Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 4591/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 U 1248/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 15.03.2018 wird zurückgewiesen.
Außergerichtlichen Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt im Wege des Zugunstenverfahrens die Anerkennung einer Gesundheitsstörung im Bereich der Lendenwirbelsäule (LWS) als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV), hilfsweise als Wie-BK nach § 9 Abs. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) oder gemäß § 551 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung (RVO).
Der 1949 geborene Kläger war in der Zeit vom 01.09.1969 bis 13.02.1981 als Fahrer und Beifahrer bei der Firma R. Brennstoffe (R.) in St. beschäftigt gewesen. Nach seinen eigenen Angaben gegenüber der Beklagten (Schreiben vom 29.06.2000) hatte er bis 1975 überwiegend Kohle abgepackt und auf LKW verladen. Hierbei habe es sich um Säcke mit einem Gewicht von 50 kg gehandelt. Er habe die Kohle dann zum Kunden gefahren und dort abgeladen. Beim Kunden habe er die Kohlensäcke u. a. in den Keller oder auf den Dachboden transportieren müssen. Ab 1976 habe er dann nur noch Heizöl und Dieselkraftstoff transportiert. Seine Arbeitszeit habe täglich acht bis zehn Stunden betragen. Er habe normalerweises montags bis freitags gearbeitet, manchmal aber auch am Samstag arbeiten müssen. Verursacht durch das Tragen der Lasten habe er seit 1977 oft schwere Rückenbeschwerden gehabt und die Tätigkeit deshalb 1981 aufgeben müssen. In der Zeit vom 26.10.1987 bis 20.09.1991 sei er im Rahmen von der damaligen Landesversicherungsanstalt Baden (heute: Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg) gewährter berufsfördernder Leistungen zur Rehabilitation zum Güteprüfer umgeschult worden.
Mit Bescheid vom 24.07.2001 hatte die Beklagte entschieden, dass ein Entschädigungsanspruch aus Anlass einer Erkrankung nicht gegeben sei, da weder eine BK vorliege noch die konkrete Gefahr des Entstehens einer BK bestehe oder bestanden habe. Es sei geprüft worden, ob eine BK nach Nr. 2108 bis Nr. 2010 der Anlage 1 zur BKV vom 31.10.1997 vorliege. Hierzu gehörten zum einen bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS durch das Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung (Nr. 2108) oder durch vorwiegend vertikale Einwirkungen von Ganzkörperschwingungen im Sitzen (Nr. 2110), zum anderen bandscheibenbedingte Erkrankungen der Halswirbelsäule durch das Tragen schwerer Lasten auf der Schulter (Nr. 2109). Nach § 6 Abs. 2 BKV müsse der Versicherungsfall jedoch am 01.04.1988 oder zu einem späteren Zeitpunkt eingetreten sein. Selbst wenn man unterstelle, dass die vom Kläger bis 13.02.1981 ausgeübte Tätigkeit für die Wirbelsäule gefährdend gewesen sei, komme die Anerkennung des Wirbelsäulenleidens als BK nicht in Betracht, da der Versicherungsfall dann zu einem früheren Zeitpunkt eingetreten wäre. Den seitens des Klägers gegen diesen Bescheid erhobenen Widerspruch hatte die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.01.2002 zurückgewiesen.
Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 08.02.2016, bei der Beklagten eingegangen am Folgetag, beantragte der Kläger zunächst Akteneinsicht und legte in der Folge medizinische Unterlagen aus der Zeit zwischen Oktober 1983 und Februar 2000 sowie eine Stellungnahme seines ehemaligen Arbeitgebers, der Firma R. vor. Sinngemäß beantragte er die Überprüfung der mit Bescheid vom 24.07.2001 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.01.2002) getroffenen Entscheidung. Mit Bescheid vom 07.06.2016 lehnte die Beklagte den Überprüfungsantrag ab. Der Bescheid vom 24.07.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.01.2002 werde nicht zurückgenommen; bei dessen Erlass sei weder das Recht unrichtig angewandt worden, noch habe man der Entscheidung einen unzutreffenden Sachverhalt zugrunde gelegt. Mit Widerspruchsbescheid vom 19.10.2016 wies die Beklagte den vom Kläger gegen den Bescheid vom 07.06.2016 erhobenen Widerspruch zurück.
Mit der am 21.11.2016 beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhobenen Klage (S 9 U 4591/16) hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Er habe als Kohlenarbeiter schwer heben und tragen müssen; die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK lägen deshalb vor. Bei ihm seien zudem Bandscheibenvorfälle in den Segmenten L4/L5, L5/S1 und L3/L4 festgestellt worden. Deshalb habe er Anspruch auf Übergangsleistungen und auf Gewährung einer Verletztenrente. § 551 Abs. 2 RVO gebiete in seinem Fall die Anerkennung einer BK nach neuer Erkenntnis im Einzelfall. Da das Gesetz durch eine Verordnung nicht wirksam eingeschränkt werden könne, greife die Stichtagsregelung in seinem Fall nicht. Zur weiteren Begründung hat der Kläger zahlreiche medizinische Unterlagen vorgelegt, u. a. einen Bericht über eine stationäre Behandlung im interdisziplinären Schmerzzentrum in der Fachklinik E. in H. in der Zeit vom 17.08.2004 bis 21.09.2004. In diesem Bericht vom 12.10.2004 führten die behandelnden Ärzte und Dipl.-Psychologen aus, der Kläger habe als Hauptschmerz LWS-Beschwerden angegeben, die bereits seit über 20 Jahren bestünden. Es seien vor Jahren mehrere Bandscheibenvorfälle diagnostiziert, von einer Operation aber abgeraten worden.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat zur weiteren Begründung ausgeführt, im Zuge des in den Jahren 2001/2002 durchgeführten Feststellungsverfahrens sei zutreffend entschieden worden, dass die Anerkennung einer BK nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV aufgrund der Rückwirkungsregelung gemäß § 6 Abs. 2 BKV nicht in Betracht komme. Eine Entscheidung nach § 551 Abs. 2 RVO sei nicht Gegenstand des Verfahrens. Da das Verfahren erst begonnen habe, als die Erkrankung bereits in der BKV erfasst war, sei der Anspruch nach Maßgabe des § 551 Abs. 1 RVO bzw. des § 9 Abs. 1 SGB VII unter Beachtung der Rückwirkungsregelung und nicht als "Wie-BK" zu beurteilen.
Während des Klageverfahrens hat die Beklagte mit Bescheid vom 11.07.2017 die Anerkennung der LWS-Erkrankung des Klägers als Versicherungsfall wie eine BK gemäß § 551 Abs. 2 RVO bzw. § 9 Abs. 2 SGB VII abgelehnt und den gegen diesen Bescheid erhobenen Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 04.10.2017 zurückgewiesen. Auch gegen diesen Widerspruchsbescheid hat der Kläger Klage erhoben; das Verfahren ist unter dem Aktenzeichen S 17 U 4102/17 beim SG anhängig.
Mit Gerichtsbescheid vom 15.03.2018 hat das SG die Klage (in dem Verfahren S 9 U 4591/16) abgewiesen. Die Entscheidung der Beklagten über den im Zugunstenverfahren gestellten Antrag des Klägers sei nicht zu beanstanden. Soweit der Kläger beantragt habe, die Beklagte zur Gewährung von Entschädigungsleistungen zu verurteilen, sei die Klage bereits unzulässig. Der Verfügungssatz des zur Überprüfung gestellten Bescheids vom 24.07.2001 enthalte zwar den Hinweis, dass ein Entschädigungsanspruch mangels Vorliegens einer BK nicht bestehe, konkrete Leistungen würden aber nicht benannt. Die Gewährung bestimmter Leistungen habe der Kläger seinerzeit auch nicht beantragt. Der Bescheid vom 24.07.2001 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.01.2002) sei deshalb dahingehend auszulegen, dass lediglich die Anerkennung eines Versicherungsfalls im Sinne einer BK abgelehnt werden sollte.
Die Klage sei auch insoweit unzulässig als der Kläger hilfsweise eine Entschädigung als "Wie-BK" gemäß § 551 Abs. 2 RVO bzw. § 9 Abs. 2 SGB VII begehre. Auch insoweit fehle es an einem korrespondierenden Verwaltungsakt. Über einen solchen Anspruch habe die Beklagte weder durch Bescheid vom 24.07.2001 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.01.2002) noch durch Bescheid vom 07.06.2016 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.10.2016) entschieden.
Letztlich sei die Klage unbegründet, soweit der Kläger die Zurücknahme des Bescheids vom 24.07.2001 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.01.2002) und die Anerkennung seiner Wirbelsäulenbeschwerden als BK nach Nr. 2108, Nr. 2109 oder Nr. 2110 der Anl. 1 zur BKV begehre. Eine Anerkennung sei aufgrund der einschlägigen Stichtagsregelung ausgeschlossen. Die streitgegenständlichen BK seien erst durch die Zweite Verordnung zur Änderung der BKV vom 18.12.1992 in die BK-Liste aufgenommen worden. Sie könnten zwar rückwirkend geltend gemacht werden, allerdings nur, wenn der Versicherungsfall nach dem 31.03.1988 eingetreten sei. Dies sei hier nicht der Fall. Aus den vorliegenden medizinischen Befundunterlagen ergebe sich, dass die Rückenbeschwerden schon seit 1977 aufgetreten seien. Seit 1983 seien zudem erhebliche degenerative Veränderungen sowie Bandscheibenvorfälle und Bandscheibenprotrusionen durch bildgebende Verfahren nachgewiesen. Objektive Umstände, die den Eintritt des Versicherungsfalls erst nach dem 31.03.1988 begründen könnten, seien weder vom Kläger vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.
Gegen diesen ihm gemäß Empfangsbekenntnis am 19.03.2018 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 05.04.2018 unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vorbringens schriftlich beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Zur weiteren Begründung legt er einen Befundbericht des Arztes für Urologie H. vom 26.09.2000 und einen Bescheid des Versorgungsamts F. über die Feststellungen nach § 4 des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) vom 15.04.1988 vor. Der Arzt für Urologie H. diagnostizierte beim Kläger eine Testalgie beidseits, ein chronisches Wirbelsäulensyndrom, Adipositas permagna und einen Zustand nach Herzinfarkt. Im Bescheid des Versorgungsamts Freiburg vom 15.04.1988 wurden ein Bandscheibenleiden mit Vorfall und Wurzelreizerscheinungen sowie eine Sehminderung als Behinderungen festgestellt. Der Grad der Behinderung (GdB) betrage 40 seit 10.02.1988.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 15.03.2018 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 07.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.10.2016 zu verurteilen, den Bescheid vom 24.07.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.01.2002 zurückzunehmen und seine LWS-Erkrankung als Listen-BK nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV anzuerkennen und ihm Entschädigungsleistungen, insbesondere in Form einer Verletztenrente und von Übergangsleistungen zu gewähren,
hilfsweise,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 15.03.2018 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 07.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.10.2016 zu verurteilen, den Bescheid vom 24.07.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.01.2002 zurückzunehmen und seine LWS-Erkrankung als Wie-BK gemäß § 551 Abs. 2 RVO oder § 9 Abs. 2 SGB VII anzuerkennen und ihm Entschädigungsleistungen, insbesondere in Form einer Verletztenrente und von Übergangsleistungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält ihre Entscheidung für rechtmäßig und den angegriffenen Gerichtsbescheid des SG für zutreffend. Der vom Kläger vorgelegte Bescheid über die Feststellung von Behinderungen nach dem SchwbG stütze das Klagebegehren nicht. Der Bescheid belege vielmehr, dass beim Kläger bereits vor dem 01.04.1988 ein massives Wirbelsäulenleiden vorgelegen habe.
Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten, die Akten des SG und die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte über die Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, nachdem die Beteiligten sich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben.
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Die Berufung ist statthaft, da Berufungsausschließungsgründe nicht eingreifen (vgl. §§ 143, 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG) und auch im Übrigen zulässig; insbesondere wurden die maßgeblichen Form– und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) beachtet. Die Berufung ist jedoch unbegründet, das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Gegenstand der kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (zur Klageart bei im Wege des Zugunstenverfahrens verfolgten Begehren vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 03.04.2001, B 4 RA 22/00 R; abweichend BSG, Urteil vom 05.09.2006, B 2 U 24/05 R, beide in juris) ist der Bescheid der Beklagten vom 07.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.10.2016, mit dem die Beklagte es abgelehnt hat, den Bescheid vom 24.07.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.01.2002 zurückzunehmen und das Vorliegen der im Berufungsverfahren nur noch begehrten BK nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV festzustellen. In prozessualer Hinsicht steht dem Kläger ein Wahlrecht zu, ob er sein Begehren im Wege einer kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage im Sinne der §§ 54 Abs. 1 Satz 1, 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG oder mit einer Kombination aus einer Anfechtungsklage gegen den das Nichtbestehen des von ihm erhobenen Anspruchs feststellenden Verwaltungsakt und einer Verpflichtungsklage verfolgen will (vgl. dazu BSG, Urteil vom 05.07.2011, B 2 U 17/10 R, juris). Von diesem Wahlrecht hat der Kläger, wie sich aus seinem schriftsätzlich gestellten Antrag ergibt, im Sinne einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage Gebrauch gemacht und ausdrücklich eine Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung einer BK bzw. einer Wie-BK beantragt.
Der angegriffene Bescheid vom 07.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.10.2016 erweist sich als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheids vom 24.07.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.01.2002; die Voraussetzungen für die begehrte Anerkennung einer BK durch die Beklagte haben nicht vorgelegen (dazu unter 1.). Soweit der Kläger hilfsweise die Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung seines Wirbelsäulenleidens als Wie-BK begehrt, fehlt es schon an der Zulässigkeit der Klage (dazu unter 2.). Das Gleiche gilt für das vom Kläger weiterhin im Wege der Leistungsklage verfolgte Begehren auf Gewährung von Entschädigungsleistungen (dazu unter 3.).
1. Rechtsgrundlage für das im Zugunstenverfahren verfolgte Begehren auf Rücknahme des Bescheids vom 24.07.2001 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.01.2002) ist § 44 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass dieses Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Die Voraussetzungen dieser Norm liegen nicht vor. Die Beklagte hat bei Erlass des Bescheids vom 24.07.2001 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.01.2002) weder das Recht unrichtig angewandt, noch ist sie von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erweist. Sie hat diesen Bescheid deshalb zur Recht nicht zurückgenommen.
Anspruchsgrundlage für die mit dem Hauptantrag begehrte Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung einer Listen-BK ist § 551 Abs. 1 RVO. Diese Vorschrift ist zwar mit Wirkung vom 01.01.1997 durch § 9 Abs. 1 SGB VII ersetzt worden, jedoch sind die bisherigen Vorschriften (der RVO) auf vor diesem Zeitpunkt eingetretene Versicherungsfälle weiterhin anzuwenden (Art. 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz, § 212 SGB VII). Abgesehen davon haben sich die Voraussetzungen für eine Entschädigung einer Krankheit als BK mit der Einführung des SGB VII nicht geändert, sodass das Ergebnis des Rechtsstreits von dieser Frage nicht abhängt (BSG, Urteil vom 13.06.2006, B 8 KN 3/05 U R, juris).
Auch der Senat kann offen lassen, ob die (weiteren) Voraussetzungen für die Feststellung des Wirbelsäulenleidens des Klägers als BK nach Nr. 2108 der Anl. 1 zur BKV vorliegen; denn der begehrten Feststellung einer BK steht die Stichtagsregelung des § 6 Abs. 2 BKV (hier noch in der bis 30.09.2002 geltende Fassung [a.F.]; die Regelung findet sich inhaltsgleich nun in § 6 Abs. 6 BKV) entgegen. Nach dieser Vorschrift ist, wenn ein Versicherter am 01.01.1993 an einer Krankheit gelitten hat, die erst auf Grund der Zweiten Verordnung zur Änderung der BKV vom 18.12.1992 (BGBl. I S. 2343) als BK anerkannt werden kann, die Krankheit (nur dann) auf Antrag als BK anzuerkennen, wenn der Versicherungsfall nach dem 31.03.1988 eingetreten ist. Diese Voraussetzung liegt im Fall des Klägers, wie das SG zutreffend entschieden hat, nicht vor. Selbst wenn die medizinischen und arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Feststellung eine BK vorliegen würden, wäre der Versicherungsfall hier lange vor dem Stichtag eingetreten.
Wirbelsäulenbelastend war allein die berufliche Tätigkeit, die der Kläger bei der Firma R. ausgeübt und die er am 13.02.1981 aufgegeben hat. Der Kläger hat selbst gegenüber der Beklagten angegeben, die ganz erheblichen Wirbelsäulenbeschwerden, an denen er seit 1977 gelitten habe, seien der Grund für die Aufgabe der Tätigkeit bei der Firma R. gewesen. Diese Angabe deckt sich mit sämtlichen aktenkundigen medizinischen Befunden. Auch in dem vom Kläger im Verlauf des Klageverfahrens vorgelegten Bericht der Fachklinik E. in H. vom 12.10.2004 berichten die behandelnden Ärzte und Dipl.-Psychologen, der Kläger habe angegeben, seit über 20 Jahren an erheblichen LWS-Beschwerden zu leiden. Die vom Kläger zur Begründung der Berufung vorgelegten Unterlagen stehen dem, worauf die Beklagte zu Recht hingewiesen hat, nicht entgegen, sondern bestätigen vielmehr die Feststellungen des SG zum Eintritt des Versicherungsfalls. Der Facharzt für Urologie H. macht in seinem Bericht vom 26.09.2000 zwar keine Angaben zum Zeitpunkt des erstmaligen Auftretens von Wirbelsäulenbeschwerden, sondern berichtet lediglich über rezidivierende Schmerzen in beiden Hoden, die seit Jahren bestünden. Dem vorgelegten Bescheid des Versorgungsamts Freiburg vom 15.04.1988 kann demgegenüber aber entnommen werden, dass die festgestellten Behinderungen ("Bandscheibenleiden mit Vorfall und Wurzelreizerscheinungen, Sehminderung") am 10.02.1988 (Antragseingang beim Versorgungsamt) – und damit vor dem Stichtag – vorgelegen haben und mit einem GdB von 40 bewertet worden sind. Nachdem die Feststellungen des Versorgungsamts in zeitlicher Hinsicht ersichtlich auf den Zeitpunkt der Antragstellung Bezug nehmen, steht der Inhalt des Bescheids vom 15.04.1988 den Angaben des Klägers, er habe schon seit 1977 unter erheblichen Wirbelsäulenbeschwerden gelitten, nicht entgegen. Gerade wegen dieser Angaben des Klägers selbst steht im Ergebnis auch zur vollen Überzeugung des Senats fest, dass ein Versicherungsfall – die übrigen Anerkennungsvoraussetzungen unterstellt – deutlich vor dem 01.04.1988 eingetreten sein muss. Die Anerkennung einer BK nach Nr. 2108 der Anl. 1 zur BKV ist damit gemäß § 6 Abs. 2 BKV a.F. ausgeschlossen.
2. Soweit der Kläger auch mit der Berufung hilfsweise die Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung einer sogenannten Wie-BK begehrt, ist die Berufung ebenfalls unbegründet; das SG hat die Klage auch insoweit zu Recht als unzulässig abgewiesen. Es fehlt an einem über das insoweit geltend gemachte Begehren verfügenden Bescheid, der in diesem Verfahren angegriffen oder Gegenstand des Verfahrens wurde. Maßgebliche Rechtsgrundlage für das auch insoweit im Wege des Zugunstenverfahrens geltend gemachte Begehren ist noch § 551 Abs. 2 RVO, der nach der Übergangsregelung des § 212 SGB VII weiterhin einschlägig ist, weil im Fall des Klägers ein Versicherungsfall in jedem Fall nur vor Inkrafttreten des SGB VII am 01.01.1997 in Betracht kommt. Nach § 551 Abs. 2 RVO sollen die Träger der Unfallversicherung im Einzelfall eine Krankheit, auch wenn sie nicht in der Rechtsverordnung (gemeint ist die BKV) bezeichnet ist oder die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine BK entschädigen, sofern nach neuen Erkenntnissen die Voraussetzungen des § 551 Abs. 1 RVO vorliegen. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG, der der erkennende Senat sich anschließt, setzt die Feststellung des Vorliegens einer Wie-BK folgende Tatbestandsmerkmale voraus: (1.) das Nicht-Vorliegen der Voraussetzungen für eine in der BKV bezeichnete Krankheit, (2.) das Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen für die Bezeichnung der geltend gemachten Krankheit als BK nach § 551 Abs. 1 Satz 2 RVO bzw. § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII, (3.) nach neuen Erkenntnissen (§ 551 Abs. 2 RVO) bzw. nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen (§ 9 Abs. 2 SGB VII) sowie (4.) die individuellen Voraussetzungen für die Feststellung dieser Krankheit als Wie-BK im Einzelfall bei dem Versicherten (BSG, Urteil vom 13.02.2013, B 2 U 33/11 R, juris m.w.N.). § 551 Abs. 2 RVO (bzw. § 9 Abs. 2 SGB VII) enthält dabei allerdings keine "Härteklausel", nach der jede durch eine versicherte Tätigkeit verursachte Krankheit als "Wie-BK" anzuerkennen wäre (BSG a.a.O. m.w.N.).
Eine Entscheidung über das Vorliegen dieser Tatbestandsvoraussetzungen und damit über die Frage, ob das Wirbelsäulenleiden des Klägers als Wie-BK gemäß § 551 Abs. 2 RVO (oder gemäß § 9 Abs. 2 SGB II) anzuerkennen ist, hat die Beklagte mit Bescheid vom 24.07.2001 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.01.2002), dessen Rücknahme allein Gegenstand dieses Verfahrens ist, nicht getroffen. Eine solche Entscheidung ist vielmehr Gegenstand des hier nicht streitgegenständlichen Bescheids vom 11.07.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.10.2017 und damit des beim SG anhängigen Klageverfahrens S 17 U 4102/17.
Im Übrigen wäre auch für die Anerkennung einer Wie-BK nach § 551 Abs. 2 RVO (oder nach § 9 Abs. 2 SGB VII) Voraussetzung, dass der Versicherungsfall erst nach dem 31.03.1988 eingetreten ist. Die Stichtagsregelung des § 6 Abs. 2 BKV a.F. findet auch auf Ansprüche nach § 551 Abs. 2 RVO Anwendung. Dies ist, wie das BSG wiederholt entschieden hat, auch mit höherrangigem Recht vereinbar (BSG, Urteil vom 13.06.2006, B 8 KN 3/05 U R, juris m.w.N.).
3. Letztlich ist die Berufung auch unbegründet, soweit der Kläger (weiterhin) nicht nur die Feststellung einer BK, sondern auch die Gewährung von Entschädigungsleistungen, insbesondere in Form einer Verletztenrente und von Übergangsleistungen begehrt. Über die Gewährung von Sozialleistungen, zu denen auch die vom Kläger begehrten Leistungen (Verletztenrente und Übergangsleistungen) gehören, ist vor Klageerhebung in einem Verwaltungsverfahren zu befinden, das mit einem Verwaltungsakt abschließt, gegen den die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage oder Anfechtungs- und Leistungsklage zulässig ist (§ 54 Abs. 1, 2, 4 SGG; BSG, Urteil vom 16.11.2005, B 2 U 28/04 R, juris). Eine solche Entscheidung ist bezüglich der begehrten Entschädigungsleistungen mit dem hier zur Überprüfung gestellten Bescheid vom 24.07.2001 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.01.2002) nicht getroffen worden. Dieser Bescheid hat lediglich die Nicht-Anerkennung des Wirbelsäulenleidens des Klägers als BK nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV (und die hier nicht streitgegenständlichen BK nach Nr. 2109 und Nr. 2110 der Anlage 1 zur BKV) zum Gegenstand gehabt. Über Ansprüche auf Geld- oder Sachleistungen im Zusammenhang mit der Wirbelsäulenerkrankung ist dagegen nicht entschieden worden.
Zutreffend hat das SG darauf hingewiesen, dass der Verfügungssatz des Bescheids vom 24.07.2001 zwar den Hinweis enthält, dass ein Entschädigungsanspruch mangels Vorliegens einer BK nicht bestehe; der Senat teilt aber die Auffassung des SG, dass dieser Hinweis allein nicht genügt, um den Bescheid (auch) als Entscheidung über die Gewährung von Entschädigungsleistungen zu werten. Bei der Auslegung von Verwaltungsakten ist in Anwendung der für Willenserklärungen maßgeblichen Grundsätze (§§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches) vom objektiven Sinngehalt ihrer Erklärungen auszugehen, wie sie der Empfänger bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalls objektiv verstehen musste, wobei der der Bestandskraft (Bindungswirkung) zugängliche Verfügungssatz zugrunde zu legen und zur Klärung seines Umfangs die Begründung des Bescheids zu berücksichtigen ist (BSG a.a.O. m.w.N.)
In Anwendung dieser Grundsätze kann der Bescheid vom 24.07.2001 nicht im Sinne einer Entscheidung über die Gewährung oder Nichtgewährung bestimmter Entschädigungsleistungen ausgelegt werden. Weder dem Verfügungssatz des Bescheids noch dessen Begründung kann entnommen werden, dass über bestimmte konkrete Leistungen entschieden werden sollte. Solche Leistungen werden im Bescheid auch nicht benannt. Zudem hat der Kläger auch keinen Antrag auf Bewilligung bestimmter Leistungen gestellt. Damit ergibt sich nicht nur aus dem Inhalt des Bescheids, sondern auch aus sämtlichen Begleitumständen, dass – trotz des missverständlichen Verfügungssatzes – lediglich eine Entscheidung über die Feststellung einer BK und nicht über konkrete Leistungsansprüche getroffen werden sollte.
Ergänzend nimmt der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die Entscheidungsgründe der angegriffenen Entscheidung des SG Bezug und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung eigener Gründe ab.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtlichen Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt im Wege des Zugunstenverfahrens die Anerkennung einer Gesundheitsstörung im Bereich der Lendenwirbelsäule (LWS) als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV), hilfsweise als Wie-BK nach § 9 Abs. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) oder gemäß § 551 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung (RVO).
Der 1949 geborene Kläger war in der Zeit vom 01.09.1969 bis 13.02.1981 als Fahrer und Beifahrer bei der Firma R. Brennstoffe (R.) in St. beschäftigt gewesen. Nach seinen eigenen Angaben gegenüber der Beklagten (Schreiben vom 29.06.2000) hatte er bis 1975 überwiegend Kohle abgepackt und auf LKW verladen. Hierbei habe es sich um Säcke mit einem Gewicht von 50 kg gehandelt. Er habe die Kohle dann zum Kunden gefahren und dort abgeladen. Beim Kunden habe er die Kohlensäcke u. a. in den Keller oder auf den Dachboden transportieren müssen. Ab 1976 habe er dann nur noch Heizöl und Dieselkraftstoff transportiert. Seine Arbeitszeit habe täglich acht bis zehn Stunden betragen. Er habe normalerweises montags bis freitags gearbeitet, manchmal aber auch am Samstag arbeiten müssen. Verursacht durch das Tragen der Lasten habe er seit 1977 oft schwere Rückenbeschwerden gehabt und die Tätigkeit deshalb 1981 aufgeben müssen. In der Zeit vom 26.10.1987 bis 20.09.1991 sei er im Rahmen von der damaligen Landesversicherungsanstalt Baden (heute: Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg) gewährter berufsfördernder Leistungen zur Rehabilitation zum Güteprüfer umgeschult worden.
Mit Bescheid vom 24.07.2001 hatte die Beklagte entschieden, dass ein Entschädigungsanspruch aus Anlass einer Erkrankung nicht gegeben sei, da weder eine BK vorliege noch die konkrete Gefahr des Entstehens einer BK bestehe oder bestanden habe. Es sei geprüft worden, ob eine BK nach Nr. 2108 bis Nr. 2010 der Anlage 1 zur BKV vom 31.10.1997 vorliege. Hierzu gehörten zum einen bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS durch das Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung (Nr. 2108) oder durch vorwiegend vertikale Einwirkungen von Ganzkörperschwingungen im Sitzen (Nr. 2110), zum anderen bandscheibenbedingte Erkrankungen der Halswirbelsäule durch das Tragen schwerer Lasten auf der Schulter (Nr. 2109). Nach § 6 Abs. 2 BKV müsse der Versicherungsfall jedoch am 01.04.1988 oder zu einem späteren Zeitpunkt eingetreten sein. Selbst wenn man unterstelle, dass die vom Kläger bis 13.02.1981 ausgeübte Tätigkeit für die Wirbelsäule gefährdend gewesen sei, komme die Anerkennung des Wirbelsäulenleidens als BK nicht in Betracht, da der Versicherungsfall dann zu einem früheren Zeitpunkt eingetreten wäre. Den seitens des Klägers gegen diesen Bescheid erhobenen Widerspruch hatte die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.01.2002 zurückgewiesen.
Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 08.02.2016, bei der Beklagten eingegangen am Folgetag, beantragte der Kläger zunächst Akteneinsicht und legte in der Folge medizinische Unterlagen aus der Zeit zwischen Oktober 1983 und Februar 2000 sowie eine Stellungnahme seines ehemaligen Arbeitgebers, der Firma R. vor. Sinngemäß beantragte er die Überprüfung der mit Bescheid vom 24.07.2001 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.01.2002) getroffenen Entscheidung. Mit Bescheid vom 07.06.2016 lehnte die Beklagte den Überprüfungsantrag ab. Der Bescheid vom 24.07.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.01.2002 werde nicht zurückgenommen; bei dessen Erlass sei weder das Recht unrichtig angewandt worden, noch habe man der Entscheidung einen unzutreffenden Sachverhalt zugrunde gelegt. Mit Widerspruchsbescheid vom 19.10.2016 wies die Beklagte den vom Kläger gegen den Bescheid vom 07.06.2016 erhobenen Widerspruch zurück.
Mit der am 21.11.2016 beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhobenen Klage (S 9 U 4591/16) hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Er habe als Kohlenarbeiter schwer heben und tragen müssen; die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK lägen deshalb vor. Bei ihm seien zudem Bandscheibenvorfälle in den Segmenten L4/L5, L5/S1 und L3/L4 festgestellt worden. Deshalb habe er Anspruch auf Übergangsleistungen und auf Gewährung einer Verletztenrente. § 551 Abs. 2 RVO gebiete in seinem Fall die Anerkennung einer BK nach neuer Erkenntnis im Einzelfall. Da das Gesetz durch eine Verordnung nicht wirksam eingeschränkt werden könne, greife die Stichtagsregelung in seinem Fall nicht. Zur weiteren Begründung hat der Kläger zahlreiche medizinische Unterlagen vorgelegt, u. a. einen Bericht über eine stationäre Behandlung im interdisziplinären Schmerzzentrum in der Fachklinik E. in H. in der Zeit vom 17.08.2004 bis 21.09.2004. In diesem Bericht vom 12.10.2004 führten die behandelnden Ärzte und Dipl.-Psychologen aus, der Kläger habe als Hauptschmerz LWS-Beschwerden angegeben, die bereits seit über 20 Jahren bestünden. Es seien vor Jahren mehrere Bandscheibenvorfälle diagnostiziert, von einer Operation aber abgeraten worden.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat zur weiteren Begründung ausgeführt, im Zuge des in den Jahren 2001/2002 durchgeführten Feststellungsverfahrens sei zutreffend entschieden worden, dass die Anerkennung einer BK nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV aufgrund der Rückwirkungsregelung gemäß § 6 Abs. 2 BKV nicht in Betracht komme. Eine Entscheidung nach § 551 Abs. 2 RVO sei nicht Gegenstand des Verfahrens. Da das Verfahren erst begonnen habe, als die Erkrankung bereits in der BKV erfasst war, sei der Anspruch nach Maßgabe des § 551 Abs. 1 RVO bzw. des § 9 Abs. 1 SGB VII unter Beachtung der Rückwirkungsregelung und nicht als "Wie-BK" zu beurteilen.
Während des Klageverfahrens hat die Beklagte mit Bescheid vom 11.07.2017 die Anerkennung der LWS-Erkrankung des Klägers als Versicherungsfall wie eine BK gemäß § 551 Abs. 2 RVO bzw. § 9 Abs. 2 SGB VII abgelehnt und den gegen diesen Bescheid erhobenen Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 04.10.2017 zurückgewiesen. Auch gegen diesen Widerspruchsbescheid hat der Kläger Klage erhoben; das Verfahren ist unter dem Aktenzeichen S 17 U 4102/17 beim SG anhängig.
Mit Gerichtsbescheid vom 15.03.2018 hat das SG die Klage (in dem Verfahren S 9 U 4591/16) abgewiesen. Die Entscheidung der Beklagten über den im Zugunstenverfahren gestellten Antrag des Klägers sei nicht zu beanstanden. Soweit der Kläger beantragt habe, die Beklagte zur Gewährung von Entschädigungsleistungen zu verurteilen, sei die Klage bereits unzulässig. Der Verfügungssatz des zur Überprüfung gestellten Bescheids vom 24.07.2001 enthalte zwar den Hinweis, dass ein Entschädigungsanspruch mangels Vorliegens einer BK nicht bestehe, konkrete Leistungen würden aber nicht benannt. Die Gewährung bestimmter Leistungen habe der Kläger seinerzeit auch nicht beantragt. Der Bescheid vom 24.07.2001 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.01.2002) sei deshalb dahingehend auszulegen, dass lediglich die Anerkennung eines Versicherungsfalls im Sinne einer BK abgelehnt werden sollte.
Die Klage sei auch insoweit unzulässig als der Kläger hilfsweise eine Entschädigung als "Wie-BK" gemäß § 551 Abs. 2 RVO bzw. § 9 Abs. 2 SGB VII begehre. Auch insoweit fehle es an einem korrespondierenden Verwaltungsakt. Über einen solchen Anspruch habe die Beklagte weder durch Bescheid vom 24.07.2001 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.01.2002) noch durch Bescheid vom 07.06.2016 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.10.2016) entschieden.
Letztlich sei die Klage unbegründet, soweit der Kläger die Zurücknahme des Bescheids vom 24.07.2001 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.01.2002) und die Anerkennung seiner Wirbelsäulenbeschwerden als BK nach Nr. 2108, Nr. 2109 oder Nr. 2110 der Anl. 1 zur BKV begehre. Eine Anerkennung sei aufgrund der einschlägigen Stichtagsregelung ausgeschlossen. Die streitgegenständlichen BK seien erst durch die Zweite Verordnung zur Änderung der BKV vom 18.12.1992 in die BK-Liste aufgenommen worden. Sie könnten zwar rückwirkend geltend gemacht werden, allerdings nur, wenn der Versicherungsfall nach dem 31.03.1988 eingetreten sei. Dies sei hier nicht der Fall. Aus den vorliegenden medizinischen Befundunterlagen ergebe sich, dass die Rückenbeschwerden schon seit 1977 aufgetreten seien. Seit 1983 seien zudem erhebliche degenerative Veränderungen sowie Bandscheibenvorfälle und Bandscheibenprotrusionen durch bildgebende Verfahren nachgewiesen. Objektive Umstände, die den Eintritt des Versicherungsfalls erst nach dem 31.03.1988 begründen könnten, seien weder vom Kläger vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.
Gegen diesen ihm gemäß Empfangsbekenntnis am 19.03.2018 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 05.04.2018 unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vorbringens schriftlich beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Zur weiteren Begründung legt er einen Befundbericht des Arztes für Urologie H. vom 26.09.2000 und einen Bescheid des Versorgungsamts F. über die Feststellungen nach § 4 des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) vom 15.04.1988 vor. Der Arzt für Urologie H. diagnostizierte beim Kläger eine Testalgie beidseits, ein chronisches Wirbelsäulensyndrom, Adipositas permagna und einen Zustand nach Herzinfarkt. Im Bescheid des Versorgungsamts Freiburg vom 15.04.1988 wurden ein Bandscheibenleiden mit Vorfall und Wurzelreizerscheinungen sowie eine Sehminderung als Behinderungen festgestellt. Der Grad der Behinderung (GdB) betrage 40 seit 10.02.1988.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 15.03.2018 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 07.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.10.2016 zu verurteilen, den Bescheid vom 24.07.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.01.2002 zurückzunehmen und seine LWS-Erkrankung als Listen-BK nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV anzuerkennen und ihm Entschädigungsleistungen, insbesondere in Form einer Verletztenrente und von Übergangsleistungen zu gewähren,
hilfsweise,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 15.03.2018 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 07.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.10.2016 zu verurteilen, den Bescheid vom 24.07.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.01.2002 zurückzunehmen und seine LWS-Erkrankung als Wie-BK gemäß § 551 Abs. 2 RVO oder § 9 Abs. 2 SGB VII anzuerkennen und ihm Entschädigungsleistungen, insbesondere in Form einer Verletztenrente und von Übergangsleistungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält ihre Entscheidung für rechtmäßig und den angegriffenen Gerichtsbescheid des SG für zutreffend. Der vom Kläger vorgelegte Bescheid über die Feststellung von Behinderungen nach dem SchwbG stütze das Klagebegehren nicht. Der Bescheid belege vielmehr, dass beim Kläger bereits vor dem 01.04.1988 ein massives Wirbelsäulenleiden vorgelegen habe.
Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten, die Akten des SG und die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte über die Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, nachdem die Beteiligten sich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben.
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Die Berufung ist statthaft, da Berufungsausschließungsgründe nicht eingreifen (vgl. §§ 143, 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG) und auch im Übrigen zulässig; insbesondere wurden die maßgeblichen Form– und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) beachtet. Die Berufung ist jedoch unbegründet, das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Gegenstand der kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (zur Klageart bei im Wege des Zugunstenverfahrens verfolgten Begehren vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 03.04.2001, B 4 RA 22/00 R; abweichend BSG, Urteil vom 05.09.2006, B 2 U 24/05 R, beide in juris) ist der Bescheid der Beklagten vom 07.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.10.2016, mit dem die Beklagte es abgelehnt hat, den Bescheid vom 24.07.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.01.2002 zurückzunehmen und das Vorliegen der im Berufungsverfahren nur noch begehrten BK nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV festzustellen. In prozessualer Hinsicht steht dem Kläger ein Wahlrecht zu, ob er sein Begehren im Wege einer kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage im Sinne der §§ 54 Abs. 1 Satz 1, 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG oder mit einer Kombination aus einer Anfechtungsklage gegen den das Nichtbestehen des von ihm erhobenen Anspruchs feststellenden Verwaltungsakt und einer Verpflichtungsklage verfolgen will (vgl. dazu BSG, Urteil vom 05.07.2011, B 2 U 17/10 R, juris). Von diesem Wahlrecht hat der Kläger, wie sich aus seinem schriftsätzlich gestellten Antrag ergibt, im Sinne einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage Gebrauch gemacht und ausdrücklich eine Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung einer BK bzw. einer Wie-BK beantragt.
Der angegriffene Bescheid vom 07.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.10.2016 erweist sich als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheids vom 24.07.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.01.2002; die Voraussetzungen für die begehrte Anerkennung einer BK durch die Beklagte haben nicht vorgelegen (dazu unter 1.). Soweit der Kläger hilfsweise die Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung seines Wirbelsäulenleidens als Wie-BK begehrt, fehlt es schon an der Zulässigkeit der Klage (dazu unter 2.). Das Gleiche gilt für das vom Kläger weiterhin im Wege der Leistungsklage verfolgte Begehren auf Gewährung von Entschädigungsleistungen (dazu unter 3.).
1. Rechtsgrundlage für das im Zugunstenverfahren verfolgte Begehren auf Rücknahme des Bescheids vom 24.07.2001 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.01.2002) ist § 44 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass dieses Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Die Voraussetzungen dieser Norm liegen nicht vor. Die Beklagte hat bei Erlass des Bescheids vom 24.07.2001 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.01.2002) weder das Recht unrichtig angewandt, noch ist sie von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erweist. Sie hat diesen Bescheid deshalb zur Recht nicht zurückgenommen.
Anspruchsgrundlage für die mit dem Hauptantrag begehrte Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung einer Listen-BK ist § 551 Abs. 1 RVO. Diese Vorschrift ist zwar mit Wirkung vom 01.01.1997 durch § 9 Abs. 1 SGB VII ersetzt worden, jedoch sind die bisherigen Vorschriften (der RVO) auf vor diesem Zeitpunkt eingetretene Versicherungsfälle weiterhin anzuwenden (Art. 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz, § 212 SGB VII). Abgesehen davon haben sich die Voraussetzungen für eine Entschädigung einer Krankheit als BK mit der Einführung des SGB VII nicht geändert, sodass das Ergebnis des Rechtsstreits von dieser Frage nicht abhängt (BSG, Urteil vom 13.06.2006, B 8 KN 3/05 U R, juris).
Auch der Senat kann offen lassen, ob die (weiteren) Voraussetzungen für die Feststellung des Wirbelsäulenleidens des Klägers als BK nach Nr. 2108 der Anl. 1 zur BKV vorliegen; denn der begehrten Feststellung einer BK steht die Stichtagsregelung des § 6 Abs. 2 BKV (hier noch in der bis 30.09.2002 geltende Fassung [a.F.]; die Regelung findet sich inhaltsgleich nun in § 6 Abs. 6 BKV) entgegen. Nach dieser Vorschrift ist, wenn ein Versicherter am 01.01.1993 an einer Krankheit gelitten hat, die erst auf Grund der Zweiten Verordnung zur Änderung der BKV vom 18.12.1992 (BGBl. I S. 2343) als BK anerkannt werden kann, die Krankheit (nur dann) auf Antrag als BK anzuerkennen, wenn der Versicherungsfall nach dem 31.03.1988 eingetreten ist. Diese Voraussetzung liegt im Fall des Klägers, wie das SG zutreffend entschieden hat, nicht vor. Selbst wenn die medizinischen und arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Feststellung eine BK vorliegen würden, wäre der Versicherungsfall hier lange vor dem Stichtag eingetreten.
Wirbelsäulenbelastend war allein die berufliche Tätigkeit, die der Kläger bei der Firma R. ausgeübt und die er am 13.02.1981 aufgegeben hat. Der Kläger hat selbst gegenüber der Beklagten angegeben, die ganz erheblichen Wirbelsäulenbeschwerden, an denen er seit 1977 gelitten habe, seien der Grund für die Aufgabe der Tätigkeit bei der Firma R. gewesen. Diese Angabe deckt sich mit sämtlichen aktenkundigen medizinischen Befunden. Auch in dem vom Kläger im Verlauf des Klageverfahrens vorgelegten Bericht der Fachklinik E. in H. vom 12.10.2004 berichten die behandelnden Ärzte und Dipl.-Psychologen, der Kläger habe angegeben, seit über 20 Jahren an erheblichen LWS-Beschwerden zu leiden. Die vom Kläger zur Begründung der Berufung vorgelegten Unterlagen stehen dem, worauf die Beklagte zu Recht hingewiesen hat, nicht entgegen, sondern bestätigen vielmehr die Feststellungen des SG zum Eintritt des Versicherungsfalls. Der Facharzt für Urologie H. macht in seinem Bericht vom 26.09.2000 zwar keine Angaben zum Zeitpunkt des erstmaligen Auftretens von Wirbelsäulenbeschwerden, sondern berichtet lediglich über rezidivierende Schmerzen in beiden Hoden, die seit Jahren bestünden. Dem vorgelegten Bescheid des Versorgungsamts Freiburg vom 15.04.1988 kann demgegenüber aber entnommen werden, dass die festgestellten Behinderungen ("Bandscheibenleiden mit Vorfall und Wurzelreizerscheinungen, Sehminderung") am 10.02.1988 (Antragseingang beim Versorgungsamt) – und damit vor dem Stichtag – vorgelegen haben und mit einem GdB von 40 bewertet worden sind. Nachdem die Feststellungen des Versorgungsamts in zeitlicher Hinsicht ersichtlich auf den Zeitpunkt der Antragstellung Bezug nehmen, steht der Inhalt des Bescheids vom 15.04.1988 den Angaben des Klägers, er habe schon seit 1977 unter erheblichen Wirbelsäulenbeschwerden gelitten, nicht entgegen. Gerade wegen dieser Angaben des Klägers selbst steht im Ergebnis auch zur vollen Überzeugung des Senats fest, dass ein Versicherungsfall – die übrigen Anerkennungsvoraussetzungen unterstellt – deutlich vor dem 01.04.1988 eingetreten sein muss. Die Anerkennung einer BK nach Nr. 2108 der Anl. 1 zur BKV ist damit gemäß § 6 Abs. 2 BKV a.F. ausgeschlossen.
2. Soweit der Kläger auch mit der Berufung hilfsweise die Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung einer sogenannten Wie-BK begehrt, ist die Berufung ebenfalls unbegründet; das SG hat die Klage auch insoweit zu Recht als unzulässig abgewiesen. Es fehlt an einem über das insoweit geltend gemachte Begehren verfügenden Bescheid, der in diesem Verfahren angegriffen oder Gegenstand des Verfahrens wurde. Maßgebliche Rechtsgrundlage für das auch insoweit im Wege des Zugunstenverfahrens geltend gemachte Begehren ist noch § 551 Abs. 2 RVO, der nach der Übergangsregelung des § 212 SGB VII weiterhin einschlägig ist, weil im Fall des Klägers ein Versicherungsfall in jedem Fall nur vor Inkrafttreten des SGB VII am 01.01.1997 in Betracht kommt. Nach § 551 Abs. 2 RVO sollen die Träger der Unfallversicherung im Einzelfall eine Krankheit, auch wenn sie nicht in der Rechtsverordnung (gemeint ist die BKV) bezeichnet ist oder die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine BK entschädigen, sofern nach neuen Erkenntnissen die Voraussetzungen des § 551 Abs. 1 RVO vorliegen. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG, der der erkennende Senat sich anschließt, setzt die Feststellung des Vorliegens einer Wie-BK folgende Tatbestandsmerkmale voraus: (1.) das Nicht-Vorliegen der Voraussetzungen für eine in der BKV bezeichnete Krankheit, (2.) das Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen für die Bezeichnung der geltend gemachten Krankheit als BK nach § 551 Abs. 1 Satz 2 RVO bzw. § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII, (3.) nach neuen Erkenntnissen (§ 551 Abs. 2 RVO) bzw. nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen (§ 9 Abs. 2 SGB VII) sowie (4.) die individuellen Voraussetzungen für die Feststellung dieser Krankheit als Wie-BK im Einzelfall bei dem Versicherten (BSG, Urteil vom 13.02.2013, B 2 U 33/11 R, juris m.w.N.). § 551 Abs. 2 RVO (bzw. § 9 Abs. 2 SGB VII) enthält dabei allerdings keine "Härteklausel", nach der jede durch eine versicherte Tätigkeit verursachte Krankheit als "Wie-BK" anzuerkennen wäre (BSG a.a.O. m.w.N.).
Eine Entscheidung über das Vorliegen dieser Tatbestandsvoraussetzungen und damit über die Frage, ob das Wirbelsäulenleiden des Klägers als Wie-BK gemäß § 551 Abs. 2 RVO (oder gemäß § 9 Abs. 2 SGB II) anzuerkennen ist, hat die Beklagte mit Bescheid vom 24.07.2001 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.01.2002), dessen Rücknahme allein Gegenstand dieses Verfahrens ist, nicht getroffen. Eine solche Entscheidung ist vielmehr Gegenstand des hier nicht streitgegenständlichen Bescheids vom 11.07.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.10.2017 und damit des beim SG anhängigen Klageverfahrens S 17 U 4102/17.
Im Übrigen wäre auch für die Anerkennung einer Wie-BK nach § 551 Abs. 2 RVO (oder nach § 9 Abs. 2 SGB VII) Voraussetzung, dass der Versicherungsfall erst nach dem 31.03.1988 eingetreten ist. Die Stichtagsregelung des § 6 Abs. 2 BKV a.F. findet auch auf Ansprüche nach § 551 Abs. 2 RVO Anwendung. Dies ist, wie das BSG wiederholt entschieden hat, auch mit höherrangigem Recht vereinbar (BSG, Urteil vom 13.06.2006, B 8 KN 3/05 U R, juris m.w.N.).
3. Letztlich ist die Berufung auch unbegründet, soweit der Kläger (weiterhin) nicht nur die Feststellung einer BK, sondern auch die Gewährung von Entschädigungsleistungen, insbesondere in Form einer Verletztenrente und von Übergangsleistungen begehrt. Über die Gewährung von Sozialleistungen, zu denen auch die vom Kläger begehrten Leistungen (Verletztenrente und Übergangsleistungen) gehören, ist vor Klageerhebung in einem Verwaltungsverfahren zu befinden, das mit einem Verwaltungsakt abschließt, gegen den die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage oder Anfechtungs- und Leistungsklage zulässig ist (§ 54 Abs. 1, 2, 4 SGG; BSG, Urteil vom 16.11.2005, B 2 U 28/04 R, juris). Eine solche Entscheidung ist bezüglich der begehrten Entschädigungsleistungen mit dem hier zur Überprüfung gestellten Bescheid vom 24.07.2001 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.01.2002) nicht getroffen worden. Dieser Bescheid hat lediglich die Nicht-Anerkennung des Wirbelsäulenleidens des Klägers als BK nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV (und die hier nicht streitgegenständlichen BK nach Nr. 2109 und Nr. 2110 der Anlage 1 zur BKV) zum Gegenstand gehabt. Über Ansprüche auf Geld- oder Sachleistungen im Zusammenhang mit der Wirbelsäulenerkrankung ist dagegen nicht entschieden worden.
Zutreffend hat das SG darauf hingewiesen, dass der Verfügungssatz des Bescheids vom 24.07.2001 zwar den Hinweis enthält, dass ein Entschädigungsanspruch mangels Vorliegens einer BK nicht bestehe; der Senat teilt aber die Auffassung des SG, dass dieser Hinweis allein nicht genügt, um den Bescheid (auch) als Entscheidung über die Gewährung von Entschädigungsleistungen zu werten. Bei der Auslegung von Verwaltungsakten ist in Anwendung der für Willenserklärungen maßgeblichen Grundsätze (§§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches) vom objektiven Sinngehalt ihrer Erklärungen auszugehen, wie sie der Empfänger bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalls objektiv verstehen musste, wobei der der Bestandskraft (Bindungswirkung) zugängliche Verfügungssatz zugrunde zu legen und zur Klärung seines Umfangs die Begründung des Bescheids zu berücksichtigen ist (BSG a.a.O. m.w.N.)
In Anwendung dieser Grundsätze kann der Bescheid vom 24.07.2001 nicht im Sinne einer Entscheidung über die Gewährung oder Nichtgewährung bestimmter Entschädigungsleistungen ausgelegt werden. Weder dem Verfügungssatz des Bescheids noch dessen Begründung kann entnommen werden, dass über bestimmte konkrete Leistungen entschieden werden sollte. Solche Leistungen werden im Bescheid auch nicht benannt. Zudem hat der Kläger auch keinen Antrag auf Bewilligung bestimmter Leistungen gestellt. Damit ergibt sich nicht nur aus dem Inhalt des Bescheids, sondern auch aus sämtlichen Begleitumständen, dass – trotz des missverständlichen Verfügungssatzes – lediglich eine Entscheidung über die Feststellung einer BK und nicht über konkrete Leistungsansprüche getroffen werden sollte.
Ergänzend nimmt der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die Entscheidungsgründe der angegriffenen Entscheidung des SG Bezug und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung eigener Gründe ab.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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