L 7 SO 4315/18 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 4315/18 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts K. vom 15. November 2018 abgeändert und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in vollem Umfang abgelehnt.

Die Beschwerde des Antragstellers wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die unter Beachtung der Vorschriften der §§ 172, 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) eingelegte Beschwerde des Antragsgegners hat Erfolg, nicht dagegen die Beschwerde des Antragstellers.

1. Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist in § 86b SGG geregelt, und zwar für Anfechtungssachen in Absatz 1, für Vornahmesachen in Absatz 2. Gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Absatzes 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Die §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung (ZPO) gelten entsprechend (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG).

Vorliegend kommt nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 1 2. Alt. SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt zunächst die Statthaftigkeit und Zulässigkeit des Rechtsbehelfs voraus. Die Begründetheit des Antrags wiederum hängt vom Vorliegen der Anordnungsvoraussetzungen ab, nämlich dem Anordnungsanspruch und dem Anordnungsgrund (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - FEVS 57, 72 und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - FEVS 57, 164). Eine einstweilige Anordnung darf mithin nur erlassen werden, wenn beide Voraussetzungen gegeben sind. Dabei betrifft der Anordnungsanspruch die Frage der Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs, während der Anordnungsgrund nur bei Eilbedürftigkeit zu bejahen ist. Die Anordnungsvoraussetzungen, nämlich der prospektive Hauptsacheerfolg (Anordnungsanspruch) und die Dringlichkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund), sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. schon Beschluss vom 15. Juni 2005 - L 7 SO 1594/05 ER-B - (juris) unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG); z.B. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - (juris Rdnr. 25); BVerfG, Beschluss vom 1. August 2017 - 1 BvR 1910/12 - (juris Rdnr. 12)). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. August 2005 a.a.O. und 17. August 2005 a.a.O.); deshalb sind auch Erkenntnisse, die erst im Laufe des Beschwerdeverfahrens zutage getreten sind, vom Senat zu verwerten.

Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sind nicht gegeben. Der Beschluss des Sozialgerichts K. (SG), das dem hierauf gerichteten Antrag des Antragstellers weitgehend stattgegeben hat, ist deshalb auf die Beschwerde des Antragsgegners in vollem Umfang aufzuheben.

2. Der Antragsteller erstrebt im vorliegenden Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes - wie er in der Beschwerdeschrift vom 20. Dezember 2018 deutlich gemacht hat - zusätzlich zu den von dem Antragsgegner durch die Bescheide vom 6. März 2018 bewilligten und auf deren Grundlage gezahlten Leistungen (u.a. Übernahme der Vergütungen für das vollstationäre Wohnen und den Förder- und Betreuungsbereich in Einrichtungen der Beigeladenen, derzeit täglich 212,53 Euro täglich) - die Verpflichtung des Antragsgegners, weitere "Kosten" in Höhe von 200,55 Euro täglich vorläufig bis zum rechtskräftigen Abschluss des derzeit beim SG anhängigen Hauptsacheverfahrens (S 4 SO 1752/18) zu übernehmen. Er macht im Wesentlichen geltend, sein Bedarf "sprenge" den Aufwand für die Regelbetreuung im Rahmen des Leistungstyps I.2.2 des Rahmenvertrags Baden-Württemberg nach § 79 Abs. 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII), welcher von dem Antragsgegner der Vergütungsübernahme für das vollstationäre Wohnen des Antragsstellers im "Haus S." der Beigeladenen in R.-O. unter Zuordnung zur Hilfebedarfsgruppe 4 zugrunde gelegt worden ist, und stelle keinen vergleichbaren Fall des vorgenannten Leistungstyps dar. Er - der Antragsteller - könne im Rahmen der Regelleistungen nach dem Leistungstyp I.2.2 in der Einrichtung nur deshalb gehalten werden, weil für ihn von dort ein zusätzliches und individuell besonderes Betreuungskonzept und ein Setting mit klar definiertem zusätzlichem Personalaufwand entwickelt worden sei. Vorliegend handele es sich also um eine zuverlässige und notwendige Betreuung im Rahmen einer besonderen "Einzelvereinbarung" nach § 75 Abs. 4 SGB XII. Den deswegen von den Eltern des Antragstellers als seinen gesetzlichen Betreuern am 15. Februar 2018 gestellten Antrag auf eine "zusätzliche Assistenz" für die Betreuung in den Einrichtungen der Beigeladenen hat der Antragsgegner unter Berufung auf den Rahmenvertrag sowie die von der Beigeladenen mit dem Landkreis R. abgeschlossenen Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII abgelehnt (Bescheid vom 23. Februar 2018, Widerspruchsbescheid vom 11. Juli 2018); deswegen ist beim SG seit 10. August 2018 das oben genannte Klageverfahren anhängig, zu dem der Antragsteller gleichzeitig um einstweiligen Rechtsschutz ersucht hat.

a) Als materiell-rechtliche Grundlage für das Begehren des Antragstellers heranzuziehen ist § 19 Abs. 3 SGB XII i.V.m. §§ 53, 54 SGB XII. Der Antragsgegner ist der für die Eingliederungshilfe des Antragstellers sachlich und örtlich zuständige Träger (§§ 97 Abs. 1 und 3, 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII i.V.m. § 3 Abs. 2 Satz 1 SGB XII und §§ 1 Abs. 1, 2 des Gesetzes zur Ausführung des SGB XII). Beim Antragsteller besteht ausweislich des Arztbriefs der St. L.-Klinik vom 22. Februar 2018 eine tiefgreifende Entwicklungsstörung im Sinne eines frühkindlichen Autismus (ICD-10 F. 84.0), verbunden mit einer mittelgradigen Intelligenzminderung und deutlicher Verhaltensstörung; er erfüllt damit die personenbezogenen Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII. Hierüber bestehen unter den Beteiligten keine Meinungsverschiedenheiten ebenso wie darüber, dass bei dem Antragsteller Hilfebedürftigkeit (vgl. hierzu § 92 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 SGB XII) sowie ein durch Leistungen der Eingliederungshilfe auszugleichender Bedarf besteht. Dass er in der Einrichtung der Beigeladenen nicht bedarfsgerecht versorgt werde, macht der Antragsteller im vorliegenden Verfahren im Übrigen selbst nicht geltend.

b) Dem Eilbegehren des Antragstellers mangelt es jedoch am Anordnungsanspruch deswegen, weil er der Beigeladenen zur Zahlung einer Vergütung zusätzlich zu denjenigen gemäß den Leistungstypen I.2.2 und I.4.5a, nach denen der Antragsgegner ihm Leistungen der Eingliederungshilfe für das vollstationäre Wohnen und den Förder- und Betreuungsbereich gewährt, nicht verpflichtet ist. Zu beachten ist, dass der Anspruch auf Eingliederungshilfe in Form der Kostenübernahme nur auf eine von dem Leistungsberechtigten (hier: der Antragsteller) gegenüber dem Leistungserbringer aus einem zivilrechtlichen Vertrag geschuldeten Vergütung gerichtet ist und voraussetzt, dass der Leistungsberechtigte dem Leistungserbringer überhaupt ein Entgelt schuldet (st. Rspr.; vgl. nur das den Beteiligten zur Kenntnis gebrachte Senatsurteil vom 25. Juni 2015 - L 7 SO 1447/11 - (juris Rdnrn. 66 ff.) (bestätigt durch Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 6. Dezember 2018 - B 8 SO 9/18 R -, bislang vorliegend im Terminbericht Nr. 54/18); ferner Senatsurteil vom 22. Februar 2018 - L 7 SO 2685/15 - (juris Rdnrn. 50); Senatsbeschluss vom 27. Juni 2011 - L 7 SO 797/11 ER-B - (juris Rdnr. 11) (jeweils m.w.N. aus der Rspr. des BSG)). An dieser eigenen privatrechtlichen Entgeltverpflichtung des Leistungsberechtigten hat sich auch durch das Bundesteilhabegesetz (BTHG) vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3234)), das in Teilen bereits vor dem 1. Januar 2020 in Kraft getreten ist (vgl. etwa §§ 123 ff. des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX)), nichts geändert; dies gilt schon deswegen, weil bis zur Überführung der Eingliederungshilfe in das SGB IX bis zum 31. Dezember 2019 noch das SGB XII und damit auch die §§ 75 ff. SGB XII weiterhin anzuwenden sind (vgl. Art. 13, 26 BTHG; Busse in jurisPK-SGB IX, 3. Auflage 2018 (Stand: 04.01.2019), § 123 Rdnr. 21; Mrozynski, ZfSH 2017, 450, 451).

c) Eine Verpflichtung des Antragstellers zur Zahlung von weiteren Kosten in Höhe von kalendertäglich 200,55 Euro lässt sich dem zu den Akten gelangten Heimvertrag vom 16. März/14. April 2011 nicht entnehmen. Im Gegenteil ist dort in § 13 Satz 1 ausdrücklich bestimmt, dass sich die Kosten für die Überlassung von Wohnraum (§ 2), die Verpflegung (§ 4) sowie die Betreuungsleistungen (§ 5) "in Zusammensetzung und Höhe nach den zwischen der Einrichtung und dem zuständigen Kostenträger für die Einrichtung nach den §§ 75 ff. SGB XII in Verbindung mit dem Rahmenvertrag Baden-Württemberg zu § 79 SGB XII vereinbarten bzw. zu vereinbarenden Vergütungssätzen in der jeweils gültigen Fassung" richten. In Satz 3 a.a.O. hießt es weiter, dass der Antragsteller "derzeit die nachstehend aufgeführten Leistungen zu den jeweils gültigen Tagessätzen" erhalte, die "derzeit wie folgt betragen: Im Bereich Wohnen nach dem Leistungstyp LT 2.2 insgesamt kalendertäglich derzeit Euro". Soweit die gesetzlichen Betreuer des Antragstellers in dessen Namen mit der Beigeladenen eine "Ergänzungsvereinbarung zum Heimvertrag vom 16.03.2011" geschlossen haben, in welcher die Beigeladene erklärt hat, die "Kündigung [des Heimvertrags] noch einmal auszusetzen ", und weiter von einer Verpflichtung des Antragstellers die Rede ist, die "entsprechenden Kosten in Höhe von 200,55 Euro kalendertäglich selbst zu übernehmen", sofern eine Kostenübernahme durch das Landratsamt S. nicht erfolge, ist diese zum Nachteil des Antragstellers abweichende Vereinbarung unwirksam (§ 15 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 und § 7 Abs. 2 Sätze 1 und 3 des Wohn- und Betreuungsvertragsgesetzes (WBVG)). Denn das privatrechtliche Rechtsverhältnis zwischen dem Antragsteller und der Beigeladenen wird durch das zwischen ihr (dem Leistungserbringer) und dem Sozialhilfeträger bestehende Rechtsverhältnis öffentlich-rechtlich überlagert; dies bedeutet, dass der Heimvertrag, und zwar nach seinem Inhalt im Allgemeinen und für den Vergütungsanspruch des Leistungserbringers im Besonderen, den nach § 75 Abs. 3 Satz 1 SGB XII zwischen Sozialhilfeträger und Leistungserbringer geschlossenen Vereinbarungen entsprechen muss und nicht zu Lasten der Leistungsberechtigten von den betreffenden Vereinbarungen abweichen darf (Senatsurteil vom 25. Juni 2015 - L 7 SO 1447/11 - (juris Rdnr. 76); ferner schon Senatsbeschluss vom 18. November 2005 - L 7 SO 4187/05 ER-B - (juris Rdnr. 19) (beide m.w.N.)).

d) Die Beigeladene hat sich in § 5 des Heimvertrags zu Betreuungs- und Förderleistungen des Antragstellers gesetzeskonform verpflichtet. In § 5 Ziff. 2 des Heimvertrags ist festgehalten, dass sich die Betreuungsleistungen "nach den gesetzlichen Vorgaben insbesondere zur Eingliederungshilfe nach den §§ 53 ff. SGB XII in Verbindung mit SGB IX und den entsprechenden Verordnungen" richtet. In Ziff. 3 Satz 2 a.a.O. wird ergänzend auf "die Vorschriften der jeweils gültigen Rahmenverträge, insbesondere des Rahmenvertrags Baden-Württemberg zu § 79 SGB XII, und die danach vereinbarten Leistungstypen und schließlich die zwischen der Einrichtung und den zuständigen Kostenträgern abzuschließenden bzw. abgeschlossenen Leistungs-, Prüfungs- und Vergütungsvereinbarungen in der jeweils gültigen Fassung" verwiesen. In § 5 letzter Satz des Heimvertrags heißt es abschließend: "Auf dieser Grundlage erhält die Bewohnerin / der Bewohner die in § 13 individuell festgelegten Leistungen zu den entsprechenden Entgeltsätzen", hier also im Bereich Wohnen nach dem Leistungstyp I.2.2, wobei der Antragsteller seit 1. Mai 2018 der Hilfebedarfsgruppe 4 zugeordnet ist. Nach der Beschreibung in der Anlage 1 zu § 3 des Rahmenvertrags Baden-Württemberg nach § 79 Abs. 1 SGB XII ("Stationäre Leistung (ohne tagesstrukturierende Leistung) für Menschen mit geistiger und/oder Mehrfachbehinderung") bezieht sich dieser Leistungstyp auf die Beseitigung oder Milderung der durch die Behinderung bedingten Einschränkungen der Teilhabe, die Ermöglichung und Förderung der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sowie die Förderung des individuellen Selbsthilfepotentials und einer selbstbestimmten unabhängigen Lebensführung auf der Basis einer individuellen Hilfeplanung. Als Zielgruppe werden erwachsene Menschen mit körperlicher und/oder Mehrfachbehinderung (einschließlich Sinnesbehinderung) im Sinne von § 53 SGB XII und den §§ 1 bis 3 der Eingliederungshilfe-Verordnung mit unterschiedlichem Unterstützungsbedarf bei der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben genannt. Hinsichtlich von Art und Umfang der Leistungserbringung wird gleichfalls auf den individuellen Unterstützungsbedarf verwiesen.

Nichts spricht gegenwärtig dafür, dass der Antragsteller den im Leistungstyp I.2.2 definierten Zielen nicht unterfallen sollte und dass die Beigeladene nach Art, Umfang und Form andere Leistungen erbringt. Soweit der Medizinisch-Pädagogische Dienst des Kommunalverbandes für Jugend und Soziales in seiner Stellungnahme vom 11. Mai 2018 einen Umzug des Antragstellers in eine Einrichtung des Längerfristig Intensiv Betreuten Wohnens (LiBW) empfohlen hat, dem sich der Antragsgegner auch nicht verschließen würde (vgl. schon Widerspruchsbescheid vom 11. Juli 2018), möchte der Antragsteller dem aus von ihm im Einzelnen dargelegten Gründen nicht nähertreten. Solange er aber in der Einrichtung "Haus S." der Beigeladenen wohnt und von dieser dort qualitativ bedarfsdeckend betreut wird, kann er nicht verlangen, dass der Antragsgegner zusätzlich zu den bereits übernommenen Kosten weitere Entgelte übernimmt, denn nach dem Heimvertrag (vgl. ferner § 7 Abs. 2 Sätze 1 und 3 WBVG) beziehen sich die Vergütungsansprüche der Beigeladenen - wie oben bereits dargestellt - auf die nach den §§ 75 ff. SGB XII abgeschlossenen Verträge. Zu einer bedarfsdeckenden Leistungserbringung hat sich die Beigeladene auch in der zwischen ihr und dem Landkreis R. geschlossenen Vereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII verpflichtet (vgl. dort § 2 "Leistungsvereinbarung"). Wenn der Antragsteller - wie geltend gemacht - einen im Vergleich zum Durchschnitt der übrigen Bewohner im Leistungstyp I.2.2 höheren Betreuungsbedarf haben sollte, führt dies allein nicht dazu, dass er nicht von der Leistungsvereinbarung erfasst wird (vgl. Senatsurteil vom 25. Juni 2015 - L 7 SO 1447/11 - (juris Rdnr. 78); Senatsurteil vom 22. Februar 2018 - L 7 SO 2685/15 - (juris Rdnr. 48)). Denn Abweichungen im tatsächlichen Hilfebedarf nach oben oder unten sind der typisierten und damit abstrakten Leistungsbeschreibung und der darauf bezogenen Vergütungsvereinbarung im Rahmen der Mischkalkulation nach § 76 Abs. 2 Satz 3 SGB XII systemimmanent (vgl. BSG SozR 4-3500 § 75 Nr. 4 (Rdnr. 22)). Darüber hinaus gehende Entgeltvereinbarungen sind mithin unwirksam.

e) Dem vermag der Antragsteller nicht entgegenzuhalten, dass der Heimvertrag von der Beigeladenen mit Schreiben vom 23. März 2018 unter Berufung auf § 17 i.V.m. § 6 und der Anlage 5 ("Anpassungsausschluss") des Heimvertrags gekündigt worden sei. Denn alles spricht für eine Unwirksamkeit dieser Kündigung. Gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 WBVG kann der Unternehmer den Vertrag nur aus wichtigem Grund kündigen. In § 12 Abs. 1 Satz 3 WBVG sind Regelbeispiele genannt, bei denen ein wichtiger Grund vorliegt, wobei im Fall einer Kündigung unter Berufung auf die Nr. 2 a.a.O. vom Gesetz zusätzlich gefordert wird, dass dem Unternehmer ein Festhalten am Vertrag nicht zumutbar ist. Derartige Kündigungsgründe sind vorliegend indes nicht ersichtlich. Zwar beruft sich die Beigeladene hier auf den Anpassungsausschluss in der Anlage 5 zum Heimvertrag und damit sinngemäß auf § 12 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 Buchst. b WBVG, wobei allerdings schon zweifelhaft ist, ob die für einen Anpassungsausschluss erforderliche zeitliche Grenze, nämlich der Zeitpunkt des erstmaligen Vertragsschlusses, eingehalten ist (vgl. § 8 Abs. 4 Satz 1 WBVG; hierzu Bachem/Hacke, WBVG, 2015, § 8 Rdnr. 85; Kempchen in Dickmann, Heimrecht, 11. Auflage 2014, § 8 WBVG Rdnrn. 13 f.), nachdem der Antragsteller schon langjährig (seit etwa 2003) im Haus S. der Beigeladenen wohnt.

Der Anpassungsausschluss ist gemäß § 8 Abs. 4 Satz 2 WBVG nur wirksam, wenn der Unternehmer unter Berücksichtigung des dem Vertrag zugrunde gelegten Leistungskonzepts daran ein berechtigtes Interesse hat und dieses in der Vereinbarung begründet; die Belange behinderter Menschen sind besonders zu berücksichtigen (Satz 3 a.a.O.). Ein berechtigtes Interesse kann beispielsweise dann gegeben sein, wenn das Leistungskonzept auf bestimmte Personengruppen oder Krankheitsbilder ausgerichtet ist oder wenn spezifische fachliche Anforderungen an das Personal oder die baulichen Gestaltungsmöglichkeiten des überlassenen Wohnraums die Grenzen für die Erbringung einer fachgerechten Pflege- oder Betreuungsleistung vorgeben (vgl. den Gesetzesentwurf der Bundesregierung Bundestags-Drucksache 16/12409, S. 22 f.; weitere Beispiele bei Bachem/Hacke, a.a.O., Rdnr. 89; Kempchen, a.a.O., Rdnr. 13). Vorliegend hat die Beigeladene den Anpassungsausschluss in der Anlage 5 zum Heimvertrag u.a. damit begründet, dass sich ihre Verpflichtung zur Anpassung von Leistungen bei verändertem Bedarf entsprechend § 8 Abs. 1 WBVG bzw. § 6 des Heimvertrags auf die "nach dem Rahmenvertrag zu § 79 SGB XII vereinbarten Leistungstypen" sowie die mit den Sozialleistungsträgern abgeschlossenen "Leistungs-, Qualitäts- und Vergütungsvereinbarungen" in ihrer jeweils gültigen Form beschränke und sie nur insoweit die erforderlichen notwendigen fachlichen, personellen und sachlichen Mittel bereitstellen könne, andernfalls das Vertragsverhältnis beendet werden müsse. Dies gelte auch für Menschen mit wesentlichen geistigen, körperlichen und/oder seelischen Behinderungen und gleichzeitigen schwerwiegenden Verhaltensstörungen, die im Hinblick auf die damit verbundenen schwerwiegenden und nachhaltigen Selbst- oder Fremdgefährdungen oder/und Beeinträchtigungen dritter Personen einer außergewöhnlichen intensiven Betreuung bedürften, und für die auch die bestehenden besonderen Leistungsangebote des LiBW nicht ausreichten (Ziff. 1 Sätze 1, 3 und 4, Ziff. 2 der Anlage 5). Vorliegend ist indessen - wie oben unter d) bereits ausgeführt - nichts dafür ersichtlich, dass der Antragsteller den dem Leistungstyp I.2.2 zugrundeliegenden Zielen nicht unterfiele und von den von der Beigeladenen mit dem Landkreis R. nach § 75 Abs. 3 SGB XII getroffenen Vereinbarungen nicht erfasst würde. Ohnehin ist der Unternehmer, selbst bei Vorliegen eines wichtigen Grundes nach § 12 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 WBVG, zu einer Kündigung nur berechtigt, wenn ihm ein Festhalten am Vertrag nicht zumutbar ist. Dass die Beigeladene zu einer fachgerechten Versorgung des Antragstellers nicht in der Lage sei - was im Einzelfall eine Unzumutbarkeit begründen könnte (vgl. Gesetzesentwurf Bundestags-Drucksache 16/12409, S. 26; Bachem/Hacke, a.a.O. § 12 Rdnr. 27) - machen jedoch beide gerade nicht geltend. Vorliegend deutet vielmehr alles darauf hin, dass die Kündigung des Heimvertrags durch die Beigeladene allein mit dem Ziel der Entgelterhöhung erfolgen sollte; solches ist jedoch nach § 12 Abs. 1 Satz 4 WBVG ausdrücklich ausgeschlossen (vgl. auch § 17 Ziff. 5 des Heimvertrags).

f) Auf Grund der oben dargestellten Vertragsgebundenheit der Beigeladenen, die auch den eingliederungshilferechtlichen Unterstützungsbedarf des Antragstellers umfasst, scheidet eine Leistungserbringung auf der Grundlage des § 75 Abs. 4 SGB XII von vornherein aus (vgl. hierzu Senatsurteile vom 30. April 2014 - L 7 SO 3423/10 - (juris Rdnr. 37), vom 25. Juni 2015 - L 7 SO 1447/11 - (juris Rdnr. 88) und vom 22. Februar 2018 - L 7 SO 2685/15 - (juris Rdnr. 50); ferner schon Senatsbeschluss vom 18. November 2005 - L 7 SO 4187/05 ER-B - (juris Rdnr. 27)). Die Beigeladene hat sich in der Vergangenheit regelmäßig auf die Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII eingelassen, obgleich bei Uneinigkeit unter den Vertragsparteien unter den Voraussetzungen des § 77 Abs. 1 Satz 3 SGB XII das Schiedsstellenverfahren eröffnet ist. Damit hat sie sich auch an die durch das Leistungserbringungsrecht in den §§ 75 ff. SGB XII vorgegebenen Regeln zu halten und kann diese nicht durch Versuche zur Erzwingung von sog. "Einzelvereinbarungen" unterlaufen (vgl. Senatsurteil vom 22. Februar 2018 - L 7 SO 2685/15 - (juris Rdnr. 49); ferner schon Senatsbeschlüsse vom 22. September 2005 - L 7 SO 3421/05 ER-B - (juris Rdnr. 32) und vom 9. Dezember 2005 - L 7 SO 4890/05 ER-B - (juris Rdnr. 24)). Unter diesen Umständen kommt es auf die vom Antragsgegner beanstandete mangelnde Nachvollziehbarkeit der Kalkulationen der Beigeladenen in deren "Darstellung eines Gesamtangebots für B. B." nicht mehr an.

g) Fehlt es dem Eilbegehren mithin aus den oben dargelegten Gründen am Anordnungsanspruch, so ist zugleich auch ein Anordnungsgrund zu verneinen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG. Eine Kostenauferlegung zugunsten der Beigeladenen kommt nicht in Betracht, nachdem diese im Verfahren keine Anträge gestellt hat (vgl. BSGE 90, 127 = SozR 3-5795 § 10d Nr. 1 (juris Rdnr. 44)).

4. Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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