Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 9 SB 3674/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 3590/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 14. August 2017 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt weiterhin die Zuerkennung (behördliche Feststellung) eines Grades der Behinderung (GdB) von - genau - 40 (vierzig).
Er ist im Jahre 1960 geboren, deutscher Staatsbürger und wohnt im Inland. Er ist in abhängiger Beschäftigung berufstätig.
Einen ersten Antrag auf Zuerkennung des GdB lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 12. April 2005 ab.
Am 12. Januar 2016 beantragte der Kläger erneut die Erstfeststellung eines GdB. Er machte eine Kniegelenksarthrose bds., einen Diabetes mellitus, einen Bandscheibenschaden, ein Schulter-Arm-Syndrom, Bewegungseinschränkungen beider Handgelenke auf Grund eines Unfalls und eine Lungenfunktionseinschränkung geltend. Der Beklagte zog Behandlungsberichte bei. Facharzt für Allgemeinmedizin Ö. teilte mit, der Kläger sei seit seiner Jugend starker Raucher, seit drei bis vier Jahren leide er an einer COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung). Ferner bestehe seit sechs Jahren ein Diabetes mellitus, der mit Metformin behandelt werde. Anamnestisch liege auch eine Lumboischialgie vor, bildgebend sei insoweit eine Osteochondrose ohne eindeutige Nervenwurzel-Komplikation diagnostiziert worden. Herr Ö. reichte auch die Ergebnisse der Lungenfunktionsprüfung vom 7. Januar 2016 zur Akte, wonach die Vitalkapazität (VC) 88 % und die Einsekundenkapazität (FEV1) 86 % des Sollwerts betrugen und der Tiffeneau-Index mit 98 % nahezu normwertig war. Der Versorgungsärztliche Dienst des Beklagten führte nach einer Auswertung der Befunde aus, nachgewiesen seien nur degenerative Veränderungen der Wirbelsäule mit Bandscheibenschäden, eine chronische Bronchitis und eine Funktionsbehinderung beider Kniegelenke mit Knorpelschäden, diese drei Behinderungen bedingten jeweils einen Teil-GdB von 10. Gestützt hierauf lehnte der Beklagten mit Bescheid vom 2. März 2015 den Antrag des Klägers ab. Ein GdB von 20, der für eine Feststellung notwendig sei, liege nicht vor.
Im Vorverfahren reichte der Kläger einen radiologischen und einen klinischen Befundbericht wegen seiner Wirbelsäulenprobleme nach. Der von ihm benannte Orthopäde Dr. H. teilte ergänzend mit, es beständen eine Gonarthrose bds. mit Reibegeräuschen und stabilem Bandapparat, Muskelverspannungen und eine endgradige Bewegungseinschränkung der Lendenwirbelsäule (LWS) ohne Ausstrahlungen in die Gliedmaßen, eine freie Beweglichkeit der Schultergelenke und Schmerzen an den Handgelenken bei freier Beweglichkeit und voller Belastbarkeit. Nach einer versorgungsärztlichen Auswertung dieser Unterlagen wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 6. Juni 2016 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 4. Juli 2016 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben und ausdrücklich eine Verpflichtung des Beklagten zur Zuerkennung eines GdB von - genau - 40 beantragt. Die einzelnen Behinderungen seien zu gering bewertet. Zum Beweis der Tatsache, dass ein GdB von "wenigstens 40" vorliege, sei ein Sachverständigengutachten zu erheben.
Das SG hat die benannten Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Dr. H. war zwischenzeitlich in Ruhestand gegangen, bei seinem Praxisnachfolger Dr. M. hatte sich der Kläger bis Dezember 2016 nicht vorgestellt. Dr. Ö. hat ergänzend mitgeteilt, es beständen eine leichte bis mittelgradige COPD, ein Diabetes mellitus und eine beginnende diabetische Polyneuropathie, eine leichtgradige Hyperlipidämie sowie eine Osteochondrosis intervertebralis im Wirbelsäulensegment L5/S1. Die Lungenfunktionsprüfungen zeigten leichte Einschränkungen, vier- bis fünfmal jährlich gebe es wegen des fortgesetzten Nikotinkonsums akute Verschlechterungen. Der Orthopäde Dr. G. hat am 12. Juni 2017 mitgeteilt, er habe den Kläger einmalig wegen rezidivierender Schmerzen an beiden Handgelenken und der Mittelhand behandelt Auf Nachfrage des SG hat der Kläger ausdrücklich eine Entscheidung in der Hauptsache durch Gerichtsbescheid beantragt.
Dieser Gerichtsbescheid ist am 14. August 2017 ergangen. Das SG hat die Klage abgewiesen. Die bei Antragstellung vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen rechtfertigten allenfalls Teil-GdB-Werte von je 10, sodass sich kein feststellungsfähiger Gesamt-GdB von wenigstens 20 ergebe.
Gegen diesen Gerichtsbescheid hat der Kläger am 12. September 2017 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) erhoben.
Nachdem keine Berufungsbegründung abgegeben wurde, unter anderem wegen eines Urlaubs des Klägers in der Türkei im Oktober/November 2017 (Schriftsatz vom 16. Oktober 2017), hat der Berichterstatter des Senats Erörterungstermin auf - nach Terminsverlegungsgesuchen der Klägerseite - den 14. Dezember 2017 anberaumt. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 15. November 2017 ausgeführt, insbesondere die Beschwerden an den Kniegelenken und die Einschränkungen der Lungenerkrankung seien höher zu bewerten, insoweit seien orthopädische und lungenfachärztliche Gutachten zu erheben. Er hat hierzu Arztbriefe des Radiologen Dr. S. vom 17. November 2017 (am linken Knie degenerativ teils eingerissener, teils aufgebrauchter Innenmeniskus mit Rissbildung vertikal am Hinterhorn, Knorpeldefekte, ödematöse Veränderungen am Vorderen Kreuzband bei erhaltener Kontinuität, Ansatztendinopathie mit mehrfach separierten Zysten, Flüssigkeit) und der Pneumologin Dr.-medic K. vom 16. November 2017 (COPD nach GOLD Stadium I, Nikotinabusus mit über 50 Packyears, Belastungsdyspnoe, FEV1 auf 1,94 l reduziert bei 3,11 l Sollwert, als Therapie sei - allein - Nikotinverzicht angezeigt) vorgelegt.
In dem Erörterungstermin hat der Kläger angegeben, sein Hörvermögen sei eingeschränkt. Ein Hörgerät trage er nicht. Er hat hierzu den Arztbrief des HNO-Arztes T. vom 17. November 2017 (Presbyakusis bds., tonaudiometrisch nach Röser 1980 ermittelte Hörverluste von 25 % bds.) zu Protokoll gegeben. Auf Nachfrage hat der Kläger angegeben, er rauche weiterhin uneingeschränkt, der Diabetes werde wie zuvor Metformin, aber noch ohne Insulin, behandelt. Wegen der Angaben des Klägers und der Ergebnisse des Augenscheins im Einzelnen wird auf das Protokoll vom 14. Dezember 2017 Bezug genommen.
Auf Antrag des Klägers hat der Senat den nunmehr behandelnden Orthopäden Y., bei dem sich der Kläger einmalig vier Tage nach dem Erörterungstermin vorgestellt hatte, schriftlich als sachverständigen Zeugen vernommen. Er hat mitgeteilt, am linken Knie beständen klinisch ein deutlicher Patellaverschiebeschmerz, ein leichter Druckschmerz am medialen Gelenkspalt, die Extension/Flexion sei - bds. - bis 0/0/140° möglich, der Bandapparat sei stabil, es bestehe kein Erguss, mittelfristig sei eine endoprothetische Versorgung notwendig. Er hat außerdem informatorisch mitgeteilt, an der Halswirbelsäule (HWS) seien die Rotation bis 50/0/50° und die Seitneigung bis 25/0/25° möglich, es beständen druckschmerzhafte Myogelosen, aber keine neurologischen Ausfälle, an der LWS lägen ebenfalls keine Ausfälle und keine Nervenwurzelreizungen vor, der Lasègue-Test sei negativ, es beständen Blockaden und Druckschmerz paravertebral, der Finger-Boden-Abstand (FBA) betrage 20 cm schmerzhaft. Zu den Hüftgelenken hat er im Wesentlichen einen Druckschmerz und eine Extension/Flexion von 0/0/160° beschrieben. An den Füßen bestehe ein Hallux valgus. Nach Mitteilung dieser Zeugenaussage hat sich der Kläger erneut zu dem Orthopäden Y. begeben und den Arztbrief vom 12. März 2018 eingereicht. Hiernach betrug die Extension/Flexion des rechten Kniegelenks - nur - 0/0/130° und es habe dort ein geringer Erguss vorgelegen.
Ebenso hat der Senat Dr.-medic K. ergänzend als Zeugin vernommen. Sie hat bekundet, der Kläger habe sich nach dem 16. November 2017 nicht wieder vorgestellt. Es handele sich um eine leichte obstruktive Ventilationsstörung mit leichter Überblähung der Lunge. Die Blutgassättigung sei mit 97 % bzw. 98 % normal gewesen. Eine Belastungsdyspnoe dürfte der Lungenfunktion nach nur bei größeren Anstrengungen auftreten, beim Treppensteigen etwa nach dem zweiten Stock.
Letztlich hat der Kläger die radiologischen Befundberichte von Dr. S. vom 26. Januar 2018 zur Wirbelsäule und von Dr. A. vom 2. März 2018 zum rechten Knie zur Akte gereicht. An der LWS lagen danach "kaum" ein Befundwandel gegenüber der Voruntersuchung im Juni 2011 vor. Am rechten Knie bestehe eine Chondropathie Grad IV trochlear/retropatellar, Grad III bis IV medial und Grad II lateral, der Innen- und Außenmeniskus sei schmächtig mit geringer Innenmeniskopathie ohne Rissbildung und es bestehe der Verdacht auf einen freien Gelenkkörper im dorsomedialen Gelenkraum.
Der Kläger beantragt nach Aktenlage,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 14. August 2017 und den Bescheid vom 2. März 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Juni 2016 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, bei ihm ab Januar 2016 einen Grad der Behinderung von 40 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt den angegriffenen Gerichtsbescheid und seine Entscheidungen.
Der Beklagte hat sich mit Schriftsatz vom 19. April 2018, der Kläger mit Schriftsatz vom 19. Februar 2019 mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte des Beklagten und die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet im Einvernehmen mit beiden Beteiligten nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung.
Die Berufung ist statthaft (§ 105 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 143 SGG), insbesondere bedurfte sie nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG der Zulassung, weil der Kläger keine Leistungen im Sinne dieser Vorschrift begehrt, sondern eine behördliche Feststellung. Dass er seinen Verpflichtungsantrag auf einen GdB von 40 beschränkt hat, macht seine Berufung nicht unstatthaft. Die Regelung des § 148 Nr. 3 SGG, wonach - i.V.m. § 3 Abs. 6 Satz 3 des früheren Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) - die Berufung ausgeschlossen war, wenn nicht die Schwerbehinderteneigenschaft in Streit stand, ist durch das Gesetz zur Entlastung der Rechtspflege vom 11. Januar 1993 (BGBl I S. 50) aufgehoben worden. Auch im Übrigen ist die Berufung zulässig, insbesondere hat sie der Kläger form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) erhoben.
Die Berufung ist aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) des Klägers abgewiesen. Sie ist zulässig, aber nicht begründet.
In verfahrensrechtlicher Hinsicht weist der Senat darauf hin, dass sich die gerichtliche Nachprüfung im Rahmen einer Leistungsklage, zu der auch die hier erhobene Verpflichtungsklage gehört, nach der Sach- und Rechtslage in dem Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung in der jeweiligen Tatsacheninstanz richtet (Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Aufl. 2014, § 54 Rz. 34). Anders als unter Umständen bei einer Anfechtungsklage, die sich gegen einen Verwaltungsakt richtet, der selbst kein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung ist, ist nicht auf einen früheren Zeitpunkt abzustellen (Urteil des Senats vom 22. September 2016 – L 6 SB 5073/15 –, juris, Rz. 43). Insbesondere ist für die rechtliche Prüfung durch die Gerichte in keinem Falle primär der Tag der Antragstellung bei der Versorgungsverwaltung maßgeblich. Soweit § 152 Abs. 1 Satz 2 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) auf den "Tag der Antragstellung" abstellt, bedeutet dies nur, dass eine GdB-Feststellung für die Zeiträume vor der Antragstellung ausscheidet, wenn nicht die besonderen Voraussetzungen des § 152 Abs. 2 Satz 2 SGB IX vorliegen. Die Norm erlaubt es auch der Versorgungsverwaltung nicht, spätere Veränderungen während des laufenden Antragsverfahrens unberücksichtigt zu lassen. Eine Bindungswirkung entfaltet erst der bestandskräftige Bescheid (§ 77 SGG), erst danach können Veränderungen nur unter den zusätzlichen - verfahrensrechtlichen - Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) geltend gemacht werden.
Wegen dieses Grundsatzes sind der Entscheidung des Senats in rechtlicher Hinsicht die neuen Vorschriften des SGB IX zu Grunde zu legen, die durch Art. 1 und 26 Abs. 1 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz - BTHG) vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3234) ab dem 1. Januar 2018 in Kraft gesetzt worden sind. Auf tatsächlicher Ebene berücksichtigt der Senat ferner weitere Behinderungen oder sonstige Gesundheitsschäden, auch wenn diese während des Verfahrens erst entstanden sein sollten. Dies gilt insbesondere für die nunmehr geltend gemachte Hörminderung und die Veränderungen im Bereich der Kniegelenke.
Nach § 152 Abs. 1 und 3 SGB IX n.F. stellen auf Antrag des Menschen mit Behinderung die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung fest (§ 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Auf Antrag kann festgestellt werden, dass ein GdB bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen hat (§ 152 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Menschen mit Behinderungen sind nach § 2 Abs. 1 SGB IX Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können (Satz 1). Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht (Satz 2). Menschen sind gemäß § 2 Abs. 2 SGB IX im Sinne des Teils 3 des SGB IX schwerbehindert, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt (§ 152 Abs. 1 Satz 5 SGB IX). Die Einzelheiten und die konkreten Vorgaben zur Ermittlung des GdB sind dabei auf Grund der Regelungen des § 153 Abs. 2 i.V.m. § 241 Abs. 5 SGB IX – wie bisher schon – nach den "Versorgungsmedizinischen Grundsätzen" (VG), der Anlage zu § 2 der zum 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV), zu bestimmen (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 SB 2/13 R -, SozR 4-3250 § 69 Nr. 18, juris, Rz. 10). Hierdurch wird eine für den Menschen mit Behinderung nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.
Allgemein gilt, dass der GdB auf alle Gesundheitsstörungen, unabhängig ihrer Ursache, final bezogen ist. Der GdB ist ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens. Ein GdB setzt stets eine Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand voraus. Dies ist insbesondere bei Kindern und älteren Menschen zu beachten. Physiologische Veränderungen im Alter sind bei der Beurteilung des GdB nicht zu berücksichtigen. Als solche Veränderungen sind die körperlichen und psychischen Leistungseinschränkungen anzusehen, die sich im Alter regelhaft entwickeln, also für das Alter nach ihrer Art und ihrem Umfang typisch sind. Demgegenüber sind pathologische Veränderungen, also Gesundheitsstörungen, die nicht regelmäßig und nicht nur im Alter beobachtet werden können, bei der Beurteilung des GdB auch dann zu berücksichtigen, wenn sie erstmalig im höheren Alter auftreten oder als "Alterskrankheiten" (etwa "Altersdiabetes" oder "Altersstar") bezeichnet werden (VG, Teil A, Nr. 2 c). Erfasst werden die Auswirkungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben.
Da der GdB seiner Natur nach nur annähernd bestimmt werden kann, sind beim GdB nur Zehnerwerte anzugeben. Dabei sollen im Allgemeinen Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden (VG, Teil A, Nr. 2 e).
Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird nach § 152 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Teil-GdB anzugeben; bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Teil-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Die Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zueinander können unterschiedlich sein. Die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen können voneinander unabhängig sein und damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen. Eine Funktionsbeeinträchtigung kann sich auf eine andere besonders nachteilig auswirken, vor allem dann, wenn Funktionsbeeinträchtigungen paarige Gliedmaßen oder Organe betreffen. Funktionsbeeinträchtigungen können sich überschneiden. Eine hinzutretende Gesundheitsstörung muss die Auswirkung einer Funktionsbeeinträchtigung aber nicht zwingend verstärken. Von Ausnahmefällen abgesehen, führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Dies gilt auch dann, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.
Der Gesamt-GdB ist nicht nach starren Beweisregeln, sondern aufgrund richterlicher Erfahrung, gegebenenfalls unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten, in freier richterlicher Beweiswürdigung festzulegen (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2004 - B 9 SB 1/03 R -, juris, Rz. 17 m.w.N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die auf der ersten Prüfungsstufe zu ermittelnden nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen und die sich daraus abzuleitenden Teilhabebeeinträchtigungen ausschließlich auf der Grundlage ärztlichen Fachwissens festzustellen sind. Bei den auf zweiter und dritter Stufe festzustellenden Teil- und Gesamt-GdB sind über die medizinisch zu beurteilenden Verhältnisse hinaus weitere Umstände auf gesamtgesellschaftlichem Gebiet zu berücksichtigen (vgl. BSG, Beschluss vom 9. Dezember 2010 - B 9 SB 35/10 B -, juris, Rz. 5).
Eine rechtsverbindliche Entscheidung nach § 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nur die Feststellung einer unbenannten Behinderung und des Gesamt-GdB. Die dieser Feststellung im Einzelfall zugrunde liegenden Gesundheitsstörungen, die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen und ihre Auswirkungen dienen lediglich der Begründung des Verwaltungsaktes und werden nicht bindend festgestellt (BSG, Urteil vom 24. Juni 1998 - B 9 SB 17/97 R -, juris, Rz. 13). Der Teil-GdB ist somit keiner eigenen Feststellung zugänglich. Er erscheint nicht im Verfügungssatz des Verwaltungsaktes und ist nicht isoliert anfechtbar. Es ist somit auch nicht entscheidungserheblich, ob von Seiten des Beklagten oder der Vorinstanz Teil-GdB-Werte in anderer Höhe als im Berufungsverfahren vergeben worden sind, wenn der Gesamt-GdB hierdurch nicht beeinflusst wird (Urteil des Senats vom 22. Februar 2018 – L 6 SB 4718/16 –, juris, Rz. 29 ff.).
Bei dem Kläger besteht danach weiterhin, auch zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats, kein GdB von 20, der aber für eine Feststellung mindestens notwendig ist (§ 152 Abs. 1 Satz 6 SGB IX).
Der GdB für das Funktionssystem "Ohren" beträgt höchstens 15. Der behandelnde HNO-Arztes T. hat in dem Ton-Audiogramm vom 17. November 2017, das der Kläger zur Akte gereicht hat, beidseitige Hörverluste von 25 % ermittelt, wobei er zutreffend die 3-Frequenz-Tabelle nach Röser 1980 zu Grunde gelegt hat, weil der Kläger im Wesentlichen an einer Hochtonschwerhörigkeit (Typ Lärmschwerhörigkeit) leidet (vgl. Teil B Nr. 5.2.3 VG). Nach der Tabelle bei Teil B Nr. 5.2.4 VG ergibt sich hieraus ein GdB von genau 15 (bei geringgradiger Schwerhörigkeit bds.). Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass das Sprachgehör des Klägers, das für die GdB-Bestimmung eigentlich maßgeblich ist (vgl. Teil B Einleitung zu Nr. 5 VG), schlechter wäre als die Tonaudiometrie gezeigt hat. Der Kläger benutzt weiterhin keine Hörhilfen.
Für das Funktionssystem "Rumpf" ist kein GdB von 20 oder mehr festzustellen. Für einen solchen GdB sind nach den VG, Teil B Nr. 18.9, wenigstens mittelgradige funktionelle Auswirkungen (also eine Verformung, eine häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades oder häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) vonnöten. Eine Bewegungseinschränkung mittleren Grades bedeutet eine Einschränkung der Beweglichkeit in allen Bewegungsdimensionen auf höchstens zwei Drittel des altersentsprechenden Normwerts. Solche funktionellen Einbußen liegen bei dem Kläger nicht vor. Dies entnimmt der Senat vor allem den konkreten Angaben des behandelnden Orthopäden Y. in seiner ergänzenden Zeugenaussage vom 18. Februar 2018. Danach war lediglich an der HWS eine nennenswerte Bewegungseinschränkung festzustellen, die aber noch nicht mittelgradig war. Die Rotation war auf 50/0/50° eingeschränkt (Normwert 60-80/0/60-80°), die Seitneigung auf 25/0/25° (30-40/0/30-40°). Dagegen hat Orthopäde Y. für die LWS nur eine Einschränkung der Vorbeugung genannt, der FBA betrug 20 cm; dies ist allerdings noch nicht als erheblich einzustufen. An keinem Teil der Wirbelsäule bestanden Verformungen, Instabilitäten oder Nervenwurzelreizungen. Dies gilt insbesondere für die LWS. So war der Lasègue-Test bei Orthopäde Y. negativ. Die bildgebend festgestellten Veränderungen an der Wirbelsäule führen danach noch nicht zu mindestens mittelgradigen Funktionsstörungen. Diese Veränderungen hat der Radiologe Dr. S. in seinem Befundbericht vom 26. Januar 2018 zuletzt als eine knöchern abgestützte Protrusion zwischen den Segmenten L5/S1 ohne Verlagerung von Nervenwurzeln und eine minimal deutlichere Osteochondrose als 2011 beschrieben, im Übrigen war die gesamte Wirbelsäule ohne Befund.
Auch an den Kniegelenken des Klägers (Funktionssystem untere Gliedmaßen) zeigt sich kein GdB von 20 oder mehr.
Ein GdB von 20 setzt nach den Vorgaben der VG, Teil B Nr. 18.14, zum Beispiel eine Bewegungseinschränkung in einem Kniegelenk mit einer restlichen Beugung/Streckung von 0/10/90° oder eine beidseitige Einschränkung auf 0/0/90° voraus. Ohne Bewegungseinschränkung kann ein GdB von 20 bei einer unvollständig kompensierbaren Lockerung des Kniebandapparats mit Gangunsicherheit und bei einer ausgeprägten Chondromalazie (Grad II bis IV) mit anhaltenden Reizerscheinungen an einem Knie (dann beträgt der GdB 10 bis 30) angenommen werden.
Bei dem Kläger bestehen zwar arthrotische Schäden am linken Knie, jedoch liegen noch keine funktionellen Einbußen in dem genannten Ausmaß vor. Dies entnimmt der Senat wiederum der aktuellen Zeugenaussage des Orthopäden Y. sowie den umfangreichen radiologischen Befundberichten von Dr. S. vom 17. November 2017 und von Dr. A. vom 2. März 2018. Bei der Untersuchung bei Orthopäde Y. am 18. Dezember 2017 war die Streckung/Beugung des linken Knies mit 0/0/140° frei. Ebenso hat Orthopäde Y. einen stabilen Bandapparat ohne Lockerungszeichen beschrieben. Ferner hatte bereits er zwar - unter Hinweis auf den Bericht von Dr. S. - auf eine mediale und retropatellare Chondromalazie hingewiesen, es lagen jedoch noch keine anhaltenden Reizerscheinungen vor, insbesondere bestand an der Patella nur ein Verschiebeschmerz und ein Erguss konnte nicht festgestellt werden. Nichts Anderes ergibt sich letztlich auch aus dem aktuellen Bericht von Dr. A ... Er hat zwar bestätigt, dass die Chondromalazie inzwischen Stadien zwischen II und IV erreicht hat. Auch bei ihm konnte aber "kein relevanter Gelenkserguss" festgestellt werden und die Existenz eines freien Gelenkkörpers im Knie konnte nur als Verdacht geäußert und noch nicht gesichert werden.
An der Hüfte liegen keine relevanten Funktionsbeeinträchtigungen vor, die den GdB für die unteren Gliedmaßen über 10 hinaus erhöhen könnten. Der Orthopäde Y. hat in seiner Zeugenaussage vom 18. Februar 2018 die Streckung/Beugung beider Hüften trotz eines bestehenden Druckschmerzes als frei bezeichnet (0/0/160°). Ein GdB von 20 kommt dagegen erst bei einer Einschränkung auf 0/10/90° - beidseitig - in Frage (vgl. Teil B Nr. 18.14 VG).
Auch an den Händen und Schultern des Klägers (Funktionssystem obere Gliedmaßen) sind keine nennenswerten Funktionsstörungen zu verzeichnen und wurden auch zuletzt durch die behandelnden Ärzte nicht mehr beschrieben. Insbesondere Orthopäde Y. hat in seiner Zeugenaussage vom 18. Februar 2018 trotz einer umfassenden Untersuchung des Klägers keine Feststellungen getroffen. Der Senat geht daher davon aus, dass die früheren Einschätzungen von Dr. H. und Dr. G. (2016 und 2017), wonach keine dauerhaften nennenswerten Beeinträchtigungen vorlagen, weiterhin zutreffen.
Seinen Diabetes mellitus behandelt der Kläger nach seinen Angaben in dem Erörterungstermin am 14. Dezember 2017 weiterhin ausschließlich mit Metformin. Dies ist kein Medikament, dass die Hypoglykämieneigung erhöht, unabhängig davon sind keine Einschnitte in der Lebensführung zu erkennen. Ein GdB ist daher insoweit nicht anzunehmen (vgl. Teil B Nr. 15.1 VG).
Auch für das Funktionssystem "Atmung" ist zum jetzigen Zeitpunkt kein GdB von mehr als 10 als nachgewiesen anzusehen.
Nach Teil B Nr. 8.3 VG ist ein GdB von 20 bis 40 gerechtfertigt bei einer Krankheit der Atmungsorgane mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion geringen Grades, eine solche ist anzunehmen bei einer das gewöhnliche Maß übersteigenden Atemnot bereits bei mittelschwerer Belastung (z.B. bei forschem Gehen oder mittelschwerer körperlicher Arbeit) und einer Absenkung der statischen und dynamischen Messwerte der Lungenfunktion bis zu 1/3 bei Blutgaswerten im Normbereich.
Der Kläger leidet bei fortgesetztem erheblichem Nikotinmissbrauch an einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung, die nach dem Befundbericht von Dr. K. vom 16. November 2017 und nach ihrer aktuellen Zeugenaussage vom 29. März 2018 auch weiterhin im Stadium I nach GOLD anzusiedeln ist. Der Senat entnimmt ihrer ergänzenden Zeugenaussage vom 29. März 2018 die Einschätzung, dass bei dem Kläger erste Beschwerden im Sinne einer Belastungsdyspnoe bei schnellem Gehen, mittelschwerer Arbeit oder zwei Stockwerken auftreten. Die Blutgaswerte liegen nach ihren Messungen mit 97 bzw. 98 % im Normbereich. Weiterhin ist damit nicht davon auszugehen, dass sich die Ergebnisse der Lungenfunktionsprüfungen verschlechtert haben. Die jüngsten vorliegenden Messwerte stammen weiterhin von Allgemeinmediziner Ö ... Dieser Arzt hatte am 7. Januar 2016 die VC (statischer Messwert) mit 88 % und die FEV1 (dynamisch) mit 86 % des Sollwerts gemessen, und der Tiffeneau-Index war mit 98 % nahezu normwertig. Auch wenn es zwischenzeitlich eine Verschlechterung gegeben haben sollte - Dr. K. hatte am 16. November 2017 eine stärkere Erniedrigung der FEV1 auf 1,94 l bei 3,11 l Sollwert mitgeteilt - so war diese nicht von Dauer. In ihrer Zeugenaussage hat sie weiterhin nur eine "leichtgradige" obstruktive Ventilationsstörung und eine ebenso "leichte" Überblähung der Lunge angegeben, ferner wird weiterhin keine inhalative Behandlung durchgeführt und die von den Ärzten als ausreichend angesehene Therapie - Nikotinverzicht - wird ebenfalls nicht durchgeführt.
Da danach in keinem Funktionssystem ein GdB von 20 erreicht wird, ist auch kein Gesamt-GdB in dieser Höhe anzunehmen (Teil A Nr. 3 Buchstabe d Doppelbuchstabe ee Satz 1 VG). Ein feststellungsfähiger GdB ergibt sich nicht.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt weiterhin die Zuerkennung (behördliche Feststellung) eines Grades der Behinderung (GdB) von - genau - 40 (vierzig).
Er ist im Jahre 1960 geboren, deutscher Staatsbürger und wohnt im Inland. Er ist in abhängiger Beschäftigung berufstätig.
Einen ersten Antrag auf Zuerkennung des GdB lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 12. April 2005 ab.
Am 12. Januar 2016 beantragte der Kläger erneut die Erstfeststellung eines GdB. Er machte eine Kniegelenksarthrose bds., einen Diabetes mellitus, einen Bandscheibenschaden, ein Schulter-Arm-Syndrom, Bewegungseinschränkungen beider Handgelenke auf Grund eines Unfalls und eine Lungenfunktionseinschränkung geltend. Der Beklagte zog Behandlungsberichte bei. Facharzt für Allgemeinmedizin Ö. teilte mit, der Kläger sei seit seiner Jugend starker Raucher, seit drei bis vier Jahren leide er an einer COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung). Ferner bestehe seit sechs Jahren ein Diabetes mellitus, der mit Metformin behandelt werde. Anamnestisch liege auch eine Lumboischialgie vor, bildgebend sei insoweit eine Osteochondrose ohne eindeutige Nervenwurzel-Komplikation diagnostiziert worden. Herr Ö. reichte auch die Ergebnisse der Lungenfunktionsprüfung vom 7. Januar 2016 zur Akte, wonach die Vitalkapazität (VC) 88 % und die Einsekundenkapazität (FEV1) 86 % des Sollwerts betrugen und der Tiffeneau-Index mit 98 % nahezu normwertig war. Der Versorgungsärztliche Dienst des Beklagten führte nach einer Auswertung der Befunde aus, nachgewiesen seien nur degenerative Veränderungen der Wirbelsäule mit Bandscheibenschäden, eine chronische Bronchitis und eine Funktionsbehinderung beider Kniegelenke mit Knorpelschäden, diese drei Behinderungen bedingten jeweils einen Teil-GdB von 10. Gestützt hierauf lehnte der Beklagten mit Bescheid vom 2. März 2015 den Antrag des Klägers ab. Ein GdB von 20, der für eine Feststellung notwendig sei, liege nicht vor.
Im Vorverfahren reichte der Kläger einen radiologischen und einen klinischen Befundbericht wegen seiner Wirbelsäulenprobleme nach. Der von ihm benannte Orthopäde Dr. H. teilte ergänzend mit, es beständen eine Gonarthrose bds. mit Reibegeräuschen und stabilem Bandapparat, Muskelverspannungen und eine endgradige Bewegungseinschränkung der Lendenwirbelsäule (LWS) ohne Ausstrahlungen in die Gliedmaßen, eine freie Beweglichkeit der Schultergelenke und Schmerzen an den Handgelenken bei freier Beweglichkeit und voller Belastbarkeit. Nach einer versorgungsärztlichen Auswertung dieser Unterlagen wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 6. Juni 2016 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 4. Juli 2016 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben und ausdrücklich eine Verpflichtung des Beklagten zur Zuerkennung eines GdB von - genau - 40 beantragt. Die einzelnen Behinderungen seien zu gering bewertet. Zum Beweis der Tatsache, dass ein GdB von "wenigstens 40" vorliege, sei ein Sachverständigengutachten zu erheben.
Das SG hat die benannten Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Dr. H. war zwischenzeitlich in Ruhestand gegangen, bei seinem Praxisnachfolger Dr. M. hatte sich der Kläger bis Dezember 2016 nicht vorgestellt. Dr. Ö. hat ergänzend mitgeteilt, es beständen eine leichte bis mittelgradige COPD, ein Diabetes mellitus und eine beginnende diabetische Polyneuropathie, eine leichtgradige Hyperlipidämie sowie eine Osteochondrosis intervertebralis im Wirbelsäulensegment L5/S1. Die Lungenfunktionsprüfungen zeigten leichte Einschränkungen, vier- bis fünfmal jährlich gebe es wegen des fortgesetzten Nikotinkonsums akute Verschlechterungen. Der Orthopäde Dr. G. hat am 12. Juni 2017 mitgeteilt, er habe den Kläger einmalig wegen rezidivierender Schmerzen an beiden Handgelenken und der Mittelhand behandelt Auf Nachfrage des SG hat der Kläger ausdrücklich eine Entscheidung in der Hauptsache durch Gerichtsbescheid beantragt.
Dieser Gerichtsbescheid ist am 14. August 2017 ergangen. Das SG hat die Klage abgewiesen. Die bei Antragstellung vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen rechtfertigten allenfalls Teil-GdB-Werte von je 10, sodass sich kein feststellungsfähiger Gesamt-GdB von wenigstens 20 ergebe.
Gegen diesen Gerichtsbescheid hat der Kläger am 12. September 2017 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) erhoben.
Nachdem keine Berufungsbegründung abgegeben wurde, unter anderem wegen eines Urlaubs des Klägers in der Türkei im Oktober/November 2017 (Schriftsatz vom 16. Oktober 2017), hat der Berichterstatter des Senats Erörterungstermin auf - nach Terminsverlegungsgesuchen der Klägerseite - den 14. Dezember 2017 anberaumt. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 15. November 2017 ausgeführt, insbesondere die Beschwerden an den Kniegelenken und die Einschränkungen der Lungenerkrankung seien höher zu bewerten, insoweit seien orthopädische und lungenfachärztliche Gutachten zu erheben. Er hat hierzu Arztbriefe des Radiologen Dr. S. vom 17. November 2017 (am linken Knie degenerativ teils eingerissener, teils aufgebrauchter Innenmeniskus mit Rissbildung vertikal am Hinterhorn, Knorpeldefekte, ödematöse Veränderungen am Vorderen Kreuzband bei erhaltener Kontinuität, Ansatztendinopathie mit mehrfach separierten Zysten, Flüssigkeit) und der Pneumologin Dr.-medic K. vom 16. November 2017 (COPD nach GOLD Stadium I, Nikotinabusus mit über 50 Packyears, Belastungsdyspnoe, FEV1 auf 1,94 l reduziert bei 3,11 l Sollwert, als Therapie sei - allein - Nikotinverzicht angezeigt) vorgelegt.
In dem Erörterungstermin hat der Kläger angegeben, sein Hörvermögen sei eingeschränkt. Ein Hörgerät trage er nicht. Er hat hierzu den Arztbrief des HNO-Arztes T. vom 17. November 2017 (Presbyakusis bds., tonaudiometrisch nach Röser 1980 ermittelte Hörverluste von 25 % bds.) zu Protokoll gegeben. Auf Nachfrage hat der Kläger angegeben, er rauche weiterhin uneingeschränkt, der Diabetes werde wie zuvor Metformin, aber noch ohne Insulin, behandelt. Wegen der Angaben des Klägers und der Ergebnisse des Augenscheins im Einzelnen wird auf das Protokoll vom 14. Dezember 2017 Bezug genommen.
Auf Antrag des Klägers hat der Senat den nunmehr behandelnden Orthopäden Y., bei dem sich der Kläger einmalig vier Tage nach dem Erörterungstermin vorgestellt hatte, schriftlich als sachverständigen Zeugen vernommen. Er hat mitgeteilt, am linken Knie beständen klinisch ein deutlicher Patellaverschiebeschmerz, ein leichter Druckschmerz am medialen Gelenkspalt, die Extension/Flexion sei - bds. - bis 0/0/140° möglich, der Bandapparat sei stabil, es bestehe kein Erguss, mittelfristig sei eine endoprothetische Versorgung notwendig. Er hat außerdem informatorisch mitgeteilt, an der Halswirbelsäule (HWS) seien die Rotation bis 50/0/50° und die Seitneigung bis 25/0/25° möglich, es beständen druckschmerzhafte Myogelosen, aber keine neurologischen Ausfälle, an der LWS lägen ebenfalls keine Ausfälle und keine Nervenwurzelreizungen vor, der Lasègue-Test sei negativ, es beständen Blockaden und Druckschmerz paravertebral, der Finger-Boden-Abstand (FBA) betrage 20 cm schmerzhaft. Zu den Hüftgelenken hat er im Wesentlichen einen Druckschmerz und eine Extension/Flexion von 0/0/160° beschrieben. An den Füßen bestehe ein Hallux valgus. Nach Mitteilung dieser Zeugenaussage hat sich der Kläger erneut zu dem Orthopäden Y. begeben und den Arztbrief vom 12. März 2018 eingereicht. Hiernach betrug die Extension/Flexion des rechten Kniegelenks - nur - 0/0/130° und es habe dort ein geringer Erguss vorgelegen.
Ebenso hat der Senat Dr.-medic K. ergänzend als Zeugin vernommen. Sie hat bekundet, der Kläger habe sich nach dem 16. November 2017 nicht wieder vorgestellt. Es handele sich um eine leichte obstruktive Ventilationsstörung mit leichter Überblähung der Lunge. Die Blutgassättigung sei mit 97 % bzw. 98 % normal gewesen. Eine Belastungsdyspnoe dürfte der Lungenfunktion nach nur bei größeren Anstrengungen auftreten, beim Treppensteigen etwa nach dem zweiten Stock.
Letztlich hat der Kläger die radiologischen Befundberichte von Dr. S. vom 26. Januar 2018 zur Wirbelsäule und von Dr. A. vom 2. März 2018 zum rechten Knie zur Akte gereicht. An der LWS lagen danach "kaum" ein Befundwandel gegenüber der Voruntersuchung im Juni 2011 vor. Am rechten Knie bestehe eine Chondropathie Grad IV trochlear/retropatellar, Grad III bis IV medial und Grad II lateral, der Innen- und Außenmeniskus sei schmächtig mit geringer Innenmeniskopathie ohne Rissbildung und es bestehe der Verdacht auf einen freien Gelenkkörper im dorsomedialen Gelenkraum.
Der Kläger beantragt nach Aktenlage,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 14. August 2017 und den Bescheid vom 2. März 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Juni 2016 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, bei ihm ab Januar 2016 einen Grad der Behinderung von 40 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt den angegriffenen Gerichtsbescheid und seine Entscheidungen.
Der Beklagte hat sich mit Schriftsatz vom 19. April 2018, der Kläger mit Schriftsatz vom 19. Februar 2019 mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte des Beklagten und die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet im Einvernehmen mit beiden Beteiligten nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung.
Die Berufung ist statthaft (§ 105 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 143 SGG), insbesondere bedurfte sie nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG der Zulassung, weil der Kläger keine Leistungen im Sinne dieser Vorschrift begehrt, sondern eine behördliche Feststellung. Dass er seinen Verpflichtungsantrag auf einen GdB von 40 beschränkt hat, macht seine Berufung nicht unstatthaft. Die Regelung des § 148 Nr. 3 SGG, wonach - i.V.m. § 3 Abs. 6 Satz 3 des früheren Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) - die Berufung ausgeschlossen war, wenn nicht die Schwerbehinderteneigenschaft in Streit stand, ist durch das Gesetz zur Entlastung der Rechtspflege vom 11. Januar 1993 (BGBl I S. 50) aufgehoben worden. Auch im Übrigen ist die Berufung zulässig, insbesondere hat sie der Kläger form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) erhoben.
Die Berufung ist aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) des Klägers abgewiesen. Sie ist zulässig, aber nicht begründet.
In verfahrensrechtlicher Hinsicht weist der Senat darauf hin, dass sich die gerichtliche Nachprüfung im Rahmen einer Leistungsklage, zu der auch die hier erhobene Verpflichtungsklage gehört, nach der Sach- und Rechtslage in dem Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung in der jeweiligen Tatsacheninstanz richtet (Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Aufl. 2014, § 54 Rz. 34). Anders als unter Umständen bei einer Anfechtungsklage, die sich gegen einen Verwaltungsakt richtet, der selbst kein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung ist, ist nicht auf einen früheren Zeitpunkt abzustellen (Urteil des Senats vom 22. September 2016 – L 6 SB 5073/15 –, juris, Rz. 43). Insbesondere ist für die rechtliche Prüfung durch die Gerichte in keinem Falle primär der Tag der Antragstellung bei der Versorgungsverwaltung maßgeblich. Soweit § 152 Abs. 1 Satz 2 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) auf den "Tag der Antragstellung" abstellt, bedeutet dies nur, dass eine GdB-Feststellung für die Zeiträume vor der Antragstellung ausscheidet, wenn nicht die besonderen Voraussetzungen des § 152 Abs. 2 Satz 2 SGB IX vorliegen. Die Norm erlaubt es auch der Versorgungsverwaltung nicht, spätere Veränderungen während des laufenden Antragsverfahrens unberücksichtigt zu lassen. Eine Bindungswirkung entfaltet erst der bestandskräftige Bescheid (§ 77 SGG), erst danach können Veränderungen nur unter den zusätzlichen - verfahrensrechtlichen - Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) geltend gemacht werden.
Wegen dieses Grundsatzes sind der Entscheidung des Senats in rechtlicher Hinsicht die neuen Vorschriften des SGB IX zu Grunde zu legen, die durch Art. 1 und 26 Abs. 1 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz - BTHG) vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3234) ab dem 1. Januar 2018 in Kraft gesetzt worden sind. Auf tatsächlicher Ebene berücksichtigt der Senat ferner weitere Behinderungen oder sonstige Gesundheitsschäden, auch wenn diese während des Verfahrens erst entstanden sein sollten. Dies gilt insbesondere für die nunmehr geltend gemachte Hörminderung und die Veränderungen im Bereich der Kniegelenke.
Nach § 152 Abs. 1 und 3 SGB IX n.F. stellen auf Antrag des Menschen mit Behinderung die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung fest (§ 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Auf Antrag kann festgestellt werden, dass ein GdB bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen hat (§ 152 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Menschen mit Behinderungen sind nach § 2 Abs. 1 SGB IX Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können (Satz 1). Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht (Satz 2). Menschen sind gemäß § 2 Abs. 2 SGB IX im Sinne des Teils 3 des SGB IX schwerbehindert, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt (§ 152 Abs. 1 Satz 5 SGB IX). Die Einzelheiten und die konkreten Vorgaben zur Ermittlung des GdB sind dabei auf Grund der Regelungen des § 153 Abs. 2 i.V.m. § 241 Abs. 5 SGB IX – wie bisher schon – nach den "Versorgungsmedizinischen Grundsätzen" (VG), der Anlage zu § 2 der zum 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV), zu bestimmen (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 SB 2/13 R -, SozR 4-3250 § 69 Nr. 18, juris, Rz. 10). Hierdurch wird eine für den Menschen mit Behinderung nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.
Allgemein gilt, dass der GdB auf alle Gesundheitsstörungen, unabhängig ihrer Ursache, final bezogen ist. Der GdB ist ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens. Ein GdB setzt stets eine Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand voraus. Dies ist insbesondere bei Kindern und älteren Menschen zu beachten. Physiologische Veränderungen im Alter sind bei der Beurteilung des GdB nicht zu berücksichtigen. Als solche Veränderungen sind die körperlichen und psychischen Leistungseinschränkungen anzusehen, die sich im Alter regelhaft entwickeln, also für das Alter nach ihrer Art und ihrem Umfang typisch sind. Demgegenüber sind pathologische Veränderungen, also Gesundheitsstörungen, die nicht regelmäßig und nicht nur im Alter beobachtet werden können, bei der Beurteilung des GdB auch dann zu berücksichtigen, wenn sie erstmalig im höheren Alter auftreten oder als "Alterskrankheiten" (etwa "Altersdiabetes" oder "Altersstar") bezeichnet werden (VG, Teil A, Nr. 2 c). Erfasst werden die Auswirkungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben.
Da der GdB seiner Natur nach nur annähernd bestimmt werden kann, sind beim GdB nur Zehnerwerte anzugeben. Dabei sollen im Allgemeinen Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden (VG, Teil A, Nr. 2 e).
Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird nach § 152 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Teil-GdB anzugeben; bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Teil-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Die Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zueinander können unterschiedlich sein. Die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen können voneinander unabhängig sein und damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen. Eine Funktionsbeeinträchtigung kann sich auf eine andere besonders nachteilig auswirken, vor allem dann, wenn Funktionsbeeinträchtigungen paarige Gliedmaßen oder Organe betreffen. Funktionsbeeinträchtigungen können sich überschneiden. Eine hinzutretende Gesundheitsstörung muss die Auswirkung einer Funktionsbeeinträchtigung aber nicht zwingend verstärken. Von Ausnahmefällen abgesehen, führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Dies gilt auch dann, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.
Der Gesamt-GdB ist nicht nach starren Beweisregeln, sondern aufgrund richterlicher Erfahrung, gegebenenfalls unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten, in freier richterlicher Beweiswürdigung festzulegen (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2004 - B 9 SB 1/03 R -, juris, Rz. 17 m.w.N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die auf der ersten Prüfungsstufe zu ermittelnden nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen und die sich daraus abzuleitenden Teilhabebeeinträchtigungen ausschließlich auf der Grundlage ärztlichen Fachwissens festzustellen sind. Bei den auf zweiter und dritter Stufe festzustellenden Teil- und Gesamt-GdB sind über die medizinisch zu beurteilenden Verhältnisse hinaus weitere Umstände auf gesamtgesellschaftlichem Gebiet zu berücksichtigen (vgl. BSG, Beschluss vom 9. Dezember 2010 - B 9 SB 35/10 B -, juris, Rz. 5).
Eine rechtsverbindliche Entscheidung nach § 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nur die Feststellung einer unbenannten Behinderung und des Gesamt-GdB. Die dieser Feststellung im Einzelfall zugrunde liegenden Gesundheitsstörungen, die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen und ihre Auswirkungen dienen lediglich der Begründung des Verwaltungsaktes und werden nicht bindend festgestellt (BSG, Urteil vom 24. Juni 1998 - B 9 SB 17/97 R -, juris, Rz. 13). Der Teil-GdB ist somit keiner eigenen Feststellung zugänglich. Er erscheint nicht im Verfügungssatz des Verwaltungsaktes und ist nicht isoliert anfechtbar. Es ist somit auch nicht entscheidungserheblich, ob von Seiten des Beklagten oder der Vorinstanz Teil-GdB-Werte in anderer Höhe als im Berufungsverfahren vergeben worden sind, wenn der Gesamt-GdB hierdurch nicht beeinflusst wird (Urteil des Senats vom 22. Februar 2018 – L 6 SB 4718/16 –, juris, Rz. 29 ff.).
Bei dem Kläger besteht danach weiterhin, auch zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats, kein GdB von 20, der aber für eine Feststellung mindestens notwendig ist (§ 152 Abs. 1 Satz 6 SGB IX).
Der GdB für das Funktionssystem "Ohren" beträgt höchstens 15. Der behandelnde HNO-Arztes T. hat in dem Ton-Audiogramm vom 17. November 2017, das der Kläger zur Akte gereicht hat, beidseitige Hörverluste von 25 % ermittelt, wobei er zutreffend die 3-Frequenz-Tabelle nach Röser 1980 zu Grunde gelegt hat, weil der Kläger im Wesentlichen an einer Hochtonschwerhörigkeit (Typ Lärmschwerhörigkeit) leidet (vgl. Teil B Nr. 5.2.3 VG). Nach der Tabelle bei Teil B Nr. 5.2.4 VG ergibt sich hieraus ein GdB von genau 15 (bei geringgradiger Schwerhörigkeit bds.). Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass das Sprachgehör des Klägers, das für die GdB-Bestimmung eigentlich maßgeblich ist (vgl. Teil B Einleitung zu Nr. 5 VG), schlechter wäre als die Tonaudiometrie gezeigt hat. Der Kläger benutzt weiterhin keine Hörhilfen.
Für das Funktionssystem "Rumpf" ist kein GdB von 20 oder mehr festzustellen. Für einen solchen GdB sind nach den VG, Teil B Nr. 18.9, wenigstens mittelgradige funktionelle Auswirkungen (also eine Verformung, eine häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades oder häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) vonnöten. Eine Bewegungseinschränkung mittleren Grades bedeutet eine Einschränkung der Beweglichkeit in allen Bewegungsdimensionen auf höchstens zwei Drittel des altersentsprechenden Normwerts. Solche funktionellen Einbußen liegen bei dem Kläger nicht vor. Dies entnimmt der Senat vor allem den konkreten Angaben des behandelnden Orthopäden Y. in seiner ergänzenden Zeugenaussage vom 18. Februar 2018. Danach war lediglich an der HWS eine nennenswerte Bewegungseinschränkung festzustellen, die aber noch nicht mittelgradig war. Die Rotation war auf 50/0/50° eingeschränkt (Normwert 60-80/0/60-80°), die Seitneigung auf 25/0/25° (30-40/0/30-40°). Dagegen hat Orthopäde Y. für die LWS nur eine Einschränkung der Vorbeugung genannt, der FBA betrug 20 cm; dies ist allerdings noch nicht als erheblich einzustufen. An keinem Teil der Wirbelsäule bestanden Verformungen, Instabilitäten oder Nervenwurzelreizungen. Dies gilt insbesondere für die LWS. So war der Lasègue-Test bei Orthopäde Y. negativ. Die bildgebend festgestellten Veränderungen an der Wirbelsäule führen danach noch nicht zu mindestens mittelgradigen Funktionsstörungen. Diese Veränderungen hat der Radiologe Dr. S. in seinem Befundbericht vom 26. Januar 2018 zuletzt als eine knöchern abgestützte Protrusion zwischen den Segmenten L5/S1 ohne Verlagerung von Nervenwurzeln und eine minimal deutlichere Osteochondrose als 2011 beschrieben, im Übrigen war die gesamte Wirbelsäule ohne Befund.
Auch an den Kniegelenken des Klägers (Funktionssystem untere Gliedmaßen) zeigt sich kein GdB von 20 oder mehr.
Ein GdB von 20 setzt nach den Vorgaben der VG, Teil B Nr. 18.14, zum Beispiel eine Bewegungseinschränkung in einem Kniegelenk mit einer restlichen Beugung/Streckung von 0/10/90° oder eine beidseitige Einschränkung auf 0/0/90° voraus. Ohne Bewegungseinschränkung kann ein GdB von 20 bei einer unvollständig kompensierbaren Lockerung des Kniebandapparats mit Gangunsicherheit und bei einer ausgeprägten Chondromalazie (Grad II bis IV) mit anhaltenden Reizerscheinungen an einem Knie (dann beträgt der GdB 10 bis 30) angenommen werden.
Bei dem Kläger bestehen zwar arthrotische Schäden am linken Knie, jedoch liegen noch keine funktionellen Einbußen in dem genannten Ausmaß vor. Dies entnimmt der Senat wiederum der aktuellen Zeugenaussage des Orthopäden Y. sowie den umfangreichen radiologischen Befundberichten von Dr. S. vom 17. November 2017 und von Dr. A. vom 2. März 2018. Bei der Untersuchung bei Orthopäde Y. am 18. Dezember 2017 war die Streckung/Beugung des linken Knies mit 0/0/140° frei. Ebenso hat Orthopäde Y. einen stabilen Bandapparat ohne Lockerungszeichen beschrieben. Ferner hatte bereits er zwar - unter Hinweis auf den Bericht von Dr. S. - auf eine mediale und retropatellare Chondromalazie hingewiesen, es lagen jedoch noch keine anhaltenden Reizerscheinungen vor, insbesondere bestand an der Patella nur ein Verschiebeschmerz und ein Erguss konnte nicht festgestellt werden. Nichts Anderes ergibt sich letztlich auch aus dem aktuellen Bericht von Dr. A ... Er hat zwar bestätigt, dass die Chondromalazie inzwischen Stadien zwischen II und IV erreicht hat. Auch bei ihm konnte aber "kein relevanter Gelenkserguss" festgestellt werden und die Existenz eines freien Gelenkkörpers im Knie konnte nur als Verdacht geäußert und noch nicht gesichert werden.
An der Hüfte liegen keine relevanten Funktionsbeeinträchtigungen vor, die den GdB für die unteren Gliedmaßen über 10 hinaus erhöhen könnten. Der Orthopäde Y. hat in seiner Zeugenaussage vom 18. Februar 2018 die Streckung/Beugung beider Hüften trotz eines bestehenden Druckschmerzes als frei bezeichnet (0/0/160°). Ein GdB von 20 kommt dagegen erst bei einer Einschränkung auf 0/10/90° - beidseitig - in Frage (vgl. Teil B Nr. 18.14 VG).
Auch an den Händen und Schultern des Klägers (Funktionssystem obere Gliedmaßen) sind keine nennenswerten Funktionsstörungen zu verzeichnen und wurden auch zuletzt durch die behandelnden Ärzte nicht mehr beschrieben. Insbesondere Orthopäde Y. hat in seiner Zeugenaussage vom 18. Februar 2018 trotz einer umfassenden Untersuchung des Klägers keine Feststellungen getroffen. Der Senat geht daher davon aus, dass die früheren Einschätzungen von Dr. H. und Dr. G. (2016 und 2017), wonach keine dauerhaften nennenswerten Beeinträchtigungen vorlagen, weiterhin zutreffen.
Seinen Diabetes mellitus behandelt der Kläger nach seinen Angaben in dem Erörterungstermin am 14. Dezember 2017 weiterhin ausschließlich mit Metformin. Dies ist kein Medikament, dass die Hypoglykämieneigung erhöht, unabhängig davon sind keine Einschnitte in der Lebensführung zu erkennen. Ein GdB ist daher insoweit nicht anzunehmen (vgl. Teil B Nr. 15.1 VG).
Auch für das Funktionssystem "Atmung" ist zum jetzigen Zeitpunkt kein GdB von mehr als 10 als nachgewiesen anzusehen.
Nach Teil B Nr. 8.3 VG ist ein GdB von 20 bis 40 gerechtfertigt bei einer Krankheit der Atmungsorgane mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion geringen Grades, eine solche ist anzunehmen bei einer das gewöhnliche Maß übersteigenden Atemnot bereits bei mittelschwerer Belastung (z.B. bei forschem Gehen oder mittelschwerer körperlicher Arbeit) und einer Absenkung der statischen und dynamischen Messwerte der Lungenfunktion bis zu 1/3 bei Blutgaswerten im Normbereich.
Der Kläger leidet bei fortgesetztem erheblichem Nikotinmissbrauch an einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung, die nach dem Befundbericht von Dr. K. vom 16. November 2017 und nach ihrer aktuellen Zeugenaussage vom 29. März 2018 auch weiterhin im Stadium I nach GOLD anzusiedeln ist. Der Senat entnimmt ihrer ergänzenden Zeugenaussage vom 29. März 2018 die Einschätzung, dass bei dem Kläger erste Beschwerden im Sinne einer Belastungsdyspnoe bei schnellem Gehen, mittelschwerer Arbeit oder zwei Stockwerken auftreten. Die Blutgaswerte liegen nach ihren Messungen mit 97 bzw. 98 % im Normbereich. Weiterhin ist damit nicht davon auszugehen, dass sich die Ergebnisse der Lungenfunktionsprüfungen verschlechtert haben. Die jüngsten vorliegenden Messwerte stammen weiterhin von Allgemeinmediziner Ö ... Dieser Arzt hatte am 7. Januar 2016 die VC (statischer Messwert) mit 88 % und die FEV1 (dynamisch) mit 86 % des Sollwerts gemessen, und der Tiffeneau-Index war mit 98 % nahezu normwertig. Auch wenn es zwischenzeitlich eine Verschlechterung gegeben haben sollte - Dr. K. hatte am 16. November 2017 eine stärkere Erniedrigung der FEV1 auf 1,94 l bei 3,11 l Sollwert mitgeteilt - so war diese nicht von Dauer. In ihrer Zeugenaussage hat sie weiterhin nur eine "leichtgradige" obstruktive Ventilationsstörung und eine ebenso "leichte" Überblähung der Lunge angegeben, ferner wird weiterhin keine inhalative Behandlung durchgeführt und die von den Ärzten als ausreichend angesehene Therapie - Nikotinverzicht - wird ebenfalls nicht durchgeführt.
Da danach in keinem Funktionssystem ein GdB von 20 erreicht wird, ist auch kein Gesamt-GdB in dieser Höhe anzunehmen (Teil A Nr. 3 Buchstabe d Doppelbuchstabe ee Satz 1 VG). Ein feststellungsfähiger GdB ergibt sich nicht.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
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