritte Stufe).
Leistungen der jeweils höheren Stufe können nur in Anspruch genommen werden, wenn die Leistungen der vorherigen Stufe aus medizinischen Gründen nicht ausreichen. Maßgeblich ist, ob die Erbringung von Leistungen nach den vorrangigen Stufen bei einer prognostischen Beurteilung im Hinblick auf die Erreichung der Ziele des § 11 Abs 2 SGB V erfolglos sein wird (Senatsurteile vom 25.07.2017, L 11 KR 324/17 und 13.03.2012, L 11 KR 1612/11). Die Feststellung der Notwendigkeit und Erfolgsaussicht einer beantragten Reha-Maßnahme gehört zu den gerichtlich voll überprüfbaren Anspruchsvoraussetzungen und nicht zu der "Art der Leistung" im Sinne von § 40 Abs 3 Satz 1 SGB V, die die Krankenkasse nach pflichtgemäßen Ermessen bestimmt (BSG 25.03.2003, B 1 KR 33/01 R, SozR 4-1500 § 54 Nr 1).
Der Anspruch auf stationäre Rehabilitation nach § 40 Abs 2 Satz 1 SGBV umfasst auch eine Adaptionsbehandlung als eine Form der medizinischen Rehabilitation zur Drogenentwöhnung. Nach § 40 Abs 4 SGB V werden zwar Leistungen der ambulanten und stationären Rehabilitation von den Krankenkassen nur erbracht werden, wenn nach den für andere Träger der Sozialversicherung geltenden Vorschriften solche Leistungen nicht erbracht werden können. Eine hier allein in Betracht kommende Leistung des Rentenversicherungsträgers scheidet aus, weil die Versicherte die für eine solche Leistung notwendigen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (§ 11 SGB VI) nicht erfüllt.
Wie sich aus der die §§ 40 ff, § 11 Abs 2 SGB V ergänzenden Legaldefinition der Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen in § 107 Abs 2 SGB V ergibt, setzt medizinische Rehabilitation im Sinne des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung ihrem Hauptzweck nach eine stationäre Behandlung des Patienten voraus, um ua im Anschluss an Krankenhausbehandlung den dabei erzielten Behandlungserfolg zu sichern oder zu festigen. Neben dieser Zielsetzung muss die Maßnahme erfordern, dass die Einrichtung in organisatorischer, institutioneller Hinsicht "fachlich-medizinisch unter ständiger ärztlicher Verantwortung" steht und unter Mitwirkung von besonders geschultem Personal darauf eingerichtet ist, den Gesundheitszustand des Patienten "nach einem ärztlichen Behandlungsplan vorwiegend durch Anwendung von Heilmitteln einschließlich Krankengymnastik, Bewegungstherapie, Sprachtherapie oder Arbeits- und Beschäftigungstherapie, ferner durch andere geeignete Hilfen, auch durch geistige und seelische Einwirkungen, zu verbessern und den Patienten bei der Entwicklung eigener Abwehr- und Heilungskräfte zu helfen" (vgl § 107 Abs 2 Nr 2 SGB V). Diese Anforderungen an die Einrichtung, die die Rehabilitationsmaßnahme tatsächlich zu erbringen hat, bestimmen zugleich die Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, um eine stationäre Maßnahme nach § 40 Abs 2 SGB V beanspruchen zu können. Das bedeutet, dass es bei einer Maßnahme nach § 40 Abs 2 SGB V um mehr gehen muss als lediglich im Wesentlichen um die Gewährung von Unterkunft in einem nicht gefährdenden Milieu mit Anleitung zur Bewältigung lebenspraktischer und beruflicher Anforderungen, mag sie auch gelegentlich durch verhaltenstherapeutische Leistungen ergänzt werden. Insbesondere muss für die Rehabilitation erforderlich sein, dass sie unter ständiger ärztlicher Verantwortung abläuft (BSG 26.06.2007, B 1 KR 36/06 R, BSGE 98, 277).
Einer solchen stationären Rehabilitationsmaßnahme bedurfte auch die Versicherte. Diese litt an einer Suchterkrankung, die zunächst eine Krankenhausbehandlung (Entgiftung) sowie eine 3-monatige stationäre medizinische Rehabilitation erforderlich machte. Bereits der MDK war in seiner Sozialmedizinischen Fallberatung vom 29.08.2012 zu dem Ergebnis gelangt, dass bei der Versicherten eine Entwöhnungstherapie von 3 bis 9 Monaten notwendig sei. Noch bei Beginn der Adaptionsbehandlung in L. wurde die bei der Versicherten bestehende Krankheit wie folgt diagnostiziert: psychische und Verhaltensstörungen durch multiplen Substanzgebrauch, Abhängigkeitssyndrom; psychische und Verhaltensstörungen durch Tabak, Abhängigkeitssyndrom (Bericht des Integrationszentrums L. vom 03.06.2013). Der Senat ist deshalb davon überzeugt, dass die Adaptionsbehandlung zum Ziel hatte, den durch die Krankenhausbehandlung erzielten Behandlungserfolg (Entgiftung) zu sichern und zu festigen und der Versicherten bei der Entwicklung eigener Abwehr- und Heilungskräfte zu helfen. Bei einer Suchterkrankung zielt die Entwicklung eigener Abwehr- und Heilungskräfte vor allem auf die Vermeidung eines Rückfalls durch psychische Stabilisierung und Festigung der Abstinenz. Mit diesem Ziel wurde die Notwendigkeit einer Adaptionsbehandlung in erster Linie begründet. Einer Qualifizierung der Maßnahme als medizinische Rehabilitation steht nicht entgegen, dass daneben auch die berufliche und soziale Integration der Versicherten gefördert werden soll. Insgesamt diente die Adaptionsmaßnahme folgenden Zielen: • Herstellen der Berufs- und Erwerbsfähigkeit; • Herstellen eines drogenabstinenten Umfeldes und soziale Neuorientierung; • Aufbau befriedigender Freizeitaktivitäten; • Aufbau und Verbesserung des Selbstwertgefühls, des Selbstbildes und der Selbstwirksamkeit; • Aufbau und Erprobung rückfallprophylaktischer Strategien; • Abbau des Perfektionismus und der Überforderungstendenzen; • Entwicklung einer Zukunftsperspektive; • Verbesserung der Selbständigkeit und Verantwortungsübernahme.
Auch nach dem "Gesamtkonzept der Deutschen Rentenversicherung und der gesetzlichen Krankenversicherung zur ganztägig ambulanten medizinischen Rehabilitation Abhängigkeitskranker vom 18. August 2011" ist es Ziel von Leistungen zur Teilhabe abhängigkeitskranker Menschen, diese zur gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu befähigen. Dazu gehören: • Erreichen und Erhaltung von Abstinenz, • Behebung oder Ausgleich körperlicher und psychischer Störungen, • möglichst dauerhafte Erhaltung bzw. Erreichung der Eingliederung in Arbeit, Beruf und Gesellschaft.
Personell war die für 20 Patienten ausgelegte Adaptionseinrichtung (ohne Berücksichtigung der Leitungsebene) wie folgt mit Vollkostenstellen (VK) ausgestattet: • Ärzte und Psychologische Psychotherapeuten 1,3 • Sozialarbeiter 2,0 • Arbeit- und Berufstherapeuten 1,3
Die Versicherte hat wöchentliche verhaltenstherapeutisch orientierte Einzelgespräche erhalten. Neben diesen regelmäßigen wöchentlichen Gesprächen haben regelmäßige psychotherapeutische Kurzkontakte mit den Ärztinnen und weiteren Psychotherapeutinnen der Einrichtung stattgefunden. Im Rahmen der Gruppentherapie hat die Versicherte ferner wöchentlich an zwei 90-minütigen Gruppentherapiesitzungen sowie an psychotherapeutisch geleiteten Indikationsgruppen teilgenommen. Der Senat entnimmt diesen Sachverhalt dem Schreiben der Einrichtung vom 09.03.2017. Nach Auffassung des Senats genügt diese Behandlungsintensität, um speziell bei Suchterkrankungen, die von vornherein auf eine mehrmonatige Therapie ausgerichtet sind, noch von einer medizinischen Ausrichtung der Behandlung auszugehen. Der Umstand, dass ärztliche Interventionen im Rahmen einer Entwöhnungsbehandlung mit zunehmender Dauer weniger intensiv werden, spricht für den Erfolg der Maßnahme und führt nicht dazu, dass aus der mit dem Ziel der Entwöhnung medizinisch ausgerichteten Maßnahme eine berufliche oder soziale Maßnahme wird.
Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Verzugszinsen besteht nicht. Das BVerwG differenziert seit jeher zwischen Verzugszinsen, die im öffentlichen Recht nur geltend gemacht werden könnten, wenn das gesetzlich oder vertraglich explizit geregelt sei, und Prozesszinsen ab Eintritt der Rechtshängigkeit einer Geldforderung, die gezahlt werden müssten, soweit der darauf gerichtete Anspruch nicht ausgeschlossen sei (BVerwG 09.02.2005, 6 B 80/04, juris). Dieser Auffassung hat sich die Rechtsprechung des BSG inzwischen angeschlossen (BSG 28.09.2005, B 6 KA 71/04 R, BSGE 95, 141). Eine analoge Anwendung der §§ 284, 288 BGB scheidet daher aus mit der Folge, dass Erstattungsansprüche von Sozialleistungsträgern untereinander grundsätzlich nicht zu verzinsen sind (BSG 12.11.2015, B 14 AS 50/14 R, SozR 4-4200 § 6b Nr 4). Ein Ausnahme hiervon enthält die Regelung in § 108 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB X iVm § 44 Abs 3 Satz 1 SGB I, auf die sich der Kläger hier auch beruft. Nach diesen Vorschriften haben die Sozialhilfeträger und die anderen in § 108 Abs 2 SGB X genannten Träger auf Antrag Anspruch auf Verzinsung eines Erstattungsanspruchs mit 4 vH für den Zeitraum nach Ablauf eines Kalendermonats nach Eingang des vollständigen, den gesamten Erstattungszeitraum umfassenden Erstattungsantrages beim zuständigen Erstattungsverpflichteten bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung (§ 108 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB X). Verzinst werden dabei aber nur volle Euro-Beträge (§ 44 Abs 3 Satz 1 SGB I). Diese Regelungen gelten für Erstattungsansprüche nach § 14 Abs 4 SGB IX entsprechend (BSG 03.11.2011, B 3 KR 8/11 R, BSGE 109, 199; BSG 20.11.2008, B 3 KR 16/08 R, - juris, Rn 26). Allerdings setzt der Zinsanspruch einen besonderen Antrag voraus; der bloße Erstattungsantrag reicht hierfür nicht aus (KassKomm/Kater SGB X § 108 Rn 9). Die mit Schreiben vom 08.07.2013 erfolgte Geltendmachung des Erstattungsbetrages beinhaltete keinen Antrag auf Verzinsung. Der Kläger hat daher keinen Anspruch auf die geltend gemachten Verzugszinsen.
Dagegen besteht ein Anspruch auf Prozesszinsen. Ein solcher Anspruch folgt aus den entsprechend anwendbaren §§ 291, 288 BGB. Der Grundsatz, dass für öffentlich-rechtliche Geldforderungen in sinngemäßer Anwendung des § 291 BGB Prozesszinsen zu entrichten sind, wenn das jeweils einschlägige Fachrecht keine gegenteilige Regelung trifft, gilt auch für Erstattungsansprüche zwischen Sozialleistungsträgern (BSG 12.11.2015, B 14 AS 50/14 R, SozR 4-4200 § 6b Nr 4). Der Anspruch auf Prozesszinsen beginnt im vorliegenden Fall am 06.12.2013. Denn die Klage ist an diesem Tag beim SG eingegangen und damit nach § 94 SGG rechtshängig geworden. Der Höhe nach ist der Zinsanspruch auf 4 % begrenzt, da der Kläger keinen höheren Zinssatz beantragt hat (§ 123 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 SGG iVm § 155 Abs 1 Satz 1 und 3 VwGO. Der Kläger ist im Verfahren nur zu einem geringen Teil unterlegen, da die teilweise Ablehnung der Zinsforderung im Verhältnis zum gesamten Streitgegenstand des Erstattungsbegehrens von untergeordneter Bedeutung ist. Dies zeigt sich bereits darin, dass Nebenforderungen, wie Zinsen, gegenüber dem Hauptanspruch grundsätzlich kostenmäßig keine Berücksichtigung finden (OVG Sachsen-Anhalt 29.11.2011, 1 L 96/10, juris).
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 3, § 47 Abs 1 GKG. Die Höhe des Streitwerts entspricht der mit der Klage geltend gemachten Hauptforderung; die als Nebenforderungen geltend gemachten Zinsen werden bei der Bemessung des Streitwerts nicht berücksichtigt (§ 43 Abs 1 GKG).
Der Senat sieht auch im Hinblick auf das Urteil des BSG vom 26.06.2007 (B 1 KR 36/06 R, BSGE 98, 277) keinen Grund, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs 2 SGG). Die hier streitige Adaptionsbehandlung geht über die Gewährung von Unterkunft in einem nicht gefährdenden Milieu mit Anleitung zur Bewältigung lebenspraktischer und beruflicher Anforderungen hinaus und wird auch nicht bloß gelegentlich durch verhaltenstherapeutische Leistungen ergänzt.
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