L 10 R 471/19

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 17 R 883/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 471/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 05.12.2018 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der am 1960 geborene Kläger ist u. Staatsangehöriger. Bis zu seiner Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland als sogenannter "Kontingentflüchtling" im Februar 2002 war er - nach einem absolvierten Studium "Elektrotechnik/HF-Technik" - in der U. als Entwicklungsingenieur, Designer und Geschäftsführer eines eigenen Ingenieurbüros tätig. Die Anerkennung von in der U. zurückgelegten Beschäftigungszeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG) lehnte die Beklagte mit bestandskräftigem Bescheid vom 12.10.2016 ab (Bl. 6 VwA-RMG). In der Bundesrepublik Deutschland war der Kläger zunächst nicht versicherungspflichtig geringfügig beschäftigt und bezog Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Vom 08.04.2014 bis 15.04.2014 übte er eine geringfügige versicherungspflichtige Beschäftigung als Regalauffüller aus. Danach war er wiederum geringfügig nicht versicherungspflichtig beschäftigt. Seit Oktober 2009 ist er nebenberuflich im Bereich der Projektierung und Lieferung von Designerelementen selbstständig tätig (Lebenslauf, Bl. 126 SG-Akte), ohne der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu unterliegen (vgl. bestandskräftiger Bescheid über die Feststellung fehlender Versicherungspflicht als Selbstständiger vom 05.09.2016, Bl. 69 VwA; Widerspruchsbescheid vom 22.02.2017, Bl. 35 VwA-RMG) und bezieht (aufstockend) weiterhin SGB II-Leistungen.

Im Vordergrund der geltend gemachten gesundheitlichen Einschränkung stehen - nach einer wegen einer Hepatitis C-Infektion 2005 bis 2006 durchgeführten Interferontherapie (Bericht Prof. Dr. Z. , Chefarzt des Universitätsklinikums des S. , Bl. 27 VwA) - internistische (Schilddrüsenunterfunktion) und psychosomatische/psychische Spätfolgen (Schwäche, Erschöpfung, Müdigkeit, Kälteempfinden) der Hepatitisinfektion und -behandlung.

Den im August 2016 gestellten Rentenantrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12.10.2016 (Bl. 10 VwA-RMG) und Widerspruchsbescheid vom 22.02.2017 (Bl. 49 VwA-RMG) ab. Zu Grunde lag - neben diversen Befundberichten (u. a. ärztlicher Befundbericht der Gemeinschaftspraxis Dr. H. , Dr. S. , M.-A.: Neurasthenie, Chronisches Fatigue-Syndrom, Infektanfälligkeit, Hypothyreose substituiert, drei bis unter sechs Stunden leistungsfähig, Bl. 81, 83 VwA; Behandlungsbericht Prof. Dr. E. , Ärztlicher Direktor der A. Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie B. aus Dezember 2013: mittelgradige depressive Episode, Hypochondrische Störung, DD: Zwangsstörung überwiegend mit Zwangscharakter, Empfehlung einer teilstationären oder stationären Therapie, Bl. 113 ff. VwA; Gutachten Dr. F. , Ärztlicher Dienst der Agentur für Arbeit K.: Hypochondrische Störung, rezidivierende depressive Episode, chronisches Fatigue-Syndrom, drei bis vier Stunden täglich leistungsfähig, Bl. 55 ff. VwA) - das ärztliche Gutachten des Dr. R. , der auf Grund einer Untersuchung des Klägers im Oktober 2016 eine Adipositas und eine Hypothyreose diagnostizierte und den Kläger unter Zusammenschau der Befunde für schwere Tätigkeiten bis zu sechs Stunden und mehr leistungsfähig erachtete. Dr. R. stellte weder wesentliche körperliche Einschränkungen (freie Beweglichkeit der Wirbelsäule und sämtlicher Gliedmaßen, Bl. 140 VwA) noch psychische Beeinträchtigungen (volle Orientierung zu allen Qualitäten, keine Störungen des formalen Denkens, der Konzentration und Merkfähigkeit, keine Anzeichen einer depressiven Verstimmung, keine Antriebsstörung, keine Erschöpfungszeichen, Bl. 147 VwA) fest. Der labormedizinische Befund erbrachte keine Hinweise auf eine Hepatopathie bzw. eine Hepatitis B- oder C-Virusinfektion (Bl. 139, 147 VwA). Die Schilddrüsenhormone lagen im Normbereich (TSH basal 1,00, Bl. 139 VwA).

Das hiergegen am 16.03.2017 angerufene Sozialgericht Karlsruhe (SG) hat zunächst die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Der Facharzt für Innere Medizin Dr. W. hat - bei nur zweimaliger Vorstellung im Juli 2014 und Juli 2017 nach einem unauffälligen Belastungs-EKG (maximale Last 175 W, unauffälliges Blutdruckverhalten, stark verzögerte Frequenzerholung, keine Zeichen einer koronaren Minderperfusion, Bl. 64 SG-Akte) eine kardiovasuläre Erkrankung und eine koronare Herzkrankheit ausgeschlossen und einen Trainingsmangel, eine kalorienbedingte Adipositas, eine Logorrhoe (unstillbarer Rededrang) sowie eine Anpassungsstörung diagnostiziert (Bl. 48, 63 f. SG-Akte). Die Fachärzte für Augenheilkunde Dr. W. und G. sind wegen einer 2013 diagnostizierten Sehminderung und Gesichtsfeldeinschränkung von einer bis zu dreistündigen täglichen Leistungsfähigkeit ausgegangen (Bl. 53 ff. SG-Akte). Der Facharzt für Psychiatrie B. hat - ausgehend von einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, einer Zwangsstörung, einer somatoformen autonomen Funktionsstörung mehrerer Organe und Systeme, einer schwer ausgeprägten hypochondrischen Neurose und einer mittelgradig ausgeprägten Anpassungsstörung - Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes von mehr als drei Stunden täglich nicht für zumutbar erachtet (Bl. 57 ff. SG-Akte). Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. H. hat von einer fehlenden Belastbarkeit und totalen Erschöpfung im Sinne einer Neurasthenie als Folge der Interferonbehandlung berichtet, den Kläger für unter drei Stunden leistungsfähig erachtet und eine neurologische Begutachtung angeregt (Bl. 60 ff. SG-Akte). Der Orthopäde und Rheumatologe Dr. H. hat bekundet, den Kläger zuletzt im April 2010 behandelt zu haben (Bl. 51 SG-Akte).

Das SG hat bei dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. G. ein Gutachten (Bl. 108 ff. SG-Akte) und - nach Einwendungen des Klägers - eine ergänzende Stellungnahme (Bl. 158 SG-Akte) von Amts wegen eingeholt. Nach Untersuchung des Klägers im Januar 2018 hat dieser bei dem Kläger eine hypochondrische Störung und eine Dysthymia diagnostiziert und eine leichte körperliche Tätigkeit ohne besondere Anforderungen an die Reaktions- und Konzentrationsfähigkeit, ohne Arbeiten mit besonderer Verantwortung für Menschen und Maschinen, unter nervlicher Belastung, auf Leitern und Gerüsten sowie ohne Tätigkeiten in Nacht- und Wechselschicht vollschichtig (acht Stunden am Tag) für zumutbar erachtet. Es hätten sich keine Störungen des Sprechverhaltens, des Bewusstseins, der Orientierung, der Aufmerksamkeit, der Konzentration, des Gedächtnisses und der Psychomotorik gezeigt. Die affektive Schwingungsfähigkeit sei leicht eingeschränkt, der formale Gedankengang weitschweifig, umständlich ohne inhaltliche Denkstörungen, Sinnestäuschungen oder Ich-Störungen gewesen. Neurologisch seien keine Hirnausfälle, keine peripheren oder zentralen Paresen, keine pathologischen Reflexe, keine Sensibilitäts- oder Koordinationsstörungen feststellbar gewesen.

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger u. a. lückenlose Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen seit 14.07.2017, ausgestellt durch den Psychiater B. , vorgelegt.

Mit Urteil vom 05.12.2018 hat das SG die Klage abgewiesen. Nach Darstellung der rechtlichen Grundlagen für die begehrte Rente hat es ausgeführt, dass der Kläger diese Voraussetzungen nicht erfüllt, weil er zumindest noch leichte Tätigkeiten unter Beachtung der von Prof. Dr. G. angeführten qualitativen Leistungseinschränkungen - bei darüber hinaus zu vermeidenden Tätigkeiten in Kälte oder Nässe - ausüben könne. Es hat sich dabei auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet der Leistungsbeurteilung des Sachverständigen Prof. Dr. G. sowie auf internistischem Fachgebiet der Einschätzung des Verwaltungsgutachters Dr. R. angeschlossen. Nicht zu folgen sei auf psychosomatisch/psychiatrischem Fachgebiet der Leistungsbeurteilung durch den Psychiater B. , Dr. H. und Dr. F. , da sich die von ihnen erhobenen psychischen Befunde im Wesentlichen auf Beschwerdeschilderungen des Klägers stützten. Auch auf augenärztlichem Fachgebiet sei keine rentenrelevante Leistungseinschränkung zu begründen, da die reduzierte Sehschärfe und die rechtsseitige Gesichtsfeldeinschränkung - wie von der Beratungsärztin der Beklagten, Fachärztin für Innere Medizin Dr. P. , ausgeführt (Bl. 82 SG-Akte) - keine quantitative Leistungsminderung rechtfertigten. Eine weitere medizinische Sachverhaltsaufklärung wegen der geltend gemachten Leberschäden als Folge der Interferontherapie hat es unter Verweis auf den unauffälligen Laborbefund des Dr. R. abgelehnt. Den Anspruch auf Gewährung einer teilweisen Erwerbsminderungsrente wegen Berufsunfähigkeit hat es unter Verweis auf die zuletzt ausgeübte ungelernte versicherungspflichtige Tätigkeit eines Regalauffüllers und der dadurch bedingten Verweisbarkeit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt abgelehnt. Ein etwaiger Berufsschutz komme wegen der fehlenden Versicherungspflicht auch nicht auf Grund der zuletzt ausgeübten nicht versicherungspflichtigen selbstständigen Tätigkeit (Projektierung, Lieferung von Designerelementen) in Betracht. Gleiches gelte für die in der U. zurückgelegten Beschäftigungszeiten und Zeiten der Selbstständigkeit, da der Kläger weder als Vertriebener noch als Spätaussiedler nach dem Bundesvertriebenengesetz (§ 1 und 4 BVFG) anerkannt sei und daher eine Anerkennung der in der U. zurückgelegten Zeiten nach dem FRG ausscheide.

Gegen das dem Kläger am 04.01.2019 zugestellte Urteil hat dieser am 04.02.2019 Berufung eingelegt und wiederholend Einwendungen gegen das von Prof. Dr. G. erstellte Gutachten erhoben. Er habe während der fünfstündigen Untersuchung, die durch zwei kurze Pausen unterbrochen gewesen sei, hunderte Fragen beantworten müssen. Dabei sei ihm weder etwas zu essen noch etwas zu trinken angeboten worden, so dass die Gefahr einer Hypoglykämie bestanden habe. Nach der Begutachtung sei er dermaßen erschöpft gewesen, dass er zwei Tage habe zu Hause bleiben müssen. Er sei daher nicht in der Lage, fünf Tage in der Woche acht Stunden pro Tag zu arbeiten. Auch sei die Übertragung seines Alltagsverhaltens als Beweis für die Fähigkeiten im Arbeitsleben nicht seriös, da er im privaten Bereich jederzeit Pausen einlegen könne. Gleiches gelte für seine selbstständige Tätigkeit. Sein letzter Minijob in einem Baumarkt sei nach wenigen Tagen wegen unzureichender Arbeitsleistung gekündigt worden. Entgegen der Darstellung von Dr. W. bestehe sehr wohl eine Kälteempfindlichkeit. Auch lasse sich der dem Berufungsschreiben beigefügten Szintigraphie der Schilddrüse eine dauerhafte Schädigung durch die Interferontherapie entnehmen.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 05.12.2018 und den Bescheid vom 12.10.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.02.2017 aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, ab 01.08.2016 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

II.

Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 12.10.2016 in der Gestalt (§ 95 SGG) des Widerspruchsbescheids vom 22.02.2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger ist im Sinne der maßgeblichen gesetzlichen Regelungen weder voll noch teilweise erwerbsgemindert und auch nicht berufsunfähig. Ihm steht daher weder Rente wegen voller noch teilweiser Erwerbsminderung, auch nicht bei Berufsunfähigkeit, zu.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier vom Kläger beanspruchte Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit (§ 43 Abs. 2 und 1, § 240 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - SGB VI -), dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass der Kläger die Voraussetzungen für eine solche Rente nicht erfüllt, weil er zumindest leichte Tätigkeiten mit den näher aufgeführten qualitativen Einschränkungen sechs Stunden und mehr ausüben kann und er sich unter Zugrundelegung der zuletzt ausgeübten versicherungspflichtigen Beschäftigung als - ungelernter - Regalauffüller auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisen lassen muss. Es hat sich dabei der Beurteilung von Prof. Dr. G. im Hinblick auf die im Vordergrund stehenden psychiatrischen Gesundheitsstörungen angeschlossen. Dass und aus welchen Gründen der abweichenden Beurteilung von Psychiater B. , Dr. H. und Dr. F. auf psychiatrischem Fachgebiet nicht gefolgt werden kann, hat das SG dargelegt. Das SG hat darüber hinaus zutreffend unter Verweis auf die gutachterlichen Feststellungen von Dr. R. auch rentenrelevante internistische Funktionsbeeinträchtigungen ausgeschlossen. Gleiches gilt für den Ausschluss relevanter neurologischer Erkrankungen durch Prof. Dr. G ... Die beklagten ophtamologischen Beschwerden hat es auf der Grundlage der Beurteilung der Dr. P. nicht als leistungslimitierend angesehen. Der Senat sieht angesichts dieser ausführlichen und zutreffenden Ausführungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück. Zugunsten des Klägers legt der Senat über die vom SG im Einzelnen benannten qualitativen Einschränkungen die von Dr. F. zusätzlich genannten (kein besonderer Zeitdruck, keine Tätigkeit mit erhöhten Anforderungen an die Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit bzw. an die soziale Kompetenz/Teamfähigkeit, keine Arbeiten mit erhöhter Eigen- und Fremdgefährdung) zu Grunde.

Entgegen der Behauptung des Klägers führt auch die Schilddrüsenerkrankung (Hypothyreose) - als Folge der durchlaufenen Interferontherapie - zu keinen rentenrelevanten Funktionseinschränkungen. Unabhängig davon, dass es im Rahmen der Prüfung von Erwerbsminderung nicht auf eine bestimmte Diagnosestellung oder Bezeichnung von Befunden - sondern auf die Beeinflussung des individuellen qualitativen Leistungsvermögens durch dauerhafte Gesundheitsstörungen ohne Rücksicht auf die Ursachen der Gesundheitsstörung ankommt (BSG, Beschluss vom 28.02.2017, B 13 R 27/16 BH, in juris), war die Schilddrüsenfunktion des Klägers unter Substitution (tägliche Einnahme von L-Thyroxin) ausweislich des von Dr. R. ausgewerteten Laborbefundes normal (Bl. 139 VwA). Soweit der Kläger durch die vorgelegte Szintigraphie eine durch die Interferontherapie bedingte dauerhafte Schädigung der Schilddrüse und Minderung ihrer Funktion geltend macht, führt dies zu keiner abweichenden Bewertung, da die eingeschränkte Schilddrüsenfunktion (Unterfunktion der Schilddrüse) durch die medikamentöse Behandlung vollständig ausgeglichen wird, so dass eine euthyreote (normale) Funktionslage besteht, worauf das SG unter Hinweis auf Dr. R. und Dr. H. zutreffend hingewiesen hat. Dauerhafte Leistungseinschränkungen lassen sich somit hieraus nicht begründen.

Auch das vom Kläger angeführte ständige Kälteempfinden mit "Schüttelzuständen" stützt das Klagebegehren nicht. Soweit der Kläger angibt, auf Grund dauerhaften Frierens und dadurch bedingter "Schüttelzustände" keiner Erwerbstätigkeit in einem normal beheizten Raum (18 bis 20°C nachgehen zu können, folgt der Senat dieser (Selbst-)Einschätzung nicht. Er sieht es bereits nicht als nachgewiesen an, dass das behauptete Kälteempfinden und die "Schüttelzustände" den Kläger daran hindern, sich längere Zeit in normal beheizten Räumen aufzuhalten. In den Beschwerdeangaben anlässlich der gutachterlichen Untersuchung bei Dr. R. finden sich diesbezügliche Vorangaben jedenfalls nicht (Bl. 125 VwA). Ebenso wenig lassen sich derartige Beschwerdeschilderungen den Aussagen der im SG-Verfahren befragten Ärzte, insbesondere auch nicht der des langjährig behandelnden Hausarztes entnehmen. Bei der Untersuchung durch Dr. R. gab der Kläger dann an, im Freien zu frösteln und bei einer Zimmertemperatur unter 24°C zu frieren. Bei der Untersuchung durch Prof. Dr. G. hat er schließlich angeführt, bei weniger als 24°C ständig zu frieren und nach ca. anderthalb Stunden an "Schüttelzuständen" zu leiden, die eine Tätigkeit bei normaler Zimmertemperatur (18 bis 20°C) unmöglich machen würden. Dies ist vor dem Hintergrund, dass der Kläger bei Prof. Dr. G. angegeben hat, seine Einkäufe mit dem Fahrrad oder zu Fuß zu erledigen (alle drei Tage ein bis anderthalb Stunden einkaufen, zuzüglich 40 bis 60 Minuten Wegezeit, Bl. 119 SG-Akte), regelmäßig - auch im Winter - an Gottesdiensten seiner Gemeinde mit anschließenden gemeinsamen Mahlzeiten (von mehrstündiger Dauer, Bl. 118 SG-Akte) teilzunehmen, bis zu zweistündige Spaziergänge zu unternehmen (Bl. 115 SG-Akte), Schwimmen zu gehen und öffentliche Verkehrsmittel uneingeschränkt nutzen zu können (Bl. 119 SG-Akte), für den Senat nicht plausibel. Zudem hat Prof. Dr. G. während der fünfstündigen Untersuchung keine Schüttelzustände beobachtet, obgleich der Kläger nachgehend eingewendet hat, nach der Untersuchung unterkühlt und erschöpft gewesen zu sein (Bl. 15 LSG-Akte). Im Übrigen kann einem etwaig gesteigerten Kälteempfinden durch geeignete Kleidung und dem zusätzlichen Ausschluss von Tätigkeiten in Nässe und Kälte hinreichend Rechnung getragen werden, worauf das SG zutreffend hingewiesen hat.

Ebenso führen die vom Kläger geltend gemachten Erschöpfungszustände, insbesondere im Nachgang der Begutachtung bei Prof. Dr. G. , zu keiner abweichenden Leistungsbeurteilung. Zum einen hat Prof. Dr. G. bei der fünfstündigen Untersuchung keine Anzeichen für eine Erschöpfung des Klägers feststellen können, worauf auch das SG bereits zutreffend hingewiesen hat. Zum anderen hat der Kläger selbst mitgeteilt, am Untersuchungstag (Entlassung bei Prof. Dr. G. um 15.00 Uhr) wegen eines Unwetters erst spät abends zu Hause erschöpft angekommen zu sein. Hieraus vermag der Senat keine rentenrelevante Leistungseinschränkung abzuleiten. Denn gesetzlicher Maßstab für das Vorliegen einer Erwerbsminderung ist nicht - wie vom Kläger formuliert - die Unmöglichkeit fünf Tage die Woche acht Stunden am Tag arbeiten zu können. Vielmehr ist nicht erwerbsgemindert, wer mindestens sechs Stunden am Tag leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verrichten kann. Hieran hat der Senat angesichts der Tatsache, dass Prof. Dr. G. beim Kläger nach Anreise und fünfstündiger Begutachtung keine Erschöpfungsanzeichen hat feststellen können und der Kläger in der Lage gewesen ist, alle Untersuchungsanforderungen zu bewältigen, keine Zweifel. Auch die beim Kläger erhobenen Tagesaktivitäten, die dem Anforderungsprofil leichter Tätigkeiten des Arbeitsmarktes entsprechen bzw. diese sogar übersteigen (Fahrrad fahren, Einkaufen, Hausarbeit), sieht der Senat als Beleg für die erhaltene Leistungsfähigkeit. Soweit der Kläger geltend macht, überlange Erholungsphasen in den Tagen nach der Untersuchung benötigt zu haben, ist dies indes nicht belegt und ohnehin für die Einschätzung des Restleistungsvermögens bereits deshalb irrrelevant, weil er nach eigenen Angaben wegen eines Gewitters erst spät am Abend nach Hause zurückkehren konnte und damit der beklagte Erschöpfungszustand auch auf die überlangen Reisezeiten zurückzuführen ist.

Soweit der Kläger als Beleg für die behauptete quantitative Leistungsminderung den Verlust eines Minijobs in einem Baumarkt nach wenigen Tagen wegen unzureichender Arbeitsleistung anführt, folgt der Senat dem nicht, da Maßstab für die Beurteilung der Erwerbsfähigkeit nicht diese konkrete Tätigkeit, sondern eine leichte Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung der bereits angeführten qualitativen Leistungseinschränkungen ist.

Gleiches gilt für die Behauptung des Klägers, einer Erwerbstätigkeit wegen benötigter zusätzlicher Pausen/Ruhephasen nicht nachgehen zu können. Weder Dr. R. noch Prof. Dr. G. haben die Notwendigkeit längerer betriebsunüblicher Pausen für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes bestätigt, zumal der Kläger bei Prof. Dr. G. in der Lage gewesen ist, die fünfstündige den Kläger fordernde Untersuchung ("Innerhalb von fünf Stunden musste ich hunderte von Fragen beantworten", Bl. 15 LSG-Akte) ohne zusätzliche, das betriebsübliche Maß übersteigende Pausen (Unterbrechung der Untersuchung nur durch zwei kurze Pausen für Toilettengänge) zu absolvieren. In Anbetracht dessen besteht für den Senat keine Veranlassung, die quantitative Leistungsbeurteilung des Sachverständigen in Zweifel zu ziehen.

Auch die im Berufungsverfahren wiederholend vorgebrachten Einwände gegen die von Prof. Dr. G. durchgeführte Begutachtung rechtfertigen keine abweichende Bewertung des Leistungsvermögens. Soweit der Kläger geltend macht, wegen der Dauer der Untersuchung habe - bei einer fehlenden Essens- und Getränkeversorgung - die Gefahr einer Hypoglykämie bestanden, berührt dieser Vortrag die Verwertbarkeit des Gutachtens nicht. Zum einen ist der Gutachter nicht für eine etwaige Nahrungsversorgung zuständig. Hierfür muss der zu Begutachtende auch unter Berücksichtigung der notwendigen nicht vollständig kalkulierbaren Wegezeiten hinreichend Vorsorgevorkehrungen treffen. Zum anderen hat Prof. Dr. G. auf Nachfrage des Gerichts mitgeteilt, dass der Kläger die Untersuchung jederzeit hätte unterbrechen können, um eine Pause zur Nahrungsaufnahme (zwei kurze Pausen fanden statt, Bl. 157 SG-Akte) einzulegen. Der Kläger hat eine (längere) Essenspause jedoch weder eingefordert noch den Sachverständigen auf einen etwaig drohenden Unterzuckerungszustand hingewiesen.

Soweit der Kläger zur Untermauerung seines Klagebegehrens in der mündlichen Verhandlung vor dem SG Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt hat, ändert dies an seiner Erwerbsfähigkeit für leichte Tätigkeiten nichts. Die Frage des Bestehens von Arbeitsunfähigkeit ist für die hier zu beurteilende Frage der Erwerbsminderung nicht von entscheidender Bedeutung. Denn während sich die Arbeitsunfähigkeit nach der arbeitsvertraglich geschuldeten, zuletzt ausgeübten Arbeit richtet (BSG, Urteil vom 08.11.2005, B 1 KR 18/04 R, in SozR 4-2500 § 44 Nr. 7), sind Maßstab für die Frage der Erwerbsminderung die üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes, wobei es ausreicht, wenn leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen sechs Stunden arbeitstäglich verrichtet werden können (§ 43 SGB VI). Deshalb kommt es für die Frage der Erwerbsminderung nicht darauf an, ob wegen Krankheit oder Behinderung Behandlungsbedürftigkeit oder - auch häufige - Arbeitsunfähigkeit besteht (BSG, Beschluss vom 31.10.2002, B 13 R 107/12 B, in SozR 4-2600 § 43 Nr. 19).

In Übereinstimmung mit dem SG verneint der Senat auch einen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI). Wie das SG unter Darlegung der gesetzlichen Grundlagen und der dazu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung sowie ausgehend davon, dass als "bisheriger" Beruf i.S.d. § 240 Abs. 2 Satz 2 SGB VI lediglich die vom Kläger zuletzt sozialversicherungspflichtig ausgeübte ungelernte Beschäftigung als Regalauffüller in Betracht kommt, zutreffend ausgeführt hat, ist der Kläger nicht berufsunfähig, weil er jedenfalls gesundheitlich und sozial zumutbar auf leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden kann. In nicht zu beanstandender Weise hat es dargelegt, dass als für den Berufsschutz maßgebender Bezugsberuf weder die in Deutschland ausgeübte nicht versicherungspflichtige ("nebenberufliche") selbstständige Tätigkeit noch die in der U. ausgeübten Beschäftigungen und Tätigkeiten zu berücksichtigen sind. Zutreffend hat das SG darauf hingewiesen, dass die auf einer etwaig höherwertigeren Qualifikation beruhende Berufsausübung in der U. (Beschäftigung und selbstständige Tätigkeit als Ingenieur und Designer nach abgeschlossenem Studium "Elektrotechnik/HF-Technik") als Bezugsberuf ausscheidet, weil der Kläger als "Kontingentflüchtling" die persönlichen Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des FRG (Anerkennung als Vertriebener oder Spätaussiedler) nicht erfüllt und daher eine Gleichstellung dieser Tätigkeiten mit in Deutschland zurückgelegten Versicherungszeiten (§§ 15, 16 FRG) nicht in Betracht kommt (BSG, Urteil vom 12.10.1993, 13 RJ 71/92, in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 28; Gürtner in: Kasseler Kommentar, 102. Erg-Lfg., Stand Dezember 2018, § 240 Rdnr. 14; Nazarek in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2013, § 240 Rdnr. 38).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved