Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 R 2256/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 BA 3452/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Das Betriebsprüfungsverfahren nach § 28p SGB IV ist ein "Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung" iSd § 7a SGB IV. Ein solches Verfahren steht einer Statusfeststellung nach § 7a
SGB IV für eine Beschäftigung auch dann entgegen, wenn die Betriebsprüfung mit Erlass eines Prüf- bzw. Beitragsbescheides abgeschlossen wurde und in diesem Bescheid die von der Betriebsprüfung erfassten Beschäftigungen durch Beifügung einer Namensliste (= Regelung iSd § 31 Satz 1 SGB X) konkretisiert werden.
Dies gilt auch, wenn der Beschäftigte, dessen Name in der Namensliste aufgeführt wird, am Verfahren der Betriebsprüfung nicht beteiligt war. Ihm gegenüber wird die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Tätigkeit allerdings nur wirksam, wenn ihm die im Betriebsprüfungsbescheid
getroffene Regelung bekanntgegeben wurde.
SGB IV für eine Beschäftigung auch dann entgegen, wenn die Betriebsprüfung mit Erlass eines Prüf- bzw. Beitragsbescheides abgeschlossen wurde und in diesem Bescheid die von der Betriebsprüfung erfassten Beschäftigungen durch Beifügung einer Namensliste (= Regelung iSd § 31 Satz 1 SGB X) konkretisiert werden.
Dies gilt auch, wenn der Beschäftigte, dessen Name in der Namensliste aufgeführt wird, am Verfahren der Betriebsprüfung nicht beteiligt war. Ihm gegenüber wird die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Tätigkeit allerdings nur wirksam, wenn ihm die im Betriebsprüfungsbescheid
getroffene Regelung bekanntgegeben wurde.
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27.08.2018 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Durchführung des Statusfeststellungsverfahrens für seine bei A. Bildungszentrum K. ausgeübte Tätigkeit.
Der 1971 geborene Kläger war von Oktober 2011 bis Juli 2016 bei A. Bildungszentrum K. als Dozent auf Honorarbasis tätig. Im Rahmen einer Betriebsprüfung (Prüfzeitraum 01.01.2009 bis 31.12.2012) überprüfte die Beklagte den sozialversicherungsrechtlichen Status der auf Honorarbasis bei A. Bildungszentrum tätigen Dozenten und stellte mit Bescheid vom 02.09.2014 – nachgehend zum Prüfbescheid vom 10.12.2013 - fest, dass die vom Arbeitgeber getroffene Beurteilung als selbstständige Tätigkeit für diesen Personenkreis zutreffend sei. Zur grundsätzlichen Klärung seien stichprobenhaft zehn Dozenten befragt worden. Mit allen Dozenten sei der gleiche standardisierte Dozentenvertrag geschlossen worden. Bei den auf Honorarbasis tätigen Dozenten habe keine arbeitnehmertypische Weisungsgebundenheit bestanden, ihre Pflichten seien begrenzt auf zeitlich und sachlich befristete Lehraufträge. Dem Bescheid war eine Liste mit den Namen der auf Honorarbasis tätigen Dozenten beigefügt, darunter auch der Kläger.
Die Ergebnisse des Betriebsprüfungsverfahrens wurden an die für die einzelnen Dozenten zuständigen Rentenversicherungsträger weitergegeben zur Prüfung der Versicherungspflicht. Die Beklagte stellte daraufhin mit Bescheid vom 21.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.02.2016 die Versicherungspflicht als Lehrer nach § 2 Satz 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) in der gesetzlichen Rentenversicherung fest und forderte ab 24.10.2011 den halben, ab 01.01.2015 den vollen Regelbeitrag (insgesamt für die Zeit vom 24.10.2011 bis zunächst 31.10.2015 15.156,37 EUR). Der Kläger führte deswegen ein Verfahren vor dem Sozialgericht Mannheim (S 6 R 740/16). Einen Antrag des Klägers auf Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs 1a Satz 1 Nr 1 SGB VI lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 07.01.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.06.2016 ab. Das dagegen eingeleitete Klageverfahren (S 6 R 1929/16) wurde vom SG Mannheim mit dem bereits anhängigen Verfahren verbunden. Beide Verfahren endeten durch Vergleich: Die Beklagte erklärte sich bereit, Beiträge erst ab 01.01.2012 zu erheben, bis 31.12.2015 zunächst mit dem halben, ab 01.01.2016 mit dem vollen Regelbeitrag, auf Antrag einkommensgerechte Beiträge. Im Übrigen nahm der Kläger die Klagen zurück und stellte im Termin vom 13.10.2016 zu Protokoll des Gerichts einen Antrag auf Statusfeststellung für seine Tätigkeit bei A. Bildungszentrum. Für den Fall, dass im Statusfeststellungsverfahren eine abhängige Beschäftigung festgestellt wird, sollten die Bescheide nach § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI aufgehoben werden.
Mit Bescheid vom 02.02.2017 lehnte die Beklagte den Antrag ab und verwies darauf, dass ein Statusfeststellungsverfahren nach § 7a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) entfalle, wenn bereits eine Entscheidung über den Status getroffen worden sei. Dies sei im Rahmen des Betriebsprüfungsverfahrens mit Bescheid vom 02.09.2014 bereits erfolgt. Änderungen in der rechtlichen oder tatsächlichen Ausgestaltung der Tätigkeit seien nicht ersichtlich. Für weitere Tätigkeitszeiträume außerhalb des Prüfzeitraums gelte daher die mit Bescheid vom 02.09.2014 vorgenommene Beurteilung. Ein Rechtsschutzbedürfnis für ein weiteres Statusfeststellungsverfahren sei nicht gegeben.
Mit seinem am 03.03.2017 erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, ihm sei der Bescheid vom 02.09.2014 nicht zugegangen, er sei auch bei der Betriebsprüfung nicht befragt oder hierüber informiert worden. Mit Schreiben vom 07.04.2017 übersandte die Beklagte dem Kläger den Bescheid vom 02.09.2014. Der Kläger antwortete hierauf am 27.04.2017, er lege "zur Fristwahrung zu dem Schreiben der DRV Statusfeststellungsverfahren vom 07.04.2017 Widerspruch ein". Er halte seinen Widerspruch aufrecht, da keine Einzelfallprüfung zu seiner Person stattgefunden habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 08.06.2017 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Durch die Betriebsprüfung sei bereits über den sozialversicherungsrechtlichen Status entschieden und eine selbstständige Tätigkeit festgestellt worden. Ein Statusfeststellungsverfahren sei daher nicht durchzuführen.
Hiergegen richtet sich die am 04.07.2017 zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobene Klage. Der Kläger ist der Auffassung, dass die stichprobenartige Betriebsprüfung bei über 100 zu prüfenden Sachverhalten nicht repräsentativ sei. Seine Belange seien in der Betriebsprüfung nicht berücksichtigt worden. Bei einer Einzelfallprüfung wäre die Beklagte zu dem Ergebnis gekommen, dass er abhängig beschäftigt gewesen sei. Er fühle sich durch das frühere Gerichtsverfahren getäuscht. Wenn er gewusst hätte, dass ein erneutes Statusfeststellungsverfahren abgelehnt würde, hätte er der Schlichtung so nicht zugestimmt.
Mit Gerichtsbescheid vom 27.08.2018 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Durchführung einer Statusfeststellung betreffend seine Tätigkeit bei A. Bildungszentrum. Dies ergebe sich aus der Sperrwirkung der durchgeführten Betriebsprüfung. Hierbei sei das angegebene Auftragsverhältnis versicherungsrechtlich beurteilt worden. Nach § 11 der Beitragsverfahrensverordnung (BVV) könne die Prüfung auf Stichproben beschränkt werden. Wie sich aus der dem Bescheid vom 02.09.2014 beigefügten Liste entnehmen lasse, sei der Kläger von der Betriebsprüfung umfasst gewesen. Eine Überprüfung jedes einzelnen Dozenten – hier über 100 – sei bei einer zulässigen Stichprobenprüfung nicht erforderlich. Die Sperrwirkung trete auch bei einer auf dieser Grundlage erfolgten Prüfung ein. Das Ergebnis der Betriebsprüfung sei dem Kläger auch bekanntgegeben worden. Darüber hinaus hätte er zu Beginn der Tätigkeit bzw vor Einleitung der Betriebsprüfung einen Antrag auf Statusfeststellung stellen können, wenn er mit der Einstufung seiner Tätigkeit als Selbstständiger nicht konformgegangen wäre.
Gegen den ihm am 28.08.2018 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 25.09.2018 eingelegte Berufung des Klägers. Er macht geltend, dass ihm vom Sozialgericht Mannheim in der Verhandlung am 13.10.2016 die Durchführung einer Statusprüfung zugesichert worden sei. Es sei unzutreffend, dass er der Betriebsprüfung und deren Ergebnissen nicht widersprochen habe. Er habe in mehreren Schreiben darauf hingewiesen, dass er nicht eingebunden gewesen sei. Die Fragenkataloge etc seien ihm auf mehrfache Nachfrage unkommentiert verweigert worden.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27.08.2018 und den Bescheid der Beklagten vom 02.02.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.06.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, das Statusfeststellungsverfahren bezogen auf die Tätigkeit bei A. Bildungszentrum durchzuführen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie nimmt Bezug auf ihren Vortrag in erster Instanz und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheids.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge, die Akte des SG Mannheim S 6 R 740/16 und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Die form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) und statthafte (§§ 143, 144 SGG) Berufung ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Der Bescheid vom 02.02.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.06.2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Durchführung eines Statusfeststellungsverfahrens durch die Beklagte hinsichtlich seiner bei A. K. ausgeübten Tätigkeit als Dozent.
Nach § 7a Abs 1 Satz 1 SGB IV können die Beteiligten schriftlich oder elektronisch eine Entscheidung beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Die Sperrwirkung durch ein "Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung" betrifft von der jeweiligen Zielrichtung her letztlich nur das Einzugsstellenverfahren nach § 28h SGB IV und das Betriebsprüfungsverfahren nach § 28p SGB IV (BSG 29.6.2016, B 12 R 5/14 R, BeckRS 2016, 74221). Eine Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV steht der Einleitung eines Statusverfahrens nach § 7a SGB IV dabei nur dann entgegen, wenn das konkrete Beschäftigungsverhältnis Gegenstand der Betriebsprüfung war (LSG Baden-Württemberg 28.3.2017, L 11 R 1310/16, DStR 2017, 1540).
Dies ist hier der Fall. Mit Bescheid vom 02.09.2014 hat die Beklagte ausdrücklich im Rahmen der Betriebsprüfung die Tätigkeit der bei A. Bildungszentrum K. tätigen Dozenten gemäß der beigefügten Namensliste als selbstständige Tätigkeit beurteilt. Der hierdurch eingetretenen Sperrwirkung für das Statusfeststellungsverfahren nach § 7a SGB IV steht weder entgegen, dass lediglich eine Stichprobenprüfung erfolgt ist (Pietrek in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, Stand 01.10.2018, § 7a SGB IV Rn 16), noch dass der Prüfzeitraum auf die Zeit bis 31.12.2012 beschränkt war, der Kläger jedoch seine Dozententätigkeit bis Juli 2016 ausübte.
Die Prüfdienste sind bei Arbeitgeberprüfungen nicht verpflichtet eine vollständige Prüfung der versicherungsrechtlichen Verhältnisse vorzunehmen. Nach § 11 Abs 1 BVV kann die Prüfung der Aufzeichnungen des Arbeitgebers einschließlich der Beitragsnachweise unabhängig von der Betriebsgröße auf Stichproben beschränkt werden (Scheer in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, Stand 03.01.2019, § 28p SGB IV Rn 186). Bei hier über 100 Dozenten wäre eine Einzelfallprüfung auch praktisch in angemessener Zeit gar nicht durchführbar. Als Ergebnis der Stichprobenprüfung hat die Beklagte die Selbstständigkeit aller (namentlich genannten) Dozenten festgestellt, dies ist der Regelungsgehalt des Bescheids vom 02.09.2014. Ein solcher Verwaltungsakt entfaltet sowohl gegenüber dem Arbeitgeber als auch gegenüber dem Arbeitnehmer/Auftragnehmer rechtsgestaltende Wirkung (BSG 17.12.2014, B 12 R 13/13 R, SozR 4-2400 § 28p Nr 4). Auf die Bestandskraft des Bescheids zur Betriebsprüfung kommt es insoweit nicht an, denn bereits die Einleitung eines derartigen Verfahrens mit Übersendung der Prüfankündigung nach § 7 Abs 1 Satz 1 BVV steht der Statusfeststellung entgegen (BSG 04.09.2018, B 12 KR 11/17 R). Für die Frage der Sperrwirkung spielt es daher keine Rolle, dass der Kläger selbst am Verfahren der Betriebsprüfung nicht beteiligt worden ist und ihm der entsprechende Bescheid erst im Rahmen des hiesigen Verwaltungsverfahrens im April 2017 zur Kenntnis gebracht worden ist.
Da sich die tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen der Tätigkeit des Klägers als Dozent im gesamten Zeitraum von Oktober 2011 bis Juli 2016 nicht geändert haben, bewirkt die Feststellung der Selbstständigkeit dieser Tätigkeit im Betriebsprüfungsbescheid auch außerhalb des Prüfzeitraums eine Sperrwirkung (vgl Pietrek, aaO, Rn 80 ff). Ansonsten würde der Zweck der in § 7a Abs 1 Satz 1 SGB IV geregelten Sperrwirkung verfehlt, dass für ein identisches Auftragsverhältnis nicht verschiedene, ggf widersprüchliche sozialversicherungsrechtliche Beurteilungen erfolgen sollen (vgl BT-Drs 14/1855 S 7). Die Feststellung, dass es sich vorliegend um ein einheitliches, unverändertes Auftragsverhältnis gehandelt hat, stützt der Senat darauf, dass der Tätigkeit des Klägers im gesamten Zeitraum der von A. Bildungszentrum verwendete standardisierte Dozentenvertrag als Rahmenvertrag sowie gleichartige einzelne Beauftragungen für die jeweiligen Unterrichtszeiträume (Blatt 25-41 Akte S 6 R 740/16) zugrunde gelegen haben. Auch die Art der Vergütung erfolgte für den gesamten Zeitraum unverändert; es wurden vom Kläger jeweils die erbrachten Stunden mit dem vereinbarten Stundensatz in Rechnung gestellt (Blatt 42-73 Akte S 6 R 740/16). Auch der Kläger selbst hat zu keinem Zeitpunkt vorgetragen, dass sich hinsichtlich seiner Tätigkeit als Dozent für A. Bildungszentrum irgendwelche Veränderungen ergeben hätten.
Eine Statusfeststellung für die hier streitige Tätigkeit nach § 7a SGB IV kommt nach alledem nicht mehr in Betracht. Nur zur Klarstellung verweist der Senat darauf, dass die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Tätigkeit des Klägers im Betriebsprüfungsbescheid ihm gegenüber noch nicht bestandskräftig geworden sein dürfte. Insoweit dürfte sich dem Schreiben des Klägers vom 26.04.2017 (Blatt 19 Verwaltungsakte) ohne Weiteres entnehmen lassen, dass er auch gegen den ihm erst mit Schreiben der Beklagten vom 07.04.2017 bekanntgegebenen Bescheid vom 02.09.2014 Widerspruch einlegen wollte und sich nicht nur zur Aufrechterhaltung seines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 02.02.2017 geäußert hat. Dieser Widerspruch wäre auch noch fristgerecht gewesen. Dies ist jedoch nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Durchführung des Statusfeststellungsverfahrens für seine bei A. Bildungszentrum K. ausgeübte Tätigkeit.
Der 1971 geborene Kläger war von Oktober 2011 bis Juli 2016 bei A. Bildungszentrum K. als Dozent auf Honorarbasis tätig. Im Rahmen einer Betriebsprüfung (Prüfzeitraum 01.01.2009 bis 31.12.2012) überprüfte die Beklagte den sozialversicherungsrechtlichen Status der auf Honorarbasis bei A. Bildungszentrum tätigen Dozenten und stellte mit Bescheid vom 02.09.2014 – nachgehend zum Prüfbescheid vom 10.12.2013 - fest, dass die vom Arbeitgeber getroffene Beurteilung als selbstständige Tätigkeit für diesen Personenkreis zutreffend sei. Zur grundsätzlichen Klärung seien stichprobenhaft zehn Dozenten befragt worden. Mit allen Dozenten sei der gleiche standardisierte Dozentenvertrag geschlossen worden. Bei den auf Honorarbasis tätigen Dozenten habe keine arbeitnehmertypische Weisungsgebundenheit bestanden, ihre Pflichten seien begrenzt auf zeitlich und sachlich befristete Lehraufträge. Dem Bescheid war eine Liste mit den Namen der auf Honorarbasis tätigen Dozenten beigefügt, darunter auch der Kläger.
Die Ergebnisse des Betriebsprüfungsverfahrens wurden an die für die einzelnen Dozenten zuständigen Rentenversicherungsträger weitergegeben zur Prüfung der Versicherungspflicht. Die Beklagte stellte daraufhin mit Bescheid vom 21.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.02.2016 die Versicherungspflicht als Lehrer nach § 2 Satz 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) in der gesetzlichen Rentenversicherung fest und forderte ab 24.10.2011 den halben, ab 01.01.2015 den vollen Regelbeitrag (insgesamt für die Zeit vom 24.10.2011 bis zunächst 31.10.2015 15.156,37 EUR). Der Kläger führte deswegen ein Verfahren vor dem Sozialgericht Mannheim (S 6 R 740/16). Einen Antrag des Klägers auf Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs 1a Satz 1 Nr 1 SGB VI lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 07.01.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.06.2016 ab. Das dagegen eingeleitete Klageverfahren (S 6 R 1929/16) wurde vom SG Mannheim mit dem bereits anhängigen Verfahren verbunden. Beide Verfahren endeten durch Vergleich: Die Beklagte erklärte sich bereit, Beiträge erst ab 01.01.2012 zu erheben, bis 31.12.2015 zunächst mit dem halben, ab 01.01.2016 mit dem vollen Regelbeitrag, auf Antrag einkommensgerechte Beiträge. Im Übrigen nahm der Kläger die Klagen zurück und stellte im Termin vom 13.10.2016 zu Protokoll des Gerichts einen Antrag auf Statusfeststellung für seine Tätigkeit bei A. Bildungszentrum. Für den Fall, dass im Statusfeststellungsverfahren eine abhängige Beschäftigung festgestellt wird, sollten die Bescheide nach § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI aufgehoben werden.
Mit Bescheid vom 02.02.2017 lehnte die Beklagte den Antrag ab und verwies darauf, dass ein Statusfeststellungsverfahren nach § 7a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) entfalle, wenn bereits eine Entscheidung über den Status getroffen worden sei. Dies sei im Rahmen des Betriebsprüfungsverfahrens mit Bescheid vom 02.09.2014 bereits erfolgt. Änderungen in der rechtlichen oder tatsächlichen Ausgestaltung der Tätigkeit seien nicht ersichtlich. Für weitere Tätigkeitszeiträume außerhalb des Prüfzeitraums gelte daher die mit Bescheid vom 02.09.2014 vorgenommene Beurteilung. Ein Rechtsschutzbedürfnis für ein weiteres Statusfeststellungsverfahren sei nicht gegeben.
Mit seinem am 03.03.2017 erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, ihm sei der Bescheid vom 02.09.2014 nicht zugegangen, er sei auch bei der Betriebsprüfung nicht befragt oder hierüber informiert worden. Mit Schreiben vom 07.04.2017 übersandte die Beklagte dem Kläger den Bescheid vom 02.09.2014. Der Kläger antwortete hierauf am 27.04.2017, er lege "zur Fristwahrung zu dem Schreiben der DRV Statusfeststellungsverfahren vom 07.04.2017 Widerspruch ein". Er halte seinen Widerspruch aufrecht, da keine Einzelfallprüfung zu seiner Person stattgefunden habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 08.06.2017 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Durch die Betriebsprüfung sei bereits über den sozialversicherungsrechtlichen Status entschieden und eine selbstständige Tätigkeit festgestellt worden. Ein Statusfeststellungsverfahren sei daher nicht durchzuführen.
Hiergegen richtet sich die am 04.07.2017 zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobene Klage. Der Kläger ist der Auffassung, dass die stichprobenartige Betriebsprüfung bei über 100 zu prüfenden Sachverhalten nicht repräsentativ sei. Seine Belange seien in der Betriebsprüfung nicht berücksichtigt worden. Bei einer Einzelfallprüfung wäre die Beklagte zu dem Ergebnis gekommen, dass er abhängig beschäftigt gewesen sei. Er fühle sich durch das frühere Gerichtsverfahren getäuscht. Wenn er gewusst hätte, dass ein erneutes Statusfeststellungsverfahren abgelehnt würde, hätte er der Schlichtung so nicht zugestimmt.
Mit Gerichtsbescheid vom 27.08.2018 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Durchführung einer Statusfeststellung betreffend seine Tätigkeit bei A. Bildungszentrum. Dies ergebe sich aus der Sperrwirkung der durchgeführten Betriebsprüfung. Hierbei sei das angegebene Auftragsverhältnis versicherungsrechtlich beurteilt worden. Nach § 11 der Beitragsverfahrensverordnung (BVV) könne die Prüfung auf Stichproben beschränkt werden. Wie sich aus der dem Bescheid vom 02.09.2014 beigefügten Liste entnehmen lasse, sei der Kläger von der Betriebsprüfung umfasst gewesen. Eine Überprüfung jedes einzelnen Dozenten – hier über 100 – sei bei einer zulässigen Stichprobenprüfung nicht erforderlich. Die Sperrwirkung trete auch bei einer auf dieser Grundlage erfolgten Prüfung ein. Das Ergebnis der Betriebsprüfung sei dem Kläger auch bekanntgegeben worden. Darüber hinaus hätte er zu Beginn der Tätigkeit bzw vor Einleitung der Betriebsprüfung einen Antrag auf Statusfeststellung stellen können, wenn er mit der Einstufung seiner Tätigkeit als Selbstständiger nicht konformgegangen wäre.
Gegen den ihm am 28.08.2018 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 25.09.2018 eingelegte Berufung des Klägers. Er macht geltend, dass ihm vom Sozialgericht Mannheim in der Verhandlung am 13.10.2016 die Durchführung einer Statusprüfung zugesichert worden sei. Es sei unzutreffend, dass er der Betriebsprüfung und deren Ergebnissen nicht widersprochen habe. Er habe in mehreren Schreiben darauf hingewiesen, dass er nicht eingebunden gewesen sei. Die Fragenkataloge etc seien ihm auf mehrfache Nachfrage unkommentiert verweigert worden.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27.08.2018 und den Bescheid der Beklagten vom 02.02.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.06.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, das Statusfeststellungsverfahren bezogen auf die Tätigkeit bei A. Bildungszentrum durchzuführen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie nimmt Bezug auf ihren Vortrag in erster Instanz und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheids.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge, die Akte des SG Mannheim S 6 R 740/16 und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Die form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) und statthafte (§§ 143, 144 SGG) Berufung ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Der Bescheid vom 02.02.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.06.2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Durchführung eines Statusfeststellungsverfahrens durch die Beklagte hinsichtlich seiner bei A. K. ausgeübten Tätigkeit als Dozent.
Nach § 7a Abs 1 Satz 1 SGB IV können die Beteiligten schriftlich oder elektronisch eine Entscheidung beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Die Sperrwirkung durch ein "Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung" betrifft von der jeweiligen Zielrichtung her letztlich nur das Einzugsstellenverfahren nach § 28h SGB IV und das Betriebsprüfungsverfahren nach § 28p SGB IV (BSG 29.6.2016, B 12 R 5/14 R, BeckRS 2016, 74221). Eine Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV steht der Einleitung eines Statusverfahrens nach § 7a SGB IV dabei nur dann entgegen, wenn das konkrete Beschäftigungsverhältnis Gegenstand der Betriebsprüfung war (LSG Baden-Württemberg 28.3.2017, L 11 R 1310/16, DStR 2017, 1540).
Dies ist hier der Fall. Mit Bescheid vom 02.09.2014 hat die Beklagte ausdrücklich im Rahmen der Betriebsprüfung die Tätigkeit der bei A. Bildungszentrum K. tätigen Dozenten gemäß der beigefügten Namensliste als selbstständige Tätigkeit beurteilt. Der hierdurch eingetretenen Sperrwirkung für das Statusfeststellungsverfahren nach § 7a SGB IV steht weder entgegen, dass lediglich eine Stichprobenprüfung erfolgt ist (Pietrek in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, Stand 01.10.2018, § 7a SGB IV Rn 16), noch dass der Prüfzeitraum auf die Zeit bis 31.12.2012 beschränkt war, der Kläger jedoch seine Dozententätigkeit bis Juli 2016 ausübte.
Die Prüfdienste sind bei Arbeitgeberprüfungen nicht verpflichtet eine vollständige Prüfung der versicherungsrechtlichen Verhältnisse vorzunehmen. Nach § 11 Abs 1 BVV kann die Prüfung der Aufzeichnungen des Arbeitgebers einschließlich der Beitragsnachweise unabhängig von der Betriebsgröße auf Stichproben beschränkt werden (Scheer in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, Stand 03.01.2019, § 28p SGB IV Rn 186). Bei hier über 100 Dozenten wäre eine Einzelfallprüfung auch praktisch in angemessener Zeit gar nicht durchführbar. Als Ergebnis der Stichprobenprüfung hat die Beklagte die Selbstständigkeit aller (namentlich genannten) Dozenten festgestellt, dies ist der Regelungsgehalt des Bescheids vom 02.09.2014. Ein solcher Verwaltungsakt entfaltet sowohl gegenüber dem Arbeitgeber als auch gegenüber dem Arbeitnehmer/Auftragnehmer rechtsgestaltende Wirkung (BSG 17.12.2014, B 12 R 13/13 R, SozR 4-2400 § 28p Nr 4). Auf die Bestandskraft des Bescheids zur Betriebsprüfung kommt es insoweit nicht an, denn bereits die Einleitung eines derartigen Verfahrens mit Übersendung der Prüfankündigung nach § 7 Abs 1 Satz 1 BVV steht der Statusfeststellung entgegen (BSG 04.09.2018, B 12 KR 11/17 R). Für die Frage der Sperrwirkung spielt es daher keine Rolle, dass der Kläger selbst am Verfahren der Betriebsprüfung nicht beteiligt worden ist und ihm der entsprechende Bescheid erst im Rahmen des hiesigen Verwaltungsverfahrens im April 2017 zur Kenntnis gebracht worden ist.
Da sich die tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen der Tätigkeit des Klägers als Dozent im gesamten Zeitraum von Oktober 2011 bis Juli 2016 nicht geändert haben, bewirkt die Feststellung der Selbstständigkeit dieser Tätigkeit im Betriebsprüfungsbescheid auch außerhalb des Prüfzeitraums eine Sperrwirkung (vgl Pietrek, aaO, Rn 80 ff). Ansonsten würde der Zweck der in § 7a Abs 1 Satz 1 SGB IV geregelten Sperrwirkung verfehlt, dass für ein identisches Auftragsverhältnis nicht verschiedene, ggf widersprüchliche sozialversicherungsrechtliche Beurteilungen erfolgen sollen (vgl BT-Drs 14/1855 S 7). Die Feststellung, dass es sich vorliegend um ein einheitliches, unverändertes Auftragsverhältnis gehandelt hat, stützt der Senat darauf, dass der Tätigkeit des Klägers im gesamten Zeitraum der von A. Bildungszentrum verwendete standardisierte Dozentenvertrag als Rahmenvertrag sowie gleichartige einzelne Beauftragungen für die jeweiligen Unterrichtszeiträume (Blatt 25-41 Akte S 6 R 740/16) zugrunde gelegen haben. Auch die Art der Vergütung erfolgte für den gesamten Zeitraum unverändert; es wurden vom Kläger jeweils die erbrachten Stunden mit dem vereinbarten Stundensatz in Rechnung gestellt (Blatt 42-73 Akte S 6 R 740/16). Auch der Kläger selbst hat zu keinem Zeitpunkt vorgetragen, dass sich hinsichtlich seiner Tätigkeit als Dozent für A. Bildungszentrum irgendwelche Veränderungen ergeben hätten.
Eine Statusfeststellung für die hier streitige Tätigkeit nach § 7a SGB IV kommt nach alledem nicht mehr in Betracht. Nur zur Klarstellung verweist der Senat darauf, dass die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Tätigkeit des Klägers im Betriebsprüfungsbescheid ihm gegenüber noch nicht bestandskräftig geworden sein dürfte. Insoweit dürfte sich dem Schreiben des Klägers vom 26.04.2017 (Blatt 19 Verwaltungsakte) ohne Weiteres entnehmen lassen, dass er auch gegen den ihm erst mit Schreiben der Beklagten vom 07.04.2017 bekanntgegebenen Bescheid vom 02.09.2014 Widerspruch einlegen wollte und sich nicht nur zur Aufrechterhaltung seines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 02.02.2017 geäußert hat. Dieser Widerspruch wäre auch noch fristgerecht gewesen. Dies ist jedoch nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved