Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 6 R 4674/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 918/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 20. Februar 2018 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt, die Zeit ihrer Schulausbildung vom 10. Februar 1970 bis 14. September 1972 bei der Berechnung der ihr gewährten Altersrente für schwerbehinderte Menschen zu berücksichtigen und zu bewerten.
Die Beklagte bewilligte der 1953 geborene Klägerin ab 1. Juni 2017 Altersrente für schwerbehinderte Menschen (Bescheid vom 11. Juli 2017). Die Zeit der Schulausbildung vom 10. Februar 1970 bis 14. September 1972 berücksichtigte die Beklagte als Anrechnungszeit, für die sie einen Gesamtleistungswert nicht berücksichtigte, weil diese Zeit nicht zu bewerten sei. Für die Zeit der Fachschulausbildung vom 15. September 1972 bis 31. August 1974 als Anrechnungszeit ermittelte die Beklagte 1,4952 Entgeltpunkte (Seite 06 der Anlage zum Rentenbescheid "Entgeltpunkte für beitragsfreie und beitragsgeminderte Zeiten"). Den von der Klägerin gegen die "Nichtbewertung von Schul- und Fachschulzeiten" erhobenen Widerspruch wies die Widerspruchstelle der Beklagten zurück (Widerspruchsbescheid vom 29. November 2017). Bei der Klägerin sei lediglich die Zeit der Schulausbildung vom 10. Februar 1970 bis 14. September 1972 betroffen, da die Klägerin eine Hochschulausbildung nicht absolviert habe. Die vom 15. September 1972 bis 31. August 1974 absolvierte Fachschulausbildung sei bei der Rentenberechnung entsprechend den gesetzlichen Regelungen bewertet. Die Regelung des § 263 Abs. 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) sei nicht verfassungswidrig (Verweis auf die Urteile des Bundessozialgerichts [BSG] vom 19. April 2011 – B 13 R 27/10 R – juris, – B 13 R 28/10 R – juris, – B 13 R 29/10 R – juris, – B 13 R 55/10 R – juris und – B 13 R 8/11 R – juris). Die gegen vier der Urteile des BSG vom 19. April 2011 gerichteten Verfassungsbeschwerden habe das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nicht zur Entscheidung angenommen (Nichtannahmebeschluss vom 18. Mai 2016 – 1 BvR 2217/11, 1 BvR 2218/11, 1 BvR 2219/11, 1 BvR 2430/11 – juris).
Die Klägerin erhob am 11. Dezember 2017 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) und begehrte, die Zeit der Schulausbildung vom 10. Februar 1970 bis 14. September 1972 bei der Rentenberechnung zu berücksichtigen und zu bewerten. Das BVerfG habe die Verfassungsbeschwerden nur deshalb nicht zur Entscheidung angenommen, weil angeblich nicht schlüssig vorgetragen worden sei. Eine verfassungsgerichtliche Überprüfung der unverhältnismäßigen, rentenkürzeren Eingriffe sei bislang nicht erfolgt. Bei einer Gleichbehandlung mit der Bewertung der Fachschulzeiten ergäben sich 0,0623 Entgeltpunkte pro Monat, multipliziert mit 32 Monaten 1,99 Entgeltpunkte. Multipliziert mit dem (damaligen) aktuellen Rentenwert von monatlich EUR 30,45 wären dies bei dem Zugangsfaktor 1,0 – wie bei ihr – EUR 60,60.
Die Beklagte trat der Klage unter Verweis auf den Widerspruchsbescheid entgegen.
Das SG wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 20. Februar 2018 ab. Die Beklagte habe bei der Bewertung der Zeiten der Schulausbildung der Klägerin die gesetzlichen Vorgaben der §§ 74 Satz 4, 263 Abs. 3 SGB VI zutreffend angewandt. Diese Zeiten seien nicht zusätzlich zu den Zeiten der Fachschulausbildung rentenerhöhend zu berücksichtigen. §§ 74 Satz 4, 263 Abs. 3 SGB VI verstießen zur Überzeugung der Kammer nicht gegen Verfassungsrecht. Die Kammer schließe sich der Rechtsprechung des BSG (in den im Widerspruchsbescheid genannten Urteilen) an, weil sie sie für zutreffend halte und verweise auf diese.
Gegen den ihrem Prozessbevollmächtigten am 1. März 2018 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 8. März 2018 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Sie ist weiterhin der Auffassung, die Bewertung von Ausbildungszeiten sei verfassungswidrig. Sie verstoße gegen Art. 3 Grundgesetz (GG). Personen, die eine höhere Ausbildung, über qualifizierte Schulbildung oder Ausbildung genossen hätten und damit höhere Einkünfte erzielten, trügen auch zur Solidargemeinschaft durch ihre Ausbildung bei. Einzelne Versicherungszeiten seien nicht bloße Berechnungselemente, die man "wie Schachfiguren austauschen" könne, sondern müssten ab einem bestimmten Lebensalter in eine gewisse Rechtsverbindlichkeit übergehen.
Die Klägerin beantragt (teilweise sachgerecht gefasst),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 20. Februar 2018 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 11. Juli 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. November 2017 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die Zeit der Schulausbildung vom 10. Februar 1970 bis 14. September 1972 bei der Rentenberechnung zu berücksichtigen und zu bewerten sowie ihr höhere Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab 1. Juni 2017 zu bewilligen, hilfsweise den Rechtsstreit auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des SG sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die Berufung der Klägerin, über die der Senat nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) im Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig. Die Klägerin hat die Berufung form- und fristgerecht eingelegt. Die Berufung bedurfte nicht der Zulassung nach § 144 Abs. 1 SGG. Denn die Berufung betrifft wiederkehrende Leistungen für mehr als ein Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
2. Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 11. Juli 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. November 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, soweit es die von der Klägerin angegriffene Bewertung der Zeit ihrer Schulausbildung vom 10. Februar 1970 bis 14. September 1972 betrifft.
a) Der Monatsbetrag der Rente ergibt sich, wenn die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkte, der Rentenartfaktor und der aktuelle Rentenwert mit ihrem Wert bei Rentenbeginn miteinander vervielfältigt werden (64 SGB VI). Die persönlichen Entgeltpunkte für die Ermittlung des Monatsbetrags der Rente errechnen sich aus der Summe aller Entgeltpunkte u.a. auch für beitragsfreie Zeiten (§ 66 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI). Beitragsfreie Zeiten sind Kalendermonate, die mit Anrechnungszeiten, mit einer Zurechnungszeit oder mit Ersatzzeiten belegt sind, wenn für sie nicht auch Beiträge gezahlt worden sind (§ 54 Abs. 4 SGB VI). Anrechnungszeiten sind Zeiten, in denen Versicherte nach dem vollendeten 17. Lebensjahr unter anderem eine Schule besucht haben (Zeiten einer schulischen Ausbildung), insgesamt jedoch höchstens bis zu acht Jahren (§ 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI). Beitragsfreie Zeiten erhalten den Durchschnittswert an Entgeltpunkten, der sich aus der Gesamtleistung an Beiträgen im belegungsfähigen Zeitraum ergibt (§ 71 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Allerdings werden nach § 74 Satz 4 SGB VI in der seit 1. Januar 2005 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 13 Gesetz zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RVNG) vom 21. Juli 2004 (BGBl. I, S. 1791) Zeiten einer Schul- oder Hochschulausbildung (bei der Gesamtleistungsbewertung) nicht bewertet. § 263 Abs. 3 Satz 4 SGB VI in der seit 1. Januar 2005 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 55 RVNG enthält aus Gründen des Vertrauensschutzes eine Übergangsregelung bei einem Rentenbeginn bis Januar 2009.
b) Die Beklagte berechnete – dies stellt die Klägerin nicht infrage – die der Klägerin ab 1. Juni 2017 bewilligte Altersrente für schwerbehinderte Menschen hinsichtlich der streitigen Zeit der Schulausbildung vom 10. Februar 1970 bis 14. September 1972 zutreffend unter Berücksichtigung der genannten gesetzlichen Vorschriften. Die Übergangsregelung des § 263 Abs. 3 Satz 4 SGB VI findet bei der Klägerin keine Anwendung. Denn die der Klägerin bewilligte Altersrente für schwerbehinderte Menschen begann am 1. Juni 2017, mithin nach Januar 2009.
c) Wie das SG ist auch der Senat nicht davon überzeugt, dass die seit 1. Januar 2005 geltenden Vorschriften der §§ 74 Abs. 4, 263 Abs. 3 Satz 4 SGB VI zur Bewertung der Schulausbildung im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung verfassungswidrig sind, so dass der Rechtsstreit nicht nach Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen und eine Entscheidung des BVerfG einzuholen ist. Dies hat der Senat bereits unter Verweis auf das Urteil des BSG vom 19. April 2011 (B 13 R 55/10 R – juris, Rn. 26 ff.; Verfassungsbeschwerde nicht angenommen: BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 18. Mai 2016 – 1 BvR 2217/11 – juris) entschieden (Urteil des Senats vom 27. November 2015 – L 4 R 3217/13 – nicht veröffentlicht; betreffend einen 1951 geborenen Kläger). Der Senat hat in diesem Urteil ausgeführt:
"1. Eine Verletzung des Art 14 Abs. 1 GG liegt nicht vor ... c) Soweit dadurch [Bewertung der Anrechnungszeiten wegen Schul- und Hochschulausbildung im Rahmen der dreijährigen Höchstbewertungsdauer je Kalendermonat ohne Entgeltpunkte] in die bis dahin vorhandene Rechtsposition des Klägers eingegriffen wurde, handelt es sich um eine verfassungsrechtlich zulässige gesetzgeberische Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums i.S. von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Der Gesetzgeber hatte hier nicht nur deswegen eine besonders große Gestaltungsfreiheit, weil bei Rentenanwartschaften die Möglichkeit von Änderungen in gewissen Grenzen bereits von vornherein angelegt ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Januar 2011 – 1 BvR 3588/08, 1 BvR 555/09 – in juris m.w.N.), sondern auch, weil es hier um die Begrenzung von Positionen ging, die Ausdruck besonderer Vergünstigungen waren. Denn Anrechnungszeiten beruhen – da ohne eigene Beitragsleistung erworben – überwiegend auf staatlicher Gewährung und sind somit Ausdruck besonderer staatlicher Fürsorge (BVerfG, Beschluss vom 1. Juli 1981 – 1 BvR 874/77 und andere – in juris). Sie sind zwar Bestandteil der Rentenanwartschaft und unterliegen damit dem Bestandsschutz des Art. 14 Abs. 1 GG; es handelt sich jedoch um einen abgeleiteten Eigentumsschutz von geringerer Intensität. Ebenso wie es im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers lag, diese Zeiten als ein Element des sozialen Ausgleichs für die mit der Ausbildung für den Einzelnen verbundene Minderung seiner sozialen Sicherheit vorzusehen (vgl BVerfG, Beschluss vom 1. Juli 1981 – 1 BvR 874/77 und andere – in juris), ist es ihm auch überlassen, ob und inwieweit er diesen Ausgleich weitergewähren will.
Das BSG führt in seinem Urteil vom 19. April 2011 (a.a.O.) hierzu Folgendes aus. Der Senat schließt sich dem nach eigener Überzeugungsbildung an: [Ausführungen des BSG unter Rn. 32 bis 39]
Allerdings sind Eingriffe in Rentenanwartschaften nur zulässig, wenn sie einem Gemeinwohlzweck dienen und verhältnismäßig sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. Juli 1981 – 1 BvR 874/77 und andere – in juris m.w.N.; ständige Rechtsprechung). Sie müssen zur Erreichung des angestrebten Ziels geeignet und erforderlich sein. Insbesondere dürfen sie den Betroffenen nicht übermäßig belasten und für ihn deswegen unzumutbar sein (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. November 2008 – 1 BvL 3/05 und andere – in juris m.w.N.; ständige Rechtsprechung). Diesen Anforderungen genügen die hier vom Kläger angegriffenen Regelungen des § 74 Satz 4 i.V.m. § 263 Abs. 3 Satz 4 SGB VI (jeweils i.d.F. des RVNG; vgl. BSG, Urteil vom 19. April 2011 – B 13 R 55/10 R – in juris).
dd) Die angegriffenen Bestimmungen sind auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes, der ebenfalls im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 GG zu berücksichtigen ist, nicht zu beanstanden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Juni 1985 – 1 BvL 12/83 – in juris).
Für den Versichertenkreis, dem der Kläger angehört, also den zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes "rentennahen Jahrgängen", wurden die Auswirkungen des § 74 Satz 4 SGB VI durch die Übergangsvorschrift des § 263 Abs. 3 Satz 4 SGB VI mit ihrem vierjährigen "Abschmelzungsprogramm" abgemildert. Dadurch kam es bei einem Teil des betroffenen Personenkreises noch zu einer rentenerhöhenden Bewertung von Zeiten mit Schul- und Hochschulausbildung, nicht jedoch beim Kläger.
Angesichts der Übergangsregelung in § 263 Abs. 3 SGB VI mag offenbleiben, ob sich bei der wechselhaften Geschichte der Ausfall- und Anrechnungszeiten wegen Schul- und Hochschulausbildung (vgl. BSG, Beschluss vom 27. August 2009 – B 13 R 6/09 S –; BSG, Urteil vom 19. April 2011 – B 13 R 55/10 R – in juris m.w.N.) überhaupt ein schutzwürdiges Vertrauen auf deren rentensteigernde Wirkung entwickeln konnte. Lediglich aufgrund eines bestimmten Lebensalters ist ein gesteigerter Bestandsschutz einer vorhandenen Rechtsposition verfassungsrechtlich jedoch nicht geboten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Februar 2007 – 1 BvL 10/00 –; BSG, Urteil vom 2. März 2010 – B 5 KN 1/07 R – in juris).
2. Mit den vom Kläger angegriffenen Regelungen hat der Gesetzgeber nicht den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Auch an diese Verfassungsnorm ist der Gesetzgeber bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums gebunden. Bei der Überprüfung eines Gesetzes auf seine Vereinbarkeit mit dem Gleichheitsgrundsatz ist jedoch nicht zu prüfen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner – hier bestehenden weiten – Gestaltungsfreiheit überschritten hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. November 1989 – 1 BvR 1402/87, 1 BvR 1528/87 – in juris m.w.N.).
a) Art. 3 Abs. 1 GG bestimmt, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Verboten ist auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen Personenkreis aber vorenthalten wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. April 2010 – 1 BvL 8/08 – in juris m.w.N.). Dem Gesetzgeber wird allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt das Art. 3 Abs. 1 GG vielmehr nur, wenn er eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl BVerfG, Beschluss vom 27. Februar 2007 – 1 BvL 10/00 – in juris m.w.N.; stRspr.).
Der Kläger gehört zu der Gruppe von Versicherten, deren Anrechnungszeiten wegen Schul- und Hochschulausbildung durch das RVNG in ihrer Bewertung im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung unberücksichtigt bleiben. Damit wird er zum einen gegenüber Versicherten mit Rentenbeginn bis einschließlich Januar 2005 und zum anderen gegenüber Versicherten mit Zeiten einer Fachschulausbildung oder der Teilnahme an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme ungleich behandelt. Denn diese Versicherten werden von der Neubewertung der Zeiten wegen schulischer Ausbildung durch das RVNG nicht erfasst, obwohl auch sie während dieser Zeiten keine Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt oder getragen haben. Allerdings wird die unterschiedliche Behandlung der dargestellten Gruppen bei der Bewertung ihrer schulischen Ausbildungszeiten durch hinreichende sachliche Gründe gerechtfertigt. Das BSG führt in seinem Urteil vom 19. April 2011 (a.a.O.) hierzu Folgendes aus. Der Senat schließt sich auch dem nach eigener Überzeugungsbildung an. [Ausführungen des BSG unter Rn. 50 bis 61].
b) Der Kläger wird auch nicht deswegen verfassungswidrig ungleich behandelt, weil die Vorschrift des § 12 BeamtVG [Beamtenversorgungsgesetz] eine versorgungssteigernde Berücksichtigung der Zeiten von Schule und Hochschule in einem gewissen Rahmen noch zulässt. Der Senat schließt sich insoweit den folgenden Ausführungen des Bayerischen LSG (Urteil vom 27. Februar 2013 – L 13 R 508/11 – in juris; ebenso das vom SG in seinen Entscheidungsgründen angeführte Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 15. November 2011 – L 11 R 267/11– in juris) vollumfänglich an: [Ausführungen des Bayerischen LSG unter Rn. 36].
c) Auch kann sich der Kläger nicht erfolgreich auf einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG stützen, weil Zeiten der Kindererziehung rentenerhöhend berücksichtigt werden, während Zeiten der Hochschulausbildung bei einem Rentenbeginn ab Januar 2009 keine Auswirkung auf die Rentenhöhe mehr haben, sowie schließlich auch nicht auf seine aus Art. 3 Abs. 2 und 3 GG resultierenden Grundrechte. Auf die Ausführungen des SG wird auch insoweit nach eigener Überzeugungsbildung Bezug genommen.
3. Letztlich verstoßen die angegriffenen Regelungen des § 74 Satz 4 i.V.m. § 263 Abs. 3 Satz 4 SGB VI auch nicht gegen das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 i.V.m. Art. 28 Abs. 1 GG). Zwar begründet das Sozialstaatsprinzip die Pflicht des Staates, für eine gerechte soziale Ordnung Sorge zu tragen; die Erfüllung dieser Verpflichtung obliegt jedoch der eigenverantwortlichen Gestaltung des Gesetzgebers. Selbst wenn durch eine Regelung im Einzelfall Unbilligkeiten auftreten, ist das Sozialstaatsgebot nicht verletzt; denn es dient nicht der Korrektur jeglicher (aus Sicht des Normadressaten) hart oder unbillig erscheinender Einzelregelungen (vgl. BVerfG, Urteil vom 16. Juli 1985 – 1 BvL 5/80 und andere – in juris m.w.N.; BSG, Urteil vom 19. April 2011 – B 13 R 55/10 R – in juris)."
d) Aufgrund der Ausführungen der Klägerin besteht kein Anlass, hiervon abzuweichen. Denn die Klägerin setzt sich nicht mit der Rechtsprechung des BSG zur Verfassungsmäßigkeit der §§ 74 Satz 4, 263 Abs. 3 Satz 4 SGB VI sowie der Rechtsprechung des BVerfG zu verfassungsrechtlich zulässigen Eingriffen in Rentenanwartschaften auseinander und zeigt nicht auf, welche Aspekte eine andere Beurteilung erfordern. Sie bringt mit ihrem Vorbringen nur allgemein ihre Unzufriedenheit mit der zum 1. Januar 2005 erfolgten gesetzlichen Änderung zum Ausdruck. Soweit die Klägerin meint, eine absolvierte "höhere Ausbildung" erfordere es im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG, die beitragslosen Zeiten zu "honorieren", wird schon nicht plausibel, was nach Auffassung der Klägerin eine höhere Ausbildung sein soll und dass sie eine solche absolvierte. Derjenige, der die Verletzung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) rügt, muss Vergleichsgruppen bilden und vortragen, dass es sich bei den von ihm gebildeten Vergleichsgruppen um im Wesentlichen gleiche Sachverhalte handelt. Es muss plausibel dargelegt werden, wer in Bezug auf wen in welcher Weise benachteiligt wird sowie worin konkret ein individueller Nachteil liegt. Richtet sich der Angriff gegen eine Regelung, muss vorgetragen werden, zwischen welchen konkreten Vergleichsgruppen eine auch individuell nachteilig wirkende Ungleichbehandlung bestehen soll (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 8. November 2016 – 1 BvR 935/14 – juris, Rn. 11).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG.
4. Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt, die Zeit ihrer Schulausbildung vom 10. Februar 1970 bis 14. September 1972 bei der Berechnung der ihr gewährten Altersrente für schwerbehinderte Menschen zu berücksichtigen und zu bewerten.
Die Beklagte bewilligte der 1953 geborene Klägerin ab 1. Juni 2017 Altersrente für schwerbehinderte Menschen (Bescheid vom 11. Juli 2017). Die Zeit der Schulausbildung vom 10. Februar 1970 bis 14. September 1972 berücksichtigte die Beklagte als Anrechnungszeit, für die sie einen Gesamtleistungswert nicht berücksichtigte, weil diese Zeit nicht zu bewerten sei. Für die Zeit der Fachschulausbildung vom 15. September 1972 bis 31. August 1974 als Anrechnungszeit ermittelte die Beklagte 1,4952 Entgeltpunkte (Seite 06 der Anlage zum Rentenbescheid "Entgeltpunkte für beitragsfreie und beitragsgeminderte Zeiten"). Den von der Klägerin gegen die "Nichtbewertung von Schul- und Fachschulzeiten" erhobenen Widerspruch wies die Widerspruchstelle der Beklagten zurück (Widerspruchsbescheid vom 29. November 2017). Bei der Klägerin sei lediglich die Zeit der Schulausbildung vom 10. Februar 1970 bis 14. September 1972 betroffen, da die Klägerin eine Hochschulausbildung nicht absolviert habe. Die vom 15. September 1972 bis 31. August 1974 absolvierte Fachschulausbildung sei bei der Rentenberechnung entsprechend den gesetzlichen Regelungen bewertet. Die Regelung des § 263 Abs. 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) sei nicht verfassungswidrig (Verweis auf die Urteile des Bundessozialgerichts [BSG] vom 19. April 2011 – B 13 R 27/10 R – juris, – B 13 R 28/10 R – juris, – B 13 R 29/10 R – juris, – B 13 R 55/10 R – juris und – B 13 R 8/11 R – juris). Die gegen vier der Urteile des BSG vom 19. April 2011 gerichteten Verfassungsbeschwerden habe das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nicht zur Entscheidung angenommen (Nichtannahmebeschluss vom 18. Mai 2016 – 1 BvR 2217/11, 1 BvR 2218/11, 1 BvR 2219/11, 1 BvR 2430/11 – juris).
Die Klägerin erhob am 11. Dezember 2017 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) und begehrte, die Zeit der Schulausbildung vom 10. Februar 1970 bis 14. September 1972 bei der Rentenberechnung zu berücksichtigen und zu bewerten. Das BVerfG habe die Verfassungsbeschwerden nur deshalb nicht zur Entscheidung angenommen, weil angeblich nicht schlüssig vorgetragen worden sei. Eine verfassungsgerichtliche Überprüfung der unverhältnismäßigen, rentenkürzeren Eingriffe sei bislang nicht erfolgt. Bei einer Gleichbehandlung mit der Bewertung der Fachschulzeiten ergäben sich 0,0623 Entgeltpunkte pro Monat, multipliziert mit 32 Monaten 1,99 Entgeltpunkte. Multipliziert mit dem (damaligen) aktuellen Rentenwert von monatlich EUR 30,45 wären dies bei dem Zugangsfaktor 1,0 – wie bei ihr – EUR 60,60.
Die Beklagte trat der Klage unter Verweis auf den Widerspruchsbescheid entgegen.
Das SG wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 20. Februar 2018 ab. Die Beklagte habe bei der Bewertung der Zeiten der Schulausbildung der Klägerin die gesetzlichen Vorgaben der §§ 74 Satz 4, 263 Abs. 3 SGB VI zutreffend angewandt. Diese Zeiten seien nicht zusätzlich zu den Zeiten der Fachschulausbildung rentenerhöhend zu berücksichtigen. §§ 74 Satz 4, 263 Abs. 3 SGB VI verstießen zur Überzeugung der Kammer nicht gegen Verfassungsrecht. Die Kammer schließe sich der Rechtsprechung des BSG (in den im Widerspruchsbescheid genannten Urteilen) an, weil sie sie für zutreffend halte und verweise auf diese.
Gegen den ihrem Prozessbevollmächtigten am 1. März 2018 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 8. März 2018 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Sie ist weiterhin der Auffassung, die Bewertung von Ausbildungszeiten sei verfassungswidrig. Sie verstoße gegen Art. 3 Grundgesetz (GG). Personen, die eine höhere Ausbildung, über qualifizierte Schulbildung oder Ausbildung genossen hätten und damit höhere Einkünfte erzielten, trügen auch zur Solidargemeinschaft durch ihre Ausbildung bei. Einzelne Versicherungszeiten seien nicht bloße Berechnungselemente, die man "wie Schachfiguren austauschen" könne, sondern müssten ab einem bestimmten Lebensalter in eine gewisse Rechtsverbindlichkeit übergehen.
Die Klägerin beantragt (teilweise sachgerecht gefasst),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 20. Februar 2018 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 11. Juli 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. November 2017 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die Zeit der Schulausbildung vom 10. Februar 1970 bis 14. September 1972 bei der Rentenberechnung zu berücksichtigen und zu bewerten sowie ihr höhere Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab 1. Juni 2017 zu bewilligen, hilfsweise den Rechtsstreit auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des SG sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die Berufung der Klägerin, über die der Senat nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) im Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig. Die Klägerin hat die Berufung form- und fristgerecht eingelegt. Die Berufung bedurfte nicht der Zulassung nach § 144 Abs. 1 SGG. Denn die Berufung betrifft wiederkehrende Leistungen für mehr als ein Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
2. Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 11. Juli 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. November 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, soweit es die von der Klägerin angegriffene Bewertung der Zeit ihrer Schulausbildung vom 10. Februar 1970 bis 14. September 1972 betrifft.
a) Der Monatsbetrag der Rente ergibt sich, wenn die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkte, der Rentenartfaktor und der aktuelle Rentenwert mit ihrem Wert bei Rentenbeginn miteinander vervielfältigt werden (64 SGB VI). Die persönlichen Entgeltpunkte für die Ermittlung des Monatsbetrags der Rente errechnen sich aus der Summe aller Entgeltpunkte u.a. auch für beitragsfreie Zeiten (§ 66 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI). Beitragsfreie Zeiten sind Kalendermonate, die mit Anrechnungszeiten, mit einer Zurechnungszeit oder mit Ersatzzeiten belegt sind, wenn für sie nicht auch Beiträge gezahlt worden sind (§ 54 Abs. 4 SGB VI). Anrechnungszeiten sind Zeiten, in denen Versicherte nach dem vollendeten 17. Lebensjahr unter anderem eine Schule besucht haben (Zeiten einer schulischen Ausbildung), insgesamt jedoch höchstens bis zu acht Jahren (§ 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI). Beitragsfreie Zeiten erhalten den Durchschnittswert an Entgeltpunkten, der sich aus der Gesamtleistung an Beiträgen im belegungsfähigen Zeitraum ergibt (§ 71 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Allerdings werden nach § 74 Satz 4 SGB VI in der seit 1. Januar 2005 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 13 Gesetz zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RVNG) vom 21. Juli 2004 (BGBl. I, S. 1791) Zeiten einer Schul- oder Hochschulausbildung (bei der Gesamtleistungsbewertung) nicht bewertet. § 263 Abs. 3 Satz 4 SGB VI in der seit 1. Januar 2005 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 55 RVNG enthält aus Gründen des Vertrauensschutzes eine Übergangsregelung bei einem Rentenbeginn bis Januar 2009.
b) Die Beklagte berechnete – dies stellt die Klägerin nicht infrage – die der Klägerin ab 1. Juni 2017 bewilligte Altersrente für schwerbehinderte Menschen hinsichtlich der streitigen Zeit der Schulausbildung vom 10. Februar 1970 bis 14. September 1972 zutreffend unter Berücksichtigung der genannten gesetzlichen Vorschriften. Die Übergangsregelung des § 263 Abs. 3 Satz 4 SGB VI findet bei der Klägerin keine Anwendung. Denn die der Klägerin bewilligte Altersrente für schwerbehinderte Menschen begann am 1. Juni 2017, mithin nach Januar 2009.
c) Wie das SG ist auch der Senat nicht davon überzeugt, dass die seit 1. Januar 2005 geltenden Vorschriften der §§ 74 Abs. 4, 263 Abs. 3 Satz 4 SGB VI zur Bewertung der Schulausbildung im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung verfassungswidrig sind, so dass der Rechtsstreit nicht nach Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen und eine Entscheidung des BVerfG einzuholen ist. Dies hat der Senat bereits unter Verweis auf das Urteil des BSG vom 19. April 2011 (B 13 R 55/10 R – juris, Rn. 26 ff.; Verfassungsbeschwerde nicht angenommen: BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 18. Mai 2016 – 1 BvR 2217/11 – juris) entschieden (Urteil des Senats vom 27. November 2015 – L 4 R 3217/13 – nicht veröffentlicht; betreffend einen 1951 geborenen Kläger). Der Senat hat in diesem Urteil ausgeführt:
"1. Eine Verletzung des Art 14 Abs. 1 GG liegt nicht vor ... c) Soweit dadurch [Bewertung der Anrechnungszeiten wegen Schul- und Hochschulausbildung im Rahmen der dreijährigen Höchstbewertungsdauer je Kalendermonat ohne Entgeltpunkte] in die bis dahin vorhandene Rechtsposition des Klägers eingegriffen wurde, handelt es sich um eine verfassungsrechtlich zulässige gesetzgeberische Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums i.S. von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Der Gesetzgeber hatte hier nicht nur deswegen eine besonders große Gestaltungsfreiheit, weil bei Rentenanwartschaften die Möglichkeit von Änderungen in gewissen Grenzen bereits von vornherein angelegt ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Januar 2011 – 1 BvR 3588/08, 1 BvR 555/09 – in juris m.w.N.), sondern auch, weil es hier um die Begrenzung von Positionen ging, die Ausdruck besonderer Vergünstigungen waren. Denn Anrechnungszeiten beruhen – da ohne eigene Beitragsleistung erworben – überwiegend auf staatlicher Gewährung und sind somit Ausdruck besonderer staatlicher Fürsorge (BVerfG, Beschluss vom 1. Juli 1981 – 1 BvR 874/77 und andere – in juris). Sie sind zwar Bestandteil der Rentenanwartschaft und unterliegen damit dem Bestandsschutz des Art. 14 Abs. 1 GG; es handelt sich jedoch um einen abgeleiteten Eigentumsschutz von geringerer Intensität. Ebenso wie es im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers lag, diese Zeiten als ein Element des sozialen Ausgleichs für die mit der Ausbildung für den Einzelnen verbundene Minderung seiner sozialen Sicherheit vorzusehen (vgl BVerfG, Beschluss vom 1. Juli 1981 – 1 BvR 874/77 und andere – in juris), ist es ihm auch überlassen, ob und inwieweit er diesen Ausgleich weitergewähren will.
Das BSG führt in seinem Urteil vom 19. April 2011 (a.a.O.) hierzu Folgendes aus. Der Senat schließt sich dem nach eigener Überzeugungsbildung an: [Ausführungen des BSG unter Rn. 32 bis 39]
Allerdings sind Eingriffe in Rentenanwartschaften nur zulässig, wenn sie einem Gemeinwohlzweck dienen und verhältnismäßig sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. Juli 1981 – 1 BvR 874/77 und andere – in juris m.w.N.; ständige Rechtsprechung). Sie müssen zur Erreichung des angestrebten Ziels geeignet und erforderlich sein. Insbesondere dürfen sie den Betroffenen nicht übermäßig belasten und für ihn deswegen unzumutbar sein (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. November 2008 – 1 BvL 3/05 und andere – in juris m.w.N.; ständige Rechtsprechung). Diesen Anforderungen genügen die hier vom Kläger angegriffenen Regelungen des § 74 Satz 4 i.V.m. § 263 Abs. 3 Satz 4 SGB VI (jeweils i.d.F. des RVNG; vgl. BSG, Urteil vom 19. April 2011 – B 13 R 55/10 R – in juris).
dd) Die angegriffenen Bestimmungen sind auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes, der ebenfalls im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 GG zu berücksichtigen ist, nicht zu beanstanden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Juni 1985 – 1 BvL 12/83 – in juris).
Für den Versichertenkreis, dem der Kläger angehört, also den zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes "rentennahen Jahrgängen", wurden die Auswirkungen des § 74 Satz 4 SGB VI durch die Übergangsvorschrift des § 263 Abs. 3 Satz 4 SGB VI mit ihrem vierjährigen "Abschmelzungsprogramm" abgemildert. Dadurch kam es bei einem Teil des betroffenen Personenkreises noch zu einer rentenerhöhenden Bewertung von Zeiten mit Schul- und Hochschulausbildung, nicht jedoch beim Kläger.
Angesichts der Übergangsregelung in § 263 Abs. 3 SGB VI mag offenbleiben, ob sich bei der wechselhaften Geschichte der Ausfall- und Anrechnungszeiten wegen Schul- und Hochschulausbildung (vgl. BSG, Beschluss vom 27. August 2009 – B 13 R 6/09 S –; BSG, Urteil vom 19. April 2011 – B 13 R 55/10 R – in juris m.w.N.) überhaupt ein schutzwürdiges Vertrauen auf deren rentensteigernde Wirkung entwickeln konnte. Lediglich aufgrund eines bestimmten Lebensalters ist ein gesteigerter Bestandsschutz einer vorhandenen Rechtsposition verfassungsrechtlich jedoch nicht geboten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Februar 2007 – 1 BvL 10/00 –; BSG, Urteil vom 2. März 2010 – B 5 KN 1/07 R – in juris).
2. Mit den vom Kläger angegriffenen Regelungen hat der Gesetzgeber nicht den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Auch an diese Verfassungsnorm ist der Gesetzgeber bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums gebunden. Bei der Überprüfung eines Gesetzes auf seine Vereinbarkeit mit dem Gleichheitsgrundsatz ist jedoch nicht zu prüfen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner – hier bestehenden weiten – Gestaltungsfreiheit überschritten hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. November 1989 – 1 BvR 1402/87, 1 BvR 1528/87 – in juris m.w.N.).
a) Art. 3 Abs. 1 GG bestimmt, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Verboten ist auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen Personenkreis aber vorenthalten wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. April 2010 – 1 BvL 8/08 – in juris m.w.N.). Dem Gesetzgeber wird allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt das Art. 3 Abs. 1 GG vielmehr nur, wenn er eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl BVerfG, Beschluss vom 27. Februar 2007 – 1 BvL 10/00 – in juris m.w.N.; stRspr.).
Der Kläger gehört zu der Gruppe von Versicherten, deren Anrechnungszeiten wegen Schul- und Hochschulausbildung durch das RVNG in ihrer Bewertung im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung unberücksichtigt bleiben. Damit wird er zum einen gegenüber Versicherten mit Rentenbeginn bis einschließlich Januar 2005 und zum anderen gegenüber Versicherten mit Zeiten einer Fachschulausbildung oder der Teilnahme an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme ungleich behandelt. Denn diese Versicherten werden von der Neubewertung der Zeiten wegen schulischer Ausbildung durch das RVNG nicht erfasst, obwohl auch sie während dieser Zeiten keine Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt oder getragen haben. Allerdings wird die unterschiedliche Behandlung der dargestellten Gruppen bei der Bewertung ihrer schulischen Ausbildungszeiten durch hinreichende sachliche Gründe gerechtfertigt. Das BSG führt in seinem Urteil vom 19. April 2011 (a.a.O.) hierzu Folgendes aus. Der Senat schließt sich auch dem nach eigener Überzeugungsbildung an. [Ausführungen des BSG unter Rn. 50 bis 61].
b) Der Kläger wird auch nicht deswegen verfassungswidrig ungleich behandelt, weil die Vorschrift des § 12 BeamtVG [Beamtenversorgungsgesetz] eine versorgungssteigernde Berücksichtigung der Zeiten von Schule und Hochschule in einem gewissen Rahmen noch zulässt. Der Senat schließt sich insoweit den folgenden Ausführungen des Bayerischen LSG (Urteil vom 27. Februar 2013 – L 13 R 508/11 – in juris; ebenso das vom SG in seinen Entscheidungsgründen angeführte Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 15. November 2011 – L 11 R 267/11– in juris) vollumfänglich an: [Ausführungen des Bayerischen LSG unter Rn. 36].
c) Auch kann sich der Kläger nicht erfolgreich auf einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG stützen, weil Zeiten der Kindererziehung rentenerhöhend berücksichtigt werden, während Zeiten der Hochschulausbildung bei einem Rentenbeginn ab Januar 2009 keine Auswirkung auf die Rentenhöhe mehr haben, sowie schließlich auch nicht auf seine aus Art. 3 Abs. 2 und 3 GG resultierenden Grundrechte. Auf die Ausführungen des SG wird auch insoweit nach eigener Überzeugungsbildung Bezug genommen.
3. Letztlich verstoßen die angegriffenen Regelungen des § 74 Satz 4 i.V.m. § 263 Abs. 3 Satz 4 SGB VI auch nicht gegen das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 i.V.m. Art. 28 Abs. 1 GG). Zwar begründet das Sozialstaatsprinzip die Pflicht des Staates, für eine gerechte soziale Ordnung Sorge zu tragen; die Erfüllung dieser Verpflichtung obliegt jedoch der eigenverantwortlichen Gestaltung des Gesetzgebers. Selbst wenn durch eine Regelung im Einzelfall Unbilligkeiten auftreten, ist das Sozialstaatsgebot nicht verletzt; denn es dient nicht der Korrektur jeglicher (aus Sicht des Normadressaten) hart oder unbillig erscheinender Einzelregelungen (vgl. BVerfG, Urteil vom 16. Juli 1985 – 1 BvL 5/80 und andere – in juris m.w.N.; BSG, Urteil vom 19. April 2011 – B 13 R 55/10 R – in juris)."
d) Aufgrund der Ausführungen der Klägerin besteht kein Anlass, hiervon abzuweichen. Denn die Klägerin setzt sich nicht mit der Rechtsprechung des BSG zur Verfassungsmäßigkeit der §§ 74 Satz 4, 263 Abs. 3 Satz 4 SGB VI sowie der Rechtsprechung des BVerfG zu verfassungsrechtlich zulässigen Eingriffen in Rentenanwartschaften auseinander und zeigt nicht auf, welche Aspekte eine andere Beurteilung erfordern. Sie bringt mit ihrem Vorbringen nur allgemein ihre Unzufriedenheit mit der zum 1. Januar 2005 erfolgten gesetzlichen Änderung zum Ausdruck. Soweit die Klägerin meint, eine absolvierte "höhere Ausbildung" erfordere es im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG, die beitragslosen Zeiten zu "honorieren", wird schon nicht plausibel, was nach Auffassung der Klägerin eine höhere Ausbildung sein soll und dass sie eine solche absolvierte. Derjenige, der die Verletzung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) rügt, muss Vergleichsgruppen bilden und vortragen, dass es sich bei den von ihm gebildeten Vergleichsgruppen um im Wesentlichen gleiche Sachverhalte handelt. Es muss plausibel dargelegt werden, wer in Bezug auf wen in welcher Weise benachteiligt wird sowie worin konkret ein individueller Nachteil liegt. Richtet sich der Angriff gegen eine Regelung, muss vorgetragen werden, zwischen welchen konkreten Vergleichsgruppen eine auch individuell nachteilig wirkende Ungleichbehandlung bestehen soll (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 8. November 2016 – 1 BvR 935/14 – juris, Rn. 11).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG.
4. Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
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