L 2 SF 1441/19 EK AS

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
-
Aktenzeichen
S 12 AS 1027/14
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 SF 1441/19 EK AS
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Bei einem nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens noch betriebenen Verfahren zur Festsetzung der PKH-Vergütung ist bei der Prüfung der „unangemessenen Dauer“ nicht die „12-Monats-Regel“ (Vorbereitungs- und Bedenkzeit) für Hauptsachen zugrundezulegen sondern lediglich ein Zeitraum von 3 Monaten insoweit angemessen.
1. Für das PKH-Vergütungsfestsetzungsverfahren S 12 AS 1027/14 beim Sozialgericht Karlsruhe wird eine überlange Verfahrensdauer von einem Monat festgestellt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 2. Der Beklagte trägt zwei Zehntel, der Kläger acht Zehntel der Kosten des Verfahrens. 3. Der Streitwert wird auf 240,95 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt eine Entschädigung in Höhe von 240,95 EUR nebst Zinsen wegen der unangemessen langen Verfahrensdauer eines Vergütungsfestsetzungsverfahrens.

Im damaligen Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Karlsruhe (S 12 AS 1027/14) wegen eines Aufhebungs- und Rückforderungsbescheids bezüglich gewährter Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem Zweiten Buch (SGB II) erging das Urteil vom 12. August 2015, mit dem das SG die Klage abwies. Die Berufung des damaligen Klägers hatte teilweise Erfolg (Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 22. März 2018, L 7 AS 3754/15). Mit Beschluss des SG vom 25. August 2015 und mit Beschluss des LSG vom 18. Februar 2016 wurde dem damaligen Kläger jeweils Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Klägers bewilligt.

Mit Antrag vom 20. April 2018 – eingegangen beim SG am 30. April 2018 – leitete der Kläger das PKH-Vergütungsverfahren für das Klageverfahren ein. Zeitgleich wurde der – hier nicht streitgegenständliche – Antrag für die zweite Instanz angebracht. Da sich die Akten erster und zweiter Instanz zu diesem Zeitpunkt wegen des Berufungsverfahrens noch beim Landessozialgericht befanden, verfügte die Kostenbeamtin eine Widervorlage auf den 1. Juni 2018. Nach Eingang der Akten am 20. Juni 2018 verfügte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle am 27. Juni 2018 deren Weglegen; eine Entscheidung über den PKH-Vergütungsantrag unterblieb damals. Am 14. November 2018 rügte der Kläger eine Verzögerung bezüglich seines Antrages vom 20. April 2018. Am 15. November 2018 forderte die Kostenbeamtin die Akten des SG aus dem Archiv an. Nach Durchsicht der Akten bat sie mit Schreiben vom 22. November 2018 das LSG um Übersendung der Akten des Berufungsverfahrens. Mit Schreiben vom 23. November 2018 wurde der Kläger um Überprüfung seines Antrages für die erste Instanz gebeten, was die Anrechnung von Beratungshilfe anging. Am 4. Dezember 2018 ging die Akte des LSG beim SG ein. Mit Schreiben vom 11. Dezember 2018 – eingegangen beim SG am 14. Dezember 2018 - bestätigte der Kläger, dass ihm entgegen seinem Antrag anzurechnende Beratungshilfe ausgezahlt worden war. Am 27. Dezember 2018 wurde die Auszahlung der PKH-Vergütung für die erste Instanz angeordnet.

Mit seiner am 29. April 2019 vor dem LSG erhobenen Klage begehrt der Kläger eine Entschädigung in Höhe von 240,95 EUR nebst Zinsen. Begründet werde der Entschädigungsanspruch mit einer verzögerten Bearbeitung seines Kostenfestsetzungsantrages. Er habe einen damaligen Mandanten in einem Verfahren vor dem SG und später vor dem LSG wegen Rückforderung von Sozialhilfeleistungen vertreten. Mit Beschluss vom 25. August 2014 sei seinem damaligen Mandanten Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von ihm für die erste Instanz gewährt worden. Mit Datum vom 20. April 2018 sei gegenüber dem SG seine PKH-Vergütung in Höhe von 747,32 EUR abgerechnet worden. Nachdem er mehr als sechs Monate nichts vom SG gehört habe, habe er unter dem Datum 9. November 2018 die Verzögerungsrüge hinsichtlich seines PKH-Vergütungsantrags für die erste Instanz erhoben. Nachdem er mit Schreiben vom 11. Dezember 2018 der Kostenbeamtin mitgeteilt habe, dass die gewährte Beratungshilfegebühr anzurechnen sei, sei jedoch erst am 9. Januar 2019 die Vergütung für die erste Instanz erfolgt. Nach der Rechtsprechung sei nach mehr als sechs-monatiger Nichtbearbeitung nach Erstellung eines Kostenfestsetzungsantrages eine Verzögerungsrüge gerechtfertigt. Die Entschädigung werde für den Zeitraum vom 10. November bis 23. November 2018 bzw. 12. Dezember 2018 bis 9. Januar 2019 geltend gemacht. Im Klageantrag Ziff. 1 mache der Kläger die Gebühr des § 198 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) geltend. Mit dem Antrag Ziff. 2 mache er den nicht anrechenbaren Teil der Geschäftsgebühr zuzüglich Auslagenpauschale geltend laut beigefügter Kostenrechnung.

Der Kläger beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, 200,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit 12. März 2019 zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, weitere 40,95 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit 12. März 2019 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Verfahren der PKH-Vergütungsfestsetzungsverfahren habe nicht unangemessen lang gedauert. Der Kläger ziehe Parallelen zu dem Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 24. November 2016, wonach für die dort in Rede stehende Kostengrundentscheidung eine Vorbereitungs- und Bedenkzeit von sechs Monaten für angemessen erachtet worden sei. Dieses auf das hier gegenständliche Ausgangsverfahren übertragen bedeute, dass das Verfahren nach Eingang der Verzögerungsrüge angemessen vorangetrieben worden sei. Nach Beiziehung der Akten erster Instanz seien diese zeitnah geprüft und die Schreiben vom 22. und 23. November 2018 gefertigt worden. Nach Eingang des Schreibens des Klägers am 14. Dezember 2018 sei innerhalb von weniger als zwei Wochen die Auszahlung angeordnet worden, wobei in diesem Zeitraum beispielsweise die Weihnachtsfeiertage und drei dienstfreie Arbeitstage außerhalb von Wochenenden gefallen seien. Eine Entschädigung sei jedenfalls ausgeschlossen, weil das Ausgangsverfahren in weniger als sechs Monaten nach Erhebung der Verzögerungsrüge abgeschlossen worden sei.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung mit Schreiben vom 19. Juni 2019 jeweils einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Akte des SG (Aktenzeichen: S 12 AS 1027/14) und die Akte des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte aufgrund der Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden.

Das Landessozialgericht ist für die erhobene Klage zuständig (§ 51 Abs. 1 Nr. 10, § 202 Satz 2 SGG i.V.m. den §§198 ff. GVG), da es sich bei dem Ausgangsverfahren um ein Verfahren aus dem Bereich der Sozialgerichtsbarkeit handelt.

Die auf § 198 GVG gestützte Entschädigungsklage ist zulässig.

Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage statthaft (§ 54 Abs. 5 SGG; vgl. Bundessozialgericht – BSG -, Urteil vom 3. September 2014 – B 10 ÜG 12/13 R – veröffentlicht in Juris) und – nach Abschluss des Ausgangsverfahrens – auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben worden. Die Einlegungsfrist des § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG, wonach die Klage spätestens sechs Monate nach Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, erhoben werden muss, hat der Kläger eingehalten, wobei die Auszahlungsanordnung des SG vom 27. Dezember 2018 als verfahrensbeendende Maßnahme zu verstehen ist. Die Wartefrist des § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG, wonach eine Entschädigungsklage frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden kann, war vom Kläger nicht einzuhalten. Das Fristerfordernis des § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG ist im Wege der teleologischen Reduktion dahingehend einzuschränken, dass es keine Anwendung findet, wenn das als verspätet gerügte Verfahren schon vor Ablauf der Sechsmonatsfrist abgeschlossen wurde, weil der Zweck der Wartefrist dann nicht mehr erreicht werden kann (vgl. Bundesverwaltungsgericht – BverwG -, Urteil vom 26. Februar 2015 – 5 C 5/14 W -, veröffentlicht in Juris).

Die Klage ist auch insoweit begründet, als eine überlange Verfahrensdauer von einem Monaten festzustellen ist; die Klage erweist sich im Übrigen als unbegründet.

Nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG wird derjenige angemessen entschädigt, der infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet.

Der Kläger begehrt die Entschädigung allein für Verzögerungen, die nach Erledigung der Hauptsache im Rahmen der noch zu treffenden PKH-Vergütungsfestsetzung des unter dem Aktenzeichen S 12 AS 1027/14 geführten Rechtsstreits eingetreten sind. Dies steht der Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs im Rahmen einer Entschädigungsklage nicht entgegen. Dieses, sich an die Erledigung der Hauptsache anschließende Kostenverfahren nach § 197 SGG stellt ein eigenständiges Gerichtsverfahren im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG dar (vgl. BSG, Urteil vom 10. Juli 2014 – B 10 ÜG 8/13 R – veröffentlicht in Juris) und nicht bloß einen unselbstständigen Annex zum vorangegangenen, abgeschlossenen Hauptsacheverfahren.

Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter gemäß § 198 Abs. 3 GVG nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 2013 – B 10 ÜG 9/13 B – veröffentlicht in Juris).

Die Verzögerungsrüge kann jedoch erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird (vgl. § 198 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 GVG). Das Verfahren war zum Zeitpunkt der Verzögerungsrüge am 9. November 2018 bereits über sechs Monate anhängig.

Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich gemäß § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens sowie nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

Ausgangspunkt und erster Schritt der Angemessenheitsprüfung bildet die Feststellung der in § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG definierten Gesamtdauer des Gerichtsverfahrens von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss. Kleinste im Geltungsbereich des ÜGG relevante Zeiteinheit ist hierbei der Monat.

Das Ausgangsverfahren vor dem SG begann mit dem PKH-Festsetzungsantrag des Klägers am 30. April 2018 und endete durch die Auszahlungsanordnung am 27. Dezember 2018. Es erreicht damit eine Gesamtdauer von sieben Monaten. In einem zweiten Schritt ist der Ablauf des Verfahrens an den von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG genannten Kriterien zu messen. Bei der Feststellung der Tatsachen, die zur Ausfüllung der von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG genannten unbestimmten Rechtsbegriffe erforderlich sind, kommt dem Entschädigungsgericht ein erheblicher tatrichterlicher Beurteilungsspielraum zu (vgl. im Einzelnen BSG, Urteil vom 3. September 2014 – B 10 ÜG 2/13 R – veröffentlicht in Juris).

Ob ein Verfahren als unangemessen lang zu bewerten ist, richtet sich demnach nicht nach starren Fristen, sondern nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. Eine generelle Festlegung, wann ein Verfahren unverhältnismäßig lange dauert, ist nicht möglich (am Maßstab von Art. 19 Abs. 4 GG: BVerfG, Beschluss vom 30. August 2016 - 2 BvC 26/14 - Vz 1/16; BVerfG, Beschluss vom 27. September 2011 - 1 BvR 232/11), zumal Zügigkeit oder Verfahrensbeschleunigung keine absoluten Werte sind, sondern stets im Zusammenhang mit den übrigen Verfahrensgrundsätzen, insbesondere dem Amtsermittlungsgrundsatz und dem damit korrespondierenden Interesse der Verfahrensbeteiligten an einer gründlichen und zutreffenden Bearbeitung durch das Gericht zu sehen sind. § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ist nach Entstehungsgeschichte und Zielsetzung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG zu Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG sowie des EGMR zu Art. 6, 13 EMRK auszulegen (BGH, Urteil vom 14. November 2013 - III ZR 376/12 - juris Rn. 29; Schenke, NVwZ 2012, 257, 258). § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benennt insoweit nur beispielhaft und ohne abschließenden Charakter Umstände, die für die Beurteilung der Angemessenheit besonders bedeutsam sind. Während die rechtliche wie tatsächliche Schwierigkeit, der Umfang und die Komplexität des Falls sowie die Bedeutung des Rechtsstreits Faktoren für eine notwendige Dauer angemessener Sachbehandlung und Verfahrensförderung sind, ist insbesondere das Verhalten des Entschädigungsklägers für die Frage relevant, welche Dauer der Kläger aufgrund eigenen Verhaltens als noch angemessen hinzunehmen hat. Auf der anderen Seite kann sich der Staat nicht auf solche Umstände berufen, die in seinem Verantwortungsbereich liegen (st. Rspr. des BVerfG, aus jüngerer Zeit z.B. Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10 - juris). Überlastungstypische Verfahrensweisen können ebenso wenig gegen eine Unangemessenheit angeführt werden wie die durchschnittliche Verfahrensdauer einer überlasteten Gerichtsbarkeit (vgl. zur Sozialgerichtsbarkeit, BVerfG, vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10 - juris.). Die Beurteilung der Angemessenheit erfolgt daher im Rahmen einer Zurechnung, ob eine Verzögerung überwiegend auf das Verhalten der Beteiligten oder auf eine Untätigkeit des Gerichts zurückzuführen ist (Magnus, ZZP 125 (2012), 75, 81 m.w.N.). Ungeachtet dessen haben die Gerichte aber auch die Gesamtdauer des Verfahrens zu berücksichtigen und sich mit zunehmender Dauer nachhaltig um eine Beschleunigung des Verfahrens zu bemühen (BVerfG, vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10 - a.a.O.). Insoweit beeinflusst die absolute Verfahrensdauer die Würdigung der Verfahrensförderung in einzelnen Abschnitten des Gerichtsverfahrens: Einerseits kann bei ungewöhnlich langen Laufzeiten im Einzelfall eine Vermutung für die Unangemessenheit ohne weitere Würdigung des Verhaltens der Beteiligten oder der Verfahrensförderung durch das Gericht sprechen (EGMR, Urteil vom 5. Oktober 2006 - 66491/01); andererseits kann eine (relative) Verzögerung in einem bestimmten Verfahrensstadium vertretbar sein, wenn die Gesamtverfahrensdauer nicht als unangemessen erachtet werden kann (EGMR, Urteil vom 2. Juni 2009 - 36853/05 Rn. 45 m.w.N.). Beurteilungsmaßstab für die Verfahrensdauer ist mit Blick auf die - auf den Zeitraum von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens abstellende - Legaldefinition in § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG das gesamte Verfahren bis zu seinem rechtskräftigen Abschluss. Denn Gegenstand des jeweiligen Ausgangsverfahrens ist ein vom Kläger geltend gemachter prozessualer Anspruch, über den - so von der Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen, Gebrauch gemacht wird - nicht in nur einer Instanz geurteilt wird. Ist das entschädigungsrelevante Gerichtsverfahren im Sinne des § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG jedoch das Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss insgesamt, kann eine Entscheidung darüber, ob gegen Art. 6 Abs. 1 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), Art. 19 Abs. 4 GG verstoßen worden ist, typischerweise erst dann getroffen werden, wenn das Verfahren insgesamt abgeschlossen ist. Insofern ist es durchaus denkbar, dass eine verzögerte Bearbeitung in der einen Instanz durch eine besonders zügige Bearbeitung in einer anderen (teilweise) kompensiert wird. Allerdings wird eine noch so schnelle Bearbeitung in einer Instanz kaum geeignet sein, eine eklatant überlange Dauer in einer anderen noch auszugleichen (vgl. BGH, Urteil vom 23.01.2014 - III ZR 37/13 - juris, der auf die Gesamtverfahrensdauer abstellt).

Verfahrensleitende Aktivitäten erfolgten im Ausgangsverfahren im und ab November 2018 nach Eingang der Verzögerungsrüge am 9. November 2018; ab der Anforderung der Akten seitens der Kostenbeamtin aus dem Archiv am 15. November 2018 hat das SG das PKH-Kostenfestsetzungsverfahren in engem zeitlichen Zusammenhang kontinuierlich betrieben und mit der Auszahlungsanordnung am 27. Dezember 2018 zum Abschluss gebracht.

Der unbestimmte Rechtsbegriff der "unangemessenen Dauer" wird vom BSG in gefestigter Rechtsprechung (u.a. Urteil vom 3. September 2014 – B 10 ÜG 2/13 R) im Regelfall bei sozialgerichtlichen Hauptsacheverfahren dahingehend ausgefüllt, dass über Zeiträume hinaus, in denen das Gerichtsverfahren vom Gericht aktiv betrieben wurde, eine Vorbereitungs- und Bedenkzeit von bis zu zwölf Monaten nicht unangemessen ist. Diese "Zwölf-Monats-Regel" ist auf Vergütungsfestsetzungsverfahren naturgemäß nicht ohne Weiteres in voller Höhe übertragbar. Hinsichtlich des unbeschriebenen Rechtsbegriffs der unangemessenen Dauer geht der Senat davon aus, dass von einer noch angemessenen Verfahrensdauer für Vergütungsfestsetzungsverfahren (und auch Kostenfestsetzungsverfahren) auszugehen ist, wenn drei Monate Verfahrensdauer – zuzüglich prozessfördernder Zeiten – nicht überschritten werden (in Anlehnung an die Untätigkeitsfrist des § 88 Abs. 2 SGG für Widerspruchsbescheide; so auch LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 22. Februar 2017 – L 12 SF 39/15 EK AS; Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 22. Januar 2018 – L 11 SF 45/16 EK –K; LSG Neustrelitz, Urteil vom 8. Juni 2016 – L 12 SF 9/14 EK AS). Kostenfestsetzungsverfahren zeichnen sich dadurch aus, dass in diesen nicht der Richter, sondern der Urkundsbeamte des Gerichts/Kostenbeamter entscheidet (§ 197 Abs. 1 Satz 1 SGG), dass gerichtliche Ermittlungen im Sinne einer Sachaufklärung nicht durchzuführen sind und dass zur Berücksichtigung der geltend gemachten Kosten bereits deren Glaubhaftmachung genügt (§ 197 Abs. 1 Satz 2 SGG i.V.m. § 104 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass dem SG erst mit Eingang seiner Akte am 20. Juni 2018 seitens des LSG die Möglichkeit gegeben war, den PKH-Kostenfestsetzungsantrag des Klägers zu bearbeiten, und unter Berücksichtigung des Kalendermonats als kleinster relevanter Zeiteinheit zur Berechnung der Überlänge ergibt sich eine unangemessene Dauer von einem Monat, nämlich der Oktober 2018.

Zur Überzeugung des Senats ist eine Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Abs. 4 GVG durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war, ausreichend (§ 198 Abs. 2 Satz 2 GVG). Hierzu ist der Senat auch ohne entsprechenden Antrag des Klägers berechtigt (§ 198 Abs. 4 Satz 2 GVG). Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 und Art. 41 EMRK kommt eine derartige Kompensation zwar nur ausnahmsweise in Betracht. Eine derartige Kompensation kommt dann in Betracht, wenn das zu beurteilende Verfahren sich durch eine oder mehrere entschädigungsrelevante Besonderheiten in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht von vergleichbaren Fällen abhebt (BSG, Urteil vom 12. Februar 2015 – B 10 ÜG 11/13 -). Ausreichend kann eine schlichte Feststellung der unangemessenen Dauer beispielsweise in Verfahren sein, die für den Entschädigungskläger keine besondere Bedeutung hatten oder in denen er durch sein Verhalten erheblich zur Verzögerung beigetragen hat (BT-Drucksache 17/3802, S. 20).

Es liegt eine Fallkonstellation vor, die (ausnahmsweise) die Wiedergutmachung allein durch die entsprechende Feststellung der Überlänge rechtfertigt.

Die Bedeutung des PKH-Vergütungsfestsetzungsverfahrens war für den Kläger äußerst gering. Hierfür spricht die Besonderheit, dass der Kläger als Rechtsanwalt ein unabhängiges Organ der Rechtspflege ist (vgl. § 1 BRAO) und von Prozessen einerseits grundsätzlich profitiert und andererseits für ihn die psychische Belastung nicht vergleichbar erscheint, wie bei juristischen Laien. Eine möglicherweise wirtschaftliche schwierige Situation der Kanzlei des Klägers ist hier weder ersichtlich noch ansatzweise behauptet worden. Der zur Auszahlung gekommene Vergütungsanspruch des Klägers gegenüber der Staatskasse bewegt sich bei 697,34 EUR auch eher im unteren Bereich. Zudem liegt eine äußerst geringfügige Verzögerung von nur einem Monat vor.

Nach § 201 Abs. 4 GVG entscheidet das Gericht über die Kosten nach billigem Ermessen, wenn – wie hier – ein Entschädigungsanspruch nicht oder nicht in der geltend gemachten Höhe besteht, aber eine unangemessene Verfahrensdauer festgestellt wird. Danach hat der Kläger die überwiegenden Kosten zu tragen, der Senat hält eine Quote von zwei Zehntel zu Lasten des Beklagten für angemessen. Hierbei hat der Senat berücksichtigt, dass das Ausgangsverfahren nicht in dem vom Kläger geltend gemachten Umfang tatsächlich verzögert gewesen ist. Auch im Hinblick darauf, dass der Kläger mit seiner erstrebten Entschädigung in Geld nicht durchgedrungen ist, ist von einer Kostenverteilung allein anhand des Verhältnisses der geltend gemachten zu der festgestellten Verzögerung abgesehen worden.

Gründe für eine Revisionszulassung (vgl.§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.

Die Streitwertentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 52 Abs. 3 Satz 1 GKG. Sie ist nicht anfechtbar. Im Übrigen wird auf die nachfolgende Rechtsmittelbelehrung verwiesen.
Rechtskraft
Aus
Saved