L 12 AS 2034/19 B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 7 AS 623/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 2034/19 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 30.04.2019 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde des Klägers gegen den seinen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das vor dem Sozialgericht Reutlingen (SG) geführte Klageverfahren S 7 AS 623/19 ablehnenden Beschluss vom 30.04.2019 hat keinen Erfolg.

Die Beschwerde ist nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ausgeschlossen und daher statthaft. Das SG hat nicht die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die PKH verneint, sondern die Bewilligung von PKH wegen Fehlens einer hinreichenden Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung in der Hauptsache abgelehnt (§ 172 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a SGG). Darüber hinaus bedürfte die Berufung in der Hauptsache auch nicht der Zulassung (§ 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG). Die Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig; sie ist insbesondere form- und fristgerecht (§ 173 SGG) eingelegt worden. Die Beschwerde ist aber nicht begründet; die Voraussetzungen, unter denen PKH für das beim SG anhängige Klageverfahren bewilligt werden kann, liegen nicht vor.

Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Ist - wie in den Tatsacheninstanzen der Sozialgerichtsbarkeit - eine Vertretung durch Rechtsanwälte nicht vorgeschrieben, wird auf Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt beigeordnet, wenn diese Vertretung erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 121 Abs. 2 ZPO). Die Rechtsverfolgung bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn der Rechtsstandpunkt des klagenden Beteiligten aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für das Gericht zumindest als vertretbar erscheint und es von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 73a Rn. 7a). Bei der Prüfung der Erfolgsaussicht ist zu berücksichtigen, dass die Anwendung des § 114 ZPO dem aus Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 und Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) abzuleitenden verfassungsrechtlichen Gebot entsprechen soll, die Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes weitgehend anzugleichen. Daher dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überspannt werden; hinreichende Erfolgsaussicht ist z. B. zu bejahen, wenn eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt und keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil der die PKH begehrenden Partei ausgehen wird (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 29.09.2004, 1 BvR 1281/04; Beschluss vom 14.04.2003, 1 BvR 1998/02; Beschluss vom 12.01.1993, 2 BvR 1584/92; Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 17.02.1998, B 13 RJ 83/97, alle in juris; Leitherer a.a.O. m.w.N.) Wirft der Rechtsstreit hingegen eine Rechtsfrage auf, die in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt, aber klärungsbedürftig ist, liegt hinreichende Erfolgsaussicht ebenfalls vor; in diesem Fall muss PKH bewilligt werden (Leitherer a.a.O., § 73a Rn. 7b unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BVerfG).

PKH darf demgegenüber verweigert werden, wenn die Erfolgschance nur eine entfernte ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.03.1990, 2 BvR 94/88; Beschluss vom 22.05.2012, 2 BvR 820/11, beide in juris; BSG a.a.O.). Die Prüfung der Erfolgsaussicht darf allerdings nicht dazu dienen, die abschließende rechtliche Überprüfung selbst in das Prozesskostenhilfeverfahren vorzuverlagern (BVerfG, Beschluss vom 22.05.2012, a.a.O.). Da der Begriff der hinreichenden Erfolgsaussicht enger zu verstehen ist als das Gebot einer Beweiserhebung, ist im Rahmen des Verfahrens über PKH in begrenztem Rahmen auch eine vorweggenommene Beweiswürdigung zulässig (vgl. BVerfG, Beschluss vom 07.05.1997, 1 BvR 296/94; Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.12.1993, VI ZR 235/92; beide in juris). Bei der Beurteilung der hinreichenden Erfolgsaussicht ist auf den Zeitpunkt der Bewilligungsreife des Antrags auf PKH abzustellen. Diese ist erst dann gegeben, wenn die notwendigen Angaben zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen vorliegen und der beklagte Beteiligte Gelegenheit zur Stellungnahme hatte (Landessozialgericht [LSG] Baden-Württemberg, Beschluss vom 29.12.2011, L 13 R 5141/11 B, juris).

Die Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH durch das Beschwerdegericht liegen nicht vor; das SG hat die Bewilligung von PKH für das Klageverfahren S 7 AS 623/19 zu Recht abgelehnt, da eine hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung in der Hauptsache nicht gegeben ist. In Übereinstimmung mit dem SG ist auch der Senat aufgrund der hier nur vorzunehmenden summarischen Prüfung der Auffassung, dass ein Anspruch des Klägers auf Gewährung von höheren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II; Arbeitslosengeld [Alg] II) nicht besteht; der Beklagte hat dem Kläger mit Bescheid vom 08.10.2018 Alg II zu Recht unter Berücksichtigung der dem Kläger am 31.08.2018 zugeflossenen Zahlung seiner früheren Arbeitgeberin (Urlaubsabgeltung in Höhe von 1.422,62 EUR) als Einkommen bewilligt. Entgegen der Ansicht des Klägers handelt es sich bei dieser Zahlung insbesondere nicht um eine zweckbestimmte Einnahme im Sinne des § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II (in der hier anwendbaren ab 01.08.2016 geltenden Fassung). Nach dieser Vorschrift sind Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, nur so weit als Einkommen zu berücksichtigen, als die Leistungen nach dem SGB II im Einzelfall demselben Zweck dienen. Da die Zahlung der ehemaligen Arbeitgeberin des Klägers ersichtlich nicht aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften erbracht worden ist, kommt eine Anwendung des § 11 Abs. 3 Satz 1 SGB II – wie das SG zu Recht entschieden hat – schon nach dem eindeutigen Wortlaut der Norm nicht in Betracht.

Die vom Kläger zitierte Entscheidung des Sozialgerichts Düsseldorf (Urteil vom 18.10.2012, S 10 AS 87/09, juris) rechtfertigt keine abweichende Entscheidung. Zum einen ist dieses Urteil durch übereinstimmende Erledigungserklärung der Beteiligten im Zuge des nachfolgenden Berufungsverfahrens vor dem LSG Nordrhein-Westfalen (L 2 AS 2252/12) wirkungslos geworden. Zum anderen ist die Entscheidung des Sozialgerichts Düsseldorf zu § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a) SGB II in der (hier nicht mehr anwendbaren) bis 31.03.2011 geltenden Fassung ergangen, die (noch) keine Beschränkung des Ausnahmetatbestands auf Leistungen aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften vorgesehen hat. Jedenfalls zu der hier einschlägigen Rechtslage ist in Rechtsprechung und Literatur weitgehend einhellig anerkannt, dass eine Urlaubsabgeltung nach § 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz keine zweckbestimmte Einnahme im Sinne des § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II darstellt und deshalb als Einkommen bei der Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung zu berücksichtigen ist (vgl. nur LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 27.04.2016, L 13 AS 172/13, juris m.w.N.). Dies entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des BSG zur Berücksichtigung von nachträglichen Arbeitgeberzahlungen aus bereits beendeten Arbeitsverhältnissen (vgl. dazu BSG, Urteil vom 24.04.2015, B 4 AAS 32/14 R, juris m.w.N.).

Im Übrigen nimmt der Senat zur weiteren Begründung gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG ergänzend auf die zutreffenden Gründe des mit der Beschwerde angegriffenen Beschlusses des SG vom 30.04.2019 Bezug und sieht deshalb von einer weiteren Darstellung eigener Gründe ab.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.

Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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