L 4 P 482/19

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 9 P 2241/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 482/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 19. November 2018 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung.

Er ist seit dem 1. April 2007 versicherungspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung und bei der Beklagten pflegeversichert.

Am 19. Juli 2018 erhob er beim Sozialgericht Ulm (SG) mit der "Klageschrift" vom 17. Juli 2018, die er nicht unterschrieb, "gegen die Pflegeversicherung" Klage und trug zur Begründung vor, die Pflegeversicherung verstoße gegen Verfassungsrecht. Er werde seit mehr als fünf Jahren schikaniert. Es sei offensichtlich, dass der Staat rechtswidrig handele.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.

Mit Gerichtsbescheid vom 19. November 2018 wies das SG die Klage ab. Der Kläger habe (auch nach entsprechendem Hinweis) keinen Verwaltungsakt benannt, gegen den er sich wende. Das Begehren werde deshalb als Feststellungsantrag ausgelegt, mit dem Ziel festzustellen, dass die Pflegeversicherung gegen Verfassungsrecht verstoße. Eine Feststellungsklage sei jedoch nicht zulässig, weil es an einem konkreten Rechtsverhältnis fehle. Der Kläger begehre die Feststellung einer abstrakten Rechtsfrage ohne Bezug zu einem konkreten Sachverhalt. Darüber hinaus fehle ein Feststellungsinteresse.

Gegen den ihm am 22. November 2018 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 3. Dezember 2018 beim SG, eingegangen beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg am 11. Februar 2019, Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, die Pflegeversicherung sei überflüssig. Dies zeigten anhängige Klageverfahren, die Leistungen für seine verstorbene Mutter beträfen. Die Vereinten Nationen bescheinigten Deutschland, dass Menschen in Pflegeheimen unter unwürdigen Bedingungen lebten und nicht angemessen betreut würden.

Der Kläger beantragt (sachdienlich ausgelegt),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 19. November 2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihn von der Versicherungs- und Beitragspflicht in der sozialen Pflegeversicherung zu befreien.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akten des Senats und des SG Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden und auch sonst zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klage ist bereits unzulässig.

2. Gegenstand der Klage ist kein Verwaltungsakt. Der Kläger hat auch auf Nachfragen des SG keinen Bescheid benannt, gegen den er sich wendet. Aus seinen Schriftsätzen ergibt sich auch nicht, dass er die Aufhebung einer konkreten Verwaltungsentscheidung der Beklagten begehrt.

3. Meistbegünstigend ist das Begehren des Klägers dahingehend auszulegen, dass er die Befreiung von der Versicherungs- und Beitragspflicht in der sozialen Pflegeversicherung begehrt. Diese Klage ist aber unzulässig, weil es insoweit zunächst einer Verwaltungsentscheidung der Beklagten bedarf. Eine Feststellungsklage mit dem Antrag festzustellen, dass die Pflegeversicherung verfassungswidrig ist, ist ebenfalls nicht zulässig. Zwar kann meistbegünstigend sein Begehren dahingehend verstanden werden, dass er nicht lediglich eine abstrakte Rechtsfrage beantwortet haben möchte, sondern Rechte und Pflichten aus seinem Rechtsverhältnis zur Beklagten festgestellt werden sollen. Die allgemeine Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG ist aber subsidiär (ständige Rechtsprechung z.B. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 8. Mai 2007 – B 2 U 3/06 R – juris, Rn. 21). Der Kläger kann eine gerichtliche Feststellung nicht verlangen, soweit er – wie hier – die Möglichkeit hat, seine Rechte mit einer Gestaltungs- oder Leistungsklage zu verfolgen.

4. Die Klage ist des Weiteren unzulässig, weil der Kläger die Klageschrift vom 17. Juli 2018 nicht unterschrieb. Nach § 90 SGG ist die Klage bei dem zuständigen Gericht der Sozialgerichtsbarkeit schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erheben. Die schriftliche Klageerhebung setzt voraus, dass die Klageschrift eigenhändig unterschrieben ist. Hieran fehlt es.

5. Im Übrigen wäre auch eine Klage unbegründet. Denn die Versicherungs- und Beitragspflicht des Klägers in der sozialen Pflegeversicherung folgt aus dem Gesetz (§ 5 Abs. 1 Nr. 13 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), § 20 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 12 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI)), an das sowohl die Beklagte als auch die Gerichte gebunden sind (Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz). Die Vorschriften sind verfassungsgemäß (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Urteil vom 3. April 2001 – 1 BvR 81/98 –, juris).

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

7. Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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