L 7 R 1159/18 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 634/18 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 R 1159/18 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts F. vom 21. Februar 2018 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe:

1. Die gemäß §§ 172, 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg.

Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist in § 86b SGG geregelt, und zwar für Anfechtungssachen in Absatz 1, für Vornahmesachen in Absatz 2. Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Absatzes 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG).

Vorliegend kommt hinsichtlich des streitigen Regelungsgegenstandes nur eine einstweilige Anordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht, und zwar auch, soweit es dem Antragsteller um die Weiterzahlung seiner Rente gehen sollte. Ein Verwaltungsakt (§ 31 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X)), mit dem die dem Antragsteller seit Januar 2003 bewilligte Rente wegen voller Erwerbsminderung entzogen werden soll, liegt bislang nicht vor. Das Schreiben der Antragsgegnerin vom 27. Dezember 2017 (Bl. 169 der Rentenakte) stellt nach seinem objektiven Sinngehalt aus der Sicht eines verständigen Empfängers (vgl. hierzu etwa Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 17. Juni 2008 - B 8 AY 8/07 R - (juris Rdnr. 12); BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013 - B 8 SO 13/12 R - (juris Rdnr. 10); Engelmann in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage 2014, § 31 Rdnr. 25 (m.w.N.)) keine behördliche Verlautbarung dar, mit der bereits eine Rechtsfolge gesetzt werden sollte. Eine Entscheidung über die Entziehung der Rente (wohl nach § 66 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I)) ist im genannten Schreiben vielmehr erst angekündigt worden; eine solche ist aber noch nicht erfolgt.

Der Erlass einer Regelungsanordnung setzt zunächst die Statthaftigkeit und Zulässigkeit des Rechtsbehelfs voraus. Die Begründetheit des Antrags wiederum hängt vom Vorliegen der Anordnungsvoraussetzungen, nämlich den Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) sowie der Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung (Anordnungsgrund), ab. Eine einstweilige Anordnung darf nur erlassen werden, wenn sowohl die Zulässigkeit des Rechtsbehelfs als auch die weiteren Anordnungsvoraussetzungen gegeben sind.

Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen nicht vor.

a) Sofern das Eilbegehren des Antragstellers weiterhin darauf gerichtet sein sollte, von der Antragsgegnerin die Rente wegen voller Erwerbsminderung ausgezahlt zu erhalten, wäre dieses Begehren - wie vom Sozialgericht F. (SG) im angefochtenen Beschluss im Ergebnis zu Recht ausgeführt - mangels Rechtsschutzbedürfnisses bereits unzulässig. Denn die Antragsgegnerin zahlt die bewilligte Rente, wie sie im Schriftsatz vom 24. April 2018 mitgeteilt hat, nach wie vor laufend an den Antragsteller. Gerichtlicher Rechtsschutz ist deshalb nicht erforderlich und eine dennoch fortgeführte Rechtsverfolgung unzulässig; denn niemand darf die Gerichte unnütz in Anspruch nehmen.

b) Soweit es dem Antragsteller darum geht, von der Antragsgegnerin über der Rechtsbehelf der einstweiligen Anordnung "Schadensersatz" in Höhe von 6.639,15 Euro zu erlangen, ist, wie vom SG ebenfalls zutreffend dargestellt, der Sozialrechtsweg nicht gegeben. Denn Schadensersatzansprüche auf sozialrechtlicher Grundlage sind nicht ersichtlich (vgl. hierzu das bereits vom SG zitierte Senatsurteil vom 25. Juni 2009 - L 7 AS 5663/07 - (n.v.)), sodass es insoweit schon an den Anordnungsvoraussetzungen fehlt. Für Schadensersatzansprüche in Geld, die der Antragsteller meint und die er offensichtlich auf § 839 des Bürgerlichen Gesetzbuchs i.V.m. Art. 34 des Grundgesetzes (GG) stützen möchte, sind indessen nicht die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit, sondern gemäß Art. 34 Satz 3 GG, § 17 Abs. 2 Satz 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes ausschließlich die Zivilgerichte zuständig (BSGE 47, 194, 200 = SozR 2200 § 1399 Nr. 11; BSGE 50, 25, 29 = SozR 2200 § 172 Nr. 14). Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten ist insoweit mithin unzulässig. Ein Gericht der Sozialgerichtsbarkeit darf im Übrigen auch eine Teilverweisung eines eventuellen Amtshaftungsanspruchs an das Zivilgericht nicht vornehmen (ständige Rechtsprechung; vgl. BSG SozR 4-1500 § 153 Nr. 11 (Rdnrn. 23 f.; BSG, Beschluss vom 31. Oktober 2012 - B 13 R 437/11 B - (juris Rdnr. 10); BSG, Beschluss vom 13. Juni 2013 - B 13 R 454/12 B - (juris Rdnr. 21)).

c) Auch hinsichtlich des Verlangens des Antragstellers, die der Antragsgegnerin durch eine dritte Person übermittelten und zu den Verwaltungsakten gelangten Bildaufnahmen herauszugeben, sind die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung, und zwar schon der Anordnungsanspruch, nicht gegeben. Zwar könnte als denkbare Rechtsgrundlage für das Herausgabebegehren gegenwärtig die Vorschrift des § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB X (in der Fassung des Gesetzes vom 18. Mai 2001(BGBl. I S. 904)) in Betracht kommen; danach sind Sozialdaten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig ist. Unter "Löschung" im Sinne des § 84 Abs. 2 SGB X dürfte auch die Entfernung von Datenträgern aus Verwaltungsakten sowie deren anschließende Vernichtung oder Rücksendung an den Betroffenen zu fassen sein (vgl. Bayer. Landessozialgericht, Urteil vom 31. März 2011 - L 15 SB 80/06 - (juris Rdnr. 28); Bieresborn in von Wulffen/Schütze, a.a.O., § 84 Rdnr. 6). Gemäß § 67 Abs. 1 Satz 1 SGB X sind Sozialdaten Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Betroffener), die von einer in § 35 SGB I genannten Stelle im Hinblick auf ihre Aufgaben nach diesem Gesetzbuch erhoben, verarbeitet oder genutzt werden. Der Begriff der "Einzelangaben" ist weit auszulegen (vgl. Bieresborn, a.a.O., § 67 Rdnr. 3 (m.w.N.)); hierunter dürften demgemäß auch die eine Person betreffenden Bildaufnahmen fallen (vgl. Fromm in jurisPK-SGB X, 2. Auflage 2014, § 67 Rdnr. 58 (Stand: 01.12.2017); Jung/Dankelmann in Eichenhofer/Wenner, SGB X, 2. Auflage 2017, § 67 Rdnr. 13). Die Entgegennahme der über eine dritte Person zu den Akten gelangten Bildaufnahmen des Antragstellers stellt nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand eine Erhebung von Sozialdaten durch die Antragsgegnerin im Hinblick auf ihre Aufgaben nach § 23 Abs. 1 und 2 SGB I dar; insoweit dürfte sich keine andere Beurteilung dadurch rechtfertigen, dass die anzeigende Person unaufgefordert an die Antragsgegnerin herangetreten ist (vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) BVerwGE 119, 11 (juris Rdnr. 29)).

Indessen spricht gegenwärtig alles dafür, dass die Erhebung der Daten durch die Antragsgegnerin hier erforderlich war (§ 67a Abs. 1 SGB X). Erforderlich ist die Kenntnis von Daten, die notwendig ist, um die dem Sozialleistungsträger gestellte Aufgabe rechtmäßig, vollständig und in angemessener Zeit erfüllen zu können (BSGE 90, 162 = SozR 3-2500 § 284 Nr. 1 (juris Rdnr. 26); Bieresborn, a.a.O., § 67a Rdnr. 4; Jung/Dankelmann, a.a.O., § 67a Rdnr. 4). Der Antragsteller bezieht von der Antragsgegnerin seit 1. Januar 2003 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch). Die zu den Akten gelangten Bildaufnahmen, über die der Antragsteller mit Schreiben der Antragsgegnerin vom 13. Oktober 2017 informiert worden ist, zeigen allerdings Aktivitäten des Antragstellers, die darauf hindeuten könnten, dass, ungeachtet der fraglichen Überschreitung der Hinzuverdienstgrenzen (§ 96a SGB VI), schon die medizinischen Voraussetzungen für eine solche Rente nicht mehr gegeben sind. Sollte dies zutreffen, wäre die Antragsgegnerin ggf. gehalten, unter Beachtung der §§ 44 ff. SGB X verwaltungsverfahrensrechtliche Schritte einzuleiten.

Im Hinblick auf die vorstehenden Erwägungen bedarf es im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes keines weiteren Eingehens darauf, dass über die Löschung von Daten im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens durch Verwaltungsakt (§ 31 Satz 1 SGB X) zu entscheiden ist (vgl. BSG SozR 4-1300 § 84 Nr. 1 Rdnr. 25)). Ein solches hat hier aber bislang nicht stattgefunden (vgl. hierzu auch Senatsbeschluss vom 10. Februar 2015 - L 7 AS 1160/14 - (n.v.)).

2. Von der Gewährung von Akteneinsicht (§ 120 Abs. 1 SGG) hat der Senat im Hinblick auf die vom Antragsteller geltend gemachte Eilbedürftigkeit der Sache abgesehen. Im Übrigen wäre, da die Identität eines Behördeninformanten ebenfalls unter den Sozialdatenschutz nach § 35 SGB I i.V.m. § 67 Abs. 1 SGB X fällt, auch dessen Geheimhaltungsinteresse zu beachten. Dieses Interesse überwiegt regelmäßig das Informationsinteresse des Leistungsempfängers (BVerwGE 119, 11 (juris Rdnrn. 29 f.)), sodass in einem solchen Fall über eine Akteneinsicht eine Namensübermittlung nicht erfolgen könnte.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

4. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren ist unter diesen Umständen mangels hinreichender Erfolgsaussichten abzulehnen (§ 73a Abs. 1 SGG i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung).

5. Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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