Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 14 R 23/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 518/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 25. Januar 2017 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen Ziffer 1 bis 4.
Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens (§ 7a Abs. 1 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VI]) über die Versicherungspflicht des Beigeladenen Ziffer 1 (im Folgenden Beigeladener) in der gesetzlichen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung in einer für die Klägerin im Zeitraum vom 18.07.2011 bis 11.11.2014 erbrachten Tätigkeit.
Der 1952 geborene Beigeladene war im streitgegenständlichen Zeitraum – neben den Arbeitnehmern Frau S. und Herrn W. - im Außendienst bei der Klägerin, einer Kommanditgesellschaft, die einen Reifengroßhandel betreibt, tätig. Nach Beendigung der Tätigkeit stellte der Beigeladene mit Schreiben vom 08.12.2014 bei der Beklagten einen Antrag auf Feststellung seines sozialversicherungsrechtlichen Status. Hierbei gab er an, im Außendienst für die Kundenbetreuung sowie Kundenneugewinnung zuständig gewesen zu sein, weiterhin Reifen ausgefahren und Außenstände eingetrieben zu haben, in der Winter- und Sommersaison vorgeschriebene Kunden angerufen bzw. besucht zu haben, um die Menge der Reifenbevorratung festzustellen. Täglich seien zwischen acht und zehn Kundenbesuche zu machen gewesen, die dokumentiert worden seien. Freitags sei Bürotag gewesen. In der Reifensaison sei er morgens angerufen worden, er müsse Reifen ausfahren. Ihm sei auch mitgeteilt worden, welche Kunden er aufsuchen müsse, um Außenstände einzutreiben. In der Hauptsaison habe eine Urlaubssperre bestanden, Urlaub habe schriftlich beantragt werden müssen. Es sei ein festes Außendienstgebiet festgelegt worden, in dem jeder Kunde besucht werden sollte. Eine Auftragsablehnung sei nicht möglich gewesen. Es hätten Dienstbesprechungen stattgefunden sowie Schulungsmaßnahmen, mit dem Außendienst und Verkauf habe Teamarbeit bestanden. Werbemittel, Pkw, Navigationsgerät, Handy und Arbeitskleidung seien von der Klägerin zur Verfügung gestellt worden. Er habe kein Kapital eingesetzt und dieselben Rechte und Pflichten gehabt wie die anderen Angestellten vom Außendienst, ein schriftlicher Vertrag sei nicht geschlossen worden. Mündlich sei eine Tagespauschale von 100,00 EUR vereinbart worden plus eine Provision in Höhe von 50,00 EUR für Neukunden-Akquise. Der Beigeladene legte der Beklagten die von ihm erstellten Rechnungen vor, die zumeist mengenmäßig ausgewiesene Rechnungsbeträge für "Außendienst und Telefonakquise" sowie in den Monaten Februar 2012, Mai 2012 August 2012 und Oktober 2013 zusätzlich Bonusbeträge enthielten. Weiterhin gab er u.a. Kopien von Fahrtenbüchern, Berichte über Außenstände, Tagesabrechnungen, Gesprächsprotokolle, Listen über Kundentouren, Berichte über Kundenbesuche und E-Mail-Kopien zu den Akten.
Die Klägerin gab auf Nachfrage der Beklagten an, der Beigeladene sei für die Außendienstätigkeit, die Betreuung der Kunden sowie das Anwerben von neuen Kunden zuständig gewesen. Vorgaben seien nicht erteilt worden, die Liste der Kundenbesuche sei nicht kontrolliert worden. Auch seien keine festen Arbeitszeiten und Anwesenheitszeiten einzuhalten gewesen, Vorgaben durch den Auftraggeber seien nicht erfolgt. Die Tätigkeit sei im Außendienst ausgeübt worden, d.h. vor Ort bei den Kunden. Eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers sei nicht erfolgt. Es seien keine Einsatztermine vorgegeben worden, sondern es habe nur eine Kundenliste der zu besuchenden Kunden gegeben, die weitere Gestaltung sei frei gewesen. Der Beigeladene habe ein Protokoll über die jeweiligen Kundenbesuche geführt. Tätigkeitsanweisungen oder Richtlinien für freie Mitarbeiter seien nicht herausgegeben worden. Dem Beigeladenen sei ein Fahrzeug zur Verfügung gestellt worden. Bestimmte Kleidung habe er nicht tragen müssen.
Nachdem die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 30.03.2015 zur Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status angehört hatte, erging am 27.04.2015 gegenüber der Klägerin und dem Beigeladenen ein Feststellungsbescheid, wonach der Beigeladene die Tätigkeit als Außendienstmitarbeiter bei der Klägerin im Zeitraum vom 18.07.2011 bis 11.11.2014 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt habe, in dem Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestanden habe. Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis seien die Zahlung eines Pauschalhonorars sowie die Pflicht des Beigeladenen, die ihm überlassene Kundenliste abzuarbeiten bei einem von der Klägerin vorgegebenen Aktionsradius. Die grobe Zeiteinteilung sei von der Klägerin vorgegeben gewesen (z.B. Freitag ist Bürotag), die Kundenbesuche seien zu protokollieren gewesen und der Beigeladene habe die Arbeitsmittel des Auftraggebers genutzt und die Tätigkeit höchstpersönlich ausgeübt, ohne eigenes Kapital eingesetzt zu haben. Die Arbeitskleidung sei dem Beigeladenen zur Verfügung gestellt worden, Schulungen seien durch die Klägerin vorgeschrieben und durchgeführt worden, und Dienstbesprechungen hätten nur bei der Klägerin stattgefunden.
Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 12.08.2015 Widerspruch ein mit der Begründung, der Beigeladene sei ein Bekannter des ehemaligen Firmeninhabers Herrn R. und sei damals an diesen herangetreten. Er habe gefragt, ob er nicht im Außendienst für die Klägerin tätig werden könne, nachdem er mit seiner Immobilienvermittlung nicht ausgelastet sei. Hierbei habe er angegeben, dass Scheinselbstständigkeit nicht zu befürchten sei. Es seien Provisionen gezahlt worden, die der Beigeladene nur anders tituliert habe. Bei der Abarbeitung der Kundenliste sei er in der Zeiteinteilung frei gewesen. Ein Aktionsradius habe nur bestanden, weil die Firma nur bis zu einem bestimmten Radius Ware ausliefern könne. Er habe die Tätigkeit höchstpersönlich ausgeübt, weil er keine Beschäftigten gehabt habe. Weisungen seien in Bezug auf Zeit, Dauer sowie Art und Weise der Arbeit nicht erteilt worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 02.12.2015 wurde der Widerspruch mit der Begründung zurückgewiesen, entgegen der Darstellung der Klägerin sei der Beigeladene hinsichtlich Zeit, Ort, Dauer und Art der Ausführung nicht frei gewesen. Zwar sei der zeitliche Rahmen seiner Tätigkeit nicht exakt nach Stunden oder Minuten bestimmt gewesen, aber doch derart hinreichend eingegrenzt, dass er als bestimmter zeitlicher Rahmen im Sinne der Rechtsprechung zur persönlichen Abhängigkeit eines Arbeitnehmers zu qualifizieren sei. Der dargelegte Arbeitseinsatz beinhalte keine Disposition, wie sie bei selbstständigen Unternehmern üblich sei. Darüber hinaus fehle auch jegliches für eine selbstständige Tätigkeit sprechende Unternehmerrisiko. Die Einsatzorte seien zwangsläufig durch die Klägerin vorgegeben gewesen und auch die Anzahl der Kundenbesuche, nämlich zwischen acht bis zehn Besuche täglich. Dem Beigeladenen seien sämtliche Arbeitsmittel, auch das Fahrzeug und die Arbeitskleidung, zur Verfügung gestellt worden.
Hiergegen hat die Klägerin am 04.01.2016 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) eingelegt, das den Beigeladenen zum Verfahren beigeladen hat (Beschluss vom 11.02.2016). Ergänzend zur bisherigen Begründung hat die Klägerin ausgeführt, der Beigeladene sei in der Erbringung seiner Beratungstätigkeit vollständig frei gewesen, ohne Weisungen über die Verfügung seiner Arbeitszeit, der Wahl des Arbeitsortes oder der Anzahl seiner Kunden unterlegen zu haben. Der Beigeladene hätte auch die Möglichkeit gehabt, eigenes Personal einzustellen. Er habe eigene Geschäftsräume unterhalten und sei in seiner Preisgestaltung, Zahlungsweise, Kundenakquisition und Wettbewerb frei gewesen. Ob er Werbung betrieben habe, um Kunden zu akquirieren, sei der Klägerin nicht bekannt. Der Beigeladene habe die Klägerin darüber hinaus arglistig getäuscht, indem er bei Begründung des Verhältnisses über freie Mitarbeit der Wahrheit zuwider vorgespiegelt habe, zusätzlich für andere Auftraggeber tätig zu sein. Aus diesem Grunde sei das freie Mitarbeiterverhältnis durch die Klägerin wegen arglistiger Täuschung angefochten worden. Eine Festanstellung sei nie in Betracht gekommen. Nachdem sich der Beigeladene selbst einmal bei der Buchhaltung erkundigt habe, wie sein Lohn bei einer Festanstellung aussehen würde, sei er selber zum Ergebnis gekommen, dass sich das wegen der Abzüge nicht lohnen werde. Anwesenheitspflichten hätten nicht bestanden, auch nicht freitags. Eine Urlaubssperre habe für den Beigeladenen nicht bestanden, er habe auch nie einen Urlaubsantrag stellen müssen. Reifen ausfahren sei nur vereinzelt vorgekommen.
Der Beigeladene hat hierzu erwidert, er sei in seiner Zeiteinteilung nicht völlig frei gewesen. Es habe gearbeitet werden müssen wie vorgegeben, insbesondere hätten im Rahmen der Reifensaison Reifen ausgefahren und Kunden besucht werden müssen. In der Reifensaison habe er früh am Morgen die ersten Anrufe mit der Weisung erhalten, Reifen an die Kunden auszufahren, da nicht genügend Fahrer zur Verfügung gestanden hätten. Urlaub habe er schriftlich auf einem Urlaubsvordruck beantragen müssen, und er habe dieselben Rechte und Pflichten wie der Rest vom Außen- und Innendienst gehabt. Freitags sei Bürotag angeordnet worden mit Anwesenheitspflicht, auch bei den monatlich stattfindenden Arbeitsbesprechungen habe er dabei sein müssen. Nach jedem Besuch bei einem Kunden habe ein Arbeitsbericht ausgefüllt werden müssen, diese Berichte seien am Bürotag abzugeben gewesen. Auch habe er Außenstände eintreiben und Arbeitskleidung mit der Aufschrift "Reifen R. und Felgencenter" tragen müssen. Sämtliches Werbematerial sei von der Klägerin gestellt worden. Freitags am Bürotag habe er neue Angebotslisten erhalten, die an die Kunden zu verteilen gewesen seien. Er habe die ganze Zeit auf eine Festanstellung gehofft.
Das SG hat die Akten des Arbeitsgerichtes S. über den arbeitsgerichtlichen Rechtsstreit zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen beigezogen. Dieser endete am 24.11.2015 durch Abschluss eines Vergleiches mit dem Inhalt, dass die Parteien außer Streit stellen, dass das Vertragsverhältnis zwischen ihnen mit Ablauf des 12.11.2014 geendet habe. Der damalige Beklagte (die jetzige Klägerin) verpflichtete sich, an den damaligen Kläger (jetzt Beigeladenen) 13.000 EUR netto zu zahlen und ihm ein Zeugnis auszustellen, ohne dass dadurch ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien anerkannt werde.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 25.10.2017 hat der Beigeladene u.a. dargelegt, ein angemeldetes Gewerbe im Bereich der Denkmal-Immobilien-Vermittlung zu führen; den letzten Auftrag habe er im Mai 2011 gehabt.
Mit Urteil vom 25.01.2017 hat das SG die Klage abgewiesen mit der Begründung, der Beigeladene habe seine Tätigkeit im streitgegenständlichen Zeitraum im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt und daher der Versicherungspflicht in sämtlichen Zweigen der Sozialversicherung unterlegen. Es komme nicht darauf an, dass die Klägerin und auch der Beigeladene die Tätigkeit ursprünglich als eine selbstständige hätten ausgestalten wollen. Die subjektive Sicht der Beteiligten müsse grundsätzlich außer Betracht bleiben. Ebenso unerheblich sei, ob der Beigeladene die Klägerin bei Aufnahme der Tätigkeit darüber getäuscht habe, noch weitere Auftraggeber zu haben. Entgegen der klägerischen Auffassung handele es sich bei der Tätigkeit des Beigeladenen nicht um die eines selbstständigen Handelsvertreters nach § 84 Abs. 2 des Handelsgesetzbuches (HGB). Bereits der Aufgabenkreis des Beigeladenen entspreche nicht dem eines Handelsvertreters. Er sei nicht befugt gewesen, im Namen der Klägerin Geschäfte abzuschließen, und sei auch nicht ständig damit betraut gewesen, für die Klägerin Geschäfte zu vermitteln. Vielmehr sei er hauptsächlich mit der Kundenbetreuung befasst gewesen und habe diverse Aufgaben erledigt, die nicht auf die Vermittlung konkreter Geschäfte gerichtet gewesen seien. Soweit der Beigeladene die Kunden über aktuelle Aktionen oder Angebote zu informieren gehabt habe, liege eine bloße Werbetätigkeit und keine Vermittlungstätigkeit vor. Werbemaßnahmen sollten im allgemeinen das Interesse der Kunden anregen, vermittelten aber konkret keine Geschäfte. Ferner habe zu den Aufgaben des Beigeladenen die Entgegennahme von Barzahlungen gehört, was der Abwicklung eines Geschäfts und nicht dessen Vermittlung zuzuordnen sei. Auch das Ausfahren von Reifen sei nicht einer Vermittlungstätigkeit zuzuordnen. Diese praktizierte Befugnis der Klägerin, dem Beigeladenen je nach Bedarfslage diverse Aufgaben zuzuweisen, sei mit der Selbstständigkeit eines Handelsvertreters im Sinne des § 84 HGB nicht mehr vereinbar. Auch der wöchentliche Bürotag schränke die behauptete Weisungsfreiheit ein, zudem habe der Beigeladene regelmäßig Besuchsberichte abgeben müssen. Der Beigeladene sei in die Arbeitsorganisation des klägerischen Betriebs eingegliedert gewesen. Hierfür spreche die Mitnutzung betrieblicher Einrichtungen und Arbeitsmittel, insbesondere der EDV, der Firmenfahrzeuge und der eigenen Tankstelle der Klägerin. Er habe an gesellschaftlichen Ereignissen des Betriebs (z.B. freitägliches Weißwurstfrühstück), von der Klägerin organisierten Schulungen und Besprechungen teilgenommen. Gegenüber Außenstehenden sei der Beigeladene nicht als selbstständiger Unternehmer aufgetreten; vielmehr habe er sich durch das Tragen eines Firmen-T-Shirts nach außen als Mitarbeiter der Klägerin dargestellt. Er habe auch keine eigene Werbung betrieben. Gegen die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit spreche ferner die Vereinbarung einer zeitabhängigen im Gegensatz zu einer erfolgsabhängigen Vergütung. Es habe auch eine Provisionsvereinbarung bestanden, die aber nur einen unbedeutenden Anteil der Einkünfte des Beigeladenen ausgemacht habe. Ein unternehmerisches Risiko sei nicht erkennbar. Der Beigeladene habe keine eigenen finanziellen Mittel eingesetzt, insbesondere habe er keine teuren Arbeitsmittel vorhalten müssen. Auch der Erfolg des Einsatzes der persönlichen Arbeitskraft sei für ihn nicht ungewiss gewesen. Der Tatsache, dass der Beigeladene im streitgegenständlichen Zeitraum ein angemeldetes Gewerbe geführt habe, könne kein Gewicht beigemessen werden, da dieses Gewerbe keinerlei Bezug zu der hier streitigen Tätigkeit habe und im streitgegenständlichen Zeitraum zudem tatsächlich nicht ausgeübt worden sei.
Gegen das ihr am 06.02.2017 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 10.02.2017 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung eingereicht mit der Begründung, der Beigeladene habe die Tätigkeit eines selbstständigen Handelsvertreters nach § 84 Abs. 1 HGB ausgeübt im Sinne eines Vermittlungsvertreters. Er habe seine Tätigkeit und auch seine Arbeitszeit selbst bestimmen können. Dass ihm ein Verkaufsgebiet zugewiesen worden sei, liege in der Natur der Sache. Um der Klägerin Kaufverträge mit ihren Kunden vermitteln zu können, sei die Kundenpflege ebenfalls Inhalt der selbstständigen Tätigkeit des Beigeladenen gewesen. Es habe ebenfalls in der Natur der Sache gelegen, Informations- und Werbematerial der Klägerin zu verteilen. Jeder Handelsvertreter erhalte von seinem Prinzipal Unterlagen, die es ihm erst ermöglichten, dessen Produkte zu bewerben und den Abschluss von Kaufverträgen zu vermitteln. Dass der Beigeladene in Einzelfällen gebeten wurde, Reifen zu von ihm besuchten Kunden mitzunehmen, stehe dem nicht entgegen. Hierbei handele es sich um reine Gefälligkeiten. Die Nutzung der EDV der Klägerin und sonstiger Arbeitsmittel habe zur Disposition des Beigeladenen gestanden. Jeder Handelsvertreter sei zwischenzeitlich darauf angewiesen, die EDV und sonstige Arbeitsmittel des Prinzipals in Anspruch zu nehmen, da häufig verschiedene EDV-Programme nicht kompatibel seien. Der Beigeladene habe weder am freitäglichen Weißwurstfrühstück teilnehmen noch einen Bürotag am Freitag abhalten müssen. Es habe ihm freigestanden, wann und von wo aus er seiner Berichtspflicht nachkommen wolle. Dass ihm ein Firmenfahrzeug zur Verfügung gestellt worden sei, stehe einer selbstständigen Tätigkeit nicht entgegen, sondern habe nur Einfluss auf das Honorar. Hätte der Beigeladene ein eigenes Kraftfahrzeug benutzt und selbst betankt, hätte er Anspruch auf ein höheres Honorar gehabt. Dass er an Schulungen teilgenommen habe, entspreche dem Wesen eines freien Handelsvertreters, der auf die von ihm zu vermittelnden Produkte seines Prinzipals geschult werden müsse. Woraus das SG die Erkenntnis nehme, dass der Beigeladene nicht als selbstständiger Unternehmer gegenüber Kunden der Klägerin aufgetreten sei, sei nicht nachvollziehbar. Daran ändere auch das gelegentliche Tragen eines Firmen-T-Shirts nichts. Entgegen der Auffassung des SG habe für den Beigeladenen ein unternehmerisches Risiko bestanden, da er im Falle persönlicher oder krankheitsbedingter Verhinderung keine Vorzahlung, sondern Honorar erhalten hätte.
Der Senat hat mit Beschluss vom 18.01.2018 die zuständige K. sowie die B. zum Verfahren beigeladen.
Die Klägerin beantragt (sachdienlich gefasst),
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 25. Januar 2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. April 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Dezember 2015 aufzuheben und festzustellen, dass der Beigeladene Ziffer 1 im Rahmen seiner Tätigkeit bei der Klägerin im Zeitraum vom 18. Juli 2011 bis 11. November 2014 nicht als abhängig Beschäftigter sozialversicherungspflichtig in der gesetzlichen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung war.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil sowie den Vortrag im SG-Verfahren verwiesen.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Der Beigeladene hat im Wesentlichen seine Ausführungen aus dem erstinstanzlichen Verfahren wiederholt und vertieft.
Im Rahmen eines Erörterungstermins am 20.09.2018 hat das Gericht den ehemaligen Inhaber der klägerischen Firma, Herrn R., als Zeugen vernommen sowie den Beigeladenen und den Geschäftsführer der Klägerin, Herrn S., zu den Einzelheiten der Tätigkeit befragt. Weiterhin sind in einem zweiten Erörterungstermin am 18.12.2018 die Mitarbeiter bzw. ehemaligen Mitarbeiter der Klägerin Frau S. (Außendienst), Frau B. (Telefonistin im Verkauf), Herr R. (Verkaufsleiter) sowie Frau M. (Buchhaltung) als Zeugen vernommen worden. Auf die Ausführungen in den Protokollen wird Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 11.01.2019 (Beigeladener Ziffer 4), 17.01.2019 (Beklagte), 18.01.2019 bzw. 25.01.2019 (Beigeladene Ziffer 2 und 3), 19.01.2019 (Beigeladener Ziffer 1) und 05.03.2019 (Klägerin) haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte sowie der Akten erster und zweiter Instanz verwiesen. Auch wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte des Arbeitsgerichtes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist nach §§ 143, 144, 151 SGG statthaft und auch sonst zulässig. Berufungsausschließungsgründe liegen nicht vor (§ 144 SGG).
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage der Klägerin (§ 54 Abs. 1, § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG) zu Recht abgewiesen. Der streitbefangene Bescheid vom 27.04.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.12.2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Der Beigeladene übte bei der Klägerin während der streitgegenständlichen Zeit vom 18.07.2011 bis 11.11.2014 eine zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtige Beschäftigung als Außendienstmitarbeiter aus. Eine selbstständige Erwerbstätigkeit lag nicht vor.
Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status (§ 7a Sozialgesetzbuch Viertes Buch [SGB IV] in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch [SGB V], § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch [SGB XI], § 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch [SGB VI] und § 25 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch [SGB III]) dargelegt und ausgeführt, dass der Beigeladene im streitgegenständlichen Zeitraum bei der Klägerin eine abhängige Beschäftigung ausgeübt hat und daher Versicherungspflicht in den genannten Sozialversicherungszweigen bestanden hat. Der Senat schließt sich dem nach eigener Überprüfung und unter Berücksichtigung des gesamten Vorbringens der Klägerin uneingeschränkt an und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung gemäß § 153 Abs. 2 SGG zurück.
Ergänzend ist Folgendes auszuführen: Die angefochtenen Bescheide sind formell rechtmäßig, insbesondere hinreichend bestimmt im Sinne des § 33 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Den für sozialversicherungsrechtliche Statusentscheidungen notwendigen Angaben einer bestimmbaren Arbeit und der gerade hiermit in Zusammenhang stehenden Entgeltlichkeit (vgl. näher BSG, Urteile vom 11.03.2009 - B 12 R 11/07 R - und vom 04.06.2009 - B 12 R 6/08 R -, Juris) ist die Beklagte gerecht geworden. Zudem handelt es sich nicht um die isolierte Feststellung des Vorliegens einer abhängigen Beschäftigung (sog. unzulässige Elementenfeststellung, vgl. BSG, Urteil vom 11.03.2009, a.a.O.).
Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (st. Rspr. vgl. zum Ganzen z.B. BSG, Urteile vom 30.04.2013 - B 12 KR 19/11 R - und vom 29.08.2012 - B 12 KR 25/10 R -, Juris). Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw. der selbstständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (vgl. insoweit insbesondere BSG, Urteil vom 25.04.2012 - B 12 KR 24/10 R -, Juris).
Bei Handelsvertretern sind im Rahmen dieser allgemeinen Vorgaben namentlich auch die spezifischen gesetzlichen Regelungen in § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB zu berücksichtigen. Danach gilt als Handelsvertreter, wer als selbstständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Selbstständig ist (vgl. § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB), wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann (s. hierzu BSG, Urteil vom 29.01.1981- 12 RK 63/79 -, Juris). An diese gesetzgeberische Vorgabe, wonach auch Handelsvertreter ungeachtet der mit ihrer Aufgabe im Wirtschaftsleben regelmäßig verbundenen tatsächlichen Eingliederung in die Vertriebsstruktur des Unternehmers, ihre Tätigkeit als rechtlich Selbstständige ausüben können, solange sie im Wesentlichen diese Tätigkeit frei gestalten und ihre Arbeitszeit frei bestimmen können, sind die Gerichte (und natürlich auch die Rentenversicherungsträger) gebunden (Art. 20 Abs. 3 GG). Bei der Abgrenzung zwischen Selbstständigen und Unselbstständigen ist weder isoliert auf die von den Parteien gewählte Einordnung des Vertrags oder die von diesen gewählte Bezeichnung als Angestellter oder Handelsvertreter noch allein auf die tatsächliche Durchführung des Vertrags abzustellen. Entscheidend ist im Ergebnis wiederum das Gesamtbild der Verhältnisse unter Würdigung sowohl der vertraglichen Gestaltung als auch der tatsächlichen Handhabung des Vertrages (BGH, Beschluss vom 27.10.2009 - VIII ZB 45/08 -; vgl. auch LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 13.12.2017 - L 2 R 359/17 - ; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.01.2016 - L 4 R 2796/15 -, Juris).
Ausgehend von diesen Grundsätzen kommt der Senat – wie auch das SG – bei der vorzunehmenden Gesamtabwägung zu dem Ergebnis, dass der Beigeladene seine Tätigkeit als Außendienstmitarbeiter im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt hat. Der Beigeladene war durch Aushändigung der Kundenlisten ständig damit betraut, für die Klägerin Geschäfte zu vermitteln, nämlich Kaufverträge über Auto- bzw. Motorradreifen. Nach dem Gesamtbild tat er dies hingegen nicht als Selbstständiger, so dass er nicht als selbstständiger Handelsvertreter im Sinne des § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB zu qualifizieren ist.
Ergänzend zu den Ausführungen des SG spricht gegen die Annahme der Tätigkeit als Handelsvertreter, dass der Beigeladene verpflichtet war, die Kundenlisten der Klägerin vor allem in Bezug auf die Bestandskunden abzuarbeiten. Zwar ist in diesem Zusammenhang nicht von ausschlaggebender Bedeutung, dass überhaupt Kundenlisten durch die Klägerin zur Verfügung gestellt wurden, da dies schon dem selbstverständlichen Eigeninteresse des Unternehmers entspricht und bei Handelsvertretern üblich ist (s. hierzu BAG, Beschluss vom 30.08.1994 – 1 ABR 3/94 –, Juris). Auch musste der Beigeladene keine bestimmte Reihenfolge der Kundenbesuche einhalten und gab es keine Vorgaben, an welchem Tag die Besuche erfolgen sollten. Indes bestand die Verpflichtung des Beigeladenen (und nicht nur ein Angebot seitens der Klägerin), jedenfalls die Bestandskunden auf den Listen abzuarbeiten. Eine solche Verpflichtung ist untypisch für einen selbstständigen Handelsvertreter (vgl. Emde in: Staub, HGB, 5. Aufl. 2008, § 84, Rdnr. 35; s. auch LAG Hamm, Urteil vom 11.05.2000 – 4 Sa 1694/98 -, Juris Rdnr. 229). Der Beigeladene sollte die Bestandskunden aufsuchen, Angebote abgeben, Bestellungen entgegennehmen, fragen, ob alles in Ordnung sei, und den Kontakt halten. Dies folgt nicht nur aus dem Vortrag des Beigeladenen im Erörterungstermin am 20.09.2018, sondern ergibt sich auch aus den Angaben des Zeugen R. im Rahmen des genannten Erörterungstermins. Hierzu korrespondierend hat der Geschäftsführer der Klägerin im Termin am 20.09.2018 dargelegt, internes Ziel sei gewesen, die Altkunden zwei Mal im Jahr zu besuchen. Auch hatte der Beigeladene die Aufgabe, Außenstände bei säumigen Kunden einzuholen. Insofern hält der Senat den Vortrag des Beigeladenen im Verwaltungsverfahren, jeder Kunde habe besucht werden sollen und eine Auftragsablehnung sei prinzipiell nicht möglich gewesen, für überzeugend. Die Neukundenakquisition fiel neben dieser Bestandskundenbetreuung kaum ins Gewicht – wie sich bereits aus den wenigen Provisionszahlungen ergibt, die der Beigeladene beanspruchen konnte.
Auch liegt nach Überzeugung des Senats eine Beschränkung der freien Bestimmung der Arbeitszeit vor, die gegen Selbstständigkeit spricht: Wie bereits ausgeführt, ergibt sich aus den übereinstimmenden Aussagen des Beigeladenen, des Geschäftsführers und auch der übrigen Zeugen, dass dem Beigeladenen keine konkreten Vorgaben gegeben wurden, welche Kunden aus der ihm ausgehändigten Liste er in welcher Reihenfolge abarbeiten solle. Für den Senat liegt indes auf der Hand, dass die Anzahl der aufzusuchenden Kunden so bemessen sein musste, dass ein Arbeitstag damit ausgefüllt war. Dieser Umstand folgt aus der Bezahlung der Tätigkeit: Der Beigeladene wurde überwiegend pauschal pro Einsatztag bezahlt und nicht etwa - wie bei selbstständigen Handelsvertretern üblich – vor allem durch Provisionen. Um aber einen ganzen Arbeitstag ausfüllen und dann auch abrechnen zu können, war der Besuch von etwa acht bis zehn Kunden notwendig. Diese Zahl hat der Beigeladene bereits im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem SG genannt. Sie ist so auch von dem Zeugen im Erörterungstermin am 18.12.2018 bestätigt worden (zehn Kunden pro Tag) und entspricht auch der Einschätzung des Zeugen R. (sechs bis acht oder zehn Kunden pro Tag, vgl. Protokoll Erörterungstermin am 20.09.2018). Damit ist eine Beschränkung der freien Bestimmung der Arbeitszeit verbunden, da der Beigeladene anders als ein selbstständiger Handelsvertreter im Hinblick auf die pauschale Tagesvergütung seinen Arbeitsumfang nicht eigenständig festlegen konnte. Bezeichnenderweise hat der Beigeladene hier den Arbeitsumfang übernommen, der ihm vom - unstreitig abhängig beschäftigten - Außendienstmitarbeiter W. im Rahmen einer zweitägigen Einlernphase vorgelebt wurde (vgl. Protokoll des Erörterungstermins am 20.09.2018). Überzeugend hat der Beigeladene hier auch angemerkt, es hätte Ärger gegeben, wenn er zu wenige Arbeitsblätter abgegeben hätte – mit anderen Worten: zu wenige Kunden aufgesucht hätte.
Inhaltlich war die Handlungsfreiheit des Beigeladenen zudem in für Selbstständige untypischer Weise beschränkt: So wurde er regelmäßig dazu verpflichtet, Reifen auszufahren. Über den genauen Umfang dieser Tätigkeit wurden unterschiedliche Angaben gemacht: Während der Beigeladene hierzu im Rahmen des Erörterungstermins am 20.09.2018 einen Umfang von bis zu zehn Stunden täglich über jeweils zwei bis drei Monate jeweils im Herbst und Frühjahr angegeben hat, hat der Geschäftsführer der Klägerin nur von vereinzelten Auslieferungen gesprochen, die auch mal eine Woche am Stück gedauert haben könnten, aber keinesfalls den vom Beigeladenen geschilderten Umfang erreichten. Der Zeuge R. konnte im Termin am 18.12.2018 hierzu keine genaue Aussage machen, hat aber darauf hingewiesen, die Hochsaison dauere höchstens vier Wochen. Angesichts der vom Beigeladenen eingereichten und ihn als Fahrer nennenden Fahrtenbücher steht für den Senat jedenfalls fest, dass dieser in erheblichem Umfang zum Reifenausfahren herangezogen wurde. Solche Fahrtenbücher werden, wie der Beigeladene im Erörterungstermin am 20.09.2018 unwidersprochen dargelegt hat, nur für einen Sprinter geführt (vgl. hierzu auch § 1 Abs. 1 Fahrpersonalverordnung [FPersV]), während sie für den Mercedes Vito, den der Beigeladene bei seinen Kundenbesuchen normalerweise fuhr, wegen dessen geringeren Gewichts nicht nötig sind. Der Sprinter aber wurde benutzt, wenn Reifen auszufahren waren, so dass der Senat davon ausgeht, dass der Beigeladene grundsätzlich an den Tagen, die in den Fahrtenbüchern vermerkt sind, Reifen ausgefahren hat. Im Zeitraum zwischen dem 18.10.2012 und 11.12.2012 sind in den Fahrtenbüchern 35 Fahrten vermerkt, im Zeitraum zwischen dem 03.07.2013 und 20.12.2013 32 Fahrten und im Zeitraum vom 01.04.2014 bis 10.11.2014 34 Fahrten. Soweit der Geschäftsführer der Klägerin im Erörterungstermin vom 20.09.2018 ausgeführt hat, es sei auch vorgekommen, dass der Beigeladene ohne Reifen mit dem Sprinter gefahren sei, weil der Mercedes Vito gerade nicht einsatzbereit gewesen sei, handelte sich hierbei offensichtlich um eine Ausnahme. Ebenso kam es vor, dass der Beigeladene auch Reifen mit seinem Vito ausfuhr (vgl. Angaben des Zeugen R. im Termin am 18.12.2018). Diese Reifenauslieferungen sind ein deutliches Indiz dafür, dass der Beigeladene – wie die anderen Arbeitnehmer des Betriebes – in den betrieblichen Ablauf eingegliedert war und über seine eigene Arbeitskraft anders als ein Selbstständiger gerade nicht frei verfügen konnte. Wie der Zeuge R. treffend beschrieb, wurde der Beigeladene "zweckentfremdet" und musste diese Aufgabe übernehmen, obwohl er sie nicht mochte – eben weil, wie die Zeugin B. es ausdrückte, "in der Firma jeder das macht, was eben nötig ist". Insofern unterschied sich der Beigeladene nicht von den anderen Mitarbeitern im Außendienst, der Zeugin S. bzw. dem Arbeitnehmer Wahl, die bezeichnenderweise bei im Wesentlichen identischer Tätigkeit auch von der Klägerin als abhängig Beschäftigte behandelt wurden.
Gegen Selbstständigkeit spricht schließlich auch – wie das SG bereits ausgeführt hat – das fehlende Unternehmerrisiko. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. z.B. BSG, Urteile vom 28.05.2008 - B 12 KR 13/07 R - und vom 28.09.2011 - B 12 R 17/09 R -, Juris) ist maßgebliches Kriterium hierfür, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der tatsächlichen und persönlichen Mittel also ungewiss ist. Erforderlich ist ein Risiko, das über das Risiko hinausgeht, für den Arbeitseinsatz kein Entgelt zu erzielen. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (vgl. BSG, Urteile vom 28.05.2008 und vom 28.09.2011, a.a.O.). Vorliegend wurde der Beigeladene pauschal und erfolgsunabhängig für jeden Arbeitstag bezahlt, so dass er seine Arbeitskraft nicht maßgeblich mit der Gefahr des Verlustes einsetzte. Den nur in geringem Umfang angefallenen Provisionszahlungen kommt neben dieser Pauschale kein nennenswertes Gewicht zu. Sächliche Mittel hat der Beigeladene nicht eingesetzt – so wurden ihm sogar Pkw und Handy von der Klägerin gestellt. Mangelnde Ansprüche auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und bei Urlaub sind nicht maßgeblich. Sie sind nur dann ein gewichtiges Indiz für unternehmerisches Handeln, wenn damit auch tatsächliche Chancen einer Einkommenserzielung verbunden sind, also eine Erweiterung der unternehmerischen Möglichkeiten stattfindet (BSG, Urteile vom 11.03.2009 - B 12 KR 21/07 R und vom 25.01.2001 - B 12 KR 17/00 R -, Juris). Hierfür ist im vorliegenden Fall jedoch nichts ersichtlich.
Der Umstand, ob der Beigeladene ein Gewerbe angemeldet hat, ist gleichfalls nicht entscheidend für eine selbstständige Tätigkeit, da dieses formale Kriterium für die Beurteilung der tatsächlichen Ausgestaltung der zu beurteilenden Tätigkeit ohne wesentliche Aussagekraft ist. Der sozialversicherungsrechtliche Status eines Betriebsinhabers wird seitens der Gewerbeaufsicht nicht geprüft (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13.07.2016 - L 8 R 423/14 -, Juris). Gleiches gilt für das Finanzamt (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 02.11.2016 - L 8 R 456/14 -, Juris Rdnr. 111). Diesbezügliche weitere Ermittlungen des Senats waren daher nicht notwendig, zumal die Klägerin bezweifelt, dass der Beigeladene im streitigen Zeitraum noch ein Gewerbe angemeldet hatte (vgl. Protokoll zum Erörterungstermin am 18.12.2018) – dies wäre aber allenfalls ein Argument gegen Selbstständigkeit und nicht dafür, so dass der Senat keine Veranlassung sah, der diesbezüglichen Beweisanregung der Klägerin (Schriftsatz vom 11.02.2019) nachzugehen. Der im Erörterungstermin am 18.12.2018 gestellte Antrag auf Beiziehung der Steuerunterlagen hat sich durch die vorbehaltlose Einverständniserklärung zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erledigt (vgl. hierzu nur BSG, Beschluss vom 05.02.2015 - B 13 R 372/14 B -, Juris).
Nach alledem bestand Versicherungspflicht in den genannten Zweigen der Sozialversicherung. Versicherungsfreiheit lag auch nicht aus anderen Gründen (wegen Geringfügigkeit, § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV, oder Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze, § 6 SGB V) vor.
Die Versicherungspflicht begann ab dem 18.07.2011 und nicht erst mit der Bekanntgabe der Statusentscheidung, da der Antrag auf Statusfeststellung nicht innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit gestellt wurde (vgl. § 7a Abs. 6 Satz 1 SGB IV; Knospe in: Hauck/Noftz, SGB, 07/08, § 7a SGB IV, Rdnr. 47).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Beigeladenen Ziffer 1 bis 4 haben keine Anträge gestellt, so dass insofern eine Kostentragungspflicht der Klägerin nicht billig wäre.
Die endgültige Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 2, § 47 Gerichtskostengesetz (GKG). Die Höhe des Streitwerts entspricht dem Auffangstreitwert von 5.000 EUR, da bislang lediglich über das Bestehen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses und die hieraus folgende Sozialversicherungspflicht entschieden wurde, aber noch keine Gesamtsozialversicherungsbeiträge festgesetzt wurden.
Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen nicht.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen Ziffer 1 bis 4.
Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens (§ 7a Abs. 1 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VI]) über die Versicherungspflicht des Beigeladenen Ziffer 1 (im Folgenden Beigeladener) in der gesetzlichen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung in einer für die Klägerin im Zeitraum vom 18.07.2011 bis 11.11.2014 erbrachten Tätigkeit.
Der 1952 geborene Beigeladene war im streitgegenständlichen Zeitraum – neben den Arbeitnehmern Frau S. und Herrn W. - im Außendienst bei der Klägerin, einer Kommanditgesellschaft, die einen Reifengroßhandel betreibt, tätig. Nach Beendigung der Tätigkeit stellte der Beigeladene mit Schreiben vom 08.12.2014 bei der Beklagten einen Antrag auf Feststellung seines sozialversicherungsrechtlichen Status. Hierbei gab er an, im Außendienst für die Kundenbetreuung sowie Kundenneugewinnung zuständig gewesen zu sein, weiterhin Reifen ausgefahren und Außenstände eingetrieben zu haben, in der Winter- und Sommersaison vorgeschriebene Kunden angerufen bzw. besucht zu haben, um die Menge der Reifenbevorratung festzustellen. Täglich seien zwischen acht und zehn Kundenbesuche zu machen gewesen, die dokumentiert worden seien. Freitags sei Bürotag gewesen. In der Reifensaison sei er morgens angerufen worden, er müsse Reifen ausfahren. Ihm sei auch mitgeteilt worden, welche Kunden er aufsuchen müsse, um Außenstände einzutreiben. In der Hauptsaison habe eine Urlaubssperre bestanden, Urlaub habe schriftlich beantragt werden müssen. Es sei ein festes Außendienstgebiet festgelegt worden, in dem jeder Kunde besucht werden sollte. Eine Auftragsablehnung sei nicht möglich gewesen. Es hätten Dienstbesprechungen stattgefunden sowie Schulungsmaßnahmen, mit dem Außendienst und Verkauf habe Teamarbeit bestanden. Werbemittel, Pkw, Navigationsgerät, Handy und Arbeitskleidung seien von der Klägerin zur Verfügung gestellt worden. Er habe kein Kapital eingesetzt und dieselben Rechte und Pflichten gehabt wie die anderen Angestellten vom Außendienst, ein schriftlicher Vertrag sei nicht geschlossen worden. Mündlich sei eine Tagespauschale von 100,00 EUR vereinbart worden plus eine Provision in Höhe von 50,00 EUR für Neukunden-Akquise. Der Beigeladene legte der Beklagten die von ihm erstellten Rechnungen vor, die zumeist mengenmäßig ausgewiesene Rechnungsbeträge für "Außendienst und Telefonakquise" sowie in den Monaten Februar 2012, Mai 2012 August 2012 und Oktober 2013 zusätzlich Bonusbeträge enthielten. Weiterhin gab er u.a. Kopien von Fahrtenbüchern, Berichte über Außenstände, Tagesabrechnungen, Gesprächsprotokolle, Listen über Kundentouren, Berichte über Kundenbesuche und E-Mail-Kopien zu den Akten.
Die Klägerin gab auf Nachfrage der Beklagten an, der Beigeladene sei für die Außendienstätigkeit, die Betreuung der Kunden sowie das Anwerben von neuen Kunden zuständig gewesen. Vorgaben seien nicht erteilt worden, die Liste der Kundenbesuche sei nicht kontrolliert worden. Auch seien keine festen Arbeitszeiten und Anwesenheitszeiten einzuhalten gewesen, Vorgaben durch den Auftraggeber seien nicht erfolgt. Die Tätigkeit sei im Außendienst ausgeübt worden, d.h. vor Ort bei den Kunden. Eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers sei nicht erfolgt. Es seien keine Einsatztermine vorgegeben worden, sondern es habe nur eine Kundenliste der zu besuchenden Kunden gegeben, die weitere Gestaltung sei frei gewesen. Der Beigeladene habe ein Protokoll über die jeweiligen Kundenbesuche geführt. Tätigkeitsanweisungen oder Richtlinien für freie Mitarbeiter seien nicht herausgegeben worden. Dem Beigeladenen sei ein Fahrzeug zur Verfügung gestellt worden. Bestimmte Kleidung habe er nicht tragen müssen.
Nachdem die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 30.03.2015 zur Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status angehört hatte, erging am 27.04.2015 gegenüber der Klägerin und dem Beigeladenen ein Feststellungsbescheid, wonach der Beigeladene die Tätigkeit als Außendienstmitarbeiter bei der Klägerin im Zeitraum vom 18.07.2011 bis 11.11.2014 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt habe, in dem Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestanden habe. Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis seien die Zahlung eines Pauschalhonorars sowie die Pflicht des Beigeladenen, die ihm überlassene Kundenliste abzuarbeiten bei einem von der Klägerin vorgegebenen Aktionsradius. Die grobe Zeiteinteilung sei von der Klägerin vorgegeben gewesen (z.B. Freitag ist Bürotag), die Kundenbesuche seien zu protokollieren gewesen und der Beigeladene habe die Arbeitsmittel des Auftraggebers genutzt und die Tätigkeit höchstpersönlich ausgeübt, ohne eigenes Kapital eingesetzt zu haben. Die Arbeitskleidung sei dem Beigeladenen zur Verfügung gestellt worden, Schulungen seien durch die Klägerin vorgeschrieben und durchgeführt worden, und Dienstbesprechungen hätten nur bei der Klägerin stattgefunden.
Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 12.08.2015 Widerspruch ein mit der Begründung, der Beigeladene sei ein Bekannter des ehemaligen Firmeninhabers Herrn R. und sei damals an diesen herangetreten. Er habe gefragt, ob er nicht im Außendienst für die Klägerin tätig werden könne, nachdem er mit seiner Immobilienvermittlung nicht ausgelastet sei. Hierbei habe er angegeben, dass Scheinselbstständigkeit nicht zu befürchten sei. Es seien Provisionen gezahlt worden, die der Beigeladene nur anders tituliert habe. Bei der Abarbeitung der Kundenliste sei er in der Zeiteinteilung frei gewesen. Ein Aktionsradius habe nur bestanden, weil die Firma nur bis zu einem bestimmten Radius Ware ausliefern könne. Er habe die Tätigkeit höchstpersönlich ausgeübt, weil er keine Beschäftigten gehabt habe. Weisungen seien in Bezug auf Zeit, Dauer sowie Art und Weise der Arbeit nicht erteilt worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 02.12.2015 wurde der Widerspruch mit der Begründung zurückgewiesen, entgegen der Darstellung der Klägerin sei der Beigeladene hinsichtlich Zeit, Ort, Dauer und Art der Ausführung nicht frei gewesen. Zwar sei der zeitliche Rahmen seiner Tätigkeit nicht exakt nach Stunden oder Minuten bestimmt gewesen, aber doch derart hinreichend eingegrenzt, dass er als bestimmter zeitlicher Rahmen im Sinne der Rechtsprechung zur persönlichen Abhängigkeit eines Arbeitnehmers zu qualifizieren sei. Der dargelegte Arbeitseinsatz beinhalte keine Disposition, wie sie bei selbstständigen Unternehmern üblich sei. Darüber hinaus fehle auch jegliches für eine selbstständige Tätigkeit sprechende Unternehmerrisiko. Die Einsatzorte seien zwangsläufig durch die Klägerin vorgegeben gewesen und auch die Anzahl der Kundenbesuche, nämlich zwischen acht bis zehn Besuche täglich. Dem Beigeladenen seien sämtliche Arbeitsmittel, auch das Fahrzeug und die Arbeitskleidung, zur Verfügung gestellt worden.
Hiergegen hat die Klägerin am 04.01.2016 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) eingelegt, das den Beigeladenen zum Verfahren beigeladen hat (Beschluss vom 11.02.2016). Ergänzend zur bisherigen Begründung hat die Klägerin ausgeführt, der Beigeladene sei in der Erbringung seiner Beratungstätigkeit vollständig frei gewesen, ohne Weisungen über die Verfügung seiner Arbeitszeit, der Wahl des Arbeitsortes oder der Anzahl seiner Kunden unterlegen zu haben. Der Beigeladene hätte auch die Möglichkeit gehabt, eigenes Personal einzustellen. Er habe eigene Geschäftsräume unterhalten und sei in seiner Preisgestaltung, Zahlungsweise, Kundenakquisition und Wettbewerb frei gewesen. Ob er Werbung betrieben habe, um Kunden zu akquirieren, sei der Klägerin nicht bekannt. Der Beigeladene habe die Klägerin darüber hinaus arglistig getäuscht, indem er bei Begründung des Verhältnisses über freie Mitarbeit der Wahrheit zuwider vorgespiegelt habe, zusätzlich für andere Auftraggeber tätig zu sein. Aus diesem Grunde sei das freie Mitarbeiterverhältnis durch die Klägerin wegen arglistiger Täuschung angefochten worden. Eine Festanstellung sei nie in Betracht gekommen. Nachdem sich der Beigeladene selbst einmal bei der Buchhaltung erkundigt habe, wie sein Lohn bei einer Festanstellung aussehen würde, sei er selber zum Ergebnis gekommen, dass sich das wegen der Abzüge nicht lohnen werde. Anwesenheitspflichten hätten nicht bestanden, auch nicht freitags. Eine Urlaubssperre habe für den Beigeladenen nicht bestanden, er habe auch nie einen Urlaubsantrag stellen müssen. Reifen ausfahren sei nur vereinzelt vorgekommen.
Der Beigeladene hat hierzu erwidert, er sei in seiner Zeiteinteilung nicht völlig frei gewesen. Es habe gearbeitet werden müssen wie vorgegeben, insbesondere hätten im Rahmen der Reifensaison Reifen ausgefahren und Kunden besucht werden müssen. In der Reifensaison habe er früh am Morgen die ersten Anrufe mit der Weisung erhalten, Reifen an die Kunden auszufahren, da nicht genügend Fahrer zur Verfügung gestanden hätten. Urlaub habe er schriftlich auf einem Urlaubsvordruck beantragen müssen, und er habe dieselben Rechte und Pflichten wie der Rest vom Außen- und Innendienst gehabt. Freitags sei Bürotag angeordnet worden mit Anwesenheitspflicht, auch bei den monatlich stattfindenden Arbeitsbesprechungen habe er dabei sein müssen. Nach jedem Besuch bei einem Kunden habe ein Arbeitsbericht ausgefüllt werden müssen, diese Berichte seien am Bürotag abzugeben gewesen. Auch habe er Außenstände eintreiben und Arbeitskleidung mit der Aufschrift "Reifen R. und Felgencenter" tragen müssen. Sämtliches Werbematerial sei von der Klägerin gestellt worden. Freitags am Bürotag habe er neue Angebotslisten erhalten, die an die Kunden zu verteilen gewesen seien. Er habe die ganze Zeit auf eine Festanstellung gehofft.
Das SG hat die Akten des Arbeitsgerichtes S. über den arbeitsgerichtlichen Rechtsstreit zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen beigezogen. Dieser endete am 24.11.2015 durch Abschluss eines Vergleiches mit dem Inhalt, dass die Parteien außer Streit stellen, dass das Vertragsverhältnis zwischen ihnen mit Ablauf des 12.11.2014 geendet habe. Der damalige Beklagte (die jetzige Klägerin) verpflichtete sich, an den damaligen Kläger (jetzt Beigeladenen) 13.000 EUR netto zu zahlen und ihm ein Zeugnis auszustellen, ohne dass dadurch ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien anerkannt werde.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 25.10.2017 hat der Beigeladene u.a. dargelegt, ein angemeldetes Gewerbe im Bereich der Denkmal-Immobilien-Vermittlung zu führen; den letzten Auftrag habe er im Mai 2011 gehabt.
Mit Urteil vom 25.01.2017 hat das SG die Klage abgewiesen mit der Begründung, der Beigeladene habe seine Tätigkeit im streitgegenständlichen Zeitraum im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt und daher der Versicherungspflicht in sämtlichen Zweigen der Sozialversicherung unterlegen. Es komme nicht darauf an, dass die Klägerin und auch der Beigeladene die Tätigkeit ursprünglich als eine selbstständige hätten ausgestalten wollen. Die subjektive Sicht der Beteiligten müsse grundsätzlich außer Betracht bleiben. Ebenso unerheblich sei, ob der Beigeladene die Klägerin bei Aufnahme der Tätigkeit darüber getäuscht habe, noch weitere Auftraggeber zu haben. Entgegen der klägerischen Auffassung handele es sich bei der Tätigkeit des Beigeladenen nicht um die eines selbstständigen Handelsvertreters nach § 84 Abs. 2 des Handelsgesetzbuches (HGB). Bereits der Aufgabenkreis des Beigeladenen entspreche nicht dem eines Handelsvertreters. Er sei nicht befugt gewesen, im Namen der Klägerin Geschäfte abzuschließen, und sei auch nicht ständig damit betraut gewesen, für die Klägerin Geschäfte zu vermitteln. Vielmehr sei er hauptsächlich mit der Kundenbetreuung befasst gewesen und habe diverse Aufgaben erledigt, die nicht auf die Vermittlung konkreter Geschäfte gerichtet gewesen seien. Soweit der Beigeladene die Kunden über aktuelle Aktionen oder Angebote zu informieren gehabt habe, liege eine bloße Werbetätigkeit und keine Vermittlungstätigkeit vor. Werbemaßnahmen sollten im allgemeinen das Interesse der Kunden anregen, vermittelten aber konkret keine Geschäfte. Ferner habe zu den Aufgaben des Beigeladenen die Entgegennahme von Barzahlungen gehört, was der Abwicklung eines Geschäfts und nicht dessen Vermittlung zuzuordnen sei. Auch das Ausfahren von Reifen sei nicht einer Vermittlungstätigkeit zuzuordnen. Diese praktizierte Befugnis der Klägerin, dem Beigeladenen je nach Bedarfslage diverse Aufgaben zuzuweisen, sei mit der Selbstständigkeit eines Handelsvertreters im Sinne des § 84 HGB nicht mehr vereinbar. Auch der wöchentliche Bürotag schränke die behauptete Weisungsfreiheit ein, zudem habe der Beigeladene regelmäßig Besuchsberichte abgeben müssen. Der Beigeladene sei in die Arbeitsorganisation des klägerischen Betriebs eingegliedert gewesen. Hierfür spreche die Mitnutzung betrieblicher Einrichtungen und Arbeitsmittel, insbesondere der EDV, der Firmenfahrzeuge und der eigenen Tankstelle der Klägerin. Er habe an gesellschaftlichen Ereignissen des Betriebs (z.B. freitägliches Weißwurstfrühstück), von der Klägerin organisierten Schulungen und Besprechungen teilgenommen. Gegenüber Außenstehenden sei der Beigeladene nicht als selbstständiger Unternehmer aufgetreten; vielmehr habe er sich durch das Tragen eines Firmen-T-Shirts nach außen als Mitarbeiter der Klägerin dargestellt. Er habe auch keine eigene Werbung betrieben. Gegen die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit spreche ferner die Vereinbarung einer zeitabhängigen im Gegensatz zu einer erfolgsabhängigen Vergütung. Es habe auch eine Provisionsvereinbarung bestanden, die aber nur einen unbedeutenden Anteil der Einkünfte des Beigeladenen ausgemacht habe. Ein unternehmerisches Risiko sei nicht erkennbar. Der Beigeladene habe keine eigenen finanziellen Mittel eingesetzt, insbesondere habe er keine teuren Arbeitsmittel vorhalten müssen. Auch der Erfolg des Einsatzes der persönlichen Arbeitskraft sei für ihn nicht ungewiss gewesen. Der Tatsache, dass der Beigeladene im streitgegenständlichen Zeitraum ein angemeldetes Gewerbe geführt habe, könne kein Gewicht beigemessen werden, da dieses Gewerbe keinerlei Bezug zu der hier streitigen Tätigkeit habe und im streitgegenständlichen Zeitraum zudem tatsächlich nicht ausgeübt worden sei.
Gegen das ihr am 06.02.2017 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 10.02.2017 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung eingereicht mit der Begründung, der Beigeladene habe die Tätigkeit eines selbstständigen Handelsvertreters nach § 84 Abs. 1 HGB ausgeübt im Sinne eines Vermittlungsvertreters. Er habe seine Tätigkeit und auch seine Arbeitszeit selbst bestimmen können. Dass ihm ein Verkaufsgebiet zugewiesen worden sei, liege in der Natur der Sache. Um der Klägerin Kaufverträge mit ihren Kunden vermitteln zu können, sei die Kundenpflege ebenfalls Inhalt der selbstständigen Tätigkeit des Beigeladenen gewesen. Es habe ebenfalls in der Natur der Sache gelegen, Informations- und Werbematerial der Klägerin zu verteilen. Jeder Handelsvertreter erhalte von seinem Prinzipal Unterlagen, die es ihm erst ermöglichten, dessen Produkte zu bewerben und den Abschluss von Kaufverträgen zu vermitteln. Dass der Beigeladene in Einzelfällen gebeten wurde, Reifen zu von ihm besuchten Kunden mitzunehmen, stehe dem nicht entgegen. Hierbei handele es sich um reine Gefälligkeiten. Die Nutzung der EDV der Klägerin und sonstiger Arbeitsmittel habe zur Disposition des Beigeladenen gestanden. Jeder Handelsvertreter sei zwischenzeitlich darauf angewiesen, die EDV und sonstige Arbeitsmittel des Prinzipals in Anspruch zu nehmen, da häufig verschiedene EDV-Programme nicht kompatibel seien. Der Beigeladene habe weder am freitäglichen Weißwurstfrühstück teilnehmen noch einen Bürotag am Freitag abhalten müssen. Es habe ihm freigestanden, wann und von wo aus er seiner Berichtspflicht nachkommen wolle. Dass ihm ein Firmenfahrzeug zur Verfügung gestellt worden sei, stehe einer selbstständigen Tätigkeit nicht entgegen, sondern habe nur Einfluss auf das Honorar. Hätte der Beigeladene ein eigenes Kraftfahrzeug benutzt und selbst betankt, hätte er Anspruch auf ein höheres Honorar gehabt. Dass er an Schulungen teilgenommen habe, entspreche dem Wesen eines freien Handelsvertreters, der auf die von ihm zu vermittelnden Produkte seines Prinzipals geschult werden müsse. Woraus das SG die Erkenntnis nehme, dass der Beigeladene nicht als selbstständiger Unternehmer gegenüber Kunden der Klägerin aufgetreten sei, sei nicht nachvollziehbar. Daran ändere auch das gelegentliche Tragen eines Firmen-T-Shirts nichts. Entgegen der Auffassung des SG habe für den Beigeladenen ein unternehmerisches Risiko bestanden, da er im Falle persönlicher oder krankheitsbedingter Verhinderung keine Vorzahlung, sondern Honorar erhalten hätte.
Der Senat hat mit Beschluss vom 18.01.2018 die zuständige K. sowie die B. zum Verfahren beigeladen.
Die Klägerin beantragt (sachdienlich gefasst),
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 25. Januar 2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. April 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Dezember 2015 aufzuheben und festzustellen, dass der Beigeladene Ziffer 1 im Rahmen seiner Tätigkeit bei der Klägerin im Zeitraum vom 18. Juli 2011 bis 11. November 2014 nicht als abhängig Beschäftigter sozialversicherungspflichtig in der gesetzlichen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung war.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil sowie den Vortrag im SG-Verfahren verwiesen.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Der Beigeladene hat im Wesentlichen seine Ausführungen aus dem erstinstanzlichen Verfahren wiederholt und vertieft.
Im Rahmen eines Erörterungstermins am 20.09.2018 hat das Gericht den ehemaligen Inhaber der klägerischen Firma, Herrn R., als Zeugen vernommen sowie den Beigeladenen und den Geschäftsführer der Klägerin, Herrn S., zu den Einzelheiten der Tätigkeit befragt. Weiterhin sind in einem zweiten Erörterungstermin am 18.12.2018 die Mitarbeiter bzw. ehemaligen Mitarbeiter der Klägerin Frau S. (Außendienst), Frau B. (Telefonistin im Verkauf), Herr R. (Verkaufsleiter) sowie Frau M. (Buchhaltung) als Zeugen vernommen worden. Auf die Ausführungen in den Protokollen wird Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 11.01.2019 (Beigeladener Ziffer 4), 17.01.2019 (Beklagte), 18.01.2019 bzw. 25.01.2019 (Beigeladene Ziffer 2 und 3), 19.01.2019 (Beigeladener Ziffer 1) und 05.03.2019 (Klägerin) haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte sowie der Akten erster und zweiter Instanz verwiesen. Auch wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte des Arbeitsgerichtes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist nach §§ 143, 144, 151 SGG statthaft und auch sonst zulässig. Berufungsausschließungsgründe liegen nicht vor (§ 144 SGG).
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage der Klägerin (§ 54 Abs. 1, § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG) zu Recht abgewiesen. Der streitbefangene Bescheid vom 27.04.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.12.2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Der Beigeladene übte bei der Klägerin während der streitgegenständlichen Zeit vom 18.07.2011 bis 11.11.2014 eine zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtige Beschäftigung als Außendienstmitarbeiter aus. Eine selbstständige Erwerbstätigkeit lag nicht vor.
Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status (§ 7a Sozialgesetzbuch Viertes Buch [SGB IV] in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch [SGB V], § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch [SGB XI], § 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch [SGB VI] und § 25 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch [SGB III]) dargelegt und ausgeführt, dass der Beigeladene im streitgegenständlichen Zeitraum bei der Klägerin eine abhängige Beschäftigung ausgeübt hat und daher Versicherungspflicht in den genannten Sozialversicherungszweigen bestanden hat. Der Senat schließt sich dem nach eigener Überprüfung und unter Berücksichtigung des gesamten Vorbringens der Klägerin uneingeschränkt an und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung gemäß § 153 Abs. 2 SGG zurück.
Ergänzend ist Folgendes auszuführen: Die angefochtenen Bescheide sind formell rechtmäßig, insbesondere hinreichend bestimmt im Sinne des § 33 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Den für sozialversicherungsrechtliche Statusentscheidungen notwendigen Angaben einer bestimmbaren Arbeit und der gerade hiermit in Zusammenhang stehenden Entgeltlichkeit (vgl. näher BSG, Urteile vom 11.03.2009 - B 12 R 11/07 R - und vom 04.06.2009 - B 12 R 6/08 R -, Juris) ist die Beklagte gerecht geworden. Zudem handelt es sich nicht um die isolierte Feststellung des Vorliegens einer abhängigen Beschäftigung (sog. unzulässige Elementenfeststellung, vgl. BSG, Urteil vom 11.03.2009, a.a.O.).
Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (st. Rspr. vgl. zum Ganzen z.B. BSG, Urteile vom 30.04.2013 - B 12 KR 19/11 R - und vom 29.08.2012 - B 12 KR 25/10 R -, Juris). Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw. der selbstständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (vgl. insoweit insbesondere BSG, Urteil vom 25.04.2012 - B 12 KR 24/10 R -, Juris).
Bei Handelsvertretern sind im Rahmen dieser allgemeinen Vorgaben namentlich auch die spezifischen gesetzlichen Regelungen in § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB zu berücksichtigen. Danach gilt als Handelsvertreter, wer als selbstständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Selbstständig ist (vgl. § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB), wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann (s. hierzu BSG, Urteil vom 29.01.1981- 12 RK 63/79 -, Juris). An diese gesetzgeberische Vorgabe, wonach auch Handelsvertreter ungeachtet der mit ihrer Aufgabe im Wirtschaftsleben regelmäßig verbundenen tatsächlichen Eingliederung in die Vertriebsstruktur des Unternehmers, ihre Tätigkeit als rechtlich Selbstständige ausüben können, solange sie im Wesentlichen diese Tätigkeit frei gestalten und ihre Arbeitszeit frei bestimmen können, sind die Gerichte (und natürlich auch die Rentenversicherungsträger) gebunden (Art. 20 Abs. 3 GG). Bei der Abgrenzung zwischen Selbstständigen und Unselbstständigen ist weder isoliert auf die von den Parteien gewählte Einordnung des Vertrags oder die von diesen gewählte Bezeichnung als Angestellter oder Handelsvertreter noch allein auf die tatsächliche Durchführung des Vertrags abzustellen. Entscheidend ist im Ergebnis wiederum das Gesamtbild der Verhältnisse unter Würdigung sowohl der vertraglichen Gestaltung als auch der tatsächlichen Handhabung des Vertrages (BGH, Beschluss vom 27.10.2009 - VIII ZB 45/08 -; vgl. auch LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 13.12.2017 - L 2 R 359/17 - ; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.01.2016 - L 4 R 2796/15 -, Juris).
Ausgehend von diesen Grundsätzen kommt der Senat – wie auch das SG – bei der vorzunehmenden Gesamtabwägung zu dem Ergebnis, dass der Beigeladene seine Tätigkeit als Außendienstmitarbeiter im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt hat. Der Beigeladene war durch Aushändigung der Kundenlisten ständig damit betraut, für die Klägerin Geschäfte zu vermitteln, nämlich Kaufverträge über Auto- bzw. Motorradreifen. Nach dem Gesamtbild tat er dies hingegen nicht als Selbstständiger, so dass er nicht als selbstständiger Handelsvertreter im Sinne des § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB zu qualifizieren ist.
Ergänzend zu den Ausführungen des SG spricht gegen die Annahme der Tätigkeit als Handelsvertreter, dass der Beigeladene verpflichtet war, die Kundenlisten der Klägerin vor allem in Bezug auf die Bestandskunden abzuarbeiten. Zwar ist in diesem Zusammenhang nicht von ausschlaggebender Bedeutung, dass überhaupt Kundenlisten durch die Klägerin zur Verfügung gestellt wurden, da dies schon dem selbstverständlichen Eigeninteresse des Unternehmers entspricht und bei Handelsvertretern üblich ist (s. hierzu BAG, Beschluss vom 30.08.1994 – 1 ABR 3/94 –, Juris). Auch musste der Beigeladene keine bestimmte Reihenfolge der Kundenbesuche einhalten und gab es keine Vorgaben, an welchem Tag die Besuche erfolgen sollten. Indes bestand die Verpflichtung des Beigeladenen (und nicht nur ein Angebot seitens der Klägerin), jedenfalls die Bestandskunden auf den Listen abzuarbeiten. Eine solche Verpflichtung ist untypisch für einen selbstständigen Handelsvertreter (vgl. Emde in: Staub, HGB, 5. Aufl. 2008, § 84, Rdnr. 35; s. auch LAG Hamm, Urteil vom 11.05.2000 – 4 Sa 1694/98 -, Juris Rdnr. 229). Der Beigeladene sollte die Bestandskunden aufsuchen, Angebote abgeben, Bestellungen entgegennehmen, fragen, ob alles in Ordnung sei, und den Kontakt halten. Dies folgt nicht nur aus dem Vortrag des Beigeladenen im Erörterungstermin am 20.09.2018, sondern ergibt sich auch aus den Angaben des Zeugen R. im Rahmen des genannten Erörterungstermins. Hierzu korrespondierend hat der Geschäftsführer der Klägerin im Termin am 20.09.2018 dargelegt, internes Ziel sei gewesen, die Altkunden zwei Mal im Jahr zu besuchen. Auch hatte der Beigeladene die Aufgabe, Außenstände bei säumigen Kunden einzuholen. Insofern hält der Senat den Vortrag des Beigeladenen im Verwaltungsverfahren, jeder Kunde habe besucht werden sollen und eine Auftragsablehnung sei prinzipiell nicht möglich gewesen, für überzeugend. Die Neukundenakquisition fiel neben dieser Bestandskundenbetreuung kaum ins Gewicht – wie sich bereits aus den wenigen Provisionszahlungen ergibt, die der Beigeladene beanspruchen konnte.
Auch liegt nach Überzeugung des Senats eine Beschränkung der freien Bestimmung der Arbeitszeit vor, die gegen Selbstständigkeit spricht: Wie bereits ausgeführt, ergibt sich aus den übereinstimmenden Aussagen des Beigeladenen, des Geschäftsführers und auch der übrigen Zeugen, dass dem Beigeladenen keine konkreten Vorgaben gegeben wurden, welche Kunden aus der ihm ausgehändigten Liste er in welcher Reihenfolge abarbeiten solle. Für den Senat liegt indes auf der Hand, dass die Anzahl der aufzusuchenden Kunden so bemessen sein musste, dass ein Arbeitstag damit ausgefüllt war. Dieser Umstand folgt aus der Bezahlung der Tätigkeit: Der Beigeladene wurde überwiegend pauschal pro Einsatztag bezahlt und nicht etwa - wie bei selbstständigen Handelsvertretern üblich – vor allem durch Provisionen. Um aber einen ganzen Arbeitstag ausfüllen und dann auch abrechnen zu können, war der Besuch von etwa acht bis zehn Kunden notwendig. Diese Zahl hat der Beigeladene bereits im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem SG genannt. Sie ist so auch von dem Zeugen im Erörterungstermin am 18.12.2018 bestätigt worden (zehn Kunden pro Tag) und entspricht auch der Einschätzung des Zeugen R. (sechs bis acht oder zehn Kunden pro Tag, vgl. Protokoll Erörterungstermin am 20.09.2018). Damit ist eine Beschränkung der freien Bestimmung der Arbeitszeit verbunden, da der Beigeladene anders als ein selbstständiger Handelsvertreter im Hinblick auf die pauschale Tagesvergütung seinen Arbeitsumfang nicht eigenständig festlegen konnte. Bezeichnenderweise hat der Beigeladene hier den Arbeitsumfang übernommen, der ihm vom - unstreitig abhängig beschäftigten - Außendienstmitarbeiter W. im Rahmen einer zweitägigen Einlernphase vorgelebt wurde (vgl. Protokoll des Erörterungstermins am 20.09.2018). Überzeugend hat der Beigeladene hier auch angemerkt, es hätte Ärger gegeben, wenn er zu wenige Arbeitsblätter abgegeben hätte – mit anderen Worten: zu wenige Kunden aufgesucht hätte.
Inhaltlich war die Handlungsfreiheit des Beigeladenen zudem in für Selbstständige untypischer Weise beschränkt: So wurde er regelmäßig dazu verpflichtet, Reifen auszufahren. Über den genauen Umfang dieser Tätigkeit wurden unterschiedliche Angaben gemacht: Während der Beigeladene hierzu im Rahmen des Erörterungstermins am 20.09.2018 einen Umfang von bis zu zehn Stunden täglich über jeweils zwei bis drei Monate jeweils im Herbst und Frühjahr angegeben hat, hat der Geschäftsführer der Klägerin nur von vereinzelten Auslieferungen gesprochen, die auch mal eine Woche am Stück gedauert haben könnten, aber keinesfalls den vom Beigeladenen geschilderten Umfang erreichten. Der Zeuge R. konnte im Termin am 18.12.2018 hierzu keine genaue Aussage machen, hat aber darauf hingewiesen, die Hochsaison dauere höchstens vier Wochen. Angesichts der vom Beigeladenen eingereichten und ihn als Fahrer nennenden Fahrtenbücher steht für den Senat jedenfalls fest, dass dieser in erheblichem Umfang zum Reifenausfahren herangezogen wurde. Solche Fahrtenbücher werden, wie der Beigeladene im Erörterungstermin am 20.09.2018 unwidersprochen dargelegt hat, nur für einen Sprinter geführt (vgl. hierzu auch § 1 Abs. 1 Fahrpersonalverordnung [FPersV]), während sie für den Mercedes Vito, den der Beigeladene bei seinen Kundenbesuchen normalerweise fuhr, wegen dessen geringeren Gewichts nicht nötig sind. Der Sprinter aber wurde benutzt, wenn Reifen auszufahren waren, so dass der Senat davon ausgeht, dass der Beigeladene grundsätzlich an den Tagen, die in den Fahrtenbüchern vermerkt sind, Reifen ausgefahren hat. Im Zeitraum zwischen dem 18.10.2012 und 11.12.2012 sind in den Fahrtenbüchern 35 Fahrten vermerkt, im Zeitraum zwischen dem 03.07.2013 und 20.12.2013 32 Fahrten und im Zeitraum vom 01.04.2014 bis 10.11.2014 34 Fahrten. Soweit der Geschäftsführer der Klägerin im Erörterungstermin vom 20.09.2018 ausgeführt hat, es sei auch vorgekommen, dass der Beigeladene ohne Reifen mit dem Sprinter gefahren sei, weil der Mercedes Vito gerade nicht einsatzbereit gewesen sei, handelte sich hierbei offensichtlich um eine Ausnahme. Ebenso kam es vor, dass der Beigeladene auch Reifen mit seinem Vito ausfuhr (vgl. Angaben des Zeugen R. im Termin am 18.12.2018). Diese Reifenauslieferungen sind ein deutliches Indiz dafür, dass der Beigeladene – wie die anderen Arbeitnehmer des Betriebes – in den betrieblichen Ablauf eingegliedert war und über seine eigene Arbeitskraft anders als ein Selbstständiger gerade nicht frei verfügen konnte. Wie der Zeuge R. treffend beschrieb, wurde der Beigeladene "zweckentfremdet" und musste diese Aufgabe übernehmen, obwohl er sie nicht mochte – eben weil, wie die Zeugin B. es ausdrückte, "in der Firma jeder das macht, was eben nötig ist". Insofern unterschied sich der Beigeladene nicht von den anderen Mitarbeitern im Außendienst, der Zeugin S. bzw. dem Arbeitnehmer Wahl, die bezeichnenderweise bei im Wesentlichen identischer Tätigkeit auch von der Klägerin als abhängig Beschäftigte behandelt wurden.
Gegen Selbstständigkeit spricht schließlich auch – wie das SG bereits ausgeführt hat – das fehlende Unternehmerrisiko. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. z.B. BSG, Urteile vom 28.05.2008 - B 12 KR 13/07 R - und vom 28.09.2011 - B 12 R 17/09 R -, Juris) ist maßgebliches Kriterium hierfür, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der tatsächlichen und persönlichen Mittel also ungewiss ist. Erforderlich ist ein Risiko, das über das Risiko hinausgeht, für den Arbeitseinsatz kein Entgelt zu erzielen. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (vgl. BSG, Urteile vom 28.05.2008 und vom 28.09.2011, a.a.O.). Vorliegend wurde der Beigeladene pauschal und erfolgsunabhängig für jeden Arbeitstag bezahlt, so dass er seine Arbeitskraft nicht maßgeblich mit der Gefahr des Verlustes einsetzte. Den nur in geringem Umfang angefallenen Provisionszahlungen kommt neben dieser Pauschale kein nennenswertes Gewicht zu. Sächliche Mittel hat der Beigeladene nicht eingesetzt – so wurden ihm sogar Pkw und Handy von der Klägerin gestellt. Mangelnde Ansprüche auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und bei Urlaub sind nicht maßgeblich. Sie sind nur dann ein gewichtiges Indiz für unternehmerisches Handeln, wenn damit auch tatsächliche Chancen einer Einkommenserzielung verbunden sind, also eine Erweiterung der unternehmerischen Möglichkeiten stattfindet (BSG, Urteile vom 11.03.2009 - B 12 KR 21/07 R und vom 25.01.2001 - B 12 KR 17/00 R -, Juris). Hierfür ist im vorliegenden Fall jedoch nichts ersichtlich.
Der Umstand, ob der Beigeladene ein Gewerbe angemeldet hat, ist gleichfalls nicht entscheidend für eine selbstständige Tätigkeit, da dieses formale Kriterium für die Beurteilung der tatsächlichen Ausgestaltung der zu beurteilenden Tätigkeit ohne wesentliche Aussagekraft ist. Der sozialversicherungsrechtliche Status eines Betriebsinhabers wird seitens der Gewerbeaufsicht nicht geprüft (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13.07.2016 - L 8 R 423/14 -, Juris). Gleiches gilt für das Finanzamt (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 02.11.2016 - L 8 R 456/14 -, Juris Rdnr. 111). Diesbezügliche weitere Ermittlungen des Senats waren daher nicht notwendig, zumal die Klägerin bezweifelt, dass der Beigeladene im streitigen Zeitraum noch ein Gewerbe angemeldet hatte (vgl. Protokoll zum Erörterungstermin am 18.12.2018) – dies wäre aber allenfalls ein Argument gegen Selbstständigkeit und nicht dafür, so dass der Senat keine Veranlassung sah, der diesbezüglichen Beweisanregung der Klägerin (Schriftsatz vom 11.02.2019) nachzugehen. Der im Erörterungstermin am 18.12.2018 gestellte Antrag auf Beiziehung der Steuerunterlagen hat sich durch die vorbehaltlose Einverständniserklärung zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erledigt (vgl. hierzu nur BSG, Beschluss vom 05.02.2015 - B 13 R 372/14 B -, Juris).
Nach alledem bestand Versicherungspflicht in den genannten Zweigen der Sozialversicherung. Versicherungsfreiheit lag auch nicht aus anderen Gründen (wegen Geringfügigkeit, § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV, oder Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze, § 6 SGB V) vor.
Die Versicherungspflicht begann ab dem 18.07.2011 und nicht erst mit der Bekanntgabe der Statusentscheidung, da der Antrag auf Statusfeststellung nicht innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit gestellt wurde (vgl. § 7a Abs. 6 Satz 1 SGB IV; Knospe in: Hauck/Noftz, SGB, 07/08, § 7a SGB IV, Rdnr. 47).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Beigeladenen Ziffer 1 bis 4 haben keine Anträge gestellt, so dass insofern eine Kostentragungspflicht der Klägerin nicht billig wäre.
Die endgültige Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 2, § 47 Gerichtskostengesetz (GKG). Die Höhe des Streitwerts entspricht dem Auffangstreitwert von 5.000 EUR, da bislang lediglich über das Bestehen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses und die hieraus folgende Sozialversicherungspflicht entschieden wurde, aber noch keine Gesamtsozialversicherungsbeiträge festgesetzt wurden.
Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
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