L 2 SO 2287/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
2
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 4 SO 2557/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 SO 2287/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zu den Anforderungen für eine Kfz-Hilfe bzw. Kostenübernahme für einen Schwenk-Hub-Sitz.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 23. Mai 2018 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten für das Berufungsverfahren.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten steht die Erstattung der für die Anschaffung und den Einbau eines Schwenk-Hub-Autositzes im Januar 2017 entstandenen Kosten in Höhe von 9.999,57 EUR im Rahmen der Eingliederungshilfe nach §§ 53 ff. Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch -Sozialhilfe - (SGB XII) im Streit.

Der 1980 geborene Kläger leidet an einer spastischen Tetraparese, er kann nicht reden und nur mit Hilfe eines Computers kommunizieren. Der Kläger ist ständig auf einen Rollstuhl angewiesen. Für Transfers benötigt er Hilfe. Er kann von hinten gestützt einige wenige Schritte gehen. Beim Kläger sind ein Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen B, G, aG, H und RF festgestellt. Der Kläger bezieht vom Beklagten laufende Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in Höhe des Regelsatzes zuzüglich eines Mehrbedarfs wegen Erwerbsunfähigkeit sowie der anteiligen Nebenkosten.

Der Kläger wohnt mietfrei bei seinen 1954 bzw. 1947 geborenen Eltern in G. , einer Gemeinde mit ca. 2.100 Einwohnern. Der Beklagte berücksichtigt bei der Grundsicherungsgewährung als Kosten der Unterkunft lediglich eine Nebenkostenpauschale in Höhe von 40,00 EUR. Unter der Woche ist der Kläger tagsüber als einziger Externer im Förder- und Betreuungsbereich des Wohnhauses für Behinderte der Körperbehindertenförderung N. (KBF) in B. beschäftigt. Für die Fahrten dorthin und zurück steht ein Fahrdienst zur Verfügung.

Am 5. Dezember 2016 beantragte der Kläger (zum zweiten Mal nach 2010) bei seiner Krankenkasse die Übernahme der Kosten für den Einbau eines Schwenk-Hub-Sitzes in das Auto seiner Eltern. Die Krankenkasse leitete diesen Antrag mit Schreiben vom 7. Dezember 2016 an den Beklagten weiter (Eingang am 12. Dezember 2016). Auf Anforderung des Beklagten legte die Mutter und gesetzliche Betreuerin des Klägers eine ärztliche Verordnung für diesen Sitz vor. Sie führte in dem Zusammenhang aus, der Sitz werde benötigt, um Ausflüge und Einkäufe zu unternehmen, einmal wöchentlich den Kläger in B. abzuholen sowie ihn jeweils einmal monatlich zur Osteopathie und zur Massage zu bringen.

Am 11. Januar 2017 schafften die Eltern des Klägers den Sitz zum Preis von 9.999,57 EUR an.

Mit Bescheid vom 28. Juni 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. September 2017 lehnte der Beklagte die Übernahme dieser Kosten ab. Zur Begründung führte der Beklagte aus, die Fahrten zur Tagesförderstätte seien abgedeckt. Wegen des Nachrangs der Sozialhilfe könnten Fahrten zu ärztlichen Behandlungen oder zu ärztlich verordneten Maßnahmen nicht berücksichtigt werden. Für sonstige Fahrten könne der Kläger auf Abruf den vorhandenen Fahrdienst für behinderte Menschen oder den öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) in Anspruch nehmen. Die nächste Bushaltestelle sei nur 100 m vom Wohnhaus entfernt, Niederflurbusse mit Klapprampe seien im Fahrplan gekennzeichnet. Einschränkungen durch die Nutzung des ÖPNV würden jeden treffen, der kein Auto habe. Anmeldungen für den Fahrdienst seien zumutbar, da auch andere, die kein Auto hätten, nicht immer spontan handeln könnten.

Hiergegen hat der Kläger am 19. Oktober 2017 Klage zum Sozialgericht (SG) Reutlingen erhoben und zur Begründung durch seinen Bevollmächtigten geltend gemacht, ein bis zwei Einkaufsfahrten in der Woche seien nötig, damit der Kläger den Kontakt zum "normalen" Leben nicht verliere. Am Wohnort fehle es an ausreichenden Einkaufsmöglichkeiten. Hinzu kämen Fahrten zur Reittherapie, zur Massage und Osteopathie. Nach Rücksprache mit dem Fahrdienst übernehme dieser keine Einkaufsfahrten. Vom Wohnort aus würden täglich zehn Linienbusse verkehren (in Ferienzeiten weniger), die gewünschten Strecken würden Umstiege erforderlich machen, seiner Mutter fehle aber die für die Inanspruchnahme des ÖPNV erforderliche Zeit. Außerdem habe sein Rollstuhl keinen eigenen Antrieb. Seine Mutter müsse ihn mit voller Kraft schieben, obwohl sie gesundheitlich bedingt nur zehn kg tragen solle. Sein Vater sei durch Bandscheibenprobleme noch erheblicher eingeschränkt. Daher sei die Inanspruchnahme eines Linienbusses nicht zumutbar und zudem wegen fehlenden Fixierungsmöglichkeiten unzulässig. Der Schwenksitz sei wegen nachlassender Kräfte seiner Eltern, die zunächst den Transfer vom Rollstuhl in den vor Jahren extra angeschafften Citroen Berlingo noch selbst bewältigen konnten, nötig geworden.

Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat ausgeführt, Einkaufsmöglichkeiten und Möglichkeiten zur Teilhabe am sozialen Leben seien am Wohn- und Beschäftigungsort vorhanden. Einkaufsfahrten könnten geplant werden. Der Kläger habe auch nie versucht, den Fahrdienst in Anspruch zu nehmen.

Mit Urteil vom 23. Mai 2018 hat das SG den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 28. Juni 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.09.2017 verurteilt, an den Kläger 9.999,57 EUR zu zahlen. Das SG hat hierbei die Auffassung vertreten, dass beim Kläger die maßgeblichen Anspruchsvoraussetzungen für Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 53 Abs. 1 SGB XII vorliegen würden und auch konkret hier die Voraussetzungen für die Übernahme der Kosten für die Anschaffung des Schwenk-Hub-Autositzes nach § 9 Abs. 2 Nr. 11 Eingliederungshilfeverordnung (EinglHV), wonach u.a. als Hilfsmittel besondere Bedienungseinrichtungen und Zusatzgeräte für Kraftfahrzeuge gewährt würden, wenn der behinderte Mensch wegen Art und Schwere seiner Behinderung auf ein Kraftfahrzeug angewiesen sei. Unerheblich sei, dass der Kläger den Schwenksitz bereits im Januar 2017 und damit zeitlich vor Erlass des streitgegenständlichen Ablehnungsbescheids angeschafft habe, da es sich bei den zu erbringenden Leistungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 11 EinglHV generell um eine Geldleistung handele. Aus der gesetzlichen Regelung ergebe sich, dass es insgesamt ausreiche, die Begegnung und den Umgang mit anderen Menschen im Sinne einer angemessenen Lebensführung zu fördern. Maßgeblich seien im Ausgangspunkt die Wünsche des behinderten Menschen; es gelte mithin ein individueller und personenzentrierter Maßstab, der regelmäßig einer pauschalierenden Betrachtung des Hilfefalles entgegenstehe (Hinweis auf BSG, Urteil vom 2. Februar 2012 – B 8 SO 9/10 R – Juris Rdnr. 26). Der Einbau des Schwenk-Hub-Sitzes diene der sozialen Integration des Klägers im Rahmen einer angemessenen Lebensführung. Der Wunsch des Klägers, ein- bis zweimal wöchentlich beim Einkauf der Eltern dabei zu sein, wöchentlich eine Reittherapie und in monatlichen Abständen eine Massage und Osteopathie in Anspruch zu nehmen sowie immer wieder Ausflüge mit den Eltern zu unternehmen, sei nicht unangemessen. Der Kläger sei auch zur Aufrechterhaltung dieser angemessenen Lebensführung wegen nachlassender Kräfte nicht nur auf ein Auto, sondern auch auf den Schwenk-Hub-Sitz angewiesen. So sei das SG davon überzeugt, dass Einkäufe am Wohnort des Klägers allenfalls in geringem Umfang möglich seien und der Kläger wegen der Durchführung der genannten Therapien unter Berücksichtigung der diesbezüglich grundsätzlichen Wahlfreiheit nicht (zumutbar) auf die Inanspruchnahme von Therapeuten am Wohnort verwiesen werden könne. Beim Wohnort des Klägers handele es sich um eine kleine ländliche Gemeinde. Auch nach Kenntnis des SG seien die dortigen Einkaufsmöglichkeiten nur unzureichend. Ebenfalls gehe das SG davon aus, dass auch nicht behinderte Einwohner der Wohnortgemeinde des Klägers therapeutische Hilfen sehr häufig nicht am Wohnort, sondern in umliegenden Gemeinden in Anspruch nehmen würden. Die über den Rollstuhl gewährleistete krankenversicherungsrechtliche Basisversorgung ermögliche es dem Kläger eben nicht, die Reittherapie, die Massage und die Osteopathie zu erreichen und im gewünschten (angemessenen) Umfang bei Einkäufen und Ausflügen dabei zu sein. Hierfür sei die Basisversorgung auch nicht zwingend vorgesehen. Die Argumentation des Beklagten, Fahrten zu ärztlichen Behandlungen oder zu ärztlich verordneten Maßnahmen könnten generell nicht berücksichtigt werden, sei nach den oben dargestellten Maßstäben unzutreffend. Darüber hinaus würden die zur Wahrnehmung der genannten Ziele notwendigen Fahrten regelmäßig und nicht nur vereinzelt oder gelegentlich anfallen. Der Kläger könne jedoch für die Durchführung dieser notwendigen Fahrten (wöchentlich mindestens drei) nicht zumutbar auf die Nutzung des ÖPNV verwiesen werden. Das SG gehe zwar insoweit abweichend vom Kläger davon aus, dass er mit seinem Rollstuhl auch ohne Rückhaltesystem den ÖPNV zulässig nutzen könne. Jedoch sei der Einwand des Klägers, die Nutzung des ÖPNV sei mit einem Zeitaufwand verbunden, den seine Mutter nicht aufbringen könne, überzeugend. Zudem stehe der Nutzung des ÖPNV entgegen, dass die pflegenden Eltern des Klägers überfordert wären. Aufgrund des Alters der Eltern des Klägers, der körperlichen Konstitution seiner Mutter und unter weiterer Berücksichtigung der geltend gemachten gesundheitlichen Einschränkungen beider Elternteile, an deren Vorliegen das SG keinen Zweifel habe, halte es das SG für ausgeschlossen, dass den Eltern des Klägers zugemutet werden könne, dreimal wöchentlich Wegstrecken mit dem Kläger mit dem öffentlichen Nahverkehr zurückzulegen.

Der Beklagte hat gegen das ihm mit Empfangsbekenntnis am 18. Juni 2018 zugestellte Urteil am 29. Juni 2018 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg erhoben. Zur Begründung hat der Beklagte ausgeführt, der Entscheidung des SG sei nicht zu folgen. Angemessen sei eine Leistung (hier die Übernahme der Kosten für den Schwenk-Hub-Sitz nach der Eingliederungshilfeverordnung) dann, wenn die gewünschte Leistung dem behinderten Menschen die in seiner Altersgruppe üblichen gesellschaftlichen Kontakte mit Menschen ermögliche. Der Autoschwenkhubsitz werde nach Angaben des Klägers dafür benötigt, um Einkäufe und Ausflüge sowie Verwandtenbesuche zu unternehmen, diesen einmal wöchentlich aus dem Förder- und Betreuungsbereich in B. abzuholen, einmal wöchentlich zur Reittherapie und einmal monatlich zur Osteopathie und zur Massage zu fahren. Die Abholung aus dem Förder- und Betreuungsbereich in B. habe hier, wie im SG-Urteil zutreffend ausgeführt, außen vor zu bleiben, da hierfür der finanzierte Fahrdienst zuständig sei. Die Fahrten für Ausflüge, zu Verwandtenbesuchen und zum Einkaufen seien unstreitig dem Grunde nach für eine angemessene Lebensführung notwendig. Fälschlicherweise werde jedoch im Urteil des SG davon ausgegangen, dass auch die Fahrten zur Reittherapie, zur Osteopathie und zur Massage zu einer angemessenen Lebensführung im Rahmen der Eingliederungshilfe gehören würden. Damit aber würden vom SG die Leistungen des Sozialgesetzbuches Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) und der Krankenhilfe einerseits und der Eingliederungshilfeleistungen andererseits vermischt. Die sozialhilferechtlich relevanten und somit auch zu gewährenden Hilfen im Krankheitsfall entsprächen gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 SGB XII den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Nach § 2a SGB V würden auch im Rahmen der Krankenversicherung den besonderen Belangen behinderter und chronisch kranker Menschen Rechnung getragen. Folglich würden alle für den behinderten Menschen notwendigen und angemessenen Kosten der medizinischen Behandlung von der Krankenkasse übernommen. Nach § 60 SGB V umfasse dies auch die dafür notwendigen Fahrtkosten. Eine Überlassung der Eigenverantwortlichkeit liege hier gerade nicht vor. Darüber hinausgehende Leistungen seien explizit nicht möglich, was sodann konsequenterweise auch für die damit verbundenen Fahrtkosten gelte. Es werde niemandem versagt, ergänzende therapeutische Maßnahmen in Anspruch zu nehmen, wie jeden anderen auch, der nicht auf Sozialhilfeleistungen angewiesen sei. Diese seien jedoch nicht von der Sozialhilfe mitumfasst, auch nicht mit Blick auf § 16 SGB XII. Dies würde nämlich sonst insoweit eine Besserstellung aller Bezieher von Eingliederungshilfeleistungen bedeuten, was gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verstieße. Das angeführte verfassungsrechtlich garantierte Existenzminimum sei somit gesichert. Im angefochtenen Urteil würden die vom Kläger in Anspruch genommenen therapeutischen Maßnahmen nicht als medizinische Maßnahme qualifiziert, sondern als Eingliederungshilfeleistungen. Dies sei aber nicht möglich, da hier zwei völlig unterschiedliche Ziele verfolgt würden. Die medizinische Maßnahme müsse eine Therapie für ein bestimmtes Krankheitsbild indizieren, mithin also angemessen und angebracht sein. Das Ziel der Eingliederungshilfe sei es, die vorhandene Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und den behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Nicht umfasst seien hier gerade die medizinischen Maßnahmen, die ganz anderen Voraussetzungen unterliegen würden. Somit sei es fehlerhaft, die Fahrten zur Reittherapie, zur Osteopathie und zur Massage als für die Erreichung der eingliederungshilferechtlichen Ziele notwendigen Fahrten im Rahmen einer angemessenen Lebensführung zu qualifizieren. Diese seien somit in der Beurteilung nicht erheblich. Weiter beurteile sich die gewünschte Leistung nach dem Umfang der angestrebten Nutzung und dem Fehlen von zur Verfügung stehenden Alternativen. Als Alternativen sei hier insbesondere an die Inanspruchnahme des ÖPNV und des Fahrdienstes für Behinderte zu denken. Das SG gehe von drei angemessenen Fahrten pro Woche aus, wovon zwei auf Einkäufe und eine auf eine Therapiebehandlung entfalle. Unstreitig sei der Wunsch des Klägers, bei Einkäufen, Besuchen von Verwandten und Ausflügen seine Eltern zu begleiten, im Rahmen der angemessenen Lebensführung zu berücksichtigen. Wie häufig Ausflüge und Verwandtenbesuche tatsächlich vorgenommen würden, sei weder im Verwaltungs- noch im Gerichtsverfahren vorgebracht und nachgewiesen worden. Entgegen der Auffassung des SG komme es aber auch hierauf an, damit die Zumutbarkeit der Alternativen geprüft werden könne. Im Bezug auf die Häufigkeit der Einkaufsfahrten pro Woche sei im Rahmen der Angemessenheit zugrunde zu legen, was in der Altersgruppe des Klägers bei nicht behinderten und nicht sozialhilferechtlich bedürftigen Personen üblich sei. Entsprechend dieser Vergleichsgruppe sei auch der Kläger durch den Besuch des Förder- und Betreuungsbereichs in B. an den Werktagen nicht zu Hause. Unter diesen Voraussetzungen sei es üblich, ein- bis zweimal im Monat einen Großeinkauf durchzuführen, zweimalige Einkaufsfahrten seien hier nicht die Regel. Zwar seien gemäß § 16 SGB XII die Besonderheiten der Familie zu berücksichtigen, dies dürfe aber nicht dazu führen, dass die Angemessenheit der Lebensführung außer acht gelassen werde. Die Nutzung der tatsächlich vorhandenen Alternativen zu dem begehrten Auto-Schwenk-Hubsitz, nämlich die Inanspruchnahme des ÖPNV und des Fahrdienstes für Behinderte, welcher zehn Fahrten im Quartal ermögliche, würden im Urteil des SG ohne substantiierte Begründung als nicht zumutbar abgelehnt. Die Nutzung des ÖPNV sei mit einem Zeitaufwand verbunden, der der Mutter nicht zumutbar sei. Warum dies nicht zumutbar sei, werde nicht begründet. Insbesondere werde außer Acht gelassen, dass beide Elternteile des Klägers nicht mehr berufstätig seien. Auch überfordere die Nutzung des ÖPNV nach Auffassung des SG die Eltern des Klägers. Warum dies der Fall sei, werde auch hier nicht ausgeführt. Hierzu würden sich auch nirgends Anhaltspunkte finden. Dass eine erhebliche körperliche Anstrengung zur Nutzung des ÖPNV nötig sei, und dies durch die Eltern nicht gewährleistet werden könne und sie nicht auf die spontane Hilfe Dritter verwiesen werden könnten, greife ebenfalls nicht durch. Der Kläger wohne weniger als 100 m von der nächsten Bushaltestelle entfernt. Im Bus und auch im Zug/auf dem Bahnhof stünden Mitarbeiter (im Bus in Form des Fahrers) zur Verfügung, welche zur Unterstützung hier verpflichtet seien. Spontane Hilfe Dritter sei zwar lobenswert, aber in diesen Fällen nicht nötig. Die bestehende Alternative des Fahrdiensts für Behinderte sei nach Auffassung des SG aufgrund des Vorbringens des Klägers für die nötigen Fahrten nicht zu organisieren und könne daher nicht berücksichtigt werden. Tatsächlich habe der Kläger diesen Fahrdienst noch nie in Anspruch genommen, könne also gar keine Aussage hierüber treffen. Schließlich sei zu beachten, dass der beantragte Auto-Schwenk-Hubsitz bereits nach kurzer Zeit vom Kläger selbst beschafft worden sei. Es sei weder nach § 15 SGB IX in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung dem Beklagten eine angemessene Frist zur Entscheidung gesetzt worden noch sei nachgewiesen worden, dass der eingebaute Sitz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit entspreche, insbesondere seien keine Vergleichsangebote vorgelegt worden.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 23. Mai 2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Der Kläger hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Der Bevollmächtigte führt ergänzend aus, soweit der Beklagte vortrage, die stattfindenden Ausflüge und Verwandtenbesuche seien weder vorgebracht noch nachgewiesen worden, sei darauf hinzuweisen, dass sich für das zurückliegende Jahr 2017 nach Auskunft der Mutter des Klägers jedenfalls drei Besuche bei Verwandten, acht Ausflüge, acht Fahrten zum Wochenmarkt in Balingen, zwei Fahrten zum Grab der Großeltern, vier Fahrten zum Möbelmarkt, zwölf Fahrten zu Kleidungsgeschäften, zehn Fahrten zum Baumarkt, acht Fahrten zum Gartencenter sowie mindestens eine Fahrt zum Zoo und vier Fahrten zu weiteren Veranstaltungen ergeben würden. Das SG gehe ferner zutreffend davon aus, dass die Gesamtkonzeption des SGB V die notwendigen Mittel der Krankenbehandlung zum Teil auch gerade der Eigenverantwortung des jeweiligen Versicherungsnehmers zuweise. Hierbei sei insbesondere anzumerken, dass das SG zutreffend davon ausgehe, dass die jeweiligen gesetzlichen Krankenversicherungen nur einen gewissen Basisausgleich zur Erschaffung eines gewissen körperlichen Freiraums anbieten würden. Von einer Vermischung der Leistungen des SGB V, der Krankenhilfe sowie der Eingliederungshilfeleistungen sei gerade nicht auszugehen. Vielmehr sei in Übereinstimmung mit dem SG davon auszugehen, dass die vorgenannten Besonderheiten Eingliederungshilfeleistungen gerade nicht ausschließen würden, da der jeweilige Basisausgleich der Krankenkassen mit einer angemessenen Lebensführung schlicht nicht gleichgesetzt werden könne. Soweit von Seiten des Beklagten vorgebracht werde, dass die vom Kläger in Anspruch genommenen therapeutischen Maßnahmen von vornherein nicht als Eingliederungshilfe qualifiziert werden könnten, da mit den medizinischen Maßnahmen im Vergleich mit der Eingliederungshilfe völlig andere Ziele verfolgt werden würden, sei diese Sichtweise lebensfremd. So führe der Beklagte selbst bereits zutreffend aus, dass das Ziel der Eingliederungshilfe darin bestehe, die vorhandene Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen und den behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Nicht anders verhalte es sich gerade mit den benannten therapeutischen Maßnahmen. Darüber hinaus habe die Mutter des Klägers hinreichend dargelegt, dass sich die Inanspruchnahme des öffentlichen Nahverkehrs durch den Kläger schlicht nicht organisieren lasse. Dem stehe bereits der hohe Zeitaufwand der Eltern entgegen sowie die vom SG zutreffend mitberücksichtigten Erkrankungen der Eltern, die es diesen unmöglich machten, den Kläger ausreichend im Rahmen einer öffentlichen Personennahverkehrsnutzung zu begleiten oder gar zu unterstützen. Lebensfremd erscheine insbesondere die Auffassung des Beklagten, wonach zweimalige Einkaufsfahrten in der Woche alles andere als üblich wären. Das SG habe auch zu Recht angenommen, dass die Inanspruchnahme des Fahrdiensts für Behinderte vorliegend keine ausreichende Alternative darstelle. Dies werde schon durch den Umstand bestätigt, dass lediglich zehn Fahrten im Quartal möglich seien. Zudem bestehe nach eigener Aussage des Fahrdienstbetreibers für Behinderte ohnehin ein erhöhter Personalmangel, weshalb solche Fahrten nur in einem wesentlich geringeren Umfang vorgenommen werden könnten. Schließlich sei darauf hinzuweisen, dass die Aspekte der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit von Seiten des Klägers sehr wohl beachtet und eingehalten worden seien. Insbesondere seien auch Vergleichsangebote eingeholt worden. Der Klägerbevollmächtigte legt in dem Zusammenhang ein Angebot der Firma T. vom 17. November 2016 vor, wonach sich die Gesamtkosten im Vergleich zu den tatsächlich angefallenen Kosten auf 12.119,54 EUR belaufen hätten.

Im Rahmen des Erörterungstermins vom 10. Oktober 2018 (Protokoll siehe Bl. 40/42 LSG-Akte) hat die Mutter des Klägers u.a. noch angegeben, dass sie vor 2017 nie irgendeinen Fahrdienst in Anspruch genommen hätten, da ihnen ein Auto zur Verfügung gestanden habe und das Ganze damals auch noch ohne den hier streitigen Hub- und Schwenksitz gegangen sie. Die Mutter des Klägers gab ferner an, dass sie bei der KBF in M. wegen des Fahrdienstes angefragt und seinerzeit die Mitteilung erhalten habe, dass diese ohnehin derzeit, weil sie nicht ausreichend Fahrer hätten, entsprechende Fahrten nicht anbieten könnten.

Der Beklagte hat im Weiteren noch auf Anfrage des Senates mitgeteilt, dass als Anbieter für den Fahrdienst neben dem KBF auch A. in Betracht käme. Personen, welche dazu berechtigt seien, den Fahrdienst in Anspruch zu nehmen, würden einen Berechtigungsschein erhalten, der mit dem Landkreis per Rechnung abgerechnet werde. Im Z.kreis seien 53 Personen Inhaber eines Berechtigungsscheins, im Jahr 2018 hätten 14 Personen den Fahrdienst tatsächlich wahrgenommen. Bei den zehn Fahrten pro Quartal seien jeweils Hin- und Rückfahrt enthalten, sodass auch tatsächlich zehn Fahrten in Anspruch genommen werden könnten.

Der Senat hat ferner noch Auskünfte bei A. - Landesverband - sowie beim KBF in M. eingeholt. Danach müssen u.a. bei A. Fahrten unbedingt drei Tage vorher und auch bei KBF in der Regel zwischen 24 und 48 Stunden vorher angemeldet werden. KBF hat ferner mitgeteilt, dass im Hinblick darauf, dass immer weniger Freiwillige aus verschiedensten Gründen nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis seien, immer weniger gewünschte und beantragte Fahrten durchgeführt werden könnten.

Der Beklagte hat ferner noch auf Anfrage des Senates eine Übersicht der in B., H. und M. tätigen Omnibusunternehmen vorgelegt und mitgeteilt, in welchem Umfang hierbei Niederflurbusse zum Einsatz kommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten (zwei Bände) sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG -) und statthafte (§ 143 SGG) Berufung ist zulässig. II.

Die Berufung des Beklagten ist jedoch unbegründet. In Übereinstimmung mit dem SG liegen auch nach Auffassung des Senates die Voraussetzungen für die Gewährung von Hilfe zur Beschaffung eines Schwenk-Hub-Sitzes für das Kfz der Eltern des Klägers vor.

Streitgegenstand ist der Bescheid des Beklagten vom 28. Juni 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. September 2017, mit dem der Beklagte generell die Übernahme der Kosten für die Beschaffung und den Einbau eines behindertengerechten Schwenk-Hub-Sitzes in das Kfz der Eltern des Klägers abgelehnt hat. Statthafte Klageart ist die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage. Der Gegenstand der begehrten Leistungen der Eingliederungshilfe ist sowohl die Anschaffung als auch der Einbau des Schwenk-Hub-Sitzes in ein Kfz.

Der Beklagte ist für die begehrte Leistung örtlich und sachlich zuständig (§ 98 Abs. 1 SGB XII, § 97 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 2 AG-SGB XII Baden-Württemberg [GBl. 2004, 534] i.V.m. § 8 Nr. 4 SGB XII).

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Anschaffung des Schwenk-Hub-Sitzes für das Kfz der Eltern des Klägers ist § 19 Abs. 3 i.V.m. § 53 Abs. 1 S. 1 (in der seit 1. Januar 2005 geltenden Fassung) und § 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII (in der bis 31. Dezember 2017 geltenden Fassung), § 55 SGB IX (in der bis 31. Dezember 2017 geltenden Fassung) sowie § 9 Abs. 2 Nr. 11 EinglHV.

Gemäß § 53 Abs. 1 SGB XII erhalten Personen, die durch eine Behinderung i.S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalls, insbesondere nach Art und Schwere der Behinderung Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann.

Die danach erforderlichen personenbezogenen Voraussetzungen erfüllt der Kläger. Er ist aufgrund seiner Erkrankung, spastische Tetraparese, nicht gehfähig und kann sich nur mit dem Rollstuhl fortbewegen. Bei ihm sind auch ein GdB von 100 sowie die Merkzeichen B, G, aG, H und RF festgestellt. Er ist damit in seiner körperlichen Funktion behindert und wegen Art und Schwere der Behinderung wesentlich in seiner Fähigkeit eingeschränkt, an der Gesellschaft teilzuhaben (§ 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i.V.m. § 1 EinglHV).

Die Leistungen der Eingliederungshilfe werden durch § 54 Abs 1 SGB XII (in der Fassung vom 1. Januar 2018) i.V.m. §§ 26 und 55 SGB IX (in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung) und durch die auf der Ermächtigungsgrundlage des § 60 SGB XII erlassene EinglHV konkretisiert. Die Hilfe zur Beschaffung eines Kfz wird nach § 8 Abs. 1 S. 1 EinglHV i.V.m. Satz 2 in angemessenem Umfang gewährt, wenn der behinderte Mensch wegen Art oder Schwere seiner Behinderung insbesondere zur Teilhabe am Arbeitsleben auf die Benutzung des Kfz angewiesen ist. Nach § 9 Abs. 2 Nr. 11 EinglHV gehören zu den anderen Hilfsmitteln im Sinne des Abs. 1 auch besondere Bedienungseinrichtungen und Zusatzgeräte für Kraftfahrzeuge, wenn der behinderte Mensch wegen Art und Schwere seiner Behinderung auf ein Kraftfahrzeug angewiesen ist.

Dies ist nur zu bejahen, wenn das Kfz als grundsätzlich geeignete Eingliederungsmaßnahme unentbehrlich zum Erreichen der Eingliederungsziele ist (BSGE 112, 67 ff RdNr 14 = SozR 4-3500 § 92 Nr 1), die darin liegen (vgl. § 53 Abs. 3 Satz 1 SGB XII), eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und den behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Dabei ist dem behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, ihm die Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen oder ihn so weit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen (§ 53 Abs. 2 Satz 2 SGB XII, § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i.V.m. § 55 Abs. 1 SGB IX). In welchem Maß und durch welche Aktivitäten ein behinderter Mensch am Leben in der Gemeinschaft teilnimmt, ist abhängig von seinen individuellen Bedürfnissen unter Berücksichtigung seiner Wünsche (§ 9 Abs. 2 SGB XII). Es gilt mithin ein individueller und personenzentrierter Maßstab, der regelmäßig einer pauschalierenden Betrachtung des Hilfefalls entgegensteht (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013 – B 8 SO 18/12 R –, Rn. 15, juris m.w.Nw.). Prüfungsmaßstab ist mithin die konkrete individuelle Lebenssituation des behinderten Menschen, wobei in die Gesamtwürdigung seine Bedürfnisse und Wünsche, aber auch Art und Ausmaß der Behinderung einzubeziehen sind (BSG, Urteil vom 23. August B 8 SO 24/11 R -, juris Rn. 18). Eine ständige oder jedenfalls fast tägliche Benutzung des Kfz ist nicht zu fordern, ausreichend ist vielmehr, dass die Notwendigkeit zur Nutzung nach dem gebotenen individualisierenden Prüfungsmaßstab regelmäßig, d.h. nicht nur vereinzelt oder gelegentlich besteht (BSG, Urteil vom 23. August 2013 - B 8 SO 24/11 R-, juris Rn. 16).

Ausgehend davon ist vorliegend die Anschaffung des Schwenk-Hub-Sitzes für das Kfz der Eltern des Klägers zum Erreichen der Eingliederungsziele grundsätzlich geeignet. Die vom Kläger formulierten Eingliederungsziele – Besuche bei Verwandten, Ausflüge, Fahrten zum Wochenmarkt nach B., Fahrten zum Grab der Großeltern sowie Einkaufsfahrten u.a. zum Möbelmarkt, Kleidungsgeschäften und Gartencenter sowie Fahrten zum Zoo und zu weiteren verschiedenen Veranstaltungen – kann der Kläger mit einem hier behindertengerechten ausgestatteten Kfz der Eltern mit dem Schwenk-Hub-Sitz auch erreichen. Das entsprechend ausgestattete Kfz ist geeignet, ihm die hierfür erforderliche Mobilität mit einem Rollstuhl zu verschaffen. Die vom Kläger genannten Teilhabebedürfnisse am Leben in der Gemeinschaft gehen nach Überzeugung des Senates auch nicht über die eines nicht behinderten und nicht sozialhilfebedürftigen Menschen – die die maßgebliche Vergleichsgruppe darstellen – hinaus. Das Pflegen von familiären Kontakten, das Unternehmen von Ausflügen sowie die Teilnahme an gemeinschaftlichen Veranstaltungen mit anderen ist gesellschaftlich üblich, die Wünsche des Klägers deshalb angemessen.

Zur Überzeugung des Senates ist die hier begehrte Anschaffung eines Schwenk-Hub-Sitzes für das Kfz der Eltern des Klägers zum Erreichen dieser Eingliederungsziele auch unentbehrlich, weil andere Möglichkeiten als die Benutzung des Kfz nicht zur zumutbaren Nutzung zur Verfügung stehen. Zur Überzeugung des Senates genügen die vom Beklagten nach der derzeitig gültigen Richtlinie des Landkreises zum Behindertenfahrdienst gewährten zehn Fahrten (Hin-, einschließlich Rückfahrt) pro Quartal i.V.m. der bestehenden Möglichkeit der Inanspruchnahme des öffentlichen Nahverkehrs nicht, um den tatsächlich bestehenden Eingliederungsbedarf des Klägers sicherzustellen. Der Kläger hier wohnt anders als in zwei früheren vom Senat am 19. Oktober 2016 entschiedenen Fällen (L 2 SO 4204/15 bzw. L 2 SO 3968/15), in denen die Kläger, die beide auch selbstständiger waren als der Kläger hier, in einem Fall unmittelbar angrenzend an das Stadtgebiet von S. und im anderen Fall im Ortszentrum von R. wohnten, in einer kleinen Gemeinde mit 2.100 Einwohnern auf der S. A ... Zunächst ist hinsichtlich des vom Beklagten gewährten Behindertenfahrdiensts festzustellen, dass spontane Fahrten damit nicht möglich sind, da entsprechende Fahrten laut A. drei Tage vorher und laut KBF zumindest 24 bis 48 Stunden vorher angemeldet werden müssen, wobei bei A. hinzukommt, dass nur Vereinsmitglieder transportiert werden und bei KFB wie bei A. das generelle Problem besteht, dass zwischenzeitlich nicht mehr ausreichend freiwillige Fahrer zur Verfügung stehen, sodass oft nicht sichergestellt werden kann, dass entsprechende Fahrten auch tatsächlich geleistet werden können. Des Weiteren ist der Standort von KBF in B. immerhin 15 km von G. entfernt (Fahrzeit zwischen 15 und 20 Minuten laut Google Maps). Des Weiteren kommt hinzu, dass bei der Nutzung des ÖPNV – auch wenn dort Niederflurbusse zum Einsatz kommen – für den Kläger die Schwierigkeit besteht, dass die von ihm angefahrenen Ziele in aller Regel nicht ohne Umsteigen zu erreichen sind und dies für die begleitenden Eltern, die gesundheitlich selbst mittlerweile angeschlagen sind, eine nicht unerhebliche zusätzliche Belastung darstellt, sodass auch zur Überzeugung des Senates der Verweis auf den ÖPNV keine tatsächliche zumutbare Alternative darstellt.

Hinsichtlich der daneben geltend gemachten Fahrten zur von den Eltern des Klägers in eigener Initiative organisierten Reittherapie, ebenso zur Osteopathie und zu Massagen wäre insoweit schon zu fragen, ob nicht auch diese tatsächlich primär den Eingliederungszielen, nämlich der Teilhabe am gemeinschaftlichen Leben (Kontakt und Kommunikation mit anderen Menschen) dienen und damit schon unmittelbar noch dem berechtigten, angemessenen und erforderlichen Eingliederungsbedarf oben hinzuzurechnen wären. Aber selbst wenn diese Fahrten zur Reittherapie, Osteopathie und zu Massagen, von anderen Leistungssystemen (SGB V, SGB XI) zu decken wären, ist aber für diesen vom Beklagten benannten Bereich auch zu beachten, dass längst nicht mehr jede erforderliche medizinische Behandlung dem Leistungskatalog des SGB V unterfällt, und gegebenenfalls die subsidiären Leistungssysteme SGB II/SGB XII einzustehen haben (siehe BSG Urteil vom 6. März 2012 – B 1 KR 24/10 R – juris Rn.35 f. unter Bezugnahme u.a. auf die §§ 53 ff. SGB XII). Dies könnte dann zwar einen möglicherweise zusätzlichen Bedarf für Gutscheine zur Nutzung des Behindertenfahrdienstes bzw. entsprechender Taxis rechtfertigen, wobei allerdings dem vom Beklagten vorgelegten bzw. dem Kläger schon in der Vergangenheit übersandten Merkblatt für den Behindertenfahrdienst eine entsprechende Ausnahmeregelung hierzu schon nicht zu entnehmen ist.

Der Kläger ist auch hilfebedürftig im Sinne von § 19 SGB XII. Eingliederungshilfe ist zwar nach § 19 Abs. 3 SGB XII für behinderte Menschen nur zu leisten, soweit dem Leistungsberechtigten die Aufbringung der Mittel aus Einkommen und Vermögen nach dem 11. Kapitel des SGB XII nicht zuzumuten ist. Diese Feststellungen sind hier auch zu treffen, da es sich bei den Kosten für die Kfz-Hilfe nicht um eine privilegierte Hilfe nach § 92 Abs. 2 Satz 1 SGB XII handelt (vergleiche BSG Urteil vom 28. August 2018 – B 8 SO 9/17 R – juris Rn. 24). Der Kläger bezog auch zu der hier streitigen Zeit (Januar 2017) Grundsicherungsleistungen und bezieht dies im Übrigen nach wie vor. Er verfügt auch nicht über Vermögen. Eine anteilige Berücksichtigung vor dem Hintergrund, dass es sich bei dem betreffenden Kfz nicht um ein Kfz des Klägers sondern ein Kfz der Eltern handelt, dass damit diese natürlich auch zu sonstigen eigenen Zwecken nutzen können, führt hier zu keiner anderen Bewertung, das es im vorliegenden Fall nur um die Kostenerstattung hinsichtlich des Auto-Schwenk-Hub-Sitz geht, der allein und ausschließlich der Nutzung des Klägers dient. Auch im Übrigen ist es unerheblich, dass das Kfz selbst nicht im Eigentum des Klägers steht (vergleiche BSG Urteil 28. August 2018 – B 8 SO 9/17 R – juris Rn. 17).

Dem Anspruch des Klägers auf Übernahme der Kosten steht auch der Umstand nicht entgegen, dass der Kläger bereits nach der Antragstellung am 5. bzw. 12. Dezember 2016 im Januar 2017 den Schwenk-Hub-Sitz erworben hat, noch bevor der Beklagte mit Bescheid vom 28. Juni 2017 entschieden hatte. Die Leistung ist nicht als Sach- sondern als Geldleistung zu erbringen (so BSG Urteil vom 2. Februar 2012 – B 8 SO 9/10 R 9/10 R – Juris Rn. 20 zur Kraftfahrzeughilfe-Verordnung [zur beruflichen Rehabilitation]). Dies trage den individuellen Besonderheiten bei einem behindertengerechten Ausbau eines Kfz Rechnung und entspreche allgemein den in der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung (KfzHV) zum Ausdruck kommenden Grundsatz der Zuschussgewährung (§ 6 Abs 1 KfzHV). Nichts anderes gilt für die Leistungen der Eingliederungshilfe, hier nach der EinglHV (vgl. LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 20. Mai 2008 – L 7 SO 1009/08 ER-B – Juris Rn. 7). Richtet sich aber der Anspruch auf eine Geldleistung, ist es rechtlich unerheblich, dass der Kläger den Auftrag für den Einbau des Schwenksitzes schon im Januar 2017 und damit zeitlich vor Erlass des Ablehnungsbescheids vom 28. Juni 2017 erteilt hat (siehe BSG Urteil vom 2. Februar 2012 – B 8 SO 9/10 R – Juris Rn. 21). Soweit das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) eine Bedarfsdeckung im Wege der Selbsthilfe nach Kenntniserlangung des Sozialhilfeträgers vom Bedarf, aber noch vor der letzten Behördenentscheidung als anspruchsvernichtend angesehen hat, wenn es dem Hilfesuchenden zuzumuten war, die Entscheidung des Sozialhilfeträgers abzuwarten (vgl. BVerwGE 90, 154, 156 mwN), folgt das BSG dieser Rechtsprechung bei einem auf eine Geldleistung gerichteten Primäranspruch nicht. Das Erfordernis einer Eilbedürftigkeit finde keine Stütze im Gesetz; hierfür sprächen auch keine allgemeinen Grundsätze bei nicht rechtzeitiger oder zu Unrecht verweigerter Sachleistung (vgl § 13 Abs. 3 SGB V und § 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX). Ein von vornherein bestehender Geldleistungsanspruch lasse im Gegenteil keinen Raum für die Umwandlung eines primären Sachleistungsanspruchs in eine sekundäre Geldleistung. Eine Eilbedürftigkeit könne also, abgesehen davon, dass die Selbsthilfe dem Leistungsträger nicht die Möglichkeit nähme, Ermessen nachträglich noch auszuüben, nicht deshalb gefordert werden, weil ein Auswahlermessen des Sozialhilfeträgers über die Leistungserbringung (Sach- oder Geldleistung) beeinträchtigt wäre. Der Schwenk-Hub-Sitz war darüber hinaus die einzige Möglichkeit, nach wie vor die aus Sicht des Senates auch grundsätzlich erforderliche Versorgung des Klägers mit einem behindertengerechten Kfz zur Aufrechterhaltung der Teilnahme am Leben der Gemeinschaft sicherzustellen. Der Kläger hat sich auch unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes auf der Grundlage der von ihm eingeholten Angebote bei Auftragserteilung für das günstigere Angebot entschieden. Damit war aus Sicht des Senates für den Beklagten auch unter Berücksichtigung des ihm grundsätzlich eingeräumten Ermessens eine andere ermessensfehlerfreie Entscheidung nicht möglich, so dass der Beklagte unmittelbar – wie durch das SG geschehen – zur Kostenübernahme i.H.v. 9.999,57 EUR verurteilt werden konnte.

Aus diesen Gründen wird die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved