Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 16 KR 3600/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 2320/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23. April 2013 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung an das Sozialgericht Stuttgart zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung des Sozialgerichts Stuttgart vorbehalten.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich zunächst dagegen, dass das Sozialgericht Stuttgart (SG) festgestellt hat, der Rechtsstreit S 16 KR 3865/10 sei durch Klagerücknahme (wegen Nichtbetreibens des Verfahrens) erledigt, sowie weiter gegen einen Beitragsbescheid der Beklagten und begehrt die Feststellung, sie sei über 12. November 2006 hinaus familienversichertes Mitglied der Beklagten.
Die Mutter der 1996 geborenen Klägerin ist seit 1986 versicherungspflichtiges Mitglied der beklagten Krankenkasse, ihr Vater ist selbstständiger Rechtsanwalt und nicht Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Beklagte führte jedenfalls seit 1. März 2002 die Klägerin - ebenso wie ihre drei Geschwister - als familienversichertes Mitglied. Die Mutter der Klägerin reichte im Januar 2007 den Bescheid für 2003 über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer vom 9. November 2006 bei der Beklagten ein. Dieser weist für den Vater der Klägerin Einkünfte von insgesamt EUR 52.825,00 (aus selbstständiger Tätigkeit in Höhe von EUR 60.000,00, ausgleichsfähige negative Summe der Einkünfte in Höhe von EUR 7.175,00 und aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von - EUR 3.588,00) sowie für die Mutter der Klägerin Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von - EUR 3.588,00 aus und setzte das zu versteuernde Einkommen beider Ehegatten auf EUR 42.650,00 fest. Auf Nachfrage der Beklagten gab sie weiter an, das jährliche Gesamteinkommen ihres Ehegatten habe in den Jahren 2003 bis 2006 nicht über der jeweils geltenden Beitragsbemessungsgrenze gelegen und sei höher als ihr Gesamteinkommen gewesen. Unter dem 26. Februar 2007 unterrichtete die Beklagte die Mutter der Klägerin, die Familienversicherung der Klägerin habe zum 12. November 2006 geendet, weil das Einkommen des gesetzlich nicht krankenversicherten Vaters durchschnittlich ein Zwölftel der jährlichen Jahresarbeitsentgeltgrenze und ihr (der Mutter) Einkommen überschreite, und wies auf die Möglichkeit einer Mitgliedschaft der Klägerin als freiwillig Versicherte hin. In gleicher Weise erfolgte dies bezüglich der drei Geschwister der Klägerin.
Die Mutter der Klägerin erhob Widerspruch und wandte sich gegen die rückwirkende Beendigung der Familienversicherung der Klägerin sowie ihrer Geschwister. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch gegen die Bescheide vom 26. Februar 2007 wegen Beendigung der Durchführung der Familienversicherung für die Klägerin und ihre Geschwister zurück (Widerspruchsbescheid vom 2. Juli 2008). Der Widerspruchsbescheid war adressiert an die Mutter der Klägerin sowie "nachrichtlich" an die drei Geschwister der Klägerin. Zur Begründung führte der Widerspruchsausschuss aus, Bestätigungen über die Durchführung der Familienversicherung seien Verwaltungsakte mit Dauerwirkung, die bei Eintritt einer wesentlichen Änderung gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben seien, wenn der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen sei. Die Durchführung der Familienversicherung für die Klägerin und ihre Geschwister sei ausgeschlossen. Das Gesamteinkommen des Vaters der Klägerin, der nicht Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse sei, übersteige mit EUR 4.701,00 regelmäßig im Monat ein Zwölftel der Jahresarbeitentgeltgrenze und sei regelmäßig höher als das Gesamteinkommen der Mutter der Klägerin. Maßgebend sei nicht das zu versteuernde Einkommen, sondern das Gesamteinkommen. Der Einkommensteuerbescheid 2003 sei am 9. November 2006 erlassen worden und habe der Mutter der Klägerin spätestens am 12. November 2006 vorgelegen. Er sei ihr (der Beklagten) erst am 8. Januar 2007 zugesandt worden. Deshalb sei sie (die Beklagte) verpflichtet gewesen, die Familienversicherung der Klägerin und ihrer Geschwister rückwirkend zum 12. November 2006 zu beenden.
Gegen diesen Widerspruchsbescheid erhoben die Mutter und die Geschwister der Klägerin am Montag, 4. August 2008 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG; S 19 KR 5336/08). Die Klägerin war in der Klageschrift nicht aufgeführt. Das SG lud sie bei (Beiladungsbeschluss vom 16. September 2009) und wies die Klage mit Urteil vom 15. Oktober 2012 ab. Gegen dieses Urteil haben die Mutter und die Geschwister der Klägerin Berufung eingelegt, die beim Senat anhängig ist (L 4 KR 4882/12).
Da die Klägerin und ihre Geschwister einen Beitritt zur freiwilligen Versicherung nicht erklärten, sah die Beklagte sie ab 1. April 2007 als versicherungspflichtig nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) an. Hinsichtlich der Klägerin setzte die Beklagte mit an die Mutter der Klägerin gerichtetem Bescheid vom 30. September 2008 unter Verweis auf diese seit 1. April 2007 bestehenden Versicherungspflicht monatliche Beiträge von EUR 113,48 zur Krankenversicherung sowie EUR 16,15 zur Pflegeversicherung, insgesamt EUR 129,63 fest und nannte einen Beitragsrückstand von EUR 2.264,04. Der Berechnung der Beiträge legte sie die gesetzliche Mindestbemessungsgrundlage von (damals) EUR 828,33 sowie (damalige) Beitragssätze in der Krankenversicherung von 13,7 v.H. (12,8 v.H. zzgl. 0,9 v.H. Zusatzbeitrag) und in der Pflegeversicherung von 1,95 v.H. zugrunde. Der Bescheid enthält keinen Hinweis darauf, dass er zugleich im Namen der bei der Beklagten errichteten Pflegekasse ergehe. Die Mutter der Klägerin erhob Widerspruch, den sie nicht begründete. Unter dem 27. November 2008 erläuterte die Beklagte (der in der vorgelegten Verwaltungsakte enthaltene Abdruck des Bescheids enthält keinen Hinweis auf die bei der Beklagten errichtete Pflegekasse), sie habe nach § 186 Abs. 11 SGB V und § 13b ihrer Satzung die Beiträge (hinsichtlich der Klägerin und auch ihrer Geschwister) für den Zeitraum vom 1. April 2007 bis 30. November 2008 ermäßigt. Der monatliche Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung betrage vom 1. April bis 31. Dezember "2008" (gemeint 2007) EUR 39,45, vom 1. Januar bis 30. Juni 2008 EUR 40,75 sowie vom 1. Juli bis 30. November 2008 EUR 41,38, ab 1. Dezember 2008 aus der Mindestbemessungsgrenze von EUR 828,33 insgesamt EUR 129,63 (zur Krankenversicherung EUR 113,48 und zur Pflegeversicherung EUR 16,15). In der Folge mahnte die Beklagte nicht gezahlte Beiträge an und setzte auch Säumniszuschläge und Mahnkosten fest. Nachdem Anfragen zur Höhe des Einkommens unbeantwortet blieben, setzte die Beklagte nach entsprechender Ankündigung (Schreiben vom 17. November 2009) mit an die Klägerin gerichtetem Bescheid vom 14. Dezember 2009 zugleich im Namen der bei ihr errichteten Pflegekasse ab 1. Oktober 2009 monatliche Beiträge von EUR 525,53 zur Krankenversicherung sowie EUR 71,66 zur Pflegeversicherung, insgesamt EUR 597,19 fest. Sie berechnete die Beiträge nach monatlichen Einnahmen in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze von EUR 3.675,00.
Der Widerspruchsausschuss der Beklagten, der hinsichtlich der Beiträge zur Pflegeversicherung auch die Aufgabe des Widerspruchsausschuss der Pflegekasse wahrnimmt, wies den Widerspruch "gegen den Bescheid vom 30. September 2008" - soweit dem Widerspruch nicht bereits mit Bescheid vom 27. November 2008 abgeholfen worden sei - zurück (Widerspruchsbescheid vom 26. Mai 2010). Die versicherungspflichtige Mitgliedschaft der Klägerin nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V habe am 1. April 2007 begonnen, da die Klägerin nach dem Ausscheiden aus der Familienversicherung ab 13. November 2006 keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall gehabt habe. Folglich seien ab diesem Zeitpunkt auch Beiträge zur Kranken- und "Rentenversicherung" (gemeint Pflegeversicherung") zu entrichten.
Die Klägerin erhob am Montag, 28. Juni 2010 Klage beim SG (S 16 KR 3865/10). Sie benannte als angefochten den Bescheid der Beklagten vom 30. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Mai 2010. Sie begründete ihre Klage trotz vom SG eingeräumter Fristverlängerung nicht und reagierte auf eine nach Ablauf der verlängerten Frist erfolgte Mahnung des SG nicht.
Das SG forderte mit der Eingangsbestätigung vom 30. Juni 2010 die Klägerin auf, die genannten Bescheide vorzulegen, was nicht erfolgte. Es wies - ohne die Verwaltungsakten bei der Beklagten angefordert zu haben - die Klägerin mit Verfügung vom 1. März 2011, ihrem Prozessbevollmächtigten am 3. März 2011 zugestellt, darauf hin, dass sie ihren prozessualen Mitwirkungspflichten bisher nicht nachgekommen sei und deswegen davon ausgegangen werde, dass ihr Interesse an der Fortführung des Verfahrens entfallen sei. Dies könne sie widerlegen, indem sie innerhalb von drei Monaten nach Zugang einen sachdienlichen Antrag stelle, diesen Antrag begründe und dabei im Einzelnen die Tatsachen vortrage, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren sie sich beschwert fühle. Komme sie dieser Aufforderung nicht fristgemäß nach, gelte die Klage als zurückgenommen. Die Klägerin beantragte mit am 26. April und 3. Juni 2011 beim SG eingegangenen Schriftsätzen Fristverlängerung zur Vorlage der Klagebegründung bis 13. Mai und 10. Juni 2011, auf die das SG nicht reagierte. Mit Verfügung vom 6. Juni 2011 sah das SG die Klage S 16 KR 3865/10 als zurückgenommen an und unterrichtete die Beteiligten hierüber.
Am 10. Juni 2011 trat die Klägerin der Auffassung des SG, die Klage gelte als zurückgenommen, entgegen. Das SG führte den Rechtsstreit unter dem Aktenzeichen S 16 KR 3600/11 fort. Die Klägerin machte geltend, der Schluss, ihr Rechtsschutzinteresse sei weggefallen, sei nicht allein daraus herzuleiten, dass sie eine Klagebegründung nicht vorgelegt habe. Sie habe ihr fortbestehendes Rechtsschutzinteresse durch den Antrag, die Frist zur Klagebegründung bis 10. Juni 2011 zu verlängern, deutlich gemacht. Zur Vorlage einer Klagebegründung sei sie nicht verpflichtet. Die Klagebegründung habe sie zurückgestellt, weil nach wie vor der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2009 ausstehe. Zugleich begründete sie die Klage. Es sei unrichtig, dass das Einkommen ihres Vaters im Jahre 2003 die Versicherungspflichtgrenze von monatlich EUR 3.937,50 überschritten habe. Dessen Einkünfte hätten zwar aufgrund des (beim SG nicht eingereichten) Einkommensteuerbescheids vom 5. Mai 2008 EUR 44.864,00 betragen. Zu berücksichtigen sei jedoch, dass ihm fälschlicherweise Einkünfte aus einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die zum 14. Mai 2001 geendet habe, zugerechnet worden seien. Unter anderem hiergegen habe dieser Klage beim Finanzgericht Baden-Württemberg erhoben. Unabhängig davon seien von den Einkünften aus selbstständiger Tätigkeit die beschränkt abziehbaren Sonderausgaben in Höhe von EUR 10.138,00 und die unbeschränkt abziehbaren Sonderausgaben in Höhe von EUR 500,00 in Abzug zu bringen. Hinzu komme, dass das von ihrem Vater regelmäßig erzielte Gesamteinkommen vor einem Vergleich mit der Beitragsbemessungsgrenze um die Beiträge zu bereinigen sei, die er für die Krankenversicherung (monatlich EUR 502,09) und für die Rentenversicherung (monatlich EUR 537,30) aufbringen müsse. Da sich seine Einkünfte aus selbstständiger beruflicher Tätigkeit im Jahr 2009 voraussichtlich nur auf EUR 32.858,00 beliefen, sei sie spätestens seit dem Jahr 2009 (wieder) familienversichert. Ferner könne die Familienversicherung immer nur ex nunc enden. Da sie den Beitritt zur freiwilligen Versicherung nicht erklärt habe, sei sie - wenn keine Familienversicherung bestehe - nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten. Der aus dem Versicherungsverhältnis resultierende Leistungsanspruch ruhe nicht wegen Beitragsrückständen.
Die Beklagte folgte der Auffassung des SG, der Rechtsstreit S 16 KR 3865/10 gelte durch Klagerücknahme als erledigt und verwies in der Sache auf das Verfahren betreffend die Mutter und drei Geschwister der Klägerin.
Ab 28. Juli 2012 führte die Beklagte die Klägerin erneut als familienversichertes Mitglied. Dies bestätigte sie schriftlich unter dem 18. Dezember 2012. Die Beteiligten teilte dies dem SG nicht mit.
In der mündlichen Verhandlung der 19. Kammer des SG am 15. Oktober 2012 im Rechtsstreit S 19 KR 5336/08 beantragten die dortigen Kläger u.a. die Feststellung, dass auch die Klägerin über den 12. November 2006 hinaus bei der Beklagten familienversichert sei, sowie das Ruhen des Klageverfahrens S 16 KR 3600/11 betreffend die Feststellung der Erledigung durch (fiktive) Rücknahme der am 28. Juni 2010 erhobenen Klage anzuordnen. Nachdem die 16. Kammer des SG die Auffassung vertreten hatte, es sei nicht zweckmäßig das Ruhen dieses Klageverfahrens anzuordnen, hielt die Beklagte an ihrem Antrag auf Anordnung des Ruhen des Verfahrens nicht mehr fest, während die Klägerin auf die nicht mehr mögliche Rücknahme dieses Antrags verwies.
Nach der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 23. April 2013 verkündete der Kammervorsitzende des SG folgende Urteilsformel:
"Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten."
Das ausgefertigte Urteil vom selben Tage enthält folgenden Urteilstenor: "Es wird festgestellt, dass das Verfahren mit dem Aktenzeichen S 16 KR 3865/10 durch Klagerücknahme erledigt ist.
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten."
Zur Begründung des Urteils vom 23. April 2013 hat das SG ausgeführt, der Rechtsstreit (S 16 KR 3865/10) sei der Hauptsache erledigt, weil die Klage als zurückgenommen gelte. Die formgerechte Betreibensaufforderung sei dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 3. März 2011 zugegangen, da die Klägerin oder ihr Prozessbevollmächtigter der Aufforderung nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von drei Monaten nachgekommen sei, gelte die Klage mit Ablauf des 3. Juni 2011 als zurückgenommen. Die Gesuche um Fristverlängerung stellten kein Betreiben des Verfahrens dar. Die Betreibensfrist sei als gesetzliche Frist nicht verlängerbar. Die Betreibensaufforderung sei auch rechtmäßig gewesen. Bei ihrem Erlass am 1. März 2011 seien das Ziel der Klage und die Gründe, aus denen die Klägerin eine gerichtliche Überprüfung des Bescheids vom 30. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Mai 2011 begehrt habe, mangels Mitwirkung der Klägerin nicht erkennbar gewesen. Trotz mehrfacher Aufforderung habe die Klägerin auch acht Monate nach Erhebung der Klage diese nicht begründet, ebenso wenig wie den Widerspruch, sowie auch keinen Klageantrag formuliert. Es werde nicht verkannt, dass das Sozialgerichtsgesetz (SGG) einen Klageantrag und eine Klagebegründung nicht zwingend vorschreibe. Seien aber, wie vorliegend, sowohl das Klageziel als auch die Gründe, aus denen die streitgegenständlichen Bescheide angefochten würden, unklar, bedürfe es zur (sinnvollen) Durchführung des Gerichtsverfahrens notwendig der Mitwirkung des Klägers. Da die Klägerin sich weder im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren noch mit der Klageschrift geäußert habe, habe es ihrer Mitwirkung zur sachgerechten Verfahrensfortführung bedurft, die zum Zeitpunkt der Betreibensaufforderung bereits längere Zeit "überfällig" gewesen sei. Hinzu komme, dass die anwaltlich vertretene Klägerin eine Begründung ihrer Klage ausdrücklich angekündigt gehabt habe. Aus dem Ausbleiben der angekündigten Klagebegründung habe unter Berücksichtigung der gesamten Umstände der Rückschluss auf Zweifel an einem Interesse an Fortführung der Klage gezogen werden können. Die eingetretene Fiktion der Klagerücknahme verletze die Klägerin schließlich auch nicht in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör. Sie habe hinreichend Möglichkeit gehabt, sich zu äußern.
Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 3. Mai 2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 3. Juni 2013 Berufung eingelegt. Sie wiederholt sowohl hinsichtlich der Frage der Erledigung des Rechtsstreits S 16 KR 3865/10 als auch in der Sache selbst ihre Auffassung. Einen Hinweis des Senats, es stehe bestandskräftig fest, dass ihre Familienversicherung am 12. November 2006 geendet habe, hält sie für unrichtig, weil ihre Mutter für sie als Minderjährige Widerspruch eingelegt habe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23. April 2013 sowie die Bescheide der Beklagten vom 30. September 2008 in der Fassung des Bescheids vom 27. November 2008 und vom 14. Dezember 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Mai 2010 aufzuheben und festzustellen, dass sie auch ab dem 13. November 2006 familienversichert ist, hilfsweise das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23. April 2013 aufzuheben und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Stuttgart zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akten des Senats (L 4 KR 4882/12 und L 4 KR 2320/13), die Akten des SG (S 16 KR 3865/10, S 16 KR 3600/11, S 19 KR 5336/08) sowie die von der Beklagten in den Berufungsverfahren vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Die Klägerin hat die Berufung form- und fristgerecht eingelegt. Die Berufung ist auch statthaft. Sie bedurfte nicht der Zulassung nach § 144 Abs. 1 SGG. Denn die Klägerin wendet sich zumindest gegen den Bescheid vom 30. September 2008, der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr festsetzte (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Zudem begehrt sie die Feststellung, sie sei auch über den 12. November 2006 hinaus familienversichert. Der Rechtsstreit betrifft insoweit keine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).
Die Berufung der Klägerin ist im Sinne einer Zurückverweisung des Rechtsstreits an das SG begründet.
Nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Landessozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. Das Verfahren des SG leidet an einem wesentlichen Mangel, weil der Rechtsstreit S 16 KR 3865/10 entgegen der Auffassung des SG nicht als zurückgenommen gilt und damit nicht erledigt ist (1.). Das ihm in § 159 Abs. 1 SGG eingeräumte Ermessen übt der Senat dahin aus, dass der Rechtsstreit an das SG zurückzuverweisen ist (2.).
1. Die Klage gilt nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibt. Bei dieser fingierten Klagerücknahme handelt es sich um einen gesetzlich geregelten Fall des Wegfalls des Rechtsschutzinteresses (Bundesozialgericht [BSG], Urteil vom 1. Juli 2010 - B 13 R 58/09 R -, in juris). Sie hat Ausnahmecharakter und unterliegt von Verfassungs wegen einem engen Verständnis, was bei ihrer Auslegung und Anwendung besonders zu beachten ist (BSG, a.a.O., mit Nachweisen zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts [BVerfG] und Literatur; siehe auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 17. September 2012 - 1 BvR 2254/11 -, in juris). Als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal setzt § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG voraus, dass sachlich begründete Anhaltspunkte für einen Wegfall des Rechtsschutzinteresses des Klägers vorliegen (BSG, a.a.O.). Dies ist nicht gegeben.
Entgegen der Auffassung des SG ist ein Wegfall des Rechtsschutzinteresses der Klägerin nicht daraus abzuleiten, dass diese die Klage nicht begründet hat. Zwar ist es nicht erfreulich, wenn Kläger, insbesondere wenn sie anwaltlich vertreten sind, die Klage nicht begründen und auch Hinderungsgründe, weshalb die Begründung der Klage unterbleibt, nicht mitteilen. Dies ändert aber nichts daran, dass Kläger nicht verpflichtet sind, die von ihnen erhobene Klage zu begründen. Nach § 92 Abs. 1 Satz 4 SGG sollen die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angegeben werden, die angefochtene Verfügung und der Widerspruchsbescheid in Urschrift oder in Abschrift beigefügt werden. Es handelt sich nur um eine Sollvorschrift. Aus der unterbliebenen Begründung der Klage dürfen deshalb keine negativen prozessualen Konsequenzen gezogen werden. Darin, dass ein Kläger eine Klage nicht begründet, mag ein prozessuales Fehlverhalten des jeweiligen Klägers zu sehen sein, die Rücknahmefiktion des § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG darf aber nicht als Sanktion für einen Verstoß gegen prozessuale Mitwirkungspflichten oder unkooperatives Verhalten eines Beteiligten gedeutet oder eingesetzt werden. Hierfür ist die Rücknahmefiktion nicht konzipiert (BVerfG, Kammerbeschluss vom 17. September 2012 - 1 BvR 2254/11 -, a.a.O.).
Soweit das SG in der Betreibensaufforderung vom 1. März 2011 ausführte, die Klage lasse bislang nicht erkennen, welche Leistung der Beklagten aus welchem Grund gefordert werde und mit der Klageschrift sei auch keine Kopie der angefochtenen Bescheide vorgelegt worden, lässt sich darauf der Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses der Klägerin nicht stützen. Die Klägerin bezeichnete in der Klageschrift die angefochtenen Bescheide, nämlich den Bescheid der Beklagten vom 30. September 2008 und den Widerspruchsbescheid vom 26. Mai 2010. Auch wenn die Klägerin diese Bescheide trotz entsprechender Aufforderung des SG nicht vorlegte, hätte das SG durch Anforderung der Verwaltungsakten bei der Beklagten von dem Inhalt der genannten Bescheide Kenntnis erhalten und damit den Gegenstand des Rechtsstreits erkennen können. Weshalb das SG die Verwaltungsakten bei der Beklagten nicht anforderte, ist nicht nachvollziehbar. Begründet ein Kläger seine Klage nicht, erfordert vor der Annahme eines Wegfalls des Rechtsschutzbedürfnisses der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zumindest, die Verwaltungsakte des beklagten Versicherungsträgers beizuziehen. Im sozialgerichtlichen Verfahren gilt nicht der Beibringungsgrundsatz. Nach § 103 Satz 1 SGG erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen; es hat dabei die Beteiligten heranzuziehen. Die Mitwirkungspflicht bzw. Mitwirkungsobliegenheit der Beteiligten ist danach Teil der gerichtlichen Sacherforschungspflicht (Landessozialgericht Baden-Württemberg [LSG], Urteil vom 17. April 2013 - L 5 KR 605/12 -, in juris). Allein deswegen vermag aber der Verweis des SG darauf, sowohl das Klageziel als auch die Gründe, aus denen die Bescheide angefochten worden seien, seien unklar und es bedürfe notwendig der Mitwirkung des Klägers, seine Auffassung, das Rechtsschutzinteresse der Klägerin sei weggefallen, nicht zu stützen. Hätte das SG die Verwaltungsakten der Beklagten angefordert, hätte es ohne weiteres erkennen können, dass die Klägerin einen Bescheid anfocht, mit welchem die Beklagte ab 1. April 2007 Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung festgesetzt hatte, und deshalb Gegenstand des Rechtsstreits die Frage der Beitragspflicht der Klägerin zur Kranken- und Pflegeversicherung ab 1. April 2007 ist. Ferner lässt sich häufig aus den Verwaltungsakten des beklagten Versicherungsträgers das Begehren eines Klägers erkennen und auch, aus welchen Gründen er mit einem Bescheid nicht einverstanden ist. Denn in zahlreichen Verfahren wiederholen Kläger mit der Begründung der Klage nur ihre im Widerspruchsverfahren abgegebene Begründung. Da das SG die Verwaltungsakten der Beklagten nicht angefordert hatte, konnte ihm zum Zeitpunkt der verfügten Betreibensaufforderung am 1. März 2011 nicht bekannt sein, dass die Klägerin bereits ihren Widerspruch nicht begründet hatte. Das SG kann deshalb das prozessuale Fehlverhalten der Klägerin nicht wie im angefochtenen Urteil erfolgt zusätzlich auf die unterbliebene Begründung des Widerspruchs stützen.
Die Auffassung des SG, der Amtsermittlungsgrundsatz verpflichte es nicht, von sich aus in jede nur mögliche Richtung ("ins Blaue hinein") zu ermitteln und Beweis zu erheben, ist zwar zutreffend. Hieraus kann aber der Wegfall des Rechtsschutzinteresses der Klägerin nicht abgeleitet werden. Vielmehr ergibt sich hieraus, dass das SG ohne Beweis zu erheben in der Sache hätte entscheiden und, soweit es entscheidungserhebliche Tatsachen nicht feststellen kann, den Grundsatz der Feststellungslast hätte anwenden können (vgl. LSG, Urteil vom 17. April 2013 - L 5 KR 605/12 -, a.a.O.).
2. Die Entscheidung, ob die Sache bei wesentlichen Mängeln des sozialgerichtlichen Verfahrens nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG an das Sozialgericht zurückverwiesen wird, steht im Ermessen des Senats. Es ist abzuwägen zwischen den Interessen der Beteiligten an einer raschen Sachentscheidung und dem Grundsatz der Prozessökonomie einerseits sowie dem Verlust einer Instanz andererseits. Vorliegend übt der Senat das Ermessen dahin aus, dass die Sache an das SG zurückverwiesen wird, um der Klägerin die erste Tatsacheninstanz zu erhalten. Hinzu kommt, dass zu klären ist, ob über den in der Klageschrift genannten Bescheid vom 30. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Mai 2010 weitere Bescheide Gegenstand des Rechtsstreits sind. Nach der von der Beklagten im Berufungsverfahren vorgelegten Verwaltungsakte, die allerdings in erheblichem Umfang unvollständig war, sind nach Einlegung des Widerspruchs jedenfalls die Bescheide vom 27. November 2008 und 14. Dezember 2009 ergangen. Diese sind nach § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden. Da zudem die Beklagte der Berechnung der Beiträge ab 1. Oktober 2009 die monatliche Beitragsbemessungsgrundlage zugrundelegte und diese sich regelmäßig zum 1. Januar eines Jahres ändert, dürften noch weitere (Beitrags-)Bescheide ergangen sein, auch nach Erlass des Widerspruchsbescheids. Letztere sind dann nach § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Rechtsstreits geworden und wären nach § 96 Abs. 2 SGG von den Beteiligten dem Gericht vorzulegen. Ferner wäre zu klären, ob Beklagte tatsächlich nur die Krankenkasse ist oder nicht auch die bei der Beklagten errichtete Pflegekasse. Denn nach § 46 Abs. 2 Satz 4 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) können Krankenkassen und Pflegekassen für ihre Mitglieder, die ihre Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge selbst zu zahlen haben, die Höhe der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in einem gemeinsamen Beitragsbescheid festsetzen. Nach § 250 Abs. 3 SGB V, der nach § 59 Abs. 1 Satz 1 SGB XI in der sozialen Pflegeversicherung entsprechend gilt, tragen Versicherungspflichtige nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V ihre Beiträge mit - der hier nicht vorliegenden - Ausnahme der aus dem Arbeitsentgelt und aus Renten nach § 228 Abs. 1 Satz SGB V zu tragenden Beiträge allein. Die Festsetzung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung in einem gemeinsamen Beitragsbescheid erfolgte jedenfalls im Bescheid vom 14. Dezember 2009, der den ausdrücklichen Hinweis (§ 46 Abs. 2 Satz 5 SGB XI) enthält, der Bescheid ergehe auch im Namen der bei der Beklagten errichteten Pflegekasse. Die Bescheide vom 30. September und 27. November 2008 enthalten eine solchen Hinweis nicht, wobei allerdings hinsichtlich des Bescheids vom 30. September 2008 dieser Hinweis auch in einer diesem Bescheid beigefügten Anlage, die allerdings nicht in der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakte enthalten ist, erteilt sein könnte.
Die Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V mit der entsprechenden Beitragspflicht bestünde nur in dem Zeitraum, in welchem die Klägerin über keine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall verfügte, da die Beklagte mit Bescheid vom 18. Dezember 2012 seit 28. Juli 2012 erneut eine Familienversicherung feststellte, jedenfalls bis 27. Juli 2012. Geht man davon aus, dass die Mutter der Klägerin als Stammversicherte prozessführungsbefugt ist, die Familienversicherung gerichtlich feststellen zu können. ist im beim Senat anhängigen Berufungsverfahren zu klären, ob und in welchem Zeitraum eine Familienversicherung bestand.
Fraglich ist schließlich, ob die Beklagte zu Recht Höchstbeiträge nach der für hauptberuflich selbstständig Erwerbstätige geltenden Regelung in § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V und/oder nach § 6 Abs. 5 der vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) erlassenen Einheitlichen Grundsätzen zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträge (Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler) festsetzen durfte (vgl. LSG, Urteil vom 16. August 2011 - L 11 KR 3165/10 -, in juris, Revision anhängig BSG, B 12 KR 15/11 R).
3. Die Kostenentscheidung bleibt der den Rechtsstreit abschließenden Entscheidung vorbehalten.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung des Sozialgerichts Stuttgart vorbehalten.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich zunächst dagegen, dass das Sozialgericht Stuttgart (SG) festgestellt hat, der Rechtsstreit S 16 KR 3865/10 sei durch Klagerücknahme (wegen Nichtbetreibens des Verfahrens) erledigt, sowie weiter gegen einen Beitragsbescheid der Beklagten und begehrt die Feststellung, sie sei über 12. November 2006 hinaus familienversichertes Mitglied der Beklagten.
Die Mutter der 1996 geborenen Klägerin ist seit 1986 versicherungspflichtiges Mitglied der beklagten Krankenkasse, ihr Vater ist selbstständiger Rechtsanwalt und nicht Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Beklagte führte jedenfalls seit 1. März 2002 die Klägerin - ebenso wie ihre drei Geschwister - als familienversichertes Mitglied. Die Mutter der Klägerin reichte im Januar 2007 den Bescheid für 2003 über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer vom 9. November 2006 bei der Beklagten ein. Dieser weist für den Vater der Klägerin Einkünfte von insgesamt EUR 52.825,00 (aus selbstständiger Tätigkeit in Höhe von EUR 60.000,00, ausgleichsfähige negative Summe der Einkünfte in Höhe von EUR 7.175,00 und aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von - EUR 3.588,00) sowie für die Mutter der Klägerin Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von - EUR 3.588,00 aus und setzte das zu versteuernde Einkommen beider Ehegatten auf EUR 42.650,00 fest. Auf Nachfrage der Beklagten gab sie weiter an, das jährliche Gesamteinkommen ihres Ehegatten habe in den Jahren 2003 bis 2006 nicht über der jeweils geltenden Beitragsbemessungsgrenze gelegen und sei höher als ihr Gesamteinkommen gewesen. Unter dem 26. Februar 2007 unterrichtete die Beklagte die Mutter der Klägerin, die Familienversicherung der Klägerin habe zum 12. November 2006 geendet, weil das Einkommen des gesetzlich nicht krankenversicherten Vaters durchschnittlich ein Zwölftel der jährlichen Jahresarbeitsentgeltgrenze und ihr (der Mutter) Einkommen überschreite, und wies auf die Möglichkeit einer Mitgliedschaft der Klägerin als freiwillig Versicherte hin. In gleicher Weise erfolgte dies bezüglich der drei Geschwister der Klägerin.
Die Mutter der Klägerin erhob Widerspruch und wandte sich gegen die rückwirkende Beendigung der Familienversicherung der Klägerin sowie ihrer Geschwister. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch gegen die Bescheide vom 26. Februar 2007 wegen Beendigung der Durchführung der Familienversicherung für die Klägerin und ihre Geschwister zurück (Widerspruchsbescheid vom 2. Juli 2008). Der Widerspruchsbescheid war adressiert an die Mutter der Klägerin sowie "nachrichtlich" an die drei Geschwister der Klägerin. Zur Begründung führte der Widerspruchsausschuss aus, Bestätigungen über die Durchführung der Familienversicherung seien Verwaltungsakte mit Dauerwirkung, die bei Eintritt einer wesentlichen Änderung gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben seien, wenn der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen sei. Die Durchführung der Familienversicherung für die Klägerin und ihre Geschwister sei ausgeschlossen. Das Gesamteinkommen des Vaters der Klägerin, der nicht Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse sei, übersteige mit EUR 4.701,00 regelmäßig im Monat ein Zwölftel der Jahresarbeitentgeltgrenze und sei regelmäßig höher als das Gesamteinkommen der Mutter der Klägerin. Maßgebend sei nicht das zu versteuernde Einkommen, sondern das Gesamteinkommen. Der Einkommensteuerbescheid 2003 sei am 9. November 2006 erlassen worden und habe der Mutter der Klägerin spätestens am 12. November 2006 vorgelegen. Er sei ihr (der Beklagten) erst am 8. Januar 2007 zugesandt worden. Deshalb sei sie (die Beklagte) verpflichtet gewesen, die Familienversicherung der Klägerin und ihrer Geschwister rückwirkend zum 12. November 2006 zu beenden.
Gegen diesen Widerspruchsbescheid erhoben die Mutter und die Geschwister der Klägerin am Montag, 4. August 2008 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG; S 19 KR 5336/08). Die Klägerin war in der Klageschrift nicht aufgeführt. Das SG lud sie bei (Beiladungsbeschluss vom 16. September 2009) und wies die Klage mit Urteil vom 15. Oktober 2012 ab. Gegen dieses Urteil haben die Mutter und die Geschwister der Klägerin Berufung eingelegt, die beim Senat anhängig ist (L 4 KR 4882/12).
Da die Klägerin und ihre Geschwister einen Beitritt zur freiwilligen Versicherung nicht erklärten, sah die Beklagte sie ab 1. April 2007 als versicherungspflichtig nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) an. Hinsichtlich der Klägerin setzte die Beklagte mit an die Mutter der Klägerin gerichtetem Bescheid vom 30. September 2008 unter Verweis auf diese seit 1. April 2007 bestehenden Versicherungspflicht monatliche Beiträge von EUR 113,48 zur Krankenversicherung sowie EUR 16,15 zur Pflegeversicherung, insgesamt EUR 129,63 fest und nannte einen Beitragsrückstand von EUR 2.264,04. Der Berechnung der Beiträge legte sie die gesetzliche Mindestbemessungsgrundlage von (damals) EUR 828,33 sowie (damalige) Beitragssätze in der Krankenversicherung von 13,7 v.H. (12,8 v.H. zzgl. 0,9 v.H. Zusatzbeitrag) und in der Pflegeversicherung von 1,95 v.H. zugrunde. Der Bescheid enthält keinen Hinweis darauf, dass er zugleich im Namen der bei der Beklagten errichteten Pflegekasse ergehe. Die Mutter der Klägerin erhob Widerspruch, den sie nicht begründete. Unter dem 27. November 2008 erläuterte die Beklagte (der in der vorgelegten Verwaltungsakte enthaltene Abdruck des Bescheids enthält keinen Hinweis auf die bei der Beklagten errichtete Pflegekasse), sie habe nach § 186 Abs. 11 SGB V und § 13b ihrer Satzung die Beiträge (hinsichtlich der Klägerin und auch ihrer Geschwister) für den Zeitraum vom 1. April 2007 bis 30. November 2008 ermäßigt. Der monatliche Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung betrage vom 1. April bis 31. Dezember "2008" (gemeint 2007) EUR 39,45, vom 1. Januar bis 30. Juni 2008 EUR 40,75 sowie vom 1. Juli bis 30. November 2008 EUR 41,38, ab 1. Dezember 2008 aus der Mindestbemessungsgrenze von EUR 828,33 insgesamt EUR 129,63 (zur Krankenversicherung EUR 113,48 und zur Pflegeversicherung EUR 16,15). In der Folge mahnte die Beklagte nicht gezahlte Beiträge an und setzte auch Säumniszuschläge und Mahnkosten fest. Nachdem Anfragen zur Höhe des Einkommens unbeantwortet blieben, setzte die Beklagte nach entsprechender Ankündigung (Schreiben vom 17. November 2009) mit an die Klägerin gerichtetem Bescheid vom 14. Dezember 2009 zugleich im Namen der bei ihr errichteten Pflegekasse ab 1. Oktober 2009 monatliche Beiträge von EUR 525,53 zur Krankenversicherung sowie EUR 71,66 zur Pflegeversicherung, insgesamt EUR 597,19 fest. Sie berechnete die Beiträge nach monatlichen Einnahmen in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze von EUR 3.675,00.
Der Widerspruchsausschuss der Beklagten, der hinsichtlich der Beiträge zur Pflegeversicherung auch die Aufgabe des Widerspruchsausschuss der Pflegekasse wahrnimmt, wies den Widerspruch "gegen den Bescheid vom 30. September 2008" - soweit dem Widerspruch nicht bereits mit Bescheid vom 27. November 2008 abgeholfen worden sei - zurück (Widerspruchsbescheid vom 26. Mai 2010). Die versicherungspflichtige Mitgliedschaft der Klägerin nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V habe am 1. April 2007 begonnen, da die Klägerin nach dem Ausscheiden aus der Familienversicherung ab 13. November 2006 keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall gehabt habe. Folglich seien ab diesem Zeitpunkt auch Beiträge zur Kranken- und "Rentenversicherung" (gemeint Pflegeversicherung") zu entrichten.
Die Klägerin erhob am Montag, 28. Juni 2010 Klage beim SG (S 16 KR 3865/10). Sie benannte als angefochten den Bescheid der Beklagten vom 30. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Mai 2010. Sie begründete ihre Klage trotz vom SG eingeräumter Fristverlängerung nicht und reagierte auf eine nach Ablauf der verlängerten Frist erfolgte Mahnung des SG nicht.
Das SG forderte mit der Eingangsbestätigung vom 30. Juni 2010 die Klägerin auf, die genannten Bescheide vorzulegen, was nicht erfolgte. Es wies - ohne die Verwaltungsakten bei der Beklagten angefordert zu haben - die Klägerin mit Verfügung vom 1. März 2011, ihrem Prozessbevollmächtigten am 3. März 2011 zugestellt, darauf hin, dass sie ihren prozessualen Mitwirkungspflichten bisher nicht nachgekommen sei und deswegen davon ausgegangen werde, dass ihr Interesse an der Fortführung des Verfahrens entfallen sei. Dies könne sie widerlegen, indem sie innerhalb von drei Monaten nach Zugang einen sachdienlichen Antrag stelle, diesen Antrag begründe und dabei im Einzelnen die Tatsachen vortrage, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren sie sich beschwert fühle. Komme sie dieser Aufforderung nicht fristgemäß nach, gelte die Klage als zurückgenommen. Die Klägerin beantragte mit am 26. April und 3. Juni 2011 beim SG eingegangenen Schriftsätzen Fristverlängerung zur Vorlage der Klagebegründung bis 13. Mai und 10. Juni 2011, auf die das SG nicht reagierte. Mit Verfügung vom 6. Juni 2011 sah das SG die Klage S 16 KR 3865/10 als zurückgenommen an und unterrichtete die Beteiligten hierüber.
Am 10. Juni 2011 trat die Klägerin der Auffassung des SG, die Klage gelte als zurückgenommen, entgegen. Das SG führte den Rechtsstreit unter dem Aktenzeichen S 16 KR 3600/11 fort. Die Klägerin machte geltend, der Schluss, ihr Rechtsschutzinteresse sei weggefallen, sei nicht allein daraus herzuleiten, dass sie eine Klagebegründung nicht vorgelegt habe. Sie habe ihr fortbestehendes Rechtsschutzinteresse durch den Antrag, die Frist zur Klagebegründung bis 10. Juni 2011 zu verlängern, deutlich gemacht. Zur Vorlage einer Klagebegründung sei sie nicht verpflichtet. Die Klagebegründung habe sie zurückgestellt, weil nach wie vor der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2009 ausstehe. Zugleich begründete sie die Klage. Es sei unrichtig, dass das Einkommen ihres Vaters im Jahre 2003 die Versicherungspflichtgrenze von monatlich EUR 3.937,50 überschritten habe. Dessen Einkünfte hätten zwar aufgrund des (beim SG nicht eingereichten) Einkommensteuerbescheids vom 5. Mai 2008 EUR 44.864,00 betragen. Zu berücksichtigen sei jedoch, dass ihm fälschlicherweise Einkünfte aus einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die zum 14. Mai 2001 geendet habe, zugerechnet worden seien. Unter anderem hiergegen habe dieser Klage beim Finanzgericht Baden-Württemberg erhoben. Unabhängig davon seien von den Einkünften aus selbstständiger Tätigkeit die beschränkt abziehbaren Sonderausgaben in Höhe von EUR 10.138,00 und die unbeschränkt abziehbaren Sonderausgaben in Höhe von EUR 500,00 in Abzug zu bringen. Hinzu komme, dass das von ihrem Vater regelmäßig erzielte Gesamteinkommen vor einem Vergleich mit der Beitragsbemessungsgrenze um die Beiträge zu bereinigen sei, die er für die Krankenversicherung (monatlich EUR 502,09) und für die Rentenversicherung (monatlich EUR 537,30) aufbringen müsse. Da sich seine Einkünfte aus selbstständiger beruflicher Tätigkeit im Jahr 2009 voraussichtlich nur auf EUR 32.858,00 beliefen, sei sie spätestens seit dem Jahr 2009 (wieder) familienversichert. Ferner könne die Familienversicherung immer nur ex nunc enden. Da sie den Beitritt zur freiwilligen Versicherung nicht erklärt habe, sei sie - wenn keine Familienversicherung bestehe - nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten. Der aus dem Versicherungsverhältnis resultierende Leistungsanspruch ruhe nicht wegen Beitragsrückständen.
Die Beklagte folgte der Auffassung des SG, der Rechtsstreit S 16 KR 3865/10 gelte durch Klagerücknahme als erledigt und verwies in der Sache auf das Verfahren betreffend die Mutter und drei Geschwister der Klägerin.
Ab 28. Juli 2012 führte die Beklagte die Klägerin erneut als familienversichertes Mitglied. Dies bestätigte sie schriftlich unter dem 18. Dezember 2012. Die Beteiligten teilte dies dem SG nicht mit.
In der mündlichen Verhandlung der 19. Kammer des SG am 15. Oktober 2012 im Rechtsstreit S 19 KR 5336/08 beantragten die dortigen Kläger u.a. die Feststellung, dass auch die Klägerin über den 12. November 2006 hinaus bei der Beklagten familienversichert sei, sowie das Ruhen des Klageverfahrens S 16 KR 3600/11 betreffend die Feststellung der Erledigung durch (fiktive) Rücknahme der am 28. Juni 2010 erhobenen Klage anzuordnen. Nachdem die 16. Kammer des SG die Auffassung vertreten hatte, es sei nicht zweckmäßig das Ruhen dieses Klageverfahrens anzuordnen, hielt die Beklagte an ihrem Antrag auf Anordnung des Ruhen des Verfahrens nicht mehr fest, während die Klägerin auf die nicht mehr mögliche Rücknahme dieses Antrags verwies.
Nach der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 23. April 2013 verkündete der Kammervorsitzende des SG folgende Urteilsformel:
"Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten."
Das ausgefertigte Urteil vom selben Tage enthält folgenden Urteilstenor: "Es wird festgestellt, dass das Verfahren mit dem Aktenzeichen S 16 KR 3865/10 durch Klagerücknahme erledigt ist.
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten."
Zur Begründung des Urteils vom 23. April 2013 hat das SG ausgeführt, der Rechtsstreit (S 16 KR 3865/10) sei der Hauptsache erledigt, weil die Klage als zurückgenommen gelte. Die formgerechte Betreibensaufforderung sei dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 3. März 2011 zugegangen, da die Klägerin oder ihr Prozessbevollmächtigter der Aufforderung nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von drei Monaten nachgekommen sei, gelte die Klage mit Ablauf des 3. Juni 2011 als zurückgenommen. Die Gesuche um Fristverlängerung stellten kein Betreiben des Verfahrens dar. Die Betreibensfrist sei als gesetzliche Frist nicht verlängerbar. Die Betreibensaufforderung sei auch rechtmäßig gewesen. Bei ihrem Erlass am 1. März 2011 seien das Ziel der Klage und die Gründe, aus denen die Klägerin eine gerichtliche Überprüfung des Bescheids vom 30. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Mai 2011 begehrt habe, mangels Mitwirkung der Klägerin nicht erkennbar gewesen. Trotz mehrfacher Aufforderung habe die Klägerin auch acht Monate nach Erhebung der Klage diese nicht begründet, ebenso wenig wie den Widerspruch, sowie auch keinen Klageantrag formuliert. Es werde nicht verkannt, dass das Sozialgerichtsgesetz (SGG) einen Klageantrag und eine Klagebegründung nicht zwingend vorschreibe. Seien aber, wie vorliegend, sowohl das Klageziel als auch die Gründe, aus denen die streitgegenständlichen Bescheide angefochten würden, unklar, bedürfe es zur (sinnvollen) Durchführung des Gerichtsverfahrens notwendig der Mitwirkung des Klägers. Da die Klägerin sich weder im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren noch mit der Klageschrift geäußert habe, habe es ihrer Mitwirkung zur sachgerechten Verfahrensfortführung bedurft, die zum Zeitpunkt der Betreibensaufforderung bereits längere Zeit "überfällig" gewesen sei. Hinzu komme, dass die anwaltlich vertretene Klägerin eine Begründung ihrer Klage ausdrücklich angekündigt gehabt habe. Aus dem Ausbleiben der angekündigten Klagebegründung habe unter Berücksichtigung der gesamten Umstände der Rückschluss auf Zweifel an einem Interesse an Fortführung der Klage gezogen werden können. Die eingetretene Fiktion der Klagerücknahme verletze die Klägerin schließlich auch nicht in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör. Sie habe hinreichend Möglichkeit gehabt, sich zu äußern.
Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 3. Mai 2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 3. Juni 2013 Berufung eingelegt. Sie wiederholt sowohl hinsichtlich der Frage der Erledigung des Rechtsstreits S 16 KR 3865/10 als auch in der Sache selbst ihre Auffassung. Einen Hinweis des Senats, es stehe bestandskräftig fest, dass ihre Familienversicherung am 12. November 2006 geendet habe, hält sie für unrichtig, weil ihre Mutter für sie als Minderjährige Widerspruch eingelegt habe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23. April 2013 sowie die Bescheide der Beklagten vom 30. September 2008 in der Fassung des Bescheids vom 27. November 2008 und vom 14. Dezember 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Mai 2010 aufzuheben und festzustellen, dass sie auch ab dem 13. November 2006 familienversichert ist, hilfsweise das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23. April 2013 aufzuheben und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Stuttgart zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akten des Senats (L 4 KR 4882/12 und L 4 KR 2320/13), die Akten des SG (S 16 KR 3865/10, S 16 KR 3600/11, S 19 KR 5336/08) sowie die von der Beklagten in den Berufungsverfahren vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Die Klägerin hat die Berufung form- und fristgerecht eingelegt. Die Berufung ist auch statthaft. Sie bedurfte nicht der Zulassung nach § 144 Abs. 1 SGG. Denn die Klägerin wendet sich zumindest gegen den Bescheid vom 30. September 2008, der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr festsetzte (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Zudem begehrt sie die Feststellung, sie sei auch über den 12. November 2006 hinaus familienversichert. Der Rechtsstreit betrifft insoweit keine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).
Die Berufung der Klägerin ist im Sinne einer Zurückverweisung des Rechtsstreits an das SG begründet.
Nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Landessozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. Das Verfahren des SG leidet an einem wesentlichen Mangel, weil der Rechtsstreit S 16 KR 3865/10 entgegen der Auffassung des SG nicht als zurückgenommen gilt und damit nicht erledigt ist (1.). Das ihm in § 159 Abs. 1 SGG eingeräumte Ermessen übt der Senat dahin aus, dass der Rechtsstreit an das SG zurückzuverweisen ist (2.).
1. Die Klage gilt nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibt. Bei dieser fingierten Klagerücknahme handelt es sich um einen gesetzlich geregelten Fall des Wegfalls des Rechtsschutzinteresses (Bundesozialgericht [BSG], Urteil vom 1. Juli 2010 - B 13 R 58/09 R -, in juris). Sie hat Ausnahmecharakter und unterliegt von Verfassungs wegen einem engen Verständnis, was bei ihrer Auslegung und Anwendung besonders zu beachten ist (BSG, a.a.O., mit Nachweisen zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts [BVerfG] und Literatur; siehe auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 17. September 2012 - 1 BvR 2254/11 -, in juris). Als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal setzt § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG voraus, dass sachlich begründete Anhaltspunkte für einen Wegfall des Rechtsschutzinteresses des Klägers vorliegen (BSG, a.a.O.). Dies ist nicht gegeben.
Entgegen der Auffassung des SG ist ein Wegfall des Rechtsschutzinteresses der Klägerin nicht daraus abzuleiten, dass diese die Klage nicht begründet hat. Zwar ist es nicht erfreulich, wenn Kläger, insbesondere wenn sie anwaltlich vertreten sind, die Klage nicht begründen und auch Hinderungsgründe, weshalb die Begründung der Klage unterbleibt, nicht mitteilen. Dies ändert aber nichts daran, dass Kläger nicht verpflichtet sind, die von ihnen erhobene Klage zu begründen. Nach § 92 Abs. 1 Satz 4 SGG sollen die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angegeben werden, die angefochtene Verfügung und der Widerspruchsbescheid in Urschrift oder in Abschrift beigefügt werden. Es handelt sich nur um eine Sollvorschrift. Aus der unterbliebenen Begründung der Klage dürfen deshalb keine negativen prozessualen Konsequenzen gezogen werden. Darin, dass ein Kläger eine Klage nicht begründet, mag ein prozessuales Fehlverhalten des jeweiligen Klägers zu sehen sein, die Rücknahmefiktion des § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG darf aber nicht als Sanktion für einen Verstoß gegen prozessuale Mitwirkungspflichten oder unkooperatives Verhalten eines Beteiligten gedeutet oder eingesetzt werden. Hierfür ist die Rücknahmefiktion nicht konzipiert (BVerfG, Kammerbeschluss vom 17. September 2012 - 1 BvR 2254/11 -, a.a.O.).
Soweit das SG in der Betreibensaufforderung vom 1. März 2011 ausführte, die Klage lasse bislang nicht erkennen, welche Leistung der Beklagten aus welchem Grund gefordert werde und mit der Klageschrift sei auch keine Kopie der angefochtenen Bescheide vorgelegt worden, lässt sich darauf der Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses der Klägerin nicht stützen. Die Klägerin bezeichnete in der Klageschrift die angefochtenen Bescheide, nämlich den Bescheid der Beklagten vom 30. September 2008 und den Widerspruchsbescheid vom 26. Mai 2010. Auch wenn die Klägerin diese Bescheide trotz entsprechender Aufforderung des SG nicht vorlegte, hätte das SG durch Anforderung der Verwaltungsakten bei der Beklagten von dem Inhalt der genannten Bescheide Kenntnis erhalten und damit den Gegenstand des Rechtsstreits erkennen können. Weshalb das SG die Verwaltungsakten bei der Beklagten nicht anforderte, ist nicht nachvollziehbar. Begründet ein Kläger seine Klage nicht, erfordert vor der Annahme eines Wegfalls des Rechtsschutzbedürfnisses der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zumindest, die Verwaltungsakte des beklagten Versicherungsträgers beizuziehen. Im sozialgerichtlichen Verfahren gilt nicht der Beibringungsgrundsatz. Nach § 103 Satz 1 SGG erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen; es hat dabei die Beteiligten heranzuziehen. Die Mitwirkungspflicht bzw. Mitwirkungsobliegenheit der Beteiligten ist danach Teil der gerichtlichen Sacherforschungspflicht (Landessozialgericht Baden-Württemberg [LSG], Urteil vom 17. April 2013 - L 5 KR 605/12 -, in juris). Allein deswegen vermag aber der Verweis des SG darauf, sowohl das Klageziel als auch die Gründe, aus denen die Bescheide angefochten worden seien, seien unklar und es bedürfe notwendig der Mitwirkung des Klägers, seine Auffassung, das Rechtsschutzinteresse der Klägerin sei weggefallen, nicht zu stützen. Hätte das SG die Verwaltungsakten der Beklagten angefordert, hätte es ohne weiteres erkennen können, dass die Klägerin einen Bescheid anfocht, mit welchem die Beklagte ab 1. April 2007 Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung festgesetzt hatte, und deshalb Gegenstand des Rechtsstreits die Frage der Beitragspflicht der Klägerin zur Kranken- und Pflegeversicherung ab 1. April 2007 ist. Ferner lässt sich häufig aus den Verwaltungsakten des beklagten Versicherungsträgers das Begehren eines Klägers erkennen und auch, aus welchen Gründen er mit einem Bescheid nicht einverstanden ist. Denn in zahlreichen Verfahren wiederholen Kläger mit der Begründung der Klage nur ihre im Widerspruchsverfahren abgegebene Begründung. Da das SG die Verwaltungsakten der Beklagten nicht angefordert hatte, konnte ihm zum Zeitpunkt der verfügten Betreibensaufforderung am 1. März 2011 nicht bekannt sein, dass die Klägerin bereits ihren Widerspruch nicht begründet hatte. Das SG kann deshalb das prozessuale Fehlverhalten der Klägerin nicht wie im angefochtenen Urteil erfolgt zusätzlich auf die unterbliebene Begründung des Widerspruchs stützen.
Die Auffassung des SG, der Amtsermittlungsgrundsatz verpflichte es nicht, von sich aus in jede nur mögliche Richtung ("ins Blaue hinein") zu ermitteln und Beweis zu erheben, ist zwar zutreffend. Hieraus kann aber der Wegfall des Rechtsschutzinteresses der Klägerin nicht abgeleitet werden. Vielmehr ergibt sich hieraus, dass das SG ohne Beweis zu erheben in der Sache hätte entscheiden und, soweit es entscheidungserhebliche Tatsachen nicht feststellen kann, den Grundsatz der Feststellungslast hätte anwenden können (vgl. LSG, Urteil vom 17. April 2013 - L 5 KR 605/12 -, a.a.O.).
2. Die Entscheidung, ob die Sache bei wesentlichen Mängeln des sozialgerichtlichen Verfahrens nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG an das Sozialgericht zurückverwiesen wird, steht im Ermessen des Senats. Es ist abzuwägen zwischen den Interessen der Beteiligten an einer raschen Sachentscheidung und dem Grundsatz der Prozessökonomie einerseits sowie dem Verlust einer Instanz andererseits. Vorliegend übt der Senat das Ermessen dahin aus, dass die Sache an das SG zurückverwiesen wird, um der Klägerin die erste Tatsacheninstanz zu erhalten. Hinzu kommt, dass zu klären ist, ob über den in der Klageschrift genannten Bescheid vom 30. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Mai 2010 weitere Bescheide Gegenstand des Rechtsstreits sind. Nach der von der Beklagten im Berufungsverfahren vorgelegten Verwaltungsakte, die allerdings in erheblichem Umfang unvollständig war, sind nach Einlegung des Widerspruchs jedenfalls die Bescheide vom 27. November 2008 und 14. Dezember 2009 ergangen. Diese sind nach § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden. Da zudem die Beklagte der Berechnung der Beiträge ab 1. Oktober 2009 die monatliche Beitragsbemessungsgrundlage zugrundelegte und diese sich regelmäßig zum 1. Januar eines Jahres ändert, dürften noch weitere (Beitrags-)Bescheide ergangen sein, auch nach Erlass des Widerspruchsbescheids. Letztere sind dann nach § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Rechtsstreits geworden und wären nach § 96 Abs. 2 SGG von den Beteiligten dem Gericht vorzulegen. Ferner wäre zu klären, ob Beklagte tatsächlich nur die Krankenkasse ist oder nicht auch die bei der Beklagten errichtete Pflegekasse. Denn nach § 46 Abs. 2 Satz 4 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) können Krankenkassen und Pflegekassen für ihre Mitglieder, die ihre Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge selbst zu zahlen haben, die Höhe der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in einem gemeinsamen Beitragsbescheid festsetzen. Nach § 250 Abs. 3 SGB V, der nach § 59 Abs. 1 Satz 1 SGB XI in der sozialen Pflegeversicherung entsprechend gilt, tragen Versicherungspflichtige nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V ihre Beiträge mit - der hier nicht vorliegenden - Ausnahme der aus dem Arbeitsentgelt und aus Renten nach § 228 Abs. 1 Satz SGB V zu tragenden Beiträge allein. Die Festsetzung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung in einem gemeinsamen Beitragsbescheid erfolgte jedenfalls im Bescheid vom 14. Dezember 2009, der den ausdrücklichen Hinweis (§ 46 Abs. 2 Satz 5 SGB XI) enthält, der Bescheid ergehe auch im Namen der bei der Beklagten errichteten Pflegekasse. Die Bescheide vom 30. September und 27. November 2008 enthalten eine solchen Hinweis nicht, wobei allerdings hinsichtlich des Bescheids vom 30. September 2008 dieser Hinweis auch in einer diesem Bescheid beigefügten Anlage, die allerdings nicht in der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakte enthalten ist, erteilt sein könnte.
Die Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V mit der entsprechenden Beitragspflicht bestünde nur in dem Zeitraum, in welchem die Klägerin über keine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall verfügte, da die Beklagte mit Bescheid vom 18. Dezember 2012 seit 28. Juli 2012 erneut eine Familienversicherung feststellte, jedenfalls bis 27. Juli 2012. Geht man davon aus, dass die Mutter der Klägerin als Stammversicherte prozessführungsbefugt ist, die Familienversicherung gerichtlich feststellen zu können. ist im beim Senat anhängigen Berufungsverfahren zu klären, ob und in welchem Zeitraum eine Familienversicherung bestand.
Fraglich ist schließlich, ob die Beklagte zu Recht Höchstbeiträge nach der für hauptberuflich selbstständig Erwerbstätige geltenden Regelung in § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V und/oder nach § 6 Abs. 5 der vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) erlassenen Einheitlichen Grundsätzen zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträge (Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler) festsetzen durfte (vgl. LSG, Urteil vom 16. August 2011 - L 11 KR 3165/10 -, in juris, Revision anhängig BSG, B 12 KR 15/11 R).
3. Die Kostenentscheidung bleibt der den Rechtsstreit abschließenden Entscheidung vorbehalten.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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