L 8 AL 4444/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 8 AL 1678/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 4444/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
für Recht erkannt: Tenor: Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 24.11.2016 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese auf sich selbst behalten, zu erstatten.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 3.136,33 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin als damalige Krankenkasse der Beigeladenen Ziff. 1 gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von 3.136,33 EUR an Beiträgen zur Gesamtsozialversicherung nach der Insolvenz des Arbeitgebers der Beigeladenen Ziff. 1 zusteht.

Die Beigeladene Ziff. 1 war bei der Druckerei D. und R. GmbH (Arbeitgeberin) versicherungspflichtig beschäftigt und bei der Klägerin vom 01.07.2010 bis zum 31.08.2014 gesetzlich kranken-, bei der Beigeladenen Ziff. 3 gesetzlich pflege- und der Beigeladenen Ziff. 2 gesetzlich rentenversichert. Zum 31.08.2014 schied die Beigeladene Ziff. 1 durch Eigenkündigung aus dem Unternehmen der Arbeitgeberin aus (Blatt 6 der Beklagtenakte/Insolvenzgeldakte; zu den Lohnabrechnungen für Mai bis August 2014 vgl. Blatt 11/13, 27/28 der Beklagtenakte/Insolvenzgeldakte).

Bereits am 01.08.2009 war über das Vermögen der Arbeitgeberin ein Insolvenzverfahren eröffnet worden (Beschluss des AG Charlottenburg 01.08.2009 - 36d IN 1977/09 -). Mit Beschluss vom 17.09.2010 wurde das Insolvenzverfahren aufgehoben, nachdem die Bestätigung eines Insolvenzplans rechtskräftig wurde. Die Überwachung der Insolvenzplanerfüllung für 36 Monate ab Oktober 2010 wurde angeordnet und wurde mit Beschluss des AG Charlottenburg vom 23.01.2014 aufgehoben (Blatt 28 der Senatsakte).

Mit Beschluss vom 13.11.2014 ordnete das Amtsgericht Charlottenburg erneut die vorläufige Insolvenzverwaltung an (Az.: 36d IN 3977/14, Blatt 3/5 der Beklagtenakte). Der eingesetzte Insolvenzverwalter wandte sich mit Schreiben vom 18.11.2014 an die Beklagte.

Für den Alleingesellschafter der Arbeitgeberin (Blatt 27, 47 der Senatsakte), Herr H. , teilte Frau S. der Beklagten mit Schreiben vom 25.09.2014 mit (Blatt 44 der Beklagtenakte), die Betriebstätigkeit sei nicht eingestellt. Es sei zu kurzfristigen Liquiditätsengpässen gekommen wegen Umsatzeinbußen und Problemen beim Umzug des Unternehmens.

Die Beklagte teilte mit Schreiben vom 19.11.2014 (Blatt 54 der Beklagtenakte) dem Insolvenzverwalter mit, nach der ersten Insolvenz sei Zahlungsfähigkeit nicht wiederhergestellt worden, es bestehe kein Anspruch auf Insolvenzgeld. Den Antrag der Beigeladenen Ziff. 1 auf Insolvenzgeld (Blatt 5/9 der Beklagtenakte/Insolvenzgeldakte) lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 15.12.2014 (Blatt 34/35 der Beklagtenakte/Insolvenzgeldakte) bestandskräftig ab.

Mit Beschluss vom 04.02.2015 (Blatt 65/67 der Beklagtenakte; zum Insolvenzgutachten vom 04.02.2015 vgl. Blatt 68/136 der Beklagtenakte) eröffnete das Amtsgericht Charlottenburg erneut ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der Arbeitgeberin wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung.

Die Klägerin meldete gegenüber dem Insolvenzverwalter mit Schreiben vom 26.05.2015 eine Gesamtforderung von 12.704,51 EUR zur Insolvenztabelle an (Blatt 11 der SG-Akte). Darin waren ausgebliebene Sozialversicherungsbeiträge für ihre Versicherte in Höhe von 11.098,71 EUR für die Zeit vom 01.10.2013 bis zum 31.08.2014 enthalten. Mit weiterem Schreiben vom 26.05.2015 (Blatt 1/2 der Beklagtenakte/Teil 1 = Blatt 12/13 der SG-Akte) beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Zahlung rückständiger Gesamtsozialversicherungsbeiträge für die Zeit vom 01.06.2014 bis zum 31.08.2014 in Höhe von 3.136,33 EUR.

Mit Bescheid vom 15.06.2015 (Blatt 5 der Beklagtenakte/Teil 1) lehnte die Beklagte die Zahlung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge ab. Zahlungsfähigkeit der Arbeitgeberin sei nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 01.08.2009 nicht wieder eingetreten. Erst nach wiederhergestellter Zahlungsfähigkeit könnte bei erneuter Zahlungsunfähigkeit ein weiteres Insolvenzereignis bejaht werden.

Am 13.07.2015 hat die Klägerin beim Sozialgericht (SG) Reutlingen Klage erhoben. Maßgeblich sei das Insolvenzereignis vom 04.02.2015 (Eröffnung des Insolvenzverfahrens). Es spräche nichts für eine fortdauernde Zahlungsunfähigkeit der Arbeitgeberin vom 01.08.2009 bis zum 04.02.2015. Denn diese habe die fälligen Sozialversicherungsbeiträge bis zum 30.09.2013 ohne Weiteres bezahlt. Die Klägerin hat das Beitragskonto der Arbeitgeberin vorgelegt (Blatt 19/31 der SG-Akte).

Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass die Verpflichtungen aus dem Insolvenzplan nicht vollständig erfüllt worden seien, sodass nicht von zwischenzeitlicher Zahlungsfähigkeit ausgegangen werden könne und der Eröffnungsbeschluss vom 04.02.2015 keine Wirkung nach § 165 SGB III entfalte.

Vom SG befragt hat der Insolvenzverwalter mit Schreiben vom 01.08.2016 (Blatt 40 der SG-Akte) mitgeteilt, dass es der Arbeitgeberin oblegen habe, die Verpflichtungen aus dem Insolvenzplan zu erfüllen. Aufgrund unübersichtlicher Buchhaltung sei ihm eine Aufschlüsselung, in welchem Umfang der Insolvenzplan nicht erfüllt worden sei, nicht möglich. Mit Schreiben vom 28.09.2016 (Blatt 44 der SG-Akte) hat der Insolvenzverwalter ausgeführt, nach dem Insolvenzplan in der vorhergehenden Insolvenz seien noch mindestens Beträge in Höhe von 139.475,17 EUR zu verteilen gewesen, darüber hinaus hätten aufgrund der Nichteinhaltung der Regelungen des Insolvenzplanes Rückstände bei Maschinenlieferanten in Höhe von mindestens 300.000,00 EUR bestanden.

Die Klägerin hat mit Schreiben vom 19.10.2016 (Blatt 46/58 der SG-Akte) u.a. ausgeführt, dass die Arbeitgeberin im Zeitraum vom 01.07.2010 bis zum 30.09.2013 die fälligen Beiträge bezahlt habe und daher über 3 Jahre hinweg Zahlungsfähigkeit wiedererlangt habe.

Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 24.11.2016 die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Entrichtung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen für ihre bei der Firma Druckerei D. und R. GmbH bis zum 31.08.2014 beschäftigte Versicherte. Dem Anspruch der Klägerin stehe entgegen, dass die Arbeitgeberin seit dem ersten Insolvenzverfahren ihre Zahlungsfähigkeit nicht wiedererlangt habe. Denn aus den Erklärungen des Insolvenzverwalters ergebe sich, dass die Beendigung des Insolvenzplanverfahrens wegen Nichterfüllung der Planvorgaben, mithin insbesondere der dortigen Zahlungspflichten erfolgt sei. Zum Zeitpunkt der Beendigung seien aus dem Insolvenzplan noch mindestens 139.475,17 EUR zu verteilen und es hätten darüber hinaus weitere Rückstände in Höhe von mindestens 300.000,00 EUR bestanden. Eine Wiedererlangung der Zahlungsfähigkeit ergebe sich demgegenüber nicht aus der (vorübergehenden) Zahlung von Löhnen und Gehältern, einschließlich der damit verbundenen Sozialversicherungsbeiträge. Tatsächlich ergebe sich aus dem seitens der Klägerin vorgelegten Versicherungskonto, dass bereits im Januar 2011 Säumniszuschläge wegen nichtrechtzeitiger Entrichtung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge erhoben werden mussten. Bereits ab Mitte des Jahres 2011 - während des Überwachungszeitraums des Insolvenzplans - stelle sich die Erhebung von Säunmiszuschlägen und Mahngebühren wegen ausbleibender, rechtzeitiger Beitragszahlungen als weitgehender Normalzustand dar, bis schließlich ab dem 01.10.2013 und damit unmittelbar nach Ende der angeordneten Planüberwachung am 30.09.2013 ein vollständiger Beitragszahlungsausfall eingetreten sei.

Gegen den ihr am 29.11.2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 30.11.2016 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Sie wisse nichts von dem früheren Insolvenzverfahren und habe damals auch keine Insolvenzforderungen angemeldet. Aus dem Beitragskonto sei ersichtlich, dass die Arbeitgeberin in den Jahren 2010 bis Mitte 2013 die fälligen Gesamtsozialversicherungsbeiträge bezahlt habe. Damit habe die Arbeitgeberin ihre Zahlungsfähigkeit wiedererlangt. Sie bestreite, dass die Arbeitgeberin den Insolvenzplan nicht erfüllt habe. Ihr Anspruch ergebe sich aus § 175 SGB III. Maßgebliches Insolvenzereignis sei nach § 165 Abs.1 Nr. 1 SGB III der Tag der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers, also hier der 04.02.2015. Das LSG Sachsen habe mit Urteil vom 13.02.2014 (L 3 AL 141/08) entschieden. Im vorliegenden Fall spreche nichts für eine fortdauernde Zahlungsunfähigkeit von 01.08.2009 bis 04.02.2015. Die fälligen Sozialversicherungsbeiträge hätten ja bis 30.09.2013 ohne weiteres bezahlt werden können. Das SG sei bei der Entscheidungsfindung von nicht bewiesenen bzw. erwiesenen Tatsachen ausgegangen und es habe das Urteil des BSG vom 21.11.2002 (B 11 AL 35/02 R) unzutreffend ausgelegt und angewendet. Der Insolvenzverwalter habe nicht bestätigen können, dass der Insolvenzplan nicht erfüllt worden sei. Auch sei der vorliegende Sachverhalt schon nicht mit demjenigen des Urteils des BSG vom 21.11.2002 (B 11 AL 35/02 R) vergleichbar. Wenn 6 Jahre zwischen dem ersten und zweiten Insolvenzverfahren lägen, habe sie sich darauf verlassen können, dass die formell ordnungsgemäße Beendigung des Insolvenzplanverfahrens ohne einen zeitgleich oder zeitnah dazu gestellten neuen Insolvenzantrag einen neuen Schutz in der Insolvenzausfallversicherung begründe. Das am 04.02.2015 eröffnete Insolvenzverfahren stehe in keinem zeitlichen Zusammenhang mehr zum früheren Insolvenzfall.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 24.11.2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 15.06.2015 zu verurteilen, ihr 3.136,33 Euro zu zahlen, sowie die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.

Die Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Ein neues Insolvenzereignis habe mit dem Eröffnungsbeschluss vom 04.02.2015 nicht festgesetzt werden können. Die Zahlungsfähigkeit der Arbeitgeberin sei nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch Beschluss vom 01.08.2009 nicht wieder eingetreten. Es bestehe deshalb unverändert die Sperrwirkung des zeitlich ersten Insolvenzereignisses.

Die Sach- und Rechtslage wurde mit den Beteiligten in einem nichtöffentlichen Termin am 03.03.2017 (zur Niederschrift vgl. Blatt 20/22 der Senatsakte) erörtert. Daraufhin hat die Klägerin eine Auskunft der Creditreform zur Arbeitgeberin vorgelegt (Blatt 25/29 der Senatsakte). Der Senat hat beim AG Charlottenburg Unterlagen und Gutachten zu dem Insolvenzverfahren (Az.: 36d IN 1977/09 und 36d IN 3977/14) beigezogen (Blatt 30/155 der Senatsakte).

Die Klägerin hat nunmehr unter Vorlage eines Handelsregisterauszugs mit Schreiben vom 19.07.2017 (Blatt 157/164 der Senatsakte) u.a. ausgeführt, die Arbeitgeberin habe in der Zeit seit 1993 zwei Insolvenzen mit Insolvenzplanverfahren überstanden. Im Handelsregister stehe auch, dass das erste Insolvenzverfahren 36 d IN 1977/09 am 17.09.2010 aufgehoben worden sei, nachdem die Bestätigung des Insolvenzplans rechtskräftig geworden sei und die Erfüllung des Insolvenzplans nach § 260 InsO überwacht werde. Am 11.04.2012 sei ins Handelsregister eingetragen, dass die Arbeitgeberin fortgesetzt werde. Aus dem Insolvenzgutachten vom 04.02.2015 ergebe sich, dass die Techniker Krankenkasse am 01.09.2014 Insolvenzantrag gestellt habe. Eine Geschäftssitzverlegung Mitte 2014 habe zum Ausfall von Druckmaschinen und Umsatzeinbußen geführt. Lohn- und Gehaltsrückstände habe es ab September 2014 gegeben. Das erste Insolvenzverfahren sei in diesem Insolvenzgutachten erwähnt, es stehe aber nichts darüber vermerkt, dass die Verbindlichkeiten aus dem rechtskräftigen Insolvenzplan gegenüber den Gläubigern nicht erfüllt worden seien. Dem Insolvenzgutachten sei nicht zu entnehmen, dass die Arbeitgeberin zwischen 17.09.2010 und Mitte 2014 Zahlungsschwierigkeiten gehabt habe. Daraus sei der Schluss zu ziehen, dass die Arbeitgeberin die Zahlungsfähigkeit im Zeitraum 18.09.2010 bis Mitte 2014 wiedererlangt habe. Zwischen dem ersten und zweiten Insolvenzverfahren lägen viel zu viele Jahre. Es spreche also nichts dagegen, dass ein und dasselbe Unternehmen mehrfach insolvent werden könne.

Der Senat hat Herrn H. , Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Arbeitgeberin, und Frau S. , damalige Prokuristin der Arbeitgeberin, schriftlich als Zeugen befragt. Herr H. hat mit Schreiben vom 22.10.2018 (Blatt 180/182 der Senatsakte) u.a. angegeben, die Insolvenzgründe im Jahr 2014/2015 begründeten sich aus einem Immobilienwechsel und dem Umzug der Druckerei innerhalb von Berlin. Hierzu sei ein Unternehmen mit der Umsetzung der Maschinen beauftragt worden, jedoch nicht in der Lage gewesen, die Maschinen technisch richtig aufzustellen. Die Maschinen seien so beschädigt worden, dass eine weitere Produktion unmöglich geworden sei. Die Reparatur und erneute Inbetriebnahme hätten mindestens 6 Monate gedauert. Das genannte Unternehmen sei auch nicht ausreichend versichert gewesen um den Schaden ausgleichen zu können. Sie hätten nicht mehr produzieren können und so sei es nach 3 Monaten zur Insolvenz gekommen. Insolvenzgrund der Insolvenz 2009 seien Umsatzeinbrüche nach der Wirtschaftskrise ab 2007 gewesen. Nach und während der Insolvenz seien alle Zahlungen für den Geschäftsbetrieb geleistet worden, bis zum Zeitpunkt des Umzugs der Druckerei. Zwischen den Insolvenzjahren seien auch Sozialversicherungsbeiträge, Miete und Materialkosten bis zum Zeitpunkt des Umzuges Mai 2014 geleistet worden. Verbindlichkeiten aus der Insolvenz 2009 seien von ihm privat gezahlt worden.

Frau S. hat mit Schreiben vom 20.02.2019 (Blatt 212 der Senatsakte) ausgeführt, aus ihrer Sicht sei der Umzug der Firma die Hauptursache für die Probleme 2014/2015 gewesen. Die größere der beiden Druckmaschinen sei am neuen Standort nicht korrekt aufgebaut worden. Dadurch sei es zu wochenlangen Produktionsausfällen gekommen, die letztlich zur Insolvenz geführt hätten. Das Unternehmen sei nach der ersten Insolvenz 2009 nicht abgewickelt, sondern weitergeführt worden. Der vom Insolvenzbüro während und nach der Insolvenz eingesetzte Controller habe die Geschäfte geführt. Von ihm seien die wesentlichen Entscheidungen zu den Zahlungen getroffen worden. Aus ihrer Erinnerung seien alle wesentlichen Verbindlichkeiten bedient worden, wenn auch in Absprache zeitverzögert. Es seien keine neuen Verbindlichkeiten aufgebaut worden.

Mit Beschluss vom 07.11.2018 wurden die Beigeladenen Ziff. 1 bis 3 beigeladen (Blatt 189/190 der Senatsakte); diese erhielten Gelegenheit sich zu äußern.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat hat trotz Ausbleibens der Beteiligten im Termin mündlich verhandeln und entscheiden können, denn die ordnungsgemäß geladenen Beteiligten waren auf diese Möglichkeit in der Ladung (§ 110 Abs. 1 SGG) hingewiesen worden.

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, denn es handelt sich nicht um einen Erstattungsstreit i.S.d. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG, vielmehr um einen Beitragsstreit, dessen Wert 750 EUR übersteigt. Auch war ein Vorverfahren nicht durchzuführen (§ § 78 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGG; BSG 23.05.2017 – B 12 AL 1/15 R – SozR 4-4300 § 175 Nr. 2 = juris; Böttiger in Eicher/Schlegel, SGB III n.F., § 175 RdNr. 58). In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg.

Die Beklagte war vorliegend, auch wenn es sich um ein Rechtsverhältnis zwischen zwei Behörden handelt, berechtigt durch Verwaltungsakt i.S.d. § 31 Satz 1 SGB X über den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch zu entscheiden (zuletzt vgl. BSG 23.05.2017 – B 12 AL 1/15 R – SozR 4-4300 § 175 Nr. 2 = juris; Böttiger in Eicher/Schlegel, SGB III n.F. § 175 RdNr. 55; Lüdtke/Ewig in LPK-SGB III, 3. Auflage, § 175 RdNr. 8). Die vorliegende Anfechtungs- und Leistungsklage i.S.d. § 54 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 4 SGG ist aber unbegründet.

Die Klägerin ist gemäß §§ 28h, 28i Satz 1 SGB IV die für die Beigeladene Ziff. 1 zuständige Einzugsstelle hinsichtlich der aus Beschäftigung bei der Arbeitgeberin abzuführenden Beiträge. Diese hat nach § 28h Abs. 1 Satz 2 SGB IV die Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags zu überwachen und Beitragsansprüche, die nicht rechtzeitig erfüllt worden sind, geltend zu machen. Zum Gesamtsozialversicherungsbeitrag zählen die Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung sowie zur sozialen Pflegeversicherung und der Beitrag nach dem Recht der Arbeitsförderung (§ 28d SGB IV). Nachdem die Arbeitgeberin diese Gesamtsozialversicherungsbeiträge für die Zeit vom 01.06.2014 bis zum 31.08.2014 i. H. v. 3.136,33 EUR (vgl. Blatt 1 der Beklagtenakte/Teil 1) für die versicherungspflichtig beschäftigte Beigeladene Ziff. 1 nicht an die Klägerin abgeführt hat, was der Senat anhand des von der Klägerin vorgelegten Beitragskontoauszuges feststellt, war die Klägerin verpflichtet, die Beitragsansprüche geltend zu machen. Dazu gehört auch die Geltendmachung im Rahmen des § 175 SGB III.

Grundlage für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch ist § 175 Abs. 1 Satz 1 SGB III in seit 01.04.2012 geltenden Fassung. Danach zahlt die Agentur für Arbeit der zuständigen Einzugsstelle auf Antrag den Gesamtsozialversicherungsbeitrag nach § 28d SGB IV, der auf Arbeitsentgelte für die letzten dem Insolvenzereignis vorausgegangenen 3 Monate des Arbeitsverhältnisses entfällt und bei Eintritt des Insolvenzereignisses noch nicht gezahlt worden ist. Die Einzugsstelle hat der Agentur für Arbeit die Beiträge nachzuweisen und dafür zu sorgen, dass die Beschäftigungszeit und das beitragspflichtige Bruttoarbeitsentgelt einschließlich des Arbeitsentgelts, für das Beiträge nach Satz 1 gezahlt werden, dem zuständigen Rentenversicherungsträger mitgeteilt werden (§ 175 Abs. 1 Satz 2 SGB III).

Das Arbeits- und Beschäftigungsverhältnis der Beigeladenen Ziffer 1 bei der Arbeitgeberin endete am 31.08.2014 durch Kündigung seitens der Beigeladenen Ziff. 1. Der Senat stellt dabei auf Grundlage des von der Klägerin vorgelegten Beitragskontoauszuges fest, dass die Arbeitgeberin die auf die letzten 3 Monate des Arbeitsverhältnisses, mithin die auf die Monate Juni bis August 2014 entfallenden Gesamtsozialversicherungsbeiträge weder zum Fälligkeitszeitpunkt (§ 23 SGB IV) noch zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 04.02.2015 ganz oder teilweise gezahlt hat; diese Beiträge sind auch bis jetzt weder vom Arbeitgeber noch vom Insolvenzverwalter abgeführt worden. Auch hat die Klägerin die Zahlung nach § 175 SGB III bei der Beklagten beantragt; eine Frist war nicht einzuhalten, denn die Regelung des § 324 Abs. 3 SGB III wird jedenfalls durch § 175 Abs. 1 Satz 3 SGB III verdrängt (Böttiger in Eicher/Schlegel, SGB III n.F., § 175 RdNr. 49), als dort ausdrücklich und ausschließlich auf § 323 Abs. 1 Satz 1 SGB II verwiesen wird und damit § 324 Abs. 3 SGB II ausgeschlossen wird (dazu vgl. auch Kühl in Brand, SGB III, 8. Auflage, § 175 RdNr. 9; Lüdtke/Ewig in LPK-SGB III, 3. Auflage, § 175 RdNr. 6; E. Schneider in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, 2. Auflage, § 175 SGB III, RdNr. 29; Voelzke in Hauck/Noftz, SGB III, § 175 RdNr. 26).

Maßgeblich ist daher, ob ein Insolvenzereignis vorliegt. Dessen Vorliegen bestimmt sich entsprechend § 165 Abs. 1 Satz 2 SGB III (Böttiger in Eicher/Schlegel, SGHB III n.F., § 175 RdNr. 46; Lüdtke/Ewig in LPK-SGB III, 3. Auflage, § 175 RdNr. 5; E. Schneider in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, 2. Auflage, § 175 SGB III, RdNr. 12). Als Insolvenzereignis gilt danach (Nr. 1) die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers, (Nr. 2) die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder (Nr. 3) die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt. Vorliegend war weder der Betrieb der Arbeitgeberin vollständig eingestellt worden – die Arbeitgeberin betreibt ihren Betrieb bis heute fort – noch war der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt worden, sodass Insolvenzereignisse i.S.d. § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 3 SGB III nicht vorliegen.

Damit kommt es vorliegend darauf an, ob die Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 04.02.2015 trotz der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Jahr 2009 (Beschluss vom 01.08.2009) ein neues Insolvenzereignis i.S.d. § 165 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III darstellt. Zwar ist durch den Beschluss des AG Charlottenburg vom 04.02.2015 (wieder) ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der Arbeitgeberin eröffnet worden, sodass an sich ein Insolvenzereignis i.S.d. InsO und des § 165 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III vorliegt. Das frühere Insolvenzereignis entfaltet aber für denselben Insolvenzfall Sperrwirkung für spätere Insolvenzereignisse auch dann, wenn insolvenzrechtlich sich später noch Änderungen ergeben sollten (Kühl in Brand, SGB III 8. Auflage, § 165 RdNr. 20; E. Schneider in jurisPK-SGB III, 2. Auflage, § 165 RdNr. 57). Ein neues Insolvenzereignis liegt nur vor, wenn der Arbeitgeber vor erneuter Zahlungsunfähigkeit wieder zahlungsfähig war (Linck in Kayser/Thole, Heidelberger Kommentar zur InsO, 9. Auflage, § 165 RdNr. 21). Solange die auf einem bestimmten Insolvenzereignis beruhende Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers andauert, kann daher kein neues Insolvenzereignis eintreten (Kreft a.a.O.).

Ein (neues) arbeitsförderungsrechtliches Insolvenzereignis i.S.d. § 165 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III ist vorliegend aber mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Arbeitgeberin am 04.02.2015 nicht eingetreten, weil das frühere Insolvenzereignis - hier die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Arbeitgeberin am 01.08.2009 – noch immer Sperrwirkung entfaltet hat.

Nach der Rechtsprechung des BSG kann ein (neues) Insolvenzereignis nicht eintreten, solange die auf einem früheren Insolvenzereignis beruhende Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers noch andauert (zuletzt vgl. BSG 09.06.2017 – B 11 AL 14/16 RBSGE 123, 230-238 = SozR 4-4300 § 165 Nr. 2, = juris; BSG 17.03.2015 – B 11 AL 9/14 R – juris RdNr. 14 unter Hinweis auf BSGE 90, 157, 158 = SozR 3-4300 § 183 Nr. 3). Für die Annahme wiedererlangter Zahlungsfähigkeit genügt es nicht (BSG 17.03.2015 – B 11 AL 9/14 R – juris RdNr. 14), wenn der Arbeitgeber die Betriebstätigkeit fortführt und die laufenden Verbindlichkeiten, wie insbesondere die Lohnansprüche, befriedigt (BSG 09.06.2017 – B 11 AL 14/16 RBSGE 123, 230-238 = SozR 4-4300 § 165 Nr. 2, = juris). Von andauernder Zahlungsunfähigkeit ist vielmehr so lange auszugehen, wie der Schuldner wegen eines nicht nur vorübergehenden Mangels an Zahlungsmitteln nicht in der Lage ist, seine fälligen Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen (BSG 09.06.2017 – B 11 AL 14/16 RBSGE 123, 230-238 = SozR 4-4300 § 165 Nr. 2, = juris; BSG 17.03.2015 – B 11 AL 9/14 R – juris RdNr. 14). Die Zahlungsunfähigkeit endet deshalb nicht schon dann, wenn der Schuldner einzelnen Zahlungsverpflichtungen wieder nachkommt (BSG 09.06.2017 – B 11 AL 14/16 RBSGE 123, 230-238 = SozR 4-4300 § 165 Nr. 2, = juris; BSG 17.03.2015 – B 11 AL 9/14 R – juris RdNr. 14 unter Hinweis auf BSGE 90, 157, 158 = SozR 3-4300 § 183 Nr. 3; BSGE 100, 282 f = SozR 4-4300 § 183 Nr. 9). Kann der Schuldner zwar die ihm nach dem Insolvenzplan aufgegebene Quote leisten, ist aber sonst nach der Aufhebung des ersten Insolvenzverfahrens bis zur Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens zu keinem Zeitpunkt die Fähigkeit wieder eingetreten, die fälligen Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen, bleibt es bei der Sperrwirkung des ersten Insolvenzereignisses (BSG 17.03.2015 – B 11 AL 9/14 R – juris RdNr. 14).

Vorliegend konnte der Senat zwar nicht ermitteln, welche Forderungen in der Zeit zwischen den beiden Insolvenzen tatsächlich und wann beglichen worden waren. Dazu sind den vorliegenden Gutachten des Insolvenzverwalters keine Angaben zu entnehmen. Die vorhandenen Indizien sind aber zu würdigen und im Rahmen der Beweiswürdigung abzuwägen. Dabei ist zu beachten, dass nach den im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden allgemeinen Regeln zur objektiven Beweislast der Grundsatz gilt, dass jeder im Rahmen des anzuwendenden materiellen Rechts die Beweislast für die Tatsachen trägt, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen (Sächsisches LSG 08.03.2018 – L 3 AL 140/16 – juris). Danach muss die Klägerin alle Voraussetzungen für den geltend gemachten Anspruch auf Insolvenzgeld darlegen (Sächsisches LSG 08.03.2018 – L 3 AL 140/16 – juris). Wenn sie nach einem ersten Insolvenzereignis vorträgt, dass bei der Arbeitgeberin ein zweites, neues Insolvenzereignis eingetreten sei, muss sie darlegen, dass die Arbeitgeberin zwischen dem ersten und dem zweiten Insolvenzereignis die Zahlungsfähigkeit wiedererlangt hat (Sächsisches LSG 08.03.2018 – L 3 AL 140/16 – juris). Es ist nicht an der Beklagten, den Nichteintritt der Zahlungsfähigkeit, mithin das Nichtvorliegen einer Anspruchsvoraussetzung, darzulegen (Sächsisches LSG 08.03.2018 – L 3 AL 140/16 – juris).

Vorliegend haben die Zeugin S. und der Zeuge H. ausgeführt, die laufenden Zahlungen im Allgemeinen erfüllt zu haben, es seien keine neuen Verbindlichkeiten aufgebaut worden. Auch die Klägerin hat ausgeführt, dass die Beiträge regelmäßig gezahlt worden seien. Der Senat kann auch feststellen, dass der Umzug des Betriebes der Arbeitgeberin im Sommer 2014 zu einem nachfolgenden Produktionsausfall wegen Beschädigung einer von zwei Druckmaschinen mit Umsatzverlust geführt hat; der Insolvenzverwalter nennt dies als Grund dafür, dass gegenüber der Sozialversicherung und den Arbeitnehmern Rückstände aufgelaufen sind. Dazu hat auch beigetragen, dass der Versicherer des die Druckmaschine schädigenden Umzugsunternehmens die Reparatur nur zum Teil beglichen hat, was der Senat dem Gutachten zum Insolvenzverfahren entnommen hat.

Weiter ist zu berücksichtigen, dass das Insolvenzplanverfahren nach der Insolvenz 2009 mit Beschluss vom 23.01.2014 aufgehoben worden ist. Dazu hat der Insolvenzverwalter gegenüber dem SG mitgeteilt, dass es der Arbeitgeberin oblegen habe, die Verpflichtungen aus dem Insolvenzplan zu erfüllen. Aufgrund unübersichtlicher Buchhaltung sei ihm eine Aufschlüsselung, in welchem Umfang der Insolvenzplan nicht erfüllt worden sei, nicht möglich. Nach dem Insolvenzplan 2009 seien noch mindestens Beträge in Höhe von 139.475,17 EUR zu verteilen gewesen, darüber hinaus hätten aufgrund der Nichteinhaltung der Regelungen des Insolvenzplanes Rückstände bei Maschinenlieferanten in Höhe von mindestens 300.000,00 EUR bestanden.

Aus dem Gutachten zum Insolvenzverfahren 2014 vom 04.02.2015 ergibt sich, dass zum Zeitpunkt der vorläufigen Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 04.11.2014 bei der Arbeitgeberin liquide Mittel im Umfang von 7.000 EUR Barguthaben und ein 50.000 EUR Forderungsbestand vorhanden waren (Blatt 32 der Senatsakte = Seite 2 des Gutachtens). Dem standen u.a. Verbindlichkeiten gegenüber der Sozialversicherung i.H.v. ca. 70.000 EUR gegenüber, zuzüglich Lohn- und Gehaltsrückstände seit August 2014 (Blatt 32 der Senatsakte = Seite 2 des Gutachtens) und einer Darlehensforderung des Herrn S. über 79.000 EUR (Blatt 34 der Senatsakte = Seite 7 des Gutachtens). Insgesamt ergab sich eine Forderungssumme gegen die Arbeitgeberin von 1.208.654,83 EUR, wie der Insolvenzverwalter festgestellt hat (Blatt 87/88 der Senatsakte = Gläubigerliste als Anlage zum Gutachten). Dem standen Werte über 480.503,00 EUR der Arbeitgeberin gegenüber (Blatt 89/93 der Senatsakte = Anlage 3 zum Gutachten). Im Sachstandsbericht vom 15.09.2015 wird dann über eine liquidierbare Eigenmasse von 90.674,80 EUR und fällige Forderungen gegenüber der Arbeitgeberin über 1.208.654,83 EUR (Unterdeckung von 1.117,980,03 EUR) berichtet (Blatt 68 der Senatsakte = Seite 38 des Sachstandsberichts). Dazu führt der Insolvenzverwalter in seinem Sachstandsbericht vom 19.03.2015 an, dass es der Arbeitgeberin nicht gelungen sei, nach Aufhebung der Insolvenz im Jahr 2010 sich nachhaltig zu konsolidieren, sodass keine Rücklagen hatten gebildet werden können (Blatt 102 der Senatsakte = Seite 3 des Sachstandsberichts). Insoweit sei es aufgrund des Stillstands der Druckmaschine ab Mitte 2014 mangels Rücklagen zu Verbindlichkeiten gegenüber der Sozialversicherung gekommen (Blatt 103 der Senatsakte = Seite 4 des Sachstandsberichts).

Die von der Klägerin vorgelegte Auskunft der Creditreform weist unter der Rubrik "Zahlungsinformation und Beurteilung der Geschäftsverbindungen" unter "Zahlungsweise" den Hinweis auf Negativmerkmale, unter "Krediturteil" den Hinweis darauf, dass Kredite abgelehnt sind und von einer Geschäftsverbindung abgeraten werde, aus.

Vor diesem Hintergrund konnte sich der Senat nicht davon überzeugen, dass die Arbeitgeberin zwischen der ersten Insolvenz im Jahr 2009 und der Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens am 04.02.2015 auch nur einen Tag zahlungsfähig war.

Nach § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO ist der Schuldner zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Die gesetzliche Vermutung der Zahlungsunfähigkeit nach § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO ist, wonach Zahlungsunfähigkeit in der Regel anzunehmen ist, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat, greift vorliegend nicht, da die Arbeitgeberin die Zahlungen nicht eingestellt hat. Zahlungsfähigkeit liegt aber im Umkehrschluss zu § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO dann vor, wenn der Schuldner in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Von andauernder Zahlungsunfähigkeit ist daher so lange auszugehen, wie der Schuldner wegen eines nicht nur vorübergehenden Mangels an Zahlungsmitteln nicht in der Lage ist, seine fälligen Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen (Linck in Kayser/Thole, Heidelberger Kommentar zur InsO, 9. Auflage, § 165 RdNr. 21)

Zwar gehört es zu einem normalen laufenden Geschäftsbetrieb, dass Schulden und Verbindlichkeiten, ggf. auch in erheblichem Umfang, vorhanden sind und diesen kein entsprechendes Vermögen gegenübersteht. Diese Situation führt nur dann zur Überschuldung i.S.d. § 19 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 InSO, wenn die Fortführung des Unternehmens nach den Umständen nicht überwiegend wahrscheinlich ist. Damit liegt Zahlungsfähigkeit in einer solchen Situation nur dann vor, wenn der Schuldner die laufenden Forderungen und Verbindlichkeiten zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt erfüllen kann und auch erfüllt. Damit sind Zahlungsverzögerungen und der Aufbau neuer Verbindlichkeiten Indizien, die gegen die Zahlungsfähigkeit sprechen.

Vorliegend hat die Zeugin S. ausgeführt, die wesentlichen Verbindlichkeiten seien zwar beglichen worden, jedoch zeitverzögert. Damit hat sie auch dargelegt, dass weder alle Verbindlichkeiten bedient worden waren – nur die wesentlichen Verbindlichkeiten wurden erfüllt - und dies auch nicht fristgerecht. Dass dies in Absprache mit den Gläubigern erfolgt war, bedeutet nicht, dass in diesem Umstand kein Indiz gegen eine Zahlungsunfähigkeit zu sehen ist; vielmehr zeigt der Umstand, dass fällige Forderungen erst später beglichen wurden, dass zum Fälligkeitstag nicht ausreichend Mittel zur Begleichung der Verbindlichkeiten vorhanden waren, also Zahlungsunfähigkeit bestanden hatte.

Auch weist das bei der Klägerin geführte Beitragskonto (vgl. z.B. Blatt 20/31 der SG-Akte) jedenfalls seit dem 01.02.2012 durchgehend offene Forderungen aus Beiträgen und Nebenforderungen auf, die sich in der Zeit vom 01.02.2012 von 843,30 EUR auf zuletzt am 31.08.2014 auf 13.140,51 EUR summiert haben und es zwischenzeitlich keinen Monat gab, in dem die Arbeitgeberin die laufenden Beiträge pünktlich gezahlt hätte. Soweit die Arbeitgeberin zwischenzeitlich Überzahlungen durch die Verbindlichkeiten übersteigende Einmalzahlungen bewirkt hat, zeigt dies gerade, dass im regelmäßig laufenden Geschäftsbetrieb nicht ausreichend Mittel zur Verfügung standen, die laufenden Verbindlichkeiten zu bedienen. Auch wenn im Jahr 2012 in einzelnen Monaten die laufenden Krankenversicherungsbeiträge gezahlt worden waren, waren dennoch die aufgelaufenen Verbindlichkeiten aus früheren Monaten nicht beglichen worden.

Des Weiteren zeigt die Debitorenübersicht als Anlage 4 zum Insolvenzgutachten (Blatt 94/95 der Senatsakte), dass auch nach Einstellung des Planverfahrens weitere Schulden angehäuft, also fällige Forderungen nicht beglichen wurden.

Vor diesem Hintergrund konnte der Senat nicht feststellen, dass die Arbeitgeberin nach der Insolvenz im Jahr 2009 bis zum Eröffnungsbeschluss vom 04.02.2015 auch nur an einem Tag zahlungsfähig gewesen war. Denn auch einzelne geleistete Zahlungen erlauben keinen Rückschluss auf eine Wiedererlangung der Zahlungsfähigkeit (Linck in Kayser/Thole, Heidelberger Kommentar zur InsO, 9. Auflage, § 165 RdNr. 21 unter Hinweis auf BSG 11.01.1989 - 10 RAT 7/87 - ZIP 1989, 460 und BSG 29.05.2008 - B 11a AL 57/06 R - ZIP 2008, 1989). Wie ausgeführt, geht die Nichtfeststellbarkeit der zwischenzeitlichen Zahlungsfähigkeit, die als Tatbestandsteil des Insolvenzereignisses zu den Anspruchsvoraussetzungen des vorliegend geltend gemachten Anspruchs nach § 175 Abs.1 Satz 1 SGB III gehört, zu Lasten der Klägerin, die sich hierauf stützt. Die Vermieter der Arbeitgeberin waren nicht zu vernehmen, denn selbst wenn die Mietkosten von der Arbeitgeberin tatsächlich regelmäßig bei Fälligkeit gezahlt worden wären, hätte die Arbeitgeberin dennoch – dazu s.o. – nicht alle Forderungen zum Fälligkeitszeitpunkt erfüllt, sodass noch immer die Annahme von Zahlungsfähigkeit nicht nachgewiesen wäre. Auch aus dem von der Klägerin zitierten Urteil des Sächsisches LSG vom 13.02.2014 (– L 3 AL 141/08 – juris) ergibt sich nichts Anderes.

Dem steht nicht entgegen, dass die Planüberwachung nach dem ersten Insolvenzverfahren mit Beschluss vom 23.01.2014 aufgehoben wurde (a.A. Sächsisches LSG 09.03.2011 – L 1 AL 51/07 –, juris (nachgehend gegenteilig BSG 06.12.2012 – B 11 AL 11/11 RBSGE 112, 235-241 = SozR 4-4300 § 183 Nr. 14 = SozR 4-6084 Art. 2 Nr. 2 = SozR 4-4300 § 165 Nr. 1 = juris); Kühl in Brand, SGB III, 8. Auflage, § 165 RdNr. 21). Ein einheitlicher Insolvenztatbestand mit Sperrwirkung liegt auch bei fehlender Planüberwachung vor, wenn der Schuldner die ihm nach dem Insolvenzplan aufgegebenen Zahlungen überhaupt nicht leisten kann und auch sonst nach der Aufhebung des ersten Insolvenzverfahrens bis zur Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens zu keinem Zeitpunkt die Fähigkeit wieder eingetreten ist, die fälligen Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen (Voelzke in Hauck/Noftz, SGB, 10/14, § 165 SGB III, RdNr. 63). So hat das BSG in einem Fall, in dem das AG das Insolvenzverfahren einstellte und die Überwachung wegen Ende der Überwachungszeit nach ca. 2 Jahren aufhob (BSG 06.12.2012 – B 11 AL 10/11 R – juris RdNr. 16,17) ausgeführt, dass allein aus der Bestätigung eines Insolvenzplans und der Aufhebung des Insolvenzverfahrens noch nicht folge, dass der zunächst eingetretene Insolvenzfall beseitigt wäre; denn die nur die Beteiligten des Insolvenzplanverfahrens betreffenden Wirkungen des Insolvenzplans nach Maßgabe des § 255 InsO würden hinfällig, wenn der Schuldner den Plan nicht erfülle (BSG 06.12.2012 – B 11 AL 10/11 R – juris RdNr. 16,17). An dieser Rechtsprechung hat das BSG festgehalten. Vielmehr hat es für die Annahme fortdauernder Zahlungsunfähigkeit an der andauernden Überwachung der Planerfüllung durch den Insolvenzverwalter ausgeführt, es sei nicht zu folgern, dass immer von der Wiedererlangung der Zahlungsfähigkeit auszugehen sei, wenn der Insolvenzplan nicht (mehr) überwacht werde. Bei andauernder Planüberwachung werde lediglich besonders deutlich, dass insbesondere im Hinblick auf die fortbestehenden Befugnisse des Insolvenzverwalters von einer Wiedererlangung der Fähigkeit, fällige Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen, von vornherein keine Rede sein könne (BSG 06.12.2012 – B 11 AL 10/11 R – juris RdNr. 16, 17). Ein einheitlicher Insolvenztatbestand könne auch dann vorliegen, wenn keine Überwachung der Planerfüllung stattfinde (BSG 06.12.2012 – B 11 AL 10/11 R – juris RdNr. 17; BSG 06.12.2012 – B 11 AL 11/11 RBSGE 112, 235-241 = SozR 4-4300 § 183 Nr. 14 = SozR 4-6084 Art. 2 Nr. 2 = SozR 4-4300 § 165 Nr. 1 = juris RdNr. 19); diese Ausführungen versteht der Senat im Einklang mit der Rechtsprechung des BSG (dazu vgl. BSG 06.12.2012 – B 11 AL 10/11 R – juris RdNr. 16) dahingehend, dass es nicht darauf ankommt ob gar keine Planüberwachung stattgefunden hat oder ob eine solche wegen Aufhebung durch Zeitablauf nicht mehr stattfindet. Vorliegend musste der Senat feststellen, dass die Arbeitgeberin bis zur Beendigung des Planverfahrens und auch danach bis zur Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens (am 04.02.2015) zu keinem Zeitpunkt die Fähigkeit wiedererlangt hat, die fälligen Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen. Vor diesem Hintergrund musste es bei der Sperrwirkung des Insolvenzereignisses des Jahres 2009 bleiben.

Dem steht nicht entgegen, dass zwischen Insolvenzereignis 2009 und dem zweiten Insolvenzfall 2015 ein langer Zeitraum (fast sechs Jahre) gelegen hatte. Denn alleine der Zeitablauf rechtfertigt – anders als die Klägerin meint - kein Vertrauen auf den Eintritt der Zahlungsfähigkeit. Zwar enden mit der Aufhebung der Überwachung alle damit einhergehenden Verfügungsbeschränkungen für den Schuldner ex nunc (Braun/Frank in Braun, InsO, 7. Auflage, § 269 RdNr. 7; Pleister in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 68. Lieferung 09/2016, § 268 InsO, RdNr. 13), doch hat der Gesetzgeber die Aufhebung der Planüberwachung gemäß § 268 Abs.1 Nr. 2 InsO allein zeitlichen Vorgaben folgen lassen und gerade einen Vertrauensschutz hinsichtlich der Gläubiger nicht vorgesehen. Der Gesetzgeber nimmt es insoweit sogar in Kauf, dass Gläubiger aus der Aufhebung der Planüberwachung Nachteile ziehen. So ist auch z.B. eine besondere vorherige Warnung der nach § 264 InsO vorrangigen Gläubiger hinsichtlich der Aufhebung der Überwachung nicht vorgesehen (Pleister in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 68. Lieferung 09/2016, § 268 InsO, RdNr. 13). Kreditgläubiger können ihre Privilegierung verlieren, wenn die Überwachung abgeschlossen ist, ohne dass ein zweites Insolvenzverfahren eröffnet ist (§ 266 Abs. 1; Pleister a.a.O.; Spliedt in K. Schmidt, InsO, 19. Auflage, § 268 RdNr. 4). Sie sind nicht mehr schutzbedürftig (Pleister a.a.O.) Der Darlehensgeber sollte daher engen Kontakt zum Verwalter halten (Pleister a.a.O.) um eine mögliche (erneute oder fortdauernde) Zahlungsunfähigkeit rechtzeitig zu erfahren und Konsequenzen zu ziehen. Letzteres muss aber gleichermaßen auch für den Arbeitnehmer und die sozialversicherungsrechtliche Einzugsstelle als Gläubiger gelten. Diese dürfen sich insoweit nach bereits stattgefundenem Erstinsolvenzfall nicht darauf verlassen, die Beklagte werde sie über einen InsG-Anspruch bzw. einen Beitragsanspruch schützen.

So ist auch der Rechtsprechung des BSG (zuletzt BSG 17.03.2015 – B 11 AL 9/14 R – juris RdNr. 17) zu entnehmen, der Gesetzgeber verfolge mit den §§ 165 f. SGB III nicht die Ziele der InsO, sondern begründe eine Sicherung bestimmter Lohnforderungen im Falle einer Insolvenz des Arbeitsgebers (BSG 06.12.2012 - B 11 AL 11/11 R - BSGE 112, 235 = SozR 4-4300 § 183 Nr. 14). Die mit Einführung der Insolvenzplanverfahren verfolgten Zielsetzungen begründeten - bezogen auf das InsG-Recht – aber nicht die Annahme, aufgrund der Bestätigung des Insolvenzplans und der Beendigung des Insolvenzverfahrens sei eine erneute Inanspruchnahme der InsG-Versicherung eröffnet (so schon BSGE 90, 157 ff = SozR 3-4300 § 183 Nr. 3).

Konnte sich der Senat nicht davon überzeugen, dass zwischen dem ersten Insolvenzereignis 2009 und dem zweiten Insolvenzfall am 04.02.2015 Zahlungsfähigkeit der Arbeitgeberin nicht wieder, auch nicht nur kurzfristig vorübergehend, eingetreten ist, kommt dem Insolvenzereignis von 2009 noch immer Sperrwirkung zu, sodass mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch Beschluss des AG Charlottenburg vom 04.02.2015 zwar ein neuer Insolvenzfall, jedoch kein neues Insolvenzereignis i.S.d. § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III eingetreten ist. Damit hat die Klägerin keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags für die Monate Juni bis August 2014.

Damit war die Berufung der Klägerin unbegründet und zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 197a SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 und 154 Abs. 3 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 63 Abs. 2 i.V.m. §§ 52 Abs. 1 und 3, 47 Abs. 1 GKG (BSG 23.05.2017 – B 12 AL 1/15 R – SozR 4-4300 § 175 Nr. 2 = juris RdNr. 28).

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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