L 12 AS 460/19

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 11 AS 1701/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 460/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 07.01.2019 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Übernahme der Kosten und die Bewilligung eines Deutschkurses an der Volkshochschule.

Der Kläger bezog bis Dezember 2017 laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) von dem Beklagten. Seit dem 04.12.2017 ist er als Consultant erwerbstätig bei der S.-T. GmbH.

Der Beklagte bewilligte dem Kläger durch Bescheid vom 06.07.2016 Leistungen zur Teilhabe in Form eines Bildungsgutscheins für eine Weiterbildungsmaßnahme zum Buchhalter Debitoren/Kreditoren bei dem Berufsförderwerk p. in S. für 26 Wochen in Vollzeit plus acht Wochen betriebliches Praktikum für den Zeitraum 11.07.2016 bis 07.04.2017. Der Kläger nahm an der bewilligten Maßnahme teil. Mit E-Mail vom 20.10.2016 teilte der Kläger der Beklagten mit, der Deutschunterricht während der Bildungsmaßnahme sei komplett seit den Sommerferien ausgefallen. Aufgrund dessen beantrage er die Übernahme der Kosten eines entsprechenden Kurses an der Volkshochschule. Auf Nachfrage der Beklagten bei der Teamleiterin des Berufsförderungswerks, Frau L.-K., teilte diese in einer E-Mail am 19.10.2016 mit, dass durch einen Dozentenwechsel die Verlegung der Deutschstunden auf nach den Sommerferien notwendig gewesen sei. Die Stunden seien demnach von Dienstag auf Donnerstag verlegt worden. Die Beklagte teilte dem Kläger am 20.10.2016 dann mit, dass Ansprechpartner für den Unterrichtsausfall die Lehrgangsleitung sei.

Der Kläger erhob durch Schreiben vom 06.11.2017 eine Untätigkeitsklage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) und begehrte die Bescheidung seines Antrags vom 17.10.2017. Das SG legte, da kein Antrag des Klägers aktenkundig war, das Klagebegehren des Klägers dahingehend aus, dass eine Bescheidung über den Antrag auf Gewährung eines Deutschkurses an einer Volkshochschule begehrt werde.

Der Beklagte führte in diesem Rahmen mit Schreiben vom 30.01.2018 aus, dass die Förderung eines Kurses an der Volkshochschule weder sinnvoll noch notwendig gewesen sei, da der Kläger an der Maßnahme bei p. in Vollzeit teilgenommen habe. Der Deutschunterricht sei auch nicht ausgefallen, sondern verschoben worden. Außerdem habe der Kläger inzwischen die Maßnahme bei p- erfolgreich beendet und ginge einer durch den Beklagten geförderten Tätigkeit nach.

Auf die Verfügung des SG vom 08.02.2018 ergänzte der Beklagte seinen Vortrag. Es sei schon fraglich, ob an der Volkshochschule ein mit dem bei p. vergleichbarer Deutschunterricht angeboten werde. Der Deutschunterricht bei p. sei Teil einer Qualifizierungsmaßnahme für Buchhalter und daher auch inhaltlich explizit darauf ausgerichtet.

Der Beklagte lehnte daher mit Bescheid vom 13.04.2018 den Antrag auf Übernahme eines dem Deutschunterricht der Maßnahme p. entsprechenden Kurses an der Volkshochschule mit der Begründung, die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 Nr. 4 SGB II in Verbindung mit § 81 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) seien nicht erfüllt, ab. Es mangele bereits an der Notwendigkeit des Kurses an der Volkshochschule, da der Kläger bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung an einer Qualifizierungsmaßnahme zum Buchhalter Debitoren/Kreditoren bei p. in S. teilgenommen habe. Daher sei ein zusätzlicher Deutschkurs nicht erforderlich. Außerdem sei der Kläger nun berufstätig und würde daher die Anspruchsvoraussetzungen nicht mehr erfüllen.

Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 22.04.2018 Widerspruch ein. Als Begründung führte er an, dass Grundlage für die Beantragung der wiederholte Unterrichtsausfall während der Qualifizierungsmaßnahme gewesen sei. Der Ausfall des Kurses könne ihm nicht angelastet werden. Des Weiteren könne nicht auf seine jetzige Berufstätigkeit verwiesen werden, da der Beklagte den Antrag über 18 Monate verschleppt habe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 24.04.2018 wies der Beklagte den Widerspruch unter Verweis darauf, dass keine Anhaltspunkte für eine falsche Entscheidung ersichtlich seien, zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 20.05.2018 Klage zum SG erhoben. Hinsichtlich der Klagebegründung hat er auf das Vorbringen im vorangegangenen Verfahren gegen den Beklagten wegen Untätigkeit verwiesen.

Mit Gerichtsbescheid vom 07.01.2019 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Beklagte habe zutreffend die Tatbestandsvoraussetzungen gemäß § 16 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 SGB II i.V.m. § 81 Abs. 1 Satz 1 SGB III verneint, da die Maßnahme nicht notwendig gewesen sei. Es komme bei der Beurteilung der Notwendigkeit auf die von der Agentur für Arbeit zu treffende Prognoseentscheidung an, sodass ihr ein Beurteilungsspielraum zustehe. Unter Berücksichtigung des daraus resultierenden eingeschränkten Prüfungsmaßstabs des Gerichts, habe der Beklagte die Umstände des Einzelfalles vollständig gewürdigt und nachvollziehbar die Notwendigkeit eines weiteren Kurses an der Volkshochschule verneint. Der Deutschkurs sei zwar ausgefallen, aber an einem anderen Tag nachgeholt worden. Gründe, weswegen der Kläger an den nachgeholten Unterrichtseinheiten nicht hätte teilnehmen können, habe er nicht vorgebracht. Weiterhin sei die Notwendigkeit der Maßnahme auch aufgrund der Erwerbstätigkeit des Klägers seit Anfang Dezember 2017 abzulehnen.

Gegen den ihm am 09.01.2019 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am Freitag, den 08.02.2019, um 22:42 Uhr in elektronischer Form mittels nicht absenderbestätigten De-Mail Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass der Beklagte mit der Bewilligung der Weiterbildungsmaßnahme grundsätzlich die Notwendigkeit eines Deutschkurses anerkannt habe. Der Deutschkurs sei aber nicht durch das Berufsförderungswerk durchgeführt worden. Zwischen Maßnahmenende und Arbeitsaufnahme hätten 8 Monate gelegen, in denen ein Deutschkurs hätte absolviert werden können. Dieser lange Zeitraum könne ihm daher nicht angelastet werden.

Mit Senatsschreiben vom 18.06.2019 wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass die Berufungsfrist am Montag, den 11.02.2019 geendet habe und bis zu diesem Zeitpunkt eine formgerechte Berufung nicht eingelegt worden sei; es wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, auch zu einem etwaigen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Der Kläger beantragt sinngemäß gefasst,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 13.04.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.04.2018 zu verurteilen, ihm Leistungen zur Förderung einer beruflichen Weiterbildung in Form eines Deutschkurses bei der Volkshochschule zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung als unzulässig zu verwerfen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht eingelegt worden ist. Sie ist damit zu verwerfen (§ 158 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).

Gemäß § 151 SGG ist die Berufung bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Berufungsfrist ist gem. § 151 Abs. 2 SGG auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. Ist die Berufung nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Frist, nicht schriftlich, nicht in elektronsicher Form oder nicht zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt, so ist sie als unzulässig zu verwerfen (§ 158 Satz 1 SGG).

Der Gerichtsbescheid vom 07.01.2019 ist dem Kläger ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 09.01.2019 zugestellt worden. Damit begann die einmonatige Berufungsfrist gemäß § 64 Abs. 1 SGG am Tag nach der Zustellung, also am 10.01.2019, und endete nach § 64 Abs. 2 und 3 SGG am Montag, den 11.02.2019, 24:00 Uhr.

Die Berufung kann gem. § 65a Abs. 1 SGG in der ab 01.01.2018 geltenden Fassung nach Maßgabe der Abs. 2 bis 6 auch als elektronisches Dokument bei Gericht eingereicht werden, soweit dies für den jeweiligen Zuständigkeitsbereich durch Rechtsverordnung der Bundesregierung oder der Landesregierung zugelassen worden ist. Von dieser Ermächtigung hat Baden-Württemberg mit der Landes-Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung vom 21.03.2018 (LERVVO) Gebrauch gemacht.

Seit 01.02.2018 gilt aufgrund der Verordnungsermächtigung in § 65a Abs. 2 S. 2 SGG zudem die Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) vom 24.11.2017 (BGBl I 2017, 3803), zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 09.02.2018 (BGBl I 2018, 200). Auf Grundlage der ERVV wurde die Möglichkeit geschaffen, in gerichtlichen Verfahren eine rechtsverbindliche elektronische Kommunikation durchzuführen. Das elektronische Dokument muss zudem mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person (einfach) signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden (vgl. BSG, Beschluss vom 04.07.2018, B 8 SO 44/18 B, juris).

Hieran fehlt es. Der Kläger hat seine Nachricht über den Übermittlungsweg De-Mail versandt. Es handelte sich hierbei aber trotzdem um keinen sicheren Übermittlungsweg, da die De-Mail nicht absenderbestätigt war und keine qualifizierte elektronische Signatur enthielt.

Denn als sicherer Übermittlungsweg ist gem. § 65a Abs. 4 Nr. 1 SGG der Postfach- und Versanddienst eines De-Mail-Kontos, wenn der Absender bei Versand der Nachricht sicher im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 De-Mail-Gesetz (De-Mail-G) angemeldet ist und er sich die sichere Anmeldung gemäß § 5 Absatz 5 De-Mail-G bestätigen lässt.

Gemäß § 5 Abs. 5 De-Mail-G muss es dem Nutzer, um eine sichere Anmeldung zu bestätigen, vom Dienstanbieter ermöglicht werden, seine sichere Anmeldung im Sinne von § 4 De-Mail-G in der Nachricht so bestätigen zu lassen, dass die Unverfälschtheit der Bestätigung jederzeit nachprüfbar ist. Um dieses dem Empfänger der Nachricht kenntlich zu machen, bestätigt der akkreditierte Dienstanbieter die Verwendung der sicheren Anmeldung nach § 4 De-Mail-G. Hierzu versieht er im Auftrag des Senders die Nachricht mit einer dauerhaft überprüfbaren qualifizierten elektronischen Signatur.

Das Rechtmittel ist hier am 08.02.2019 als nicht absenderbestätigte De-Mail eingereicht worden. Es enthielt keine qualifizierte Signatur und ist somit auch nicht über einen sicheren Übermittlungsweg versandt worden. Das führt dazu, dass das vom Kläger mit der De-Mail eingelegte Rechtsmittel keine Rechtswirkung entfaltet und somit die Berufungsfrist nicht gewahrt ist.

Vom Formerfordernis des sicheren Übermittlungswegs kann auch nicht abgesehen werden, wenn sich aus den Nachrichten oder begleitenden Umständen die Urheberschaft und der Wille, das elektronische Dokument in den Verkehr zu bringen, hinreichend sicher ergibt (vgl. BSG, Beschluss vom 04.07.2018, B 8 SO 44/18 B, juris). Eine abweichende Beurteilung ist daher auch nicht in Zusammenschau mit den hier vorliegenden Umständen vorzunehmen.

Eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand ist dem Kläger nicht zu gewähren. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt nach § 67 Abs. 1 SGG voraus, dass jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Vorschrift einzuhalten. Der Kläger war nicht ohne Verschulden daran gehindert, die Berufung formgemäß einzulegen. Der Verschuldensmaßstab umfasst Vorsatz und Fahrlässigkeit. Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Es ist daher ein subjektiver Sorgfaltsmaßstab zugrunde zu legen. Der Kläger ist Informatiker und hätte daher wissen müssen und können, dass die De-Mail um den Formanforderungen zu genügen, der Übertragung auf einem sicheren Übermittlungsweg bedarf. Er selbst gibt an, dass ihm das Thema De-Mail aus seiner Tätigkeit als Informatiker bekannt ist. Selbst für einen Laien wird auf der in der Rechtsbehelfsbelehrung angegebenen ejustice Website darauf hingewiesen, dass der Absender bestätigt werden muss, indem im Postfach, das Häkchen "absenderbestätigt" angehakt wird und daher eine Überprüfung der Identität nur bei Errichtung des De-Mail Kontos, wie vom Kläger angeführt, nicht ausreichend ist.

Wiedereinsetzung kommt auch nicht wegen der Verletzung einer aus der prozessualen Fürsorgepflicht abgeleiteten Hinweispflicht des Gerichts in Betracht. Dafür müsste ein gebotener Hinweis unterblieben sein, obwohl er bei ordnungsgemäßem Geschäftsgang so rechtzeitig hätte erfolgen können, dass dem Beteiligten noch die Fristwahrung möglich gewesen wäre. (Stäbler in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 65a SGG, Rn. 35.3). Da der Kläger das Rechtsmittel erst am Freitag, den 08.02.2019 um 22:42 Uhr eingelegt hat, wäre er nur durch einen Hinweis am Tag des Fristablaufs, also am 11.02.2019, in der Lage versetzt worden, Weiteres zur Wahrung der Frist zu veranlassen. Ein dem Gericht zurechenbares schuldhaftes Zögern liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn an dem Tag, an dem die Berufungsschrift in den Geschäftsgang gegeben werden kann (hier also am 11.02.2019), ein richterlicher Hinweis unterblieben ist, sofern sich der Berufungsschrift wie hier keine Anhaltspunkte für eine besondere Dringlichkeit entnehmen lassen (BSG, Urteil vom 12.10.2016, B 4 AS 1/16 R, juris).

Eine Hinweispflicht ergibt sich auch nicht aus § 65 Abs. 6 Satz 1 SGG, da sich die Vorschriften nur auf Formatfehler und nicht auf Fehler bei der Art und Weise der Übermittlung eines elektronischen Dokumentes bezieht (Stäbler in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 65a SGG, Rn. 35.3).

Nach alledem ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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