Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 23 KR 5076/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 67/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 4. Dezember 2017 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung von (Mindest-)Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung vom 22. Juli 2014 bis 25. Mai 2017.
Die 1972 geborene und ledige Klägerin war zunächst aufgrund einer Beschäftigung versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten, ab 1. Januar 2013 wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze freiwillig versichertes Mitglied der Beklagten zu 1 in der gesetzlichen Krankenversicherung sowie versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten zu 2 in der sozialen Pflegeversicherung. Sie gebar am 2014 einen Sohn und erhielt bis 21. Juli 2014 Mutterschaftsgeld. Sie nahm Elternzeit vom 22. Juli 2014 bis 25. Mai 2017 in Anspruch und bezog vom 22. Juli 2014 bis 24. Mai 2015 Elterngeld. Sie gab gegenüber der Beklagten unter dem 24. Dezember 2014 an, während der Elternzeit keine Einnahmen zu haben.
Mit Bescheiden vom 28. Januar 2015 setzte die Beklagte zu 1 zugleich im Namen der Beklagten zu 2 ab 22. Juli 2014 den monatlichen Beitrag zur Krankenversicherung auf EUR 137,33 und zur Pflegeversicherung auf EUR 18,89, insgesamt EUR 156,22, sowie ab 1. Januar 2015 den monatlichen Beitrag zur Krankenversicherung auf EUR 140,81 und zur Pflegeversicherung auf EUR 22,21, insgesamt EUR 163,02 fest. Der Berechnung der Beiträge legte sie als monatliche Einnahmen die Mindestbemessungsgrundlage in Höhe von EUR 921,67 (bis 31. Dezember 2014) sowie von EUR 945,00 (ab 1. Januar 2015) zugrunde.
Der gemeinsame Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den von der Klägerin (mit E-Mail vom 9. Februar 2015, handschriftlich unterschrieben eingegangen am 16. Februar 2015) erhobenen Widerspruch der Klägerin zurück (Widerspruchsbescheid vom 11. August 2015). Beiträge auf das Elterngeld würden wegen der für diese Leistung bestehenden Beitragsfreiheit nicht erhoben, sondern nach den beitragspflichtigen Mindesteinnahmen, weil die Klägerin angegeben habe, über keinerlei Einnahmen zu verfügen. Das Bundessozialgericht (BSG) habe mit Urteilen vom 26. Mai 2004 (B 12 KR 27/12 R – juris und B 12 P 6/03 R – juris) entschieden, dass die Inanspruchnahme von Elternzeit der Beitragserhebung nicht entgegenstehe. Eine Beitragsfreiheit für freiwillig versicherte Mitglieder sehe das Gesetz nur für das Erziehungsgeld (jetzt: Elterngeld) vor (§ 224 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch [SGB V]). Grundsätzlich bestehe für sonstige Einnahmen Beitragspflicht. Sofern keine eigenen beitragspflichtigen Einnahmen bezogen würden, würden die Beiträge nach den beitragspflichtigen Mindesteinnahmen erhoben. Das BSG habe (nach dem bis 31. Dezember 2008 geltenden Recht) klargestellt, dass die Satzung der Krankenkasse für Mitglieder, die als Beschäftigte wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze nicht versicherungspflichtig und freiwillig versichert gewesen seien, während des Bezuges von Erziehungsgeld keine Beitragsfreiheit vorzusehen habe. § 224 SGB V könne nicht dahingehend ausgelegt werden, dass auch die Erhebung von Mindestbeiträgen ausscheide, wenn neben dem Bezug der in § 224 SGB V genannten Leistungen keine Einkünfte erzielt würden. Dies würde sonst zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung mit anderen freiwilligen Mitgliedern führen, die neben dem Bezug von Erziehungsgeld (Elterngeld) noch über geringe Einnahmen verfügten. Die gesetzliche Mindesteinnahmenregelung nach § 240 Abs. 4 SGB V schließe vielmehr eine Beitragsfreiheit für freiwillige Mitglieder aus. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG sei diese gesetzliche Regelung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Grundgesetz (GG) bestehe auch nicht darin, dass unterschiedliche Regelungen der beitragspflichtigen Einnahmen bei freiwillig Versicherten und Pflichtversicherten getroffen würden.
Die Klägerin erhob am 10. September 2015 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) und begehrte, die Bescheide der Beklagten vom 28. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. August 2015 aufzuheben, soweit Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung für die Elternzeit festgesetzt seien. Sie vertrat – wie bereits mit ihrem Widerspruch – die Auffassung, es liege ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 und 2 GG sowie Art. 6 Abs. 1 GG vor. Die vom Widerspruchsausschuss herangezogene Rechtsprechung des BSG sei veraltet und stehe nicht in Übereinstimmung mit der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG; Beschluss vom 5. April 2005 – 1 BvR 774/02 – juris). Die Regelung über die Zahlung der Mindestbeiträge führe zu einer faktischen Benachteiligung von Frauen gegenüber Männern. Freiwillig Versicherte, die aufgrund von Kindererziehungszeiten vorübergehend einkommenslos seien, erführen durch die Verpflichtung zur Zahlung eines Mindestbeitrages eine erhebliche Benachteiligung, die typischerweise Frauen betreffe. Außerdem liege eine nicht gerechtfertigte ungleiche Behandlung insoweit vor, als sie als unverheiratete Mutter schlechter behandelt werde als eine verheiratete Mutter, die über die Familienversicherung beitragsfrei mitversichert sei. Die Regelung sei erkennbar ungerecht, da gerade eine alleinstehende Mutter wesentlich schutzbedürftiger sei als eine verheiratete Mutter. Das BSG habe sich im Urteil vom 30. November 2016 (B 12 KR 6/15 R – juris) nicht mit ihrer Argumentation sowie dem genannten Beschluss des BVerfG auseinandergesetzt.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Der von der Klägerin angeführte Beschluss des BVerfG sei auf den vorliegenden Sachverhalt nicht zu übertragen. § 240 SGB V i.V.m. § 8 Einheitlichen Grundsätze des Spitzenverbands Bund der Krankenkassen zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträge (Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler) regele die Fälle von Beitragsfreiheit abschließend.
Die Beklagte zu 1 setzte zugleich im Namen der Beklagten zu 2 mit Bescheid vom 14. Januar 2016 ab 1. Januar 2016 den monatlichen Beitrag zur Krankenversicherung auf EUR 150,09 und zur Pflegeversicherung auf EUR 22,76, insgesamt EUR 172,85, sowie mit Bescheid vom 4. Januar 2017 ab 1. Januar 2017 den monatlichen Beitrag zur Krankenversicherung auf EUR 153,71 und zur Pflegeversicherung auf EUR 25,29, insgesamt EUR 179,00 fest. Der Berechnung der Beiträge legte sie als monatliche Einnahmen die im jeweiligen Jahr geltende Mindestbemessungsgrundlage zugrunde. Nach dem die Klägerin unter dem 21. März 2016 angegeben hatte, Urlaubsgeld als Einmalzahlung in Höhe von EUR 3.724,34 erhalten zu haben, unterrichtete sie die Beklagte zu 1 unter dem 15. April 2016, der ihr (der Klägerin) vorliegende Beitragsbescheid behalte weiterhin seine Gültigkeit.
Das SG wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 4. Dezember 2017 ab. Die Beklagten hätten zutreffend (vom 22. Juli 2014 bis 25. Mai 2017) den Mindestbeitrag festgesetzt. Denn die Klägerin habe im streitigen Zeitraum allein Elterngeld bezogen, das nach §§ 224 SGB V und 56 Abs. 3 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) keine beitragspflichtige Einnahme sei. Eine Ausnahme von der Pflicht der Klägerin, Beiträge zu zahlen, bestehe nicht. §§ 224 SGB V und 56 Abs. 3 SGB XI geregelten nur, dass die in ihr genannten Leistungen, unter anderem das Elterngeld, keine beitragspflichtigen Einnahmen seien. Unberührt davon bleibe aber die Verpflichtung eines freiwillig versicherten Mitglieds in der gesetzlichen Krankenversicherung, Beiträge nach dem Mindesteinkommen zu entrichten, auch bei freiwillig Versicherten wie die Klägerin, die nach ihren Angaben neben dem Elterngeld keine weiteren Einkünfte hätten (Verweis auf BSG, Urteil vom 30. November 2016 a.a.O.). Den Tatbestand des § 8 Abs. 6 Satz 1 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler erfülle die unverheiratete Klägerin nicht, da sie keinen Anspruch auf eine Familienversicherung habe begründen können. Es fehle insoweit an einem "Stammversicherten" (z.B. einem Ehegatten), von dem sie eine Familienversicherung hätte ableiten können. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 und 6 Abs. 1 GG liege nicht vor (Verweis auf BSG, Urteil vom 30. November 2016 a.a.O.), ebenso wenig ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2 GG. Es sei nicht erkennbar, dass § 224 SGB V eine mittelbare Diskriminierung des weiblichen Geschlechts begründe, weil die Regelung unter anderem die fortbestehende Beitragspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig Versicherter während des Bezuges von Elterngeld zum Inhalt habe. Es möge richtig sein, dass nach wie vor überwiegend Frauen die Aufgaben der Kinderbetreuung übernehmen und aus diesem Grund zumindest vorübergehend ganz oder teilweise auf eine Berufstätigkeit verzichteten. Der Anteil von Männern, die in Baden-Württemberg für – wie der Sohn der Klägerin – im 2. Quartal 2014 geborene Kinder Kindergeld bezögen, habe indes 38,0 % betragen, so dass die fortbestehende Beitragspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung auch eine unmittelbare Ungleichbehandlung nicht ersichtlich sei.
Gegen den ihren Prozessbevollmächtigten am 8. Dezember 2017 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 5. Januar 2018 Berufung eingelegt. Das Urteil des BSG vom 30. November 2016 (a.a.O.) überzeuge nicht. Soweit ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG mit der Begründung verneint werde, bei verheirateten Müttern sei immerhin ein "Stammversicherter" vorhanden, werde die Vergleichsgruppenbildung verfehlt, indem auf Seiten der verheirateten Mütter eine unstatthafte Erweiterung des zu betrachtenden Personenkreises vorgenommen werde. Außerdem möge nicht ausgeschlossen sein, dass auch eine ledige Mutter in einer Partnerschaft mit einer anderen Person lebe, die ihrerseits Beiträge zur Sozialversicherung leiste. Die Argumentation mit dem "Stammversicherten" sei auch rein zirkelschlüssig, da diese eben nicht nur auf die Erkenntnis hinauslaufe, dass die einen Mitglieder der Vergleichsgruppe verheiratet und die Mitglieder der anderen Vergleichsgruppe ledig seien. Insbesondere die enge Verbindung der Gleichheitsprüfung mit Art. 6 Abs. 1 GG spreche außerdem dafür, dass die Gleichheitsprüfung sich nicht auf eine reine Willkürprüfung im Sinne des Vorliegens eines sachlichen Grundes beschränken dürfe, sondern eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung durchzuführen sei. Die Sicherung der Funktionsfähigkeit der Sozialversicherung sei zwar ein legitimes Ziel. Die Einnahme von Beiträgen von einkommenslosen und ledigen Müttern in Elternzeit sei aber weder erforderlich noch verhältnismäßig, da weitere Einnahmemöglichkeiten an anderer Stelle bestünden. Auch die Abwertung des Grundrechts aus Art. 6 Abs. 1 GG mit dem Argument einer geringeren "Schutzwürdigkeit" der Personengruppe, zu der sie gehöre, sei nicht zutreffend. Die Funktionsfähigkeit der Krankenversicherung wäre durch eine Beitragsfreiheit nicht gefährdet. Sie leiste als Mutter einen generativen Beitrag zur Funktionsfähigkeit der Sozialversicherung. Das genannte Urteil des BSG befasse sich mit einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2 GG nicht. Auch hier könne die Funktionsfähigkeit der Sozialversicherung keine Argumentationskraft entfalten.
Die Klägerin beantragt (sachgerecht gefasst),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 4. Dezember 2017 und die Bescheide der Beklagten vom 28. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. August 2015 sowie die Bescheide vom 14. Januar 2016 und 4. Januar 2017 aufzuheben, soweit die Beklagten Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 22. Juli 2014 bis 25. Mai 2017 festgesetzt haben.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie halten den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akten des Senats und des SG sowie auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die Berufung der Klägerin, über die der Senat nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) im Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig. Die Klägerin hat die Berufung form- und fristgerecht eingelegt. Die Berufung bedurfte nicht der Zulassung nach § 144 Abs. 1 SGG. Denn die Klägerin wendet sich gegen die Erhebung von Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung vom 22. Juli 2014 bis 25. Mai 2017, mithin für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
2. Zu entscheiden ist darüber, ob die Klägerin Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung vom 22. Juli 2014 bis 25. Mai 2017 zu entrichten hat. Auf diesen Zeitraum begrenzte die Klägerin sowohl die Klage ("Beiträge für die Elternzeit") als auch ihre Berufung. Auch das SG entschied allein über diesen Zeitraum.
Gegenstand des Berufungsverfahrens sind demgemäß die Bescheide der Beklagten, die die Erhebung von Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung für diesen Zeitraum regeln. Dies sind die Bescheide der Beklagten vom 28. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. August 2015, die die Klägerin mit ihrer Klage anfocht, sowie die Bescheide der Beklagten vom 14. Januar 2016 und 4. Januar 2017, die während des laufenden Klageverfahrens ergingen. Die Bescheide vom 14. Januar 2016 und 4. Januar 2017 sind nach § 96 Abs. 1 SGG kraft Gesetzes Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Da das SG über diese Bescheide versehentlich nicht entschied, weil die Beteiligten entgegen der ihnen nach § 96 Abs. 2 SGG obliegenden Verpflichtung diese Bescheide dem SG nicht vorlegten, holt das Berufungsgericht die Entscheidung über diese Bescheide nach (BSG, Urteil vom 20. Dezember 2012 – B 10 EG 19/11 R – juris, Rn. 17, Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 96 Rn. 12a). Der Senat hat den Antrag der Klägerin dementsprechend sachgerecht (§ 123 SGG) gefasst.
3. Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Bescheide der Beklagten vom 28. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. August 2015 sowie die Bescheide der Beklagten vom 14. Januar 2016 und 4. Januar 2017 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagten haben zu Recht Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung für die Zeit vom 22. Juli 2014 bis 25. Mai 2017 festgesetzt.
Nach § 220 Abs. 1 Satz 1 SGB V und § 54 Abs. 1 SGB XI werden die Mittel der Krankenversicherung und für die Pflegeversicherung unter anderem durch Beiträge aufgebracht. Nach § 223 Abs. 2 Satz 1 SGB V werden die Beiträge nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bemessen.
a) Die Klägerin war im streitigen Zeitraum vom 22. Juli 2014 bis 25. Mai 2017 freiwillig versichertes Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung bei der Beklagten zu 1, wovon auch die Beteiligten übereinstimmend ausgehen. In diesem Zeitraum lagen die Voraussetzungen einer Versicherungspflicht nach § 5 SGB V oder der Familienversicherung nach § 10 SGB V nicht vor. Ebenso wenig war die vor dem 22. Juli 2014 bestehende freiwillige Versicherung beendet, weil keiner der Tatbestände des § 191 SGB V gegeben war. Demgemäß war die Klägerin nach § 20 Abs. 3 SGB XI versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten zu 2) in der sozialen Pflegeversicherung.
b) Für freiwillige Mitglieder in der gesetzlichen Krankenversicherung – wie die Klägerin – richten sich die beitragspflichtigen Einnahmen nach § 240 Abs. 1 Satz 1 SGB V (in der seit 1. Januar 2009 geltenden Fassung des Art. 2 Nr. 29a1 Buchst. a) Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung [GKV-WSG] vom 26. März 2007, BGBl. I, S. 376) und den Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler (zu deren Wirksamkeit: BSG, Urteil vom 19. Dezember 2012 – B 12 KR 20/11 R – juris, Rn. 12 ff.). Nach § 240 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz SGB V ist sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt (ebenso § 2 Abs. 1 Satz 2 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler). Mit Wirkung zum 1. August 2014 wurde durch Art. 1 Nr. 16 Gesetz zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-FQWG) vom 21. Juli 2014 (BGBl. I, S. 1133) § 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V ein 2. Halbsatz angefügt, wonach, sofern und solange Mitglieder Nachweise über die beitragspflichtigen Einnahmen auf Verlangen der Krankenkasse nicht vorlegen, als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag der dreißigste Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze gilt (§ 223 SGB V). Nach § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V gilt als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag mindestens der 90. Teil der monatlichen Bezugsgröße (ebenso § 3 Abs. 3 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler). Als Ausnahmeregelung zu § 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V, der zur Berücksichtigung der gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds verpflichtet, legt der Gesetzgeber in § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V eine (absolute) Untergrenze beitragspflichtiger Einnahmen fest, die nicht unterschritten werden darf (ständige Rechtsprechung z.B. BSG, Urteil vom 30. November 2016 – B 12 KR 6/15 R – juris, Rn. 15). Für die Bemessung der Beiträge in der sozialen Pflegeversicherung ist § 240 SGB V entsprechend anzuwenden (§ 57 Abs. 4 Satz 1 SGB XI). Die Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler gelten auch für die Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung, soweit das Beitragsrecht der Pflegeversicherung hinsichtlich der Beitragsbemessung auf § 240 SGB V verweist (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler).
aa) Die Beklagten legten der Beitragsberechnung zu Recht die beitragspflichtigen Mindesteinnahmen in Höhe von einem Drittel der Bezugsgröße (90. Teil der Bezugsgröße mal 30 Kalendertage, § 223 Abs. 2 Satz 2 SGB V) zu Grunde. Denn die Klägerin verfügte im streitigen Zeitraum (22. Juli 2014 bis 25. Mai 2017) nicht über beitragspflichtige Einnahmen, die die monatlichen Mindesteinnahmen von EUR 921,67 im Jahr 2014, EUR 945,00 im Jahr 2015, EUR 968,33 im Jahr 2016 und EUR 991,67 im Jahr 2017 überschritten. Die genannten Beträge entsprechen einem Drittel der in den einzelnen Jahren jeweils geltenden monatlichen Bezugsgröße (jeweils § 2 Abs. 1 Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung des jeweiligen Jahres). An beitragspflichtigen Einnahmen hatte die Klägerin im streitigen Zeitraum (22. Juli 2014 bis 25. Mai 2017) lediglich die im Jahr 2016 erhaltene einmalige Zahlung von Arbeitsentgelt in Form von Urlaubsgeld von EUR 3.724,34. Diese einmalige Zahlung ist nach § 5 Abs. 3 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler mit einem Zwölftel des Betrages für zwölf Monate zuzuordnen. Dies sind EUR 310,36 und liegt mithin unter dem Mindestbetrag der beitragspflichtigen Einnahmen von EUR 968,33 im Jahr 2016.
Soweit die Klägerin vom 22. Juli 2014 bis 24. Mai 2015 Elterngeld bezog (Benachrichtigung des für Leistung des Elterngeldes zuständigen Stelle in Baden-Württemberg vom 20. Oktober 2014, Bl. 14 Verwaltungsakte der Beklagten), haben die Beklagten dieses der Bemessung der Beiträge zu Recht nicht zugrunde gelegt. Denn Elterngeld ist nach §§ 224 SGB V, 56 Abs.3 SGB XI keine beitragspflichtige Einnahme. Nach § 224 Abs. 1 SGB V, gleichlautend § 56 Abs. 3 SGB XI (jeweils ergänzt mit Wirkung zum 1. Januar 2007 durch Art. 2 Abs. 19 Nr. 6 und 21 Gesetz zur Einführung des Elterngeldes vom 5. Dezember 2006, BGBl. I. S. 2748), ist beitragsfrei ein Mitglied u.a. für die Dauer des Bezugs von Elterngeld (Satz 1). Die Beitragsfreiheit erstreckt sich nur auf die in Satz 1 genannten Leistungen (Satz 2).
bb) Eine (generelle) Beitragsfreiheit freiwillig Versicherter begründen §§ 224 SGB V, 56 Abs. 3 SGB XI nicht. Diese Vorschrift regelt nur, dass die in ihr genannten Leistungen, unter anderem das Elterngeld, keine beitragspflichtigen Einnahmen sind. Unberührt davon bleibt aber die Verpflichtung eines freiwillig versicherten Mitglieds in der gesetzlichen Krankenversicherung aus § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V, Beiträge nach dem Mindesteinkommen zu entrichten, auch bei freiwillig Versicherten wie die Klägerin, die neben dem Elterngeld keine weiteren Einnahmen oder lediglich geringere Einnahmen als die Mindesteinnahmen haben (vgl. BSG, Urteil vom 30. November 2016 – B 12 KR 6/15 R – juris Rn. 18 ff., m.w.N.; vorangehend Urteil des Senats vom 12. September 2014 – L 4 KR 75/14 – juris, Rn. 26).
cc) Die Klägerin ist auch nicht nach § 8 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler beitragsfrei. Nach dieser Bestimmung sind unter anderem Mitglieder, die vor Inanspruchnahme der Elternzeit nach § 15 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) dem Personenkreis der nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V versicherungsfreien Arbeitnehmer zuzurechnen waren, für die Dauer der Elternzeit im Anschluss an den Bezug von Mutterschaftsgeld beitragsfrei, wenn ohne die freiwillige Mitgliedschaft die Voraussetzungen der Familienversicherung nach § 10 SGB V vorliegen. Die Klägerin gehört zwar zu dem Personenkreis, der vor Inanspruchnahme der Elternzeit nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V als Arbeitnehmer versicherungsfrei war, erfüllt jedoch nicht ohne die freiwillige Mitgliedschaft die Voraussetzungen der Familienversicherung nach § 10 SGB V. Da die Klägerin alleinstehend ist, ist kein Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung vorhanden, bei dem die Klägerin mitversichert sein könnte. Hiervon gehen auch die Beteiligten übereinstimmend aus.
c) Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass die genannten Regelungen für die Erhebung des Mindestbeitrags für freiwillig Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung gegen Art. 3 Abs. 1 und 2 sowie Art. 6 Abs. 1 GG verstoßen.
aa) Der Senat verweist insoweit zunächst auf sein Urteil vom 12. September 2014 (L 4 KR 75/14 – juris, Rn. 28 ff.) sowie auf das auf die Revision der Klägerin jenes Verfahrens ergangene Urteil des BSG vom 30. November 2016 (B 12 KR 6/15 – juris, Rn. 24 ff.).
Hervorgehoben sei nochmals, dass alle freiwillig versicherten Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung jedenfalls den Mindestbeitrag zu zahlen haben, unabhängig von der Höhe ihrer (beitragspflichtigen) Einnahmen und ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (Urteil des Senats vom 12. September 2014 – L 4 KR 75/14 – juris, Rn. 30). Die Mindestbeitragsregelung, die den freiwillig krankenversicherten Geringverdienern eine an den tatsächlichen Einkommensverhältnissen orientierte Beitragsberechnung vorenthält, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 4. Dezember 2002 – 1 BvR 527/98 – juris, Rn. 12).
Die Pflicht, den Mindestbeitrag zu zahlen, besteht im Übrigen auch, wenn ein freiwillig Versicherter neben dem Elterngeld Einnahmen hat, die – wie bei der Klägerin im Jahr 2016 – geringer als die beitragspflichtigen Mindesteinnahmen in Höhe von einem Drittel der Bezugsgröße sind. Auch in diesem Fall sind die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung auf der Grundlage der Mindesteinnahmen zu berechnen. Übersteigen die sonstigen Einnahmen, die unter den Mindesteinnahmen liegen, und das Elterngeld zusammen den Betrag der Mindesteinnahmen, erfolgt die Beitragsberechnung dennoch nur auf der Grundlage der Mindesteinnahmen, weil das Elterngeld nicht zu Bemessung der Beiträge herangezogen werden darf. Dies gilt auch für verheiratete Mütter, wenn sie freiwillig versichert sind, so dass eine ungleiche Behandlung lediger und unverheirateter Mütter nicht besteht (BSG, Urteil vom 30. November 2016 – B 12 KR 6/15 R – juris, Rn. 27). Soweit – auch bei verheirateten Müttern – eine freiwillige Versicherung besteht, gibt es auch keinen "Stammversicherten".
bb) Auch ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2 GG liegt nicht vor. Die genannten Regelungen für die Erhebung des Mindestbeitrags für freiwillig Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung gelten für Männer und Frauen gleichermaßen. Eine faktische Benachteiligung von Frauen gegenüber Männern besteht nicht. Denn auch Männer, die in der gesetzlichen Krankversicherung freiwillig versichert sind und keine beitragspflichtigen Einnahmen oder lediglich Einnahmen, unterhalb der Mindesteinnahmen haben, haben (Mindest-) Beiträge zu entrichten. Soweit die Klägerin auf den Beschluss des BVerfG vom 5. April 2005 (1 BvR 774/02 – juris, Rn. 51 ff.) verweist, wonach eine Regelung in der Satzung eines Versorgungswerkes für Rechtsanwälte über die Erhebung von Beiträgen von Mitgliedern, die aufgrund von Kindererziehungszeiten vorübergehend einkommenslos sind, gegen Art. 3 Abs. 2 GG verstößt, ist dies nicht auf die Erhebung der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung zu übertragen. In diesen Zweigen der Sozialversicherung ist – wie zuvor unter aa) dargelegt – eine Berechnung der Beiträge aufgrund von Mindesteinnahmen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
cc) Dass die Klägerin durch die Erziehung eines Kindes einen "generativen Beitrag" leistet, begründet keinen Anspruch auf eine Beitragsfreiheit oder eine Herabsetzung von Beiträgen in der gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung (vgl. Urteil des Senats vom 27. Januar 2012 – L 4 KR 3984/10 – juris, Rn. 36 ff; nachgehend BSG, Urteil vom 20. Juli 2017 – B 12 KR 14/15 R – juris, Rn. 33 ff.).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG.
5. Gründe die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung von (Mindest-)Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung vom 22. Juli 2014 bis 25. Mai 2017.
Die 1972 geborene und ledige Klägerin war zunächst aufgrund einer Beschäftigung versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten, ab 1. Januar 2013 wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze freiwillig versichertes Mitglied der Beklagten zu 1 in der gesetzlichen Krankenversicherung sowie versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten zu 2 in der sozialen Pflegeversicherung. Sie gebar am 2014 einen Sohn und erhielt bis 21. Juli 2014 Mutterschaftsgeld. Sie nahm Elternzeit vom 22. Juli 2014 bis 25. Mai 2017 in Anspruch und bezog vom 22. Juli 2014 bis 24. Mai 2015 Elterngeld. Sie gab gegenüber der Beklagten unter dem 24. Dezember 2014 an, während der Elternzeit keine Einnahmen zu haben.
Mit Bescheiden vom 28. Januar 2015 setzte die Beklagte zu 1 zugleich im Namen der Beklagten zu 2 ab 22. Juli 2014 den monatlichen Beitrag zur Krankenversicherung auf EUR 137,33 und zur Pflegeversicherung auf EUR 18,89, insgesamt EUR 156,22, sowie ab 1. Januar 2015 den monatlichen Beitrag zur Krankenversicherung auf EUR 140,81 und zur Pflegeversicherung auf EUR 22,21, insgesamt EUR 163,02 fest. Der Berechnung der Beiträge legte sie als monatliche Einnahmen die Mindestbemessungsgrundlage in Höhe von EUR 921,67 (bis 31. Dezember 2014) sowie von EUR 945,00 (ab 1. Januar 2015) zugrunde.
Der gemeinsame Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den von der Klägerin (mit E-Mail vom 9. Februar 2015, handschriftlich unterschrieben eingegangen am 16. Februar 2015) erhobenen Widerspruch der Klägerin zurück (Widerspruchsbescheid vom 11. August 2015). Beiträge auf das Elterngeld würden wegen der für diese Leistung bestehenden Beitragsfreiheit nicht erhoben, sondern nach den beitragspflichtigen Mindesteinnahmen, weil die Klägerin angegeben habe, über keinerlei Einnahmen zu verfügen. Das Bundessozialgericht (BSG) habe mit Urteilen vom 26. Mai 2004 (B 12 KR 27/12 R – juris und B 12 P 6/03 R – juris) entschieden, dass die Inanspruchnahme von Elternzeit der Beitragserhebung nicht entgegenstehe. Eine Beitragsfreiheit für freiwillig versicherte Mitglieder sehe das Gesetz nur für das Erziehungsgeld (jetzt: Elterngeld) vor (§ 224 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch [SGB V]). Grundsätzlich bestehe für sonstige Einnahmen Beitragspflicht. Sofern keine eigenen beitragspflichtigen Einnahmen bezogen würden, würden die Beiträge nach den beitragspflichtigen Mindesteinnahmen erhoben. Das BSG habe (nach dem bis 31. Dezember 2008 geltenden Recht) klargestellt, dass die Satzung der Krankenkasse für Mitglieder, die als Beschäftigte wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze nicht versicherungspflichtig und freiwillig versichert gewesen seien, während des Bezuges von Erziehungsgeld keine Beitragsfreiheit vorzusehen habe. § 224 SGB V könne nicht dahingehend ausgelegt werden, dass auch die Erhebung von Mindestbeiträgen ausscheide, wenn neben dem Bezug der in § 224 SGB V genannten Leistungen keine Einkünfte erzielt würden. Dies würde sonst zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung mit anderen freiwilligen Mitgliedern führen, die neben dem Bezug von Erziehungsgeld (Elterngeld) noch über geringe Einnahmen verfügten. Die gesetzliche Mindesteinnahmenregelung nach § 240 Abs. 4 SGB V schließe vielmehr eine Beitragsfreiheit für freiwillige Mitglieder aus. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG sei diese gesetzliche Regelung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Grundgesetz (GG) bestehe auch nicht darin, dass unterschiedliche Regelungen der beitragspflichtigen Einnahmen bei freiwillig Versicherten und Pflichtversicherten getroffen würden.
Die Klägerin erhob am 10. September 2015 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) und begehrte, die Bescheide der Beklagten vom 28. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. August 2015 aufzuheben, soweit Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung für die Elternzeit festgesetzt seien. Sie vertrat – wie bereits mit ihrem Widerspruch – die Auffassung, es liege ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 und 2 GG sowie Art. 6 Abs. 1 GG vor. Die vom Widerspruchsausschuss herangezogene Rechtsprechung des BSG sei veraltet und stehe nicht in Übereinstimmung mit der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG; Beschluss vom 5. April 2005 – 1 BvR 774/02 – juris). Die Regelung über die Zahlung der Mindestbeiträge führe zu einer faktischen Benachteiligung von Frauen gegenüber Männern. Freiwillig Versicherte, die aufgrund von Kindererziehungszeiten vorübergehend einkommenslos seien, erführen durch die Verpflichtung zur Zahlung eines Mindestbeitrages eine erhebliche Benachteiligung, die typischerweise Frauen betreffe. Außerdem liege eine nicht gerechtfertigte ungleiche Behandlung insoweit vor, als sie als unverheiratete Mutter schlechter behandelt werde als eine verheiratete Mutter, die über die Familienversicherung beitragsfrei mitversichert sei. Die Regelung sei erkennbar ungerecht, da gerade eine alleinstehende Mutter wesentlich schutzbedürftiger sei als eine verheiratete Mutter. Das BSG habe sich im Urteil vom 30. November 2016 (B 12 KR 6/15 R – juris) nicht mit ihrer Argumentation sowie dem genannten Beschluss des BVerfG auseinandergesetzt.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Der von der Klägerin angeführte Beschluss des BVerfG sei auf den vorliegenden Sachverhalt nicht zu übertragen. § 240 SGB V i.V.m. § 8 Einheitlichen Grundsätze des Spitzenverbands Bund der Krankenkassen zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträge (Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler) regele die Fälle von Beitragsfreiheit abschließend.
Die Beklagte zu 1 setzte zugleich im Namen der Beklagten zu 2 mit Bescheid vom 14. Januar 2016 ab 1. Januar 2016 den monatlichen Beitrag zur Krankenversicherung auf EUR 150,09 und zur Pflegeversicherung auf EUR 22,76, insgesamt EUR 172,85, sowie mit Bescheid vom 4. Januar 2017 ab 1. Januar 2017 den monatlichen Beitrag zur Krankenversicherung auf EUR 153,71 und zur Pflegeversicherung auf EUR 25,29, insgesamt EUR 179,00 fest. Der Berechnung der Beiträge legte sie als monatliche Einnahmen die im jeweiligen Jahr geltende Mindestbemessungsgrundlage zugrunde. Nach dem die Klägerin unter dem 21. März 2016 angegeben hatte, Urlaubsgeld als Einmalzahlung in Höhe von EUR 3.724,34 erhalten zu haben, unterrichtete sie die Beklagte zu 1 unter dem 15. April 2016, der ihr (der Klägerin) vorliegende Beitragsbescheid behalte weiterhin seine Gültigkeit.
Das SG wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 4. Dezember 2017 ab. Die Beklagten hätten zutreffend (vom 22. Juli 2014 bis 25. Mai 2017) den Mindestbeitrag festgesetzt. Denn die Klägerin habe im streitigen Zeitraum allein Elterngeld bezogen, das nach §§ 224 SGB V und 56 Abs. 3 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) keine beitragspflichtige Einnahme sei. Eine Ausnahme von der Pflicht der Klägerin, Beiträge zu zahlen, bestehe nicht. §§ 224 SGB V und 56 Abs. 3 SGB XI geregelten nur, dass die in ihr genannten Leistungen, unter anderem das Elterngeld, keine beitragspflichtigen Einnahmen seien. Unberührt davon bleibe aber die Verpflichtung eines freiwillig versicherten Mitglieds in der gesetzlichen Krankenversicherung, Beiträge nach dem Mindesteinkommen zu entrichten, auch bei freiwillig Versicherten wie die Klägerin, die nach ihren Angaben neben dem Elterngeld keine weiteren Einkünfte hätten (Verweis auf BSG, Urteil vom 30. November 2016 a.a.O.). Den Tatbestand des § 8 Abs. 6 Satz 1 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler erfülle die unverheiratete Klägerin nicht, da sie keinen Anspruch auf eine Familienversicherung habe begründen können. Es fehle insoweit an einem "Stammversicherten" (z.B. einem Ehegatten), von dem sie eine Familienversicherung hätte ableiten können. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 und 6 Abs. 1 GG liege nicht vor (Verweis auf BSG, Urteil vom 30. November 2016 a.a.O.), ebenso wenig ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2 GG. Es sei nicht erkennbar, dass § 224 SGB V eine mittelbare Diskriminierung des weiblichen Geschlechts begründe, weil die Regelung unter anderem die fortbestehende Beitragspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig Versicherter während des Bezuges von Elterngeld zum Inhalt habe. Es möge richtig sein, dass nach wie vor überwiegend Frauen die Aufgaben der Kinderbetreuung übernehmen und aus diesem Grund zumindest vorübergehend ganz oder teilweise auf eine Berufstätigkeit verzichteten. Der Anteil von Männern, die in Baden-Württemberg für – wie der Sohn der Klägerin – im 2. Quartal 2014 geborene Kinder Kindergeld bezögen, habe indes 38,0 % betragen, so dass die fortbestehende Beitragspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung auch eine unmittelbare Ungleichbehandlung nicht ersichtlich sei.
Gegen den ihren Prozessbevollmächtigten am 8. Dezember 2017 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 5. Januar 2018 Berufung eingelegt. Das Urteil des BSG vom 30. November 2016 (a.a.O.) überzeuge nicht. Soweit ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG mit der Begründung verneint werde, bei verheirateten Müttern sei immerhin ein "Stammversicherter" vorhanden, werde die Vergleichsgruppenbildung verfehlt, indem auf Seiten der verheirateten Mütter eine unstatthafte Erweiterung des zu betrachtenden Personenkreises vorgenommen werde. Außerdem möge nicht ausgeschlossen sein, dass auch eine ledige Mutter in einer Partnerschaft mit einer anderen Person lebe, die ihrerseits Beiträge zur Sozialversicherung leiste. Die Argumentation mit dem "Stammversicherten" sei auch rein zirkelschlüssig, da diese eben nicht nur auf die Erkenntnis hinauslaufe, dass die einen Mitglieder der Vergleichsgruppe verheiratet und die Mitglieder der anderen Vergleichsgruppe ledig seien. Insbesondere die enge Verbindung der Gleichheitsprüfung mit Art. 6 Abs. 1 GG spreche außerdem dafür, dass die Gleichheitsprüfung sich nicht auf eine reine Willkürprüfung im Sinne des Vorliegens eines sachlichen Grundes beschränken dürfe, sondern eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung durchzuführen sei. Die Sicherung der Funktionsfähigkeit der Sozialversicherung sei zwar ein legitimes Ziel. Die Einnahme von Beiträgen von einkommenslosen und ledigen Müttern in Elternzeit sei aber weder erforderlich noch verhältnismäßig, da weitere Einnahmemöglichkeiten an anderer Stelle bestünden. Auch die Abwertung des Grundrechts aus Art. 6 Abs. 1 GG mit dem Argument einer geringeren "Schutzwürdigkeit" der Personengruppe, zu der sie gehöre, sei nicht zutreffend. Die Funktionsfähigkeit der Krankenversicherung wäre durch eine Beitragsfreiheit nicht gefährdet. Sie leiste als Mutter einen generativen Beitrag zur Funktionsfähigkeit der Sozialversicherung. Das genannte Urteil des BSG befasse sich mit einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2 GG nicht. Auch hier könne die Funktionsfähigkeit der Sozialversicherung keine Argumentationskraft entfalten.
Die Klägerin beantragt (sachgerecht gefasst),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 4. Dezember 2017 und die Bescheide der Beklagten vom 28. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. August 2015 sowie die Bescheide vom 14. Januar 2016 und 4. Januar 2017 aufzuheben, soweit die Beklagten Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 22. Juli 2014 bis 25. Mai 2017 festgesetzt haben.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie halten den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akten des Senats und des SG sowie auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die Berufung der Klägerin, über die der Senat nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) im Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig. Die Klägerin hat die Berufung form- und fristgerecht eingelegt. Die Berufung bedurfte nicht der Zulassung nach § 144 Abs. 1 SGG. Denn die Klägerin wendet sich gegen die Erhebung von Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung vom 22. Juli 2014 bis 25. Mai 2017, mithin für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
2. Zu entscheiden ist darüber, ob die Klägerin Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung vom 22. Juli 2014 bis 25. Mai 2017 zu entrichten hat. Auf diesen Zeitraum begrenzte die Klägerin sowohl die Klage ("Beiträge für die Elternzeit") als auch ihre Berufung. Auch das SG entschied allein über diesen Zeitraum.
Gegenstand des Berufungsverfahrens sind demgemäß die Bescheide der Beklagten, die die Erhebung von Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung für diesen Zeitraum regeln. Dies sind die Bescheide der Beklagten vom 28. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. August 2015, die die Klägerin mit ihrer Klage anfocht, sowie die Bescheide der Beklagten vom 14. Januar 2016 und 4. Januar 2017, die während des laufenden Klageverfahrens ergingen. Die Bescheide vom 14. Januar 2016 und 4. Januar 2017 sind nach § 96 Abs. 1 SGG kraft Gesetzes Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Da das SG über diese Bescheide versehentlich nicht entschied, weil die Beteiligten entgegen der ihnen nach § 96 Abs. 2 SGG obliegenden Verpflichtung diese Bescheide dem SG nicht vorlegten, holt das Berufungsgericht die Entscheidung über diese Bescheide nach (BSG, Urteil vom 20. Dezember 2012 – B 10 EG 19/11 R – juris, Rn. 17, Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 96 Rn. 12a). Der Senat hat den Antrag der Klägerin dementsprechend sachgerecht (§ 123 SGG) gefasst.
3. Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Bescheide der Beklagten vom 28. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. August 2015 sowie die Bescheide der Beklagten vom 14. Januar 2016 und 4. Januar 2017 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagten haben zu Recht Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung für die Zeit vom 22. Juli 2014 bis 25. Mai 2017 festgesetzt.
Nach § 220 Abs. 1 Satz 1 SGB V und § 54 Abs. 1 SGB XI werden die Mittel der Krankenversicherung und für die Pflegeversicherung unter anderem durch Beiträge aufgebracht. Nach § 223 Abs. 2 Satz 1 SGB V werden die Beiträge nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bemessen.
a) Die Klägerin war im streitigen Zeitraum vom 22. Juli 2014 bis 25. Mai 2017 freiwillig versichertes Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung bei der Beklagten zu 1, wovon auch die Beteiligten übereinstimmend ausgehen. In diesem Zeitraum lagen die Voraussetzungen einer Versicherungspflicht nach § 5 SGB V oder der Familienversicherung nach § 10 SGB V nicht vor. Ebenso wenig war die vor dem 22. Juli 2014 bestehende freiwillige Versicherung beendet, weil keiner der Tatbestände des § 191 SGB V gegeben war. Demgemäß war die Klägerin nach § 20 Abs. 3 SGB XI versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten zu 2) in der sozialen Pflegeversicherung.
b) Für freiwillige Mitglieder in der gesetzlichen Krankenversicherung – wie die Klägerin – richten sich die beitragspflichtigen Einnahmen nach § 240 Abs. 1 Satz 1 SGB V (in der seit 1. Januar 2009 geltenden Fassung des Art. 2 Nr. 29a1 Buchst. a) Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung [GKV-WSG] vom 26. März 2007, BGBl. I, S. 376) und den Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler (zu deren Wirksamkeit: BSG, Urteil vom 19. Dezember 2012 – B 12 KR 20/11 R – juris, Rn. 12 ff.). Nach § 240 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz SGB V ist sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt (ebenso § 2 Abs. 1 Satz 2 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler). Mit Wirkung zum 1. August 2014 wurde durch Art. 1 Nr. 16 Gesetz zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-FQWG) vom 21. Juli 2014 (BGBl. I, S. 1133) § 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V ein 2. Halbsatz angefügt, wonach, sofern und solange Mitglieder Nachweise über die beitragspflichtigen Einnahmen auf Verlangen der Krankenkasse nicht vorlegen, als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag der dreißigste Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze gilt (§ 223 SGB V). Nach § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V gilt als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag mindestens der 90. Teil der monatlichen Bezugsgröße (ebenso § 3 Abs. 3 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler). Als Ausnahmeregelung zu § 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V, der zur Berücksichtigung der gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds verpflichtet, legt der Gesetzgeber in § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V eine (absolute) Untergrenze beitragspflichtiger Einnahmen fest, die nicht unterschritten werden darf (ständige Rechtsprechung z.B. BSG, Urteil vom 30. November 2016 – B 12 KR 6/15 R – juris, Rn. 15). Für die Bemessung der Beiträge in der sozialen Pflegeversicherung ist § 240 SGB V entsprechend anzuwenden (§ 57 Abs. 4 Satz 1 SGB XI). Die Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler gelten auch für die Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung, soweit das Beitragsrecht der Pflegeversicherung hinsichtlich der Beitragsbemessung auf § 240 SGB V verweist (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler).
aa) Die Beklagten legten der Beitragsberechnung zu Recht die beitragspflichtigen Mindesteinnahmen in Höhe von einem Drittel der Bezugsgröße (90. Teil der Bezugsgröße mal 30 Kalendertage, § 223 Abs. 2 Satz 2 SGB V) zu Grunde. Denn die Klägerin verfügte im streitigen Zeitraum (22. Juli 2014 bis 25. Mai 2017) nicht über beitragspflichtige Einnahmen, die die monatlichen Mindesteinnahmen von EUR 921,67 im Jahr 2014, EUR 945,00 im Jahr 2015, EUR 968,33 im Jahr 2016 und EUR 991,67 im Jahr 2017 überschritten. Die genannten Beträge entsprechen einem Drittel der in den einzelnen Jahren jeweils geltenden monatlichen Bezugsgröße (jeweils § 2 Abs. 1 Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung des jeweiligen Jahres). An beitragspflichtigen Einnahmen hatte die Klägerin im streitigen Zeitraum (22. Juli 2014 bis 25. Mai 2017) lediglich die im Jahr 2016 erhaltene einmalige Zahlung von Arbeitsentgelt in Form von Urlaubsgeld von EUR 3.724,34. Diese einmalige Zahlung ist nach § 5 Abs. 3 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler mit einem Zwölftel des Betrages für zwölf Monate zuzuordnen. Dies sind EUR 310,36 und liegt mithin unter dem Mindestbetrag der beitragspflichtigen Einnahmen von EUR 968,33 im Jahr 2016.
Soweit die Klägerin vom 22. Juli 2014 bis 24. Mai 2015 Elterngeld bezog (Benachrichtigung des für Leistung des Elterngeldes zuständigen Stelle in Baden-Württemberg vom 20. Oktober 2014, Bl. 14 Verwaltungsakte der Beklagten), haben die Beklagten dieses der Bemessung der Beiträge zu Recht nicht zugrunde gelegt. Denn Elterngeld ist nach §§ 224 SGB V, 56 Abs.3 SGB XI keine beitragspflichtige Einnahme. Nach § 224 Abs. 1 SGB V, gleichlautend § 56 Abs. 3 SGB XI (jeweils ergänzt mit Wirkung zum 1. Januar 2007 durch Art. 2 Abs. 19 Nr. 6 und 21 Gesetz zur Einführung des Elterngeldes vom 5. Dezember 2006, BGBl. I. S. 2748), ist beitragsfrei ein Mitglied u.a. für die Dauer des Bezugs von Elterngeld (Satz 1). Die Beitragsfreiheit erstreckt sich nur auf die in Satz 1 genannten Leistungen (Satz 2).
bb) Eine (generelle) Beitragsfreiheit freiwillig Versicherter begründen §§ 224 SGB V, 56 Abs. 3 SGB XI nicht. Diese Vorschrift regelt nur, dass die in ihr genannten Leistungen, unter anderem das Elterngeld, keine beitragspflichtigen Einnahmen sind. Unberührt davon bleibt aber die Verpflichtung eines freiwillig versicherten Mitglieds in der gesetzlichen Krankenversicherung aus § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V, Beiträge nach dem Mindesteinkommen zu entrichten, auch bei freiwillig Versicherten wie die Klägerin, die neben dem Elterngeld keine weiteren Einnahmen oder lediglich geringere Einnahmen als die Mindesteinnahmen haben (vgl. BSG, Urteil vom 30. November 2016 – B 12 KR 6/15 R – juris Rn. 18 ff., m.w.N.; vorangehend Urteil des Senats vom 12. September 2014 – L 4 KR 75/14 – juris, Rn. 26).
cc) Die Klägerin ist auch nicht nach § 8 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler beitragsfrei. Nach dieser Bestimmung sind unter anderem Mitglieder, die vor Inanspruchnahme der Elternzeit nach § 15 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) dem Personenkreis der nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V versicherungsfreien Arbeitnehmer zuzurechnen waren, für die Dauer der Elternzeit im Anschluss an den Bezug von Mutterschaftsgeld beitragsfrei, wenn ohne die freiwillige Mitgliedschaft die Voraussetzungen der Familienversicherung nach § 10 SGB V vorliegen. Die Klägerin gehört zwar zu dem Personenkreis, der vor Inanspruchnahme der Elternzeit nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V als Arbeitnehmer versicherungsfrei war, erfüllt jedoch nicht ohne die freiwillige Mitgliedschaft die Voraussetzungen der Familienversicherung nach § 10 SGB V. Da die Klägerin alleinstehend ist, ist kein Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung vorhanden, bei dem die Klägerin mitversichert sein könnte. Hiervon gehen auch die Beteiligten übereinstimmend aus.
c) Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass die genannten Regelungen für die Erhebung des Mindestbeitrags für freiwillig Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung gegen Art. 3 Abs. 1 und 2 sowie Art. 6 Abs. 1 GG verstoßen.
aa) Der Senat verweist insoweit zunächst auf sein Urteil vom 12. September 2014 (L 4 KR 75/14 – juris, Rn. 28 ff.) sowie auf das auf die Revision der Klägerin jenes Verfahrens ergangene Urteil des BSG vom 30. November 2016 (B 12 KR 6/15 – juris, Rn. 24 ff.).
Hervorgehoben sei nochmals, dass alle freiwillig versicherten Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung jedenfalls den Mindestbeitrag zu zahlen haben, unabhängig von der Höhe ihrer (beitragspflichtigen) Einnahmen und ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (Urteil des Senats vom 12. September 2014 – L 4 KR 75/14 – juris, Rn. 30). Die Mindestbeitragsregelung, die den freiwillig krankenversicherten Geringverdienern eine an den tatsächlichen Einkommensverhältnissen orientierte Beitragsberechnung vorenthält, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 4. Dezember 2002 – 1 BvR 527/98 – juris, Rn. 12).
Die Pflicht, den Mindestbeitrag zu zahlen, besteht im Übrigen auch, wenn ein freiwillig Versicherter neben dem Elterngeld Einnahmen hat, die – wie bei der Klägerin im Jahr 2016 – geringer als die beitragspflichtigen Mindesteinnahmen in Höhe von einem Drittel der Bezugsgröße sind. Auch in diesem Fall sind die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung auf der Grundlage der Mindesteinnahmen zu berechnen. Übersteigen die sonstigen Einnahmen, die unter den Mindesteinnahmen liegen, und das Elterngeld zusammen den Betrag der Mindesteinnahmen, erfolgt die Beitragsberechnung dennoch nur auf der Grundlage der Mindesteinnahmen, weil das Elterngeld nicht zu Bemessung der Beiträge herangezogen werden darf. Dies gilt auch für verheiratete Mütter, wenn sie freiwillig versichert sind, so dass eine ungleiche Behandlung lediger und unverheirateter Mütter nicht besteht (BSG, Urteil vom 30. November 2016 – B 12 KR 6/15 R – juris, Rn. 27). Soweit – auch bei verheirateten Müttern – eine freiwillige Versicherung besteht, gibt es auch keinen "Stammversicherten".
bb) Auch ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2 GG liegt nicht vor. Die genannten Regelungen für die Erhebung des Mindestbeitrags für freiwillig Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung gelten für Männer und Frauen gleichermaßen. Eine faktische Benachteiligung von Frauen gegenüber Männern besteht nicht. Denn auch Männer, die in der gesetzlichen Krankversicherung freiwillig versichert sind und keine beitragspflichtigen Einnahmen oder lediglich Einnahmen, unterhalb der Mindesteinnahmen haben, haben (Mindest-) Beiträge zu entrichten. Soweit die Klägerin auf den Beschluss des BVerfG vom 5. April 2005 (1 BvR 774/02 – juris, Rn. 51 ff.) verweist, wonach eine Regelung in der Satzung eines Versorgungswerkes für Rechtsanwälte über die Erhebung von Beiträgen von Mitgliedern, die aufgrund von Kindererziehungszeiten vorübergehend einkommenslos sind, gegen Art. 3 Abs. 2 GG verstößt, ist dies nicht auf die Erhebung der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung zu übertragen. In diesen Zweigen der Sozialversicherung ist – wie zuvor unter aa) dargelegt – eine Berechnung der Beiträge aufgrund von Mindesteinnahmen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
cc) Dass die Klägerin durch die Erziehung eines Kindes einen "generativen Beitrag" leistet, begründet keinen Anspruch auf eine Beitragsfreiheit oder eine Herabsetzung von Beiträgen in der gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung (vgl. Urteil des Senats vom 27. Januar 2012 – L 4 KR 3984/10 – juris, Rn. 36 ff; nachgehend BSG, Urteil vom 20. Juli 2017 – B 12 KR 14/15 R – juris, Rn. 33 ff.).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG.
5. Gründe die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
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