L 3 SB 3538/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 24 SB 2752/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 3538/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers werden aufgrund des Teil-Anerkenntnisses des Beklagten vom 08.03.2019 der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 18.09.2018 und der Bescheid des Beklagten vom 22.12.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.04.2016 abgeändert und der Beklagte verurteilt, den GdB mit 40 seit 24.04.2018 festzustellen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt ein Drittel der außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) streitig.

Der Beklagte hatte für den im Jahr 1974 geborenen Kläger unter Zugrundelegung der versorgungsärztlichen Stellungnahme des Dr. A. vom 18.03.2012, in der eine Atembehinderung bei Verengung des Nasenganges, eine Allergie und ein hyperreagibles Bronchialsystem mit einem Einzel-GdB von 20, eine Polyneuropathie, ein Kopfschmerzsyndrom und eine Depression mit einem Einzel-GdB von 20, eine Gebrauchseinschränkung des Armes und des Beines, eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und Nervenwurzelreizerscheinungen mit einem Einzel-GdB von 20 sowie ein Bluthochdruck und ein Faktor-V-Leiden mit einem Einzel-GdB von 10 berücksichtigt und der Gesamt-GdB mit 30 beurteilt worden waren, mit Bescheid vom 29.03.2012 den GdB mit 30 seit 27.12.2011 festgestellt.

Der Kläger beantragte am 13.11.2015 unter Vorlage des Entlassungsberichts der Klinik B. in B. vom 24.07.2012, des im Rahmen eines auf die Feststellung einer Berufskrankheit gerichteten Verfahrens eingeholten Gutachtens des Internisten, Kardiologen und Lungenarztes Dr. C. vom 23.10.2014, der für die Bundesagentur für Arbeit erstellten Gutachten des Diplommediziners Dr. D. vom 10.04.2015 sowie von Dr. E. vom 23.10.2015, des Entlassungsberichts des Reha-Zentrums Klinik F. in F. vom 10.09.2015 sowie diverserer weiterer ärztlicher Unterlagen die Erhöhung des GdB. Dr. G. berücksichtigte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 11.12.2015 eine Atembehinderung, eine Verengung des Nasenganges, eine Allergie und ein hyperreagibles Bronchialsystem mit einem Einzel-GdB von 20, eine Polyneuropathie, ein Kopfschmerzsyndrom, eine Depression, funktionelle Organbeschwerden und eine Persönlichkeitsstörung mit einem Einzel-GdB von 20, eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und Nervenwurzelreizerscheinungen mit einem Einzel-GdB von 20, einen Bluthochdruck und ein Faktor-V-Leiden mit einem Einzel, GdB von 10, eine Gebrauchseinschränkung beider Beine und beider Füße mit einem Einzel-GdB von 10 sowie eine Gebrauchseinschränkung beider Arme und beider Hände mit einem Einzel-GdB von 10 und bewertete den Gesamt-GdB weiterhin mit 30. Daher lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 22.12.2015 ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers vom 11.01.2016 wies der Beklagte nach Einholung der Befundberichte der Neurologin, Psychiaterin und Psychotherapeutin Dr. H.-H. vom 18.02.2016 und des Chirurgen Dr. I. vom 23.02.2016 sowie in Auswertung der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. J. vom 13.03.2016, in der an der bisherigen GdB-Beurteilung festgehalten wurde, mit Widerspruchsbescheid vom 13.04.2016 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 11.05.2016 Klage zum Sozialgericht (SG) Stuttgart erhoben. Er hat die Bescheinigung des Augenarztes Dr. K. vom 05.07.2016 über eine starke Blendungsempfindlichkeit und der Orthopädin Dr. L. vom 28.07.2016 über Beschwerden im Bereich des rechten Ellenbogens vorgelegt.

Das SG Stuttgart hat zunächst die den Kläger behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen gehört und diverse ärztliche Unterlagen beigezogen. Der Neurologe und Psychiater Dr. M. hat seine Arztbriefe vom 30.05.2016 und vom 14.07.2016, in denen die Diagnosen Karpaltunnelsyndrom, Läsionen der Lumbosakralwurzeln, leichte depressive Episode, Schlafstörung sowie Überforderungssyndrom aufgeführt worden sind, vorgelegt und unter dem 16.09.2016 eine leichte depressive Episode, verbunden mit Schlafstörungen und einem Überforderungssyndrom, beschrieben. Dr. L. hat in ihrem Schreiben vom 10.10.2016 ausgeführt, die aktuellen Beschwerden des Klägers würden durch eine Fehl-/Überbelastung des rechten Armes hervorgerufen. Dr. K. hat in seiner Auskunft vom 25.10.2016 eine gering- bis leichtgradig einzuschätzende Sicca-Symptomatik beschrieben. Daraufhin hat Dr. N. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 16.11.2016 eine Polyneuropathie nicht mehr berücksichtigt und im Übrigen an der bisherigen GdB-Beurteilung festgehalten. Der Kläger hat die Bescheinigung des Dr. M. vom 12.12.2016 vorgelegt, in dem nun eine mittelgradige depressive Episode mitgeteilt worden ist.

Sodann hat das SG Stuttgart von Amts wegen das Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. O. vom März 2017 eingeholt. Der Sachverständige hat den Verdacht auf eine kombinierte Persönlichkeitsstörung geäußert und eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig ohne behindernde Ausprägung, sowie eine Panikstörung diagnostiziert. Es bestünden Rückwirkungen auf Stimmung, Antrieb, Interessen, Kontaktfähigkeit, Lebenszufriedenheit und die Fähigkeit, sich stabil in soziale Strukturen einzufinden. Für die psychiatrischen Befunde mit zeitweisen depressiven Stimmungszuständen und persönlichkeitsspezifischen Besonderheiten sei ein Einzel-GdB von 20 angemessen. Nervenwurzelreizerscheinungen seien neurologischerseits nicht mehr zu bestätigen. Daraufhin hat das SG Stuttgart den Entlassungsbericht des Krankenhauses P., Überregionales Zentrum für Psychosomatische Medizin und Ganzheitliche Heilkunde, in P. vom 31.03.2017 beigezogen, in dem eine rezidivierende depressive Störung mit derzeit schwerer depressiver Episode ohne psychiatrische Symptome beschrieben worden ist. Dr. Q. hat in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 06.07.2017 die GdB-Beurteilung des Sachverständigen geteilt. In der sachverständigen Zeugenauskunft vom 10.07.2017 hat das Krankenhaus P. ausgeführt, der Kläger leide unter einer deutlich schizoiden Persönlichkeitsstruktur und habe aufgrund eines Defizits an Empathie und eines verringerten Kontaktbedürfnisses zu anderen Schwierigkeiten, ein adäquates Gespür für soziale Gefüge, soziale Normen und Konventionen zu entwickeln. Es sei daher von mittel- bis schwergradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten auszugehen. Ferner hat der Kläger unter anderem die Bescheinigung der Dermatologin Dr. R. vom 20.06.2017 vorgelegt, in der eine Hausstaubmilbenallergie und eine Atopie beschrieben worden ist. Dr. Q. hat in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 29.11.2017 an der bisherigen GdB-Beurteilung festgehalten. Im weiteren Verlauf hat der Kläger den Arztbrief der Psychiaterin und Psychotherapeutin S. vom 04.12.2017 vorgelegt, in dem die Diagnosen rezidivierende depressive Störung mit gegenwärtig schwerer Episode und Dysthymia aufgelistet worden sind. Dr. O. hat in seiner ergänzenden gutachtlichen Stellungnahme vom 03.02.2018 dargelegt, aus medizinischer Sicht gebe es keine Gründe für eine Änderung seines Begutachtungsergebnisses.

Mit Gerichtsbescheid vom 18.09.2018 hat das SG Stuttgart die Klage abgewiesen. Die Feststellungen des Dr. O. seien hinsichtlich der gestellten Diagnosen, des mitgeteilten Tagesablaufes und auch der hieraus resultierenden Funktionsbeeinträchtigungen nachvollziehbar und schlüssig. Unter Berücksichtigung dessen sei ein Einzel-GdB von 20 nachvollziehbar und ausreichend. Der Einschätzung des Krankenhauses P. könne nicht gefolgt werden. Die im dortigen Entlassungsbericht diagnostizierte rezidivierende depressive Störung mit derzeit schwerer Episode sei angesichts des kurz danach von Dr. O. erhobenen weitgehend unauffälligen psychiatrischen Befundes nicht nachvollziehbar. Auf orthopädischem Fachgebiet lägen beim Kläger Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule ohne Nervenwurzelreizerscheinungen vor, für die ein Einzel-GdB von 20 bestätigt werden könne. Dies sei auch von Dr. L. für angemessen erachtet worden. Auf internistisch-pulmologischem Fachgebiet bestünden beim Kläger eine Atembehinderung bei Verengung des Nasenganges, Allergien und ein hyperreagibles Bronchialsystem, was mit einem Einzel-GdB von 20 zutreffend bewertet sei. Auf den weiteren Fachgebieten lägen keine objektiven klinischen Anhaltspunkte für sonstige, versorgungmedizinisch relevante Gesundheitsstörungen vor, die in ihrer Intensität wenigstens einen Einzel-GdB von 20 bedingen und Auswirkungen auf die Höhe des festgestellten Gesamt-GdB haben könnten.

Hiergegen hat der Kläger am 02.10.2018 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg erhoben. Er hat die Bescheinigung des Hals-Nasen-Ohren-Arztes Dr. T. vom 05.11.2018 vorgelegt, in der eine bakterielle, chronische Otitis externa beschrieben worden ist.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 18. September 2018 und den Bescheid des Beklagten vom 22. Dezember 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. April 2016 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den GdB mit 50 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat zunächst die in einem Rentenverfahren angefallenen ärztlichen Unterlagen beigezogen, insbesondere den Entlassungsbericht des Reha-Zentrums Bad U. vom 07.06.2018, in dem die Diagnosen rezidivierende depressive Episode, Diabetes mellitus Typ 2, Adipositas, Hypertonie, Wirbelsäulensyndrom, allergische Diathese, Hausstaubmilbenallergie, hyperreagibles Bronchialsystem, Asthma bronchiale und Karpaltunnelsyndrom links aufgeführt worden sind, und das Gutachten des Psychiaters und Psychotherapeuten Dr. V. vom 14.12.2016, in dem von einer kombinierten Persönlichkeitsstörung und einer Dysthymia ausgegangen worden ist. Der Senat hat ferner die den Kläger behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Der Allgemeinmediziner Dr. W. hat unter dem 10.12.2018 diverse ärztliche Unterlagen vorgelegt und insbesondere auf eine Depression, eine akute Belastungsreaktion, eine Schlafstörung, ein Burn-out-Syndrom, eine Angststörung, eine diabetische Stoffwechsellage, eine Hypertonie, ein Asthma bronchiale, ein metabolisches Syndrom und einen Morbus Bechterew hingewiesen. Die Ärztin S. hat in ihrer Auskunft vom 02.01.2019 eine depressive Störung mit gegenwärtig schwerer Episode sowie eine Dysthymia beschrieben und ausgeführt, es bestehe eine weitere Chronifizierung der Symptomatik mit psychischer Minderbelastbarkeit, Umstellungserschwernis und Schwierigkeiten, sich in ein soziales Gefüge einzufinden.

Dr. N. hat in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 18.01.2019 die Depression, die funktionellen Organbeschwerden, die Persönlichkeitsstörung und das Kopfschmerzsyndrom nun mit einem Einzel-GdB von 30 berücksichtigt und den Gesamt-GdB mit 40 ab April 2018 beurteilt.

Der Berichterstatter hat am 24.01.2019 den Sach- und Rechtsstreit mit den Beteiligten erörtert. Dabei hat der Kläger den Arztbrief der Klinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde im X-Krankenhaus X. vom 07.06.2018 über eine Nasenatmungsbehinderung bei Deviatio septi und eine Hyperplasie der unteren Nasenmuscheln beidseits, im X-Krankenhaus am 07.10.2018 und von Dr. T. am 15.10.2018 erstellte Audiogramme, den Arztbrief des Radiologen Dr. Z. vom 16.11.2018 über eine computertomographisch festgestellte Weichteilvermehrung im Cavum tympani rechts direkt hinter der Membrana tympani beginnend sowie subtotal sekretverlegte Mastoidzellen, aktuell ohne Nachweis umschriebener ossärer Destruktionen, die Bescheinigung des Dr. T. vom 12.12.2018 über eine wegen einer Otitis media erfolgte Paukendränage sowie den Arztbrief des Dr. T. vom 14.12.2018 über eine subakute Otitis media mit Paukenerguss rechts, eine Otitis extern rechts und eine Septumdeviation nach rechts in leichter Form vorgelegt.

Den vom Berichterstatter unterbreiteten Vergleichsvorschlag, den GdB mit 40 seit 24.04.2018 festzustellen, hat der Beklagte unter dem 30.01.2019 angenommen. Der Kläger hat diesen Vergleichsvorschlag nicht angenommen und unter anderem ein weiteres von Dr. T. am 19.12.2018 erstelltes Audiogramm, den Arztbrief des Internisten AA. vom 22.02.2019 über ein Asthma bronchiale, und eine Schlafapnoe, diverse Laborblätter sowie den Arztbrief des Hals-Nasen-Ohren-Arztes Dr. Y. vom 20.03.2018 über den Verdacht einer chronischen Sinusitis und eine angeborene Septumdeviation vorgelegt. Der Beklagte hat sodann mit Schreiben vom 08.03.2019 das auf einen GdB von 40 seit 24.04.2018 gerichtete Teil-Anerkenntnis abgegeben, das der Kläger aber nicht angenommen hat.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, nach § 151 SGG form- und fristgerechte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist teilweise begründet.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Aufhebung des Gerichtsbescheides vom 18.09.2018 und die Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 22.12.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.04.2016 und die Verpflichtung des Beklagten, über den im Wege des vom Kläger nicht angenommenen Teil-Anerkenntnisses anerkannten GdB von 40 seit 24.04.2018 hinaus den GdB des Klägers mit 50 seit 13.11.2015 festzustellen. Dieses Ziel verfolgt der Kläger zulässigerweise mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG, über die der Senat durch Teil-Anerkenntnis-Schlussurteil im Sinne des § 202 Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 307 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) entschieden hat.

Der Kläger hat über das Teil-Anerkenntnis des Beklagten über einen GdB von 40 seit 24.04.2018 hinaus keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 30 für die Zeit vom 13.11.2015 bis zum 23.04.2018 und auch nicht eines höheren GdB als 40 seit 24.04.2018.

Ermächtigungsgrundlage für die vom Kläger begehrte Neufeststellung des GdB ist § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) in den bis zum 31.12.2017 und ab dem 01.01.2018 geltenden Fassungen in Verbindung mit § 69 SGB IX in den bis zum 14.01.2015, 29.12.2016 und 31.12.2017 geltenden Fassungen beziehungsweise in Verbindung mit § 152 Abs. 1 und 3 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung. Im Hinblick auf die den vorliegend zu beurteilenden Zeitraum betreffenden unterschiedlichen Gesetzesfassungen sind diese – da Übergangsregelungen fehlen – nach dem Grundsatz anzuwenden, dass die Entstehung und der Fortbestand des sozialrechtlichen Anspruchs auf Leistungen nach dem Recht zu beurteilen ist, welches zur Zeit der anspruchsbegründenden Ereignisse oder Umstände jeweils gegolten hat (BSG, Urteil vom 16.12.2014, B 9 SB 2/13 R, juris; BSG, Urteil vom 04.09.2013, B 10 EG 6/12 R, juris; vergleiche Stölting/Greiser in SGb 2015, 135-1 Jetzt43).

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, wenn in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Von einer solchen ist bei einer Änderung im Gesundheitszustand auszugehen, wenn aus dieser die Erhöhung oder Herabsetzung des Gesamt-GdB um wenigstens 10 folgt, während das Hinzutreten weiterer Funktionsstörungen mit einem Einzel-GdB von 10 regelmäßig ohne Auswirkung auf den Gesamt-GdB bleibt.

Nach § 2 Abs. 1 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Nach § 2 Abs. 1 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung sind Menschen mit Behinderungen Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können, wobei eine Beeinträchtigung in diesem Sinne vorliegt, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht.

Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX in den bis zum 14.01.2015 und 29.12.2016 geltenden Fassungen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag eines behinderten Menschen in einem besonderen Verfahren das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung beziehungsweise nach § 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung gilt ergänzend, dass der GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung festgestellt wird. Als GdB werden dabei nach § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX in den bis zum 14.01.2015 und 29.12.2016 geltenden Fassungen, nach § 69 Abs. 1 Satz 5 und 6 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung beziehungsweise nach § 152 Abs. 1 Satz 5 und 6 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt, wobei eine Feststellung hierbei nur dann zu treffen ist, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt.

Nach § 70 Abs. 2 SGB IX in der bis zum 29.12.2016 geltenden Fassung wird das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung des GdB und die medizinischen Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind. Nach § 70 Abs. 2 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung beziehungsweise nach § 153 Abs. 2 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung gilt diese Ermächtigung für die allgemeine – also nicht nur für die medizinische – Bewertung des GdB und die Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen sowie auch für die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit. Zwar ist von dieser Ermächtigung noch kein Gebrauch gemacht worden. Indes bestimmt § 159 Abs. 7 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung beziehungsweise § 241 Abs. 5 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung, dass – soweit eine solche Verordnung nicht erlassen ist – die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 17 BVG in der bis zum 30.06.2011 geltenden Fassung beziehungsweise § 30 Abs. 16 BVG in der ab dem 01.07.2011 geltenden Fassung erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend gelten. Mithin ist für die konkrete Bewertung von Funktionsbeeinträchtigungen die ab dem 01.01.2009 an die Stelle der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (AHP) getretene Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (VersMedV) vom 10.12.2008 (BGBl. I S. 2412), die durch die Verordnungen vom 01.03.2010 (BGBl. I S. 249), 14.07.2010 (BGBl. I S. 928), 17.12.2010 (BGBl. I S. 2124), 28.10.2011 (BGBl. I S. 2153) und 11.10.2012 (BGBl. I S. 2122) sowie das Gesetz vom 23.12.2016 (BGBl. I S. 3234) geändert worden ist, heranzuziehen. In den VG sind unter anderem die Grundsätze für die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen (GdS) im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG festgelegt worden. Diese sind nach den VG, Teil A, Nr. 2 auch für die Feststellung des GdB maßgebend. Die VG stellen ihrem Inhalt nach antizipierte Sachverständigengutachten dar. Dabei beruht das für die Auswirkungen von Gesundheitsstörungen auf die Teilhabe an der Gesellschaft relevante Maß nicht allein auf der Anwendung medizinischen Wissens. Vielmehr ist die Bewertung des GdB auch unter Beachtung der rechtlichen Vorgaben sowie unter Heranziehung des Sachverstandes anderer Wissenszweige zu entwickeln (BSG, Urteil vom 17.04.2013, B 9 SB 3/12 R, juris).

Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX in den bis zum 14.01.2015, 29.12.2016 und 31.12.2017 geltenden Fassungen beziehungsweise nach § 152 Abs. 3 Satz 1 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Zur Feststellung des GdB werden in einem ersten Schritt die einzelnen nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen im Sinne von regelwidrigen (von der Norm abweichenden) Zuständen nach § 2 Abs. 1 SGB IX und die sich daraus ableitenden, für eine Teilhabebeeinträchtigung bedeutsamen Umstände festgestellt. In einem zweiten Schritt sind diese dann den in den VG genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten. In einem dritten Schritt ist dann in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen der einzelnen Beeinträchtigungen der Gesamt-GdB zu bilden. Dabei können die Auswirkungen der einzelnen Beeinträchtigungen ineinander aufgehen (sich decken), sich überschneiden, sich verstärken oder beziehungslos nebeneinanderstehen (BSG, Urteil vom 17.04.2013, B 9 SB 3/12 R, juris). Nach den VG, Teil A Nr. 3 Buchst. c ist bei der Bildung des Gesamt-GdB in der Regel von der Beeinträchtigung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und sodann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob der Ausgangswert also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen um 10, 20 oder mehr Punkte zu erhöhen ist, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Insoweit führen nach den VG, Teil A Nr. 3 Buchst. d, von Ausnahmefällen abgesehen, zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte, auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es danach vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Außerdem sind nach den VG, Teil A Nr. 3 Buchst. b bei der Gesamtwürdigung die Auswirkungen mit denjenigen zu vergleichen, für die in der GdB-Tabelle der VG feste Grade angegeben sind.

Die Bemessung des GdB ist grundsätzlich tatrichterliche Aufgabe. Dabei hat insbesondere die Feststellung der nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen unter Heranziehung ärztlichen Fachwissens zu erfolgen (BSG, Urteil vom 17.04.2013, B 9 SB 3/12 R, juris).

Unter Berücksichtigung der dargelegten Grundsätze hat der Kläger über das Teil-Anerkenntnis des Beklagten über einen GdB von 40 seit 24.04.2018 hinaus keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 30 für die Zeit vom 13.11.2015 bis zum 23.04.2018 und auch nicht eines höheren GdB als 40 seit 24.04.2018.

Die Behinderungen im Funktionssystem "Gehirn einschließlich Psyche" sind mit einem Einzel-GdB von 20 bis zum 23.04.2018 und mit 30 seit 24.04.2018 zu beurteilen.

Der Senat stützt sich für die Zeit bis zum 23.04.2018 auf das überzeugende Gutachten des Dr. O ... Der Sachverständige hat lediglich den Verdacht auf eine kombinierte Persönlichkeitsstörung geäußert und eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig ohne behindernde Ausprägung, sowie eine Panikstörung diagnostiziert und für die sich hieraus ergebenden Rückwirkungen auf Stimmung, Antrieb, Interessen, Kontaktfähigkeit, Lebenszufriedenheit und die Fähigkeit, sich stabil in soziale Strukturen einzufinden, in sich schlüssig und damit zutreffend einen Einzel-GdB von 20 für angemessen erachtet. Zwar hat der Kläger im Rahmen der Exploration über eine vorwiegend gedrückte Grundstimmung, fehlende Interessen, geringe Aktivitäten, Antriebsstörungen, frühere Suizidtendenzen sowie eine allgemeine Lebensunzufriedenheit berichtet und es sind Hinweise auf eine schizoide Komponente, einen abgeflachten Affekt, Kontaktschwierigkeiten, Einschränkungen des Antriebs und Schwierigkeiten des Klägers, Normen oder Konventionen zu akzeptieren, angeklungen. Insgesamt sind aber nach den zutreffenden Darlegungen des Dr. O. die persönlichkeitsbezogenen Besonderheiten nicht schwerwiegend und die feststellbaren Einschränkungen in der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit nicht wesentlich ausgeprägt gewesen. Die Beurteilung des Sachverständigen korrespondieren insbesondere mit dem von ihm erhobenen psychiatrischen Befund. So hat der Kläger, der im Übrigen allein und pünktlich mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Termin angereist war, unauffällig Kontakt aufgenommen, bemüht gearbeitet, nur gelegentlich eine Tendenz zum Abschweifen gezeigt und in der Kontaktaufnahme, im Sprachduktus, in der Gestik sowie in der Mimik und Körperhaltung keine Hinweise auf pathognomisch verwertbare Veränderungen des Gedankeninhalts geboten. Der Kläger ist als bewusstseinsklar, örtlich, zeitlich und zur Person orientiert, mit formal und inhaltlich unauffälligem Gedankengang, ohne Hinweise auf eine akute Psychose des schizophrenen oder zyklothymen Formenkreises, ohne höherrangiges hirnorganisches Psychosyndrom, bei ausreichenden mnestischen und intellektuellen Funktionen und ohne Affektlabilität beschrieben worden. Nach alledem hat es sich beim Kläger unter Zugrundelegung der vom Sachverständigen erhobenen Befunde und der damaligen Aktenlage lediglich um mit einem GdB von 20 zu beurteilende leichtere psychovegetative oder psychische Störungen (VG, Teil B, Nr. 3.7) gehandelt. Zutreffend hat das SG Stuttgart dargelegt, dass und warum der vom Krankenhaus P. vorgenommenen höheren GdB-Beurteilung nicht hat gefolgt werden können. Denn die im dortigen Entlassungsbericht beschriebenen Befunde in Form einer depressiven Verstimmung mit deutlicher Einengung der Schwingungsfähigkeit bei ansonsten zu allen Seiten scharfer Orientierung und Bewusstseinsklarheit rechtfertigen die Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung mit schwerer Episode angesichts des kurz danach von Dr. O. erhobenen weitgehend unauffälligen psychiatrischen Befundes nicht, zumal im Entlassungsbericht über eine Besserung im Rahmen des Klinikaufenthalts berichtet worden ist.

Eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers lässt sich dem über die vom 24.04.2018 bis zum 05.06.2018 durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme erstellten Entlassungsbericht des Reha-Zentrums Bad U. entnehmen. Die darin niedergelegten Befunde in Form von schwankender Stimmung mit Stimmungseinbrüchen in Belastungssituationen, gedrückter Stimmung, gemindertem Antrieb, eingeschränkter Anpassung an Regeln und Routinen, eingeschränkter Kontakt- und Gruppenfähigkeit sowie Stress- und Frustrationstoleranz rechtfertigt die dort getroffene Einschätzung einer eingeschränkten psychischen Leistungsfähigkeit und der Erforderlichkeit einer ambulanten Psychotherapie. Die Dauerhaftigkeit dieser Verschlechterung des psychischen Gesundheitszustands des Klägers erschließt sich ferner aus der sachverständigen Zeugenauskunft der Ärztin S. vom 02.01.2019, die eine weitere Chronifizierung der Problematik mit psychischer Minderbelastbarkeit, Umstellungserschwernis und Schwierigkeiten, sich in ein soziales Gefüge einzufinden, beschrieben hat. Damit handelt es sich nach der Überzeugung des Senats um mit einem GdB von 30 bis 40 zu beurteilende stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (VG, Teil B, Nr. 3.7). Anhaltspunkte dafür, diesen GdB-Rahmen nach oben, also auf einen GdB von 40 auszuschöpfen, bietet der Sachverhalt ebenso wenig wie von mit einem GdB von 50 bis 70 zu beurteilenden schweren Störungen (zum Beispiel schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten (VG, Teil B, Nr. 3.7) auszugehen. Insbesondere folgt der Senat nicht der Einschätzung der Ärztin S. in der sachverständigen Zeugenauskunft vom 02.01.2019, es handele sich um eine schwergradige psychische Erkrankung. Die von ihr beschriebenen Befunde in Form einer geordneten, depressiven Stimmungslage mit eingeengter affektiver Schwingungsbreite, verminderter Antriebslage, verminderter Konzentration, vermindertem Durchhaltevermögen sowie innerer Unruhe rechtfertigen nicht die Annahme einer schweren Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten, zumal der Kläger noch in der Lage ist, den aus ihm und seinem Bruder bestehenden Zwei-Personen-Haushalt zu führen, und in dem vom Rehazentrum Bad U. beschriebenen Befund als bewusstseinsklar, allseits orientiert, ohne kognitive oder mnestische Störungen, mit geordnetem formalen Denken, ohne inhaltliche Denk-, Wahrnehmungs- oder Ich-Störungen, ohne Zwangssymptome und mit normaler Psychomotorik beschrieben worden ist.

Der Senat hält es im Übrigen für sachgerecht, dass die Behinderungen in den Funktionssystemen "Atmung" und "Ohren" in Form einer Atembehinderung, einer Verengung des Nasenganges, einer Allergie und eines hyperreagiblen Bronchialsystems insgesamt mit einem Einzel-GdB von 20, im Funktionssystem "Rumpf" in Form einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule nach dem Gutachten des Dr. O. ohne Nervenwurzelreizerscheinungen mit einem Einzel-GdB von 20 sowie im Funktionssystem "Herz-Kreislauf" in Form eines Bluthochdrucks und eines Faktor-V-Leidens mit einem Einzel-GdB von 10, im Funktionssystem "Beine" in Form einer Gebrauchseinschränkung beider Beine und beider Füße mit einem Einzel-GdB von 10 sowie im Funktionssystem "Arme" in Form einer Gebrauchseinschränkung beider Arme und beider Hände mit einem Einzel-GdB von 10 bewertete worden sind. Die vielfältigen aktenkundigen ärztlichen Unterlagen rechtfertigen keine höhere Einschätzung. So sind beispielsweise im Entlassungsbericht des Reha-Zentrums Bad U. vom 07.06.2018 – auch in Auswertung von Fremdbefunden – ein kardiopulmonal auskultatorisch unauffälliger Befund, ein Fingerspitzen-Boden-Abstand von 0 cm, frei bewegliche Extremitäten, ein EKG ohne Rhythmusstörungen sowie die Nichterforderlichkeit einer medikamentösen Therapie des Asthmahustens beschrieben worden.

Weitere Behinderungen, die eine weitere Heraufsetzung des Gesamt-GdB rechtfertigen könnten, lassen sich dem Entlassungsbericht des Reha-Zentrums Bad U. vom 07.06.2018 nicht entnehmen. Dies gilt insbesondere für die darin genannten Diagnosen Diabetes mellitus Typ 2 und Karpaltunnelsyndrom links, zumal sich daraus keine Hinweise für eine die Hypoglykämieneigung erhöhende Medikation oder eine Insulintherapie (VG, Teil B, Nr. 15.1) ergeben und das Karpaltunnelsyndrom nur als leicht sensibel beschrieben wird. Dieselbe Beurteilung gilt für die von Dr. W. in seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom 10.12.2018 aufgelisteten Diagnosen diabetische Stoffwechsellage und Morbus Bechterew. Nichts anderes gilt für die vom Internisten AA. aufgeführte Schlafapnoe, da eine GdB-Relevanz erst nach erfolgtem Nachweis durch eine Untersuchung im Schlaflabor gegeben ist und ohne Notwendigkeit einer kontinuierlichen nasalen Überdruckbeatmung nur ein GdB von 0 bis 10 und erst mit Notwendigkeit einer kontinuierlichen nasalen Überdruckbeatmung ein GdB von 20 vorliegt (VG, Teil B, Nr. 8.7), im Fall des Klägers aber ein Nachweis im Schlaflabor noch aussteht und im Übrigen derzeit die Notwendigkeit einer kontinuierlichen nasalen Überdruckbeatmung weder vorgetragen noch aktenkundig ist. Weder dieser Auskunft noch den beigefügten ärztlichen Unterlagen sind insofern eine Erhöhung des GdB rechtfertigende Befunde zu entnehmen. In Bezug auf den aufgelisteten Morbus Bechterew wird zu bedenken gegeben, dass in den vom Kläger zuletzt vorgelegten Laborblättern lediglich das Risiko beschrieben wird, an einem Morbus Bechterew zu erkranken.

Den vom Kläger vorgelegten Unterlagen lässt sich ebenfalls keine Behinderung entnehmen, der eine den Gesamt-GdB erhöhende Auswirkung zukommen könnte. Dies gilt für die die Funktionssysteme "Atmung" und "Ohren" betreffenden Unterlagen des Dr. Y. vom 20.03.2018, der Klinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde im X-Krankenhaus X. vom 07.06.2018 und 07.10.2018, des Dr. T. vom 15.10.2018, 12.12.2018, 14.12.2018 und 19.12.2018, des Dr. Z. vom 16.11.2018 sowie des Arztes AA. vom 22.02.2019. Ob die von Dr. T. behandelte Otitis eine dauerhafte Behinderung sein wird, bleibt zu abzuwarten.

Unter Berücksichtigung der dargelegten Einzel-GdB-Werte (Einzel-GdB 20 bis zum 23.04.2018, Einzel-GdB 30 seit 24.04.2018 im Funktionssystem "Gehirn einschließlich Psyche", Einzel-GdB 20 im Funktionssystem "Rumpf", Einzel-GdB 20 insgesamt in den Funktionssystemen "Atmung" und "Ohren", Einzel-GdB 10 im Funktionssystem "Herz-Kreislauf", Einzel-GdB 10 im Funktionssystem "Arme" und Einzel-GdB 10 im Funktionssystem "Beine") lässt sich der Gesamt-GdB nicht höher als mit 30 bis zum 23.04.2018 beziehungsweise als mit 40 seit 24.04.2018 feststellen. Denn bei der Bildung des Gesamt-GdB ist nach den VG, Teil A, Nr. 2 und 3 von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und ist dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob der Ausgangswert also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen um 10, 20 oder mehr Punkte zu erhöhen ist, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Insoweit führen von Ausnahmefällen abgesehen zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte, auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Umstände, wie etwa das besonders ungünstige Zusammenwirken von Behinderungen, die eine Ausnahme zulassen, liegen beim Kläger nicht vor. Nach alledem waren die Einzel-GdB-Werte von einmal zunächst 20 und sodann 30, von zweimal 20 und dreimal 10 nicht geeignet, einen Gesamt-GdB von mehr als 30, später 40 zu rechtfertigen. Dass der Gesamt-GdB des Klägers zutreffend mit 30, später 40 einzuschätzen ist, ergibt sich auch daraus, dass bei der Bemessung des Gesamt-GdB ein Vergleich mit anderen schwerwiegenden Erkrankungsbildern anzustellen ist. Denn nach den VG, Teil A, Nr. 3 Buchst. b sind bei der Gesamtwürdigung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen unter Berücksichtigung aller sozialmedizinischen Erfahrungen Vergleiche mit Gesundheitsschäden anzustellen, für die in der GdB-Tabelle der VG feste Grade angegeben sind. So ist ein GdB von 50 beispielsweise nach den VG, Teil B, Nr. 18.13 oder 18.14 bei Verlust eines Armes im Unterarm oder Verlust eines Beines im Unterschenkel bei genügender Funktionstüchtigkeit des Stumpfes und der Gelenke anzunehmen. Hinter einer solchen doch gravierenden Funktionsbehinderung bleiben die beim Kläger dokumentierten Einschränkungen zurück, so dass die von ihm begehrte Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft nicht in Betracht kommt.

Nach alledem war der Beklagte aufgrund seines Teil-Anerkenntnisses zu verurteilen, den GdB mit 40 seit 24.04.2018 festzustellen, im Übrigen die auf die Verurteilung des Beklagten, den GdB mit 40 ab einem früheren Zeitpunkt und den GdB mit 50 festzustellen, gerichtete Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Senat hat dabei berücksichtigt, dass die Gesundheitsverschlechterung bereits während des Klageverfahrens eingetreten ist.

Gründe, im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG die Revision zuzulassen, sind nicht erkennbar. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch weicht das Urteil des Senats von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts ab.
Rechtskraft
Aus
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