L 9 R 3700/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 2154/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 3700/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27. September 2018 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.

Der 1968 geborene Kläger hat keinen Beruf E.nt; er war zuletzt als LKW-Fahrer und Paketfahrer versicherungspflichtig beschäftigt. Das letzte Beschäftigungsverhältnis wurde wegen Stellenabbau und Umstrukturierungen zum 31.10.2015 gekündigt.

Vom 21.07.2016 bis 18.08.2016 gewährte die Beklagte dem Kläger eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme; ausweislich des Entlassungsberichts der Reha-Klinik Ü. vom 25.08.2016 wurde der Kläger mit den Diagnosen Bewegungs- und Belastbarkeitsdefizit der Halswirbelsäule bei Osteochondrose und ausgeprägter muskulärer Verspannung/Dysbalance, ausgeprägte Anpassungsstörung auf Belastung im beruflichen Bereich und Probleme in Verbindung mit der sozialen Umgebung (wahrgenommene Zurückweisung und Diskriminierung) arbeitsfähig entlassen. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als LKW-Fahrer oder eine fakultative mittelschwere Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, bevorzugt im Wechselrhythmus, in allen Schichten seien ohne notwendige qualitative Einschränkung vollschichtig zumutbar.

Am 28.11.2016 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog den Entlassungsbericht der Reha-Klinik Ü., Berichte des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S. vom 23.10.2015, des Facharztes für Orthopädie Dr. E. vom 07.03.2016 und des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. vom 29.04.2016, einen Auszug der Karteikarte der Fachärztin für Allgemeinmedizin und Arbeitsmedizin Dr. K. vom 10.06.2016 sowie sozialmedizinische gutachterliche Stellungnahmen von Dr. R. für die Agentur für Arbeit R. vom 13.07.2016 und 13.09.2016 bei. Für den sozialmedizinischen Dienst der Beklagten wertete der Arzt für Chirurgie und Sozialmedizin Dr. S. die Befundberichte aus und vertrat in seiner Stellungnahme vom 14.12.2016 die Auffassung, bei dem Kläger bestehe eine Minderbelastbarkeit der Halswirbelsäule bei Verschleißveränderungen und eine Anpassungsstörung. Dem Kläger seien seinem positiven und negativen Leistungsbild entsprechende Tätigkeiten sechs Stunden und mehr arbeitstäglich zumutbar.

Mit Bescheid vom 16.12.2016 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, die medizinischen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung seien nicht erfüllt. Der Kläger sei in der Lage, noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig zu sein.

Zur Begründung seines hiergegen am 23.12.2016 erhobenen Widerspruchs legte der Kläger eine Leistungsfallübersicht seiner Krankenkasse für den Zeitraum 1987 bis 2011 vor und führte aus, die ihn hausärztlich bzw. fachpsychiatrisch behandelnden Ärzte Dr. K. und Dr. W. seien der Auffassung, dass seine Krankheiten sich nicht mehr besserten und seine Erwerbsminderung fortbestehe.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 09.06.2017 zurück. Unter Berücksichtigung aller Gesundheitsstörungen und der sich daraus ergebenden funktionellen Einschränkungen bei der Ausübung von Erwerbstätigkeiten seien keine Auswirkungen ersichtlich, die das Leistungsvermögen des Klägers für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zeitlich einschränkten. Ein Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung bzw. teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit bestehe nicht.

Hiergegen hat der Kläger am 27.06.2017 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben und vorgetragen, dass er sich aufgrund seiner Erkrankungen auf orthopädischem und nervenärztlichem Fachgebiet für nicht mehr in der Lage halte, drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Im Rahmen der Beweisaufnahme hat das SG die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen gehört und Gutachten bei dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. N. sowie auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers bei der Fachärztin für Psychiatrie/Psychotherapie Dr. E. eingeholt.

Dr. K. hat unter dem 07.09.2017 über die von 2009 bis 2017 erhobenen Befunde berichtet und ausgeführt, aus ihrer Sicht sei der Kläger grundsätzlich in der Lage, einer körperlich leichten und psychisch wenig belastenden Tätigkeit im Rahmen einer Fünf-Tage-Woche mindestens sechs Stunden täglich nachzugehen. Der Facharzt für Psychotherapeutische Medizin Dr. W. hat in seiner Auskunft vom 11.09.2017 über eine ausgeprägte depressive Symptomatik mit Antriebslosigkeit, Schlaflosigkeit und Verzweiflung berichtet und die Einschätzung vertreten, der Kläger könne aufgrund seines seelischen Zustandes seit Juli 2015 kaum oder evtl. noch unter dreistündig einer Tätigkeit nachgehen. Unter dem 28.09.2017 hat der Facharzt für Orthopädie Prof. Dr. B. angegeben, den Kläger insbesondere wegen Schulter-Nacken-Schmerzen behandelt zu haben. Eine Einschränkung des Leistungsvermögens hat er für sein Fachgebiet ausdrücklich verneint, aber auf die aus seiner Sicht im Vordergrund stehende psychiatrisch/psychologische Morbidität verwiesen.

In seinem Gutachten vom 10.03.2018 hat Dr. N. die Diagnosen Dysthymia, rezidivierende depressive Störung, derzeit remittiert, psychische und Verhaltensstörung durch Alkohol, psychische und Verhaltensstörung durch Tabak und HWS-Funktionsstörung ohne radikuläre Reizung angegeben. Der Kläger sei in der Lage, seinen zuletzt ausgeübten Beruf als Fahrer oder eine leichte körperliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch sechs Stunden täglich und mehr zu verrichten. Schwere und andauernd mittelschwere körperliche Arbeiten mit Lasten von mehr als 10 kg und Überkopfarbeiten, Tätigkeiten unter andauerndem Stress und Zeitdruck sowie solche mit hohem Publikumsverkehr seien dem Kläger nicht zuzumuten. Der Leistungseinschätzung des Dr. W. könne er sich nicht anschließen, da sich im Rahmen der aktuellen Befunderhebung keine Hinweise auf eine depressive Episode ergeben hätten, eine Antriebsstörung durch den Kläger selbst verneint worden sei und die Alltagsbewältigung gegen eine tiefergehende depressive Störung spreche.

Dr. E. hat in ihrem Gutachten vom 12.07.2018 eine Anpassungsstörung sowie eine chronische Schmerzstörung mit körperlichen und psychischen Faktoren diagnostiziert und die Einschätzung vertreten, der Kläger sei aus ihrer Sicht in der Lage, einer körperlich und nervlich wenig belastenden Tätigkeit sechs Stunden und mehr nachzugehen. Von der Einschätzung Dr. W.s weiche sie ab; dieser habe die von ihm angenommene Einschränkung des Leistungsvermögens nicht näher erläutert oder die dafür maßgeblichen Einschränkungen genannt.

Das SG hat den auf die nochmalige Einholung einer sachverständigen Zeugenauskunft bei Dr. W. gerichteten Beweisantrag des Klägers vom 23.08.2018 durch Beschluss vom 28.08.2018 abgelehnt und die Beteiligten mit Schreiben vom selben Tag zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.

Der Kläger hat die im Parallelverfahren vor dem SG (S 11 SB 2566/17) durch Dr. W. unter dem 29.10.2017 erstattete sachverständige Zeugenauskunft vorgelegt, wonach bei ihm dauerhaft eine mittelgradige rezidivierende Depression sowie eine anhaltende wahnhafte Störung vorliegen. Mit Beschluss vom 10.09.2018 hat das SG dem Antrag des Klägers, die sachverständige Zeugenauskunft des Dr. W. vom 29.10.2017 zu verwerten, stattgegeben und die Anträge, zum Beweis der Tatsache, dass Dr. W. gegenüber dem Prozessbevollmächtigten des Klägers in einem Telefonat am 21.08.2018 aktuell die Auffassung vertreten habe, dass beim Kläger eine mittelgradige rezidivierende Depression sowie eine anhaltende wahnhafte Störung vorliege, den Prozessbevollmächtigten als Zeugen zu vernehmen, zum Beweis der Tatsache, dass die sachverständigen Feststellungen des Dr. N. und der Dr. E. unzutreffend seien, da beim Kläger eine rezidivierende Depression sowie anhaltende wahnhafte Störungen vorliegen, die seit Juli 2015 auf Dauer eine leichte körperliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von weniger als drei Stunden für den Kläger unmöglich machen, Dr. W. als Zeugen zu vernehmen sowie den Antrag, Beweis zu erheben durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens auf orthopädischem Fachgebiet zum Beweis der Tatsache, dass die Erkrankungen des Klägers dazu führen, dass er auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt keine drei Stunden täglich erwerbstätig sein kann, abgelehnt.

Mit Gerichtsbescheid vom 27.09.2018 hat das SG die Klage abgewiesen. Die - näher dargelegten - Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung seien nicht erfüllt. Beim Kläger ließen sich weder auf orthopädischem noch auf nervenärztlichem Fachgebiet Erkrankungen finden, die für sich betrachtet oder in der Gesamtschau relevante Leistungseinschränkungen in quantitativer Hinsicht begründen könnten. Dies ergebe sich im Wesentlichen aus dem Gutachten des Dr. N., welchem sich das SG anschließe. Aus den festgestellten Gesundheitsstörungen leiteten sowohl Dr. N. als auch Dr. R. nachvollziehbar und schlüssig ab, dass dem Kläger aufgrund der teilweise eingeschränkten psychomentalen Belastbarkeit Tätigkeiten unter andauerndem Stress und Zeitdruck sowie solche mit hohem Publikumsverkehr, wechselnden Einsatzorten oder hoher Verantwortung für Menschen und Maschinen nicht zuzumuten seien. Eine darüberhinausgehende quantitative Leistungseinschränkung sei aber nicht feststellbar. Diese Leistungseinschätzung ergebe sich auch aus dem Gutachten von Dr. E., der Aussage der hausärztlich betreuenden Dr. K. und dem Entlassungsbericht der Rehaklinik Ü. Die Kammer verkenne nicht, dass Dr. W. eine quantitative Leistungseinschränkung angenommen und auch Prof. Dr. B. eine solche - fachfremd - für überwiegend wahrscheinlich gehalten habe. Deren Leistungseinschätzungen seien jedoch zur Überzeugung der Kammer durch das Gutachten von Dr. N. widerlegt. Eine Reduzierung des Leistungsvermögens auf unter sechs Stunden vermögen auch die Erkrankungen auf orthopädischem Fachgebiet nicht zu begründen, da die HWS-Funktionsstörungen ohne radikuläre Reizung keine höhergradigen Bewegungseinschränkungen oder neurologischen Defizite verursachten und auch nach Meinung des behandelnden Orthopäden Prof. Dr. B. einer mehr als sechsstündigen Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht entgegenstünden. Aus den medizinischen Unterlagen ergebe sich ein klares und eindeutiges Bild (lediglich) qualitativer Leistungseinschränkungen. Von einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes sei nicht auszugehen. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger nicht in der Lage wäre, seinen Arbeitsplatz aufzusuchen, bestünden nicht.

Gegen den ihm am 28.09.2018 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 17.10.2018 Berufung einlegen lassen und zur Berufungsbegründung sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Zwischen der Einschätzung der behandelnden Ärzte einerseits und den Gutachten von Dr. N. und Dr. E. andererseits bestünden erhebliche Diskrepanzen. Das SG habe den Beweisantrag auf ergänzende Vernehmung des Dr. W. zu den abweichenden medizinischen Ansichten der Gutachten Dr. N. und Dr. E. mit dem Argument abgelehnt, hierüber sei bereits Beweis erhoben worden, und auf den Befundbericht auf den 11.09.2017 hingewiesen, was sich insbesondere vor dem Hintergrund des Grundsatzes der Waffengleichheit - dem Kläger stehe kein Beratungsarzt zur Verfügung - und der Notwendigkeit zur Aufklärung der unterschiedlichen medizinischen Ansichten der Ärzte als rechtswidrig erweise, zumal dem behandelnden Arzt Dr. W. bisher keine Möglichkeit gegeben worden sei, sich zu den abweichenden Ansichten von Dr. N. und Dr. E. zu äußern. Es werde daher ausdrücklich nochmals die ergänzende Befragung des Dr. W. zum Beweis der Tatsache angeboten, dass die sachverständigen Feststellungen von Dr. N. und Dr. E. unzutreffend seien, da beim Kläger eine rezidivierende mittelgradige Depression sowie anhaltende wahnhafte Störungen vorliegen, die seit Juli 2015 auf Dauer eine leichte körperliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von mehr als drei Stunden für den Kläger unmöglich machten.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27. September 2018 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 16. Dezember 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Juni 2017 zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab Antragstellung zu gewähren, hilfsweise, zum Beweis der Tatsache, dass die Feststellungen des Dr. N. sowie von Dr. E. hinsichtlich des Gesundheitszustandes des Klägers unzutreffend sind, da beim Kläger eine rezidivierende mittelgradige Depression sowie anhaltende wahnhafte Störungen vorliegen, die mit Antriebslosigkeit, Schlaflosigkeit und Verzweiflung einhergehen, und er daher seit Juni 2015 auf Dauer eine leichte körperliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von mehr als drei Stunden nicht mehr ausüben kann, die ergänzende Befragung des Dr. W. von Amts wegen, hilfsweise nach § 109 Sozialgerichtsgesetz.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf die erstinstanzliche Entscheidung und ihr bisheriges Vorbringen.

Der Senat hat Dr. W. erneut als sachverständigen Zeugen gehört, der unter dem 23.01.2019 ausgeführt hat, den Kläger seit März 2017 bis Dezember 2017 regelmäßig (tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, eine Stunde wöchentlich) und 2018 bis September gelegentlich (ca. 1 Mal pro Monat) im Rahmen von stützenden Gesprächen behandelt zu haben. Seitdem bestehe ein gelegentlicher telefonischer Kontakt. Der Kläger leide unter einer rezidivierenden Depression (mittelgradig) und einer wahnhaften Störung. Über den gesamten Behandlungszeitraum habe eine depressive Symptomatik mit den (üblichen) leichten Schwankungen vorgelegen. Die depressive Symptomatik beinhalte Antriebslosigkeit, Konzentrationsschwäche und generell eine Vitalitätsminderung; die wahnhafte Störung beeinträchtige das klare Denken.

Zu der Aussage von Dr. W. hat der Klägervertreter am 08.03.2019 nochmals Stellung genommen. Die Aussage des Dr. W. widerspreche den Feststellungen der Gutachter Dr. N. und Dr. E., weshalb er weiterhin beantrage, Dr. W. zu deren sachverständigen Feststellungen und deren Auswirkungen auf eine körperliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu vernehmen, zumal Dr. W. am 23.01.2019 erneut eine mittelgradige Depression und eine wahnhafte Störung bescheinigt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung ist aber nicht begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG vom 27.09.2018 sowie der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 16.12.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.06.2017 sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung hat.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die begehrte Rente wegen voller und teilweiser Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 2 Satz 1, Abs. 1 Satz 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VI]) dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nicht besteht, da der Kläger noch wenigstens sechs Stunden täglich für zumindest leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leistungsfähig ist und die vorliegenden qualitativen Leistungseinschränkungen weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeeinträchtigungen noch eine schwere spezifische Leistungsbeeinträchtigung darstellen und nicht zu einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes führen. Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 SGB VI ist im Berufungsverfahren nicht beantragt worden und ist, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, ausgeschlossen, da der Kläger nicht vor dem 02.01.1961 geboren ist.

Der Senat schließt sich den Ausführungen des SG nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren uneingeschränkt an, sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Im Hinblick auf den klägerischen Vortrag und die durchgeführten Ermittlungen im Berufungsverfahren ist ergänzend lediglich auszuführen, dass auch der Senat nach der Gesamtwürdigung der ärztlichen Unterlagen nicht festzustellen vermag, dass das Leistungsvermögen des Klägers auch für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf unter sechs Stunden täglich herabgesunken ist. Dies hat das SG in nicht zu beanstandender Weise im Anschluss an das Gutachten des Dr. N., den Entlassungsbericht der Reha-Klinik Ü. und die Aussagen der behandelnden Ärzte zutreffend dargelegt; das Vorbringen im Berufungsverfahren und insbesondere die durch den Senat eingeholte sachverständige Zeugenauskunft des Dr. W. vom 23.01.2019 führen weder zu einer anderen Beurteilung, noch geben sie Anlass zu weiteren Ermittlungen. Eine Verschlimmerung der bei dem Kläger auf psychiatrischem Fachgebiet vorliegenden Gesundheitsstörungen lässt sich der Aussage des behandelnden Arztes nicht entnehmen. Dr. W. berichtet vielmehr, dass nach einer tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie mit wöchentlichen Terminen von März 2017 bis Dezember 2017 im Jahr 2018 nur noch gelegentliche Termine ("ca. 1mal pro Monat") in Form von stützenden Gesprächen und seit September 2018 nur noch ein gelegentlicher Kontakt stattfinden. Die abnehmende Behandlungsfrequenz ist für den Senat Anhaltspunkt für eine Besserung und Stabilisierung des Gesundheitszustandes, keineswegs aber Anlass für die Annahme einer Verschlechterung mit der Notwendigkeit weiterer Ermittlungen. Die Begutachtung durch Dr. N. fand am 13.02.2018, die durch Dr. E. am 12.07.2018 statt. Dr. W. selbst beschreibt unter dem 23.01.2019 auch keine Verschlechterung, sondern berichtet über eine depressive Symptomatik mit den "üblichen" leichten Schwankungen, in der Summe aber unverändert, und über unveränderte Diagnosen über den gesamten Behandlungszeitraum hinweg. Die hinsichtlich der depressiven Symptomatik relevanten Befunde (Antriebslosigkeit, Konzentrationsschwäche, generell Vitalitätsminderung) gab Dr. W. dementsprechend bereits in seiner sachverständigen Zeugenauskunft gegenüber dem SG vom 11.09.2017 an. Soweit Dr. W. in seiner Auskunft vom 23.01.2019 über eine wahnhafte Störung berichtet, wird diese zwar in der Aussage im Parallelverfahren vom 29.10.2017, nicht aber in der Aussage vom 11.09.2017 angegeben. Auch wenn, wie Dr. W. darlegt, die wahnhafte Störung aufgrund der Realitätsnähe der Gedanken in ihrer Überwertigkeit meist erst in einem längeren Behandlungszeitraum erkannt werden kann, ist es für den Senat nicht nachvollziehbar, dass die Erkrankung im September 2017 nach immerhin einer Behandlungsdauer von einem halben Jahr durch den behandelnden Arzt nicht diagnostiziert wurde. Sowohl Dr. N. als auch Dr. E. haben sich zudem mit der sachverständigen Zeugenaussage des Dr. W. vom 11.09.2017 und dessen Leistungseinschätzung auseinandergesetzt. Dr. N. hat eine Wahnstörung ebenso ausgeschlossen wie eine Wahrnehmungs- und Ich-Störung (vgl. Bl. 13 des Gutachtens). Das Schlafverhalten und ein beschriebenes resignativ verbittertes Ausdrucksverhalten sind von ihm gewürdigt worden. Von einer die Leistungsfähigkeit relevant beeinträchtigenden Erkrankung vermochte sich der Senat daher nicht zu überzeugen. Dr. N. hat zudem auf der Grundlage der von ihm erhobenen Befunde nachvollziehbar dargelegt, dass er sich der von Dr. W. vertreten Leistungseinschätzung nicht anschließen könne, da sich im Rahmen der aktuellen Befunderhebung keine Hinweise auf eine depressive Episode ergaben, eine relevanten Antriebsstörung nicht festzustellen war und auch durch den Kläger verneint wurde und die geschilderte Tagesbewältigung gegen eine tiefergehende depressive Störung spricht. Diese Auffassung wird von Dr. E. geteilt, die nach den von ihr erhobenen Befunden eine gravierende Einschränkung, die eine zeitliche Leistungsminderung auf unter sechs Stunden begründen würde, nicht erkennen konnte. Wie bereits das SG zutreffend ausgeführt hat, sind die Gutachten, die in Übereinstimmung mit dem Entlassungsbericht der Reha-Klinik Ü. und - mit Ausnahme von Dr. W. - der Einschätzung der behandelnden Ärzte stehen, schlüssig und überzeugend; eine quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens auf unter sechs Stunden liegt im Falle des Klägers nicht vor.

Den Hilfsanträgen des Klägers war nicht zu entsprechen. Zu den von ihm erhobenen Befunden ist Dr. W. durch das SG und den Senat schriftlich als sachverständiger Zeuge gehört worden; eine Verschlechterung der Befunde nach der Befragung ist nicht vorgetragen worden, so dass eine erneute Befragung durch den Senat nicht zu veranlassen war. Das bezeichnete Beweisbegehren enthält bereits keinen prozessordnungskonformen Beweisantrag im Sinne von § 118 Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 402 ff. Zivilprozessordnung (ZPO). Gemäß § 414 ZPO kommen in Bezug auf sachverständige Zeugen die Vorschriften der §§ 373 ff. ZPO über den Zeugenbeweis zur Anwendung. Aufgabe eines sachverständigen Zeugen ist es, sein Wissen über persönliche Wahrnehmungen zu schildern, die zu machen er aufgrund seiner besonderen Sachkunde in der Lage war (BSG, Beschluss vom 06.01.2016 - B 5 R 136/15 B -, Juris). Ein Beweisantrag mit dem Ziel der Vernehmung eines sachverständigen Zeugen muss deshalb bei Angabe des Beweisthemas die Art von Tatsachen (§ 373 ZPO) näher bezeichnen, die dieser selbst wahrgenommen haben soll, also z.B. Feststellungen eines Arztes zu den von ihm erhobenen gesundheitlichen Befunden oder Beobachtungen bei einer Operation. Die vom Kläger in seinem Beweisbegehren benannte Frage ("dass die Feststellungen des Dr. N. sowie von Dr. E. hinsichtlich des Gesundheitszustandes unzutreffend sind, da beim Kläger eine rezidivierende mittelgradige Depression sowie anhaltende wahnhafte Störungen vorliegen" und "er daher seit Juni 2015 auf Dauer eine leichte körperliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von mehr als drei Stunden nicht mehr ausüben kann") unterliegt als solche nicht der unmittelbaren persönlichen (fachkundigen) Wahrnehmung einer bestimmten Person, sondern ist als das Ergebnis einer fachkundigen Einordnung und Bewertung verschiedenster (auch nicht selbst wahrgenommener) Einzeltatsachen, aus denen Rückschlüsse auf die berufliche Leistungsfähigkeit einer Person gezogen werden können, dem Sachverständigenbeweis vorbehalten. Die genannte Frage ist daher von vornherein als Beweisthema eines prozessordnungsgerechten Antrags zur Beweiserhebung mit Hilfe eines sachverständigen Zeugen nicht geeignet (zur Vernehmung eines sachverständigen Zeugen zu der Frage, ob "der Kläger nicht mehr in der Lage ist, mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein" vgl. BSG, Beschluss vom 06.01.2016 - B 13 R 303/15 B -, und zum Beweis dafür, dass ein Kläger "nicht mehr arbeiten könne", BSG, Beschluss vom 01.07.2015 - B 5 R 136/15 B -, Juris). Der Senat sah sich daher nicht veranlasst, Dr. W. erneut von Amts wegen als sachverständigen Zeugen zu hören.

Darüber hinaus war der erstmals in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag, Dr. W. gemäß § 109 Abs. 2 SGG gutachtlich zu hören, als verspätet abzulehnen. Gemäß § 109 Abs. 1 Satz 1 SGG muss auf Antrag des Versicherten ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Dieses Antragsrecht, mit dem der Untersuchungsgrundsatz (§§ 103 und 106 SGG) durchbrochen wird, stellt eine Besonderheit des sozialgerichtlichen Verfahrens dar, die der Herstellung von Waffengleichheit zwischen den Beteiligten und dem Rechtsfrieden dient (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/S., SGG, § 109 Rdnr. 1 m. w. N.). Gemäß § 109 Abs. 2 SGG kann das Gericht einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

Für eine Verschleppungsabsicht sind vorliegend Anhaltspunkte nicht ersichtlich, so dass von vornherein lediglich die Tatbestandsalternative einer Verspätung aus grober Nachlässigkeit in Betracht kommt. Grobe Nachlässigkeit liegt vor, wenn jede nach sorgfältiger Prozessführung erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen ist, wenn nicht getan wird, was jedem einleuchten muss (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/S., a.a.O., § 109 Rdnr. 11, m.w.N.). Die Bejahung einer Verspätung kommt in Betracht, wenn der Beteiligte erkennen muss, dass das Gericht keine weiteren Ermittlungen von Amts wegen durchführt, oder wenn ihm das Gericht eine Frist für den Antrag setzt. Vorliegend hat die Berichterstatterin des Senats den Kläger mit gerichtlicher Verfügung vom 01.07.2019 darauf hingewiesen, dass der Rechtsstreit zeitnah zur Terminierung vorgesehen ist. Mit der Antragstellung erst im Termin der mündlichen Verhandlung tritt eine Verzögerung ein, weil sich der bereits ins Auge gefasste Zeitpunkt der Verfahrensbeendigung um mehrere Monate verschieben würde. Der Senat bejaht insoweit eine grobe Nachlässigkeit, denn der Kläger ist rechtskundig durch einen Anwalt vertreten und der Senat hatte mit dem Hinweis in der gerichtlichen Verfügung vom 01.07.2019 und der Ladung zum Termin mit Terminsbestimmung vom 25.07.2019 deutlich zu erkennen gegeben, keine Ermittlungen mehr durchführen zu wollen. Mithin liegen die Voraussetzungen für die Ablehnung des Antrages vor.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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