L 9 R 3904/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 3254/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 3904/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28. Juli 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach der Ziffer 4302 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV, im Folgenden BK Ziffer 4302).

Der 1963 geborene Kläger war zuletzt seit April 2009 bis zum Beginn der Arbeitsunfähigkeit am 07.09.2012 bei der D. Gemeinnützige AG tätig und hierbei mit Standardreparaturen und Modifikation im Bereich von faserverstärkten Kunststoffen beschäftigt. Mit ärztlicher Anzeige vom 13.09.2012 äußerte der Facharzt für Innere Medizin und Pneumologie Dr. M. den Verdacht des Vorliegens einer BK Ziffer 4302. Durch Schleifarbeit am Arbeitsplatz sei beim Kläger nach einer starken Hyperreagibilität mit Bronchospasmus Atemnot eingetreten. Es bestehe ein möglicher Zusammenhang mit einer allergischen Diathese. Die Beschwerden seien erstmals vor einer Woche aufgetreten, es bestehe Arbeitsunfähigkeit. Der Kläger gab hierzu an, als Diagnose sei u.a. eine bronchiale Hyperreagibilität gestellt worden, die mit Atemnot, einer veränderten Stimme, Heiserkeit, erschwertem Atmen durch die Nase und Hautreizungen einhergehe. Ursache sei das Schleifen und Sägen von GFK-Teilen und die Arbeit mit Epoxidharzen und verschiedenen Klebern in einem Raum ohne entsprechende Absaugung der belasteten Luft nach außen und ohne Frischluftzufuhr. Er sei mit der Bearbeitung von Teilen aus gipsfaserverstärkten Kunststoffen mit Freisetzung von Feinstäuben beim Schleifen und Sägen, Laminieren von Bauteilen mit Laminierharzen sowie mit Arbeiten mit gesundheitsgefährdenden Klebern und Farben sowie Lösungsmitteln beschäftigt gewesen. Ergänzend gab der Kläger in einem Fragebogen an, die Atemnot sowie die gleichzeitig aufgetretenen Hautreizungen seien erstmals am 05.09. bzw. 06.09.2012 aufgetreten. Er führe diese auf seine seit dreieinhalb Jahren mit verschiedenen Laminierharzen und Klebern durchgeführte Arbeit und die Bearbeitung von Kunststoffteilen in einem Werkstattraum ohne Absaugung ins Freie und ohne Frischluftzufuhr zurück. Die Atemwegsbeschwerden seien beim Schleifen eines Glasfaserteils aus Laminierharz, das nicht vollständig ausgehärtet gewesen sei, eingetreten. Unter Allergien leide er nicht, und vor Aufnahme der beruflichen Tätigkeit seien keine Atemwegserkrankungen aufgetreten.

Die Beklagte befragte zunächst die behandelnden Ärzte. Der Facharzt für HNO-Heilkunde Dr. M. teilte mit, der Kläger habe sich erstmals am 10.10.2012 wegen der Beschwerden bei ihm vorgestellt. Er habe hierbei unter einer trockenen geröteten Nasenschleimhaut sowie Kehlkopfschleimhaut gelitten. Dr. M. habe die Diagnosen einer Rhinitis sicca sowie einer chronischen Laryngitis gestellt. Diese Erkrankung sei wahrscheinlich berufsbedingt. Die behandelnde Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. H. gab im Schreiben vom 09.11.2012 an, der Kläger habe sich erstmals am 06.09.2012 wegen der streitigen Beschwerden an sie gewandt. Er habe über eine chronische Laryngitis, Atemnot während der Arbeit beim Schleifen unter der Schutzmaske geklagt, die nicht am Wochenende und im Urlaub aufträten. Als Diagnose habe sie eine obstruktive Bronchitis gestellt. Ihrer Auffassung nach sei die Erkrankung berufsbedingt. In seinem Bericht vom 04.12.2012 schrieb Dr. M., der Kläger habe sich erstmals am 12.09.2012 in seiner Praxis vorgestellt, woraufhin er die Diagnose einer bronchialen Hyperreagibilität gestellt habe. Somit habe der Verdacht auf ein Asthma bronchiale bestanden. Zusätzlich sei eine erhebliche Sensibilisierung gegenüber verschiedenen Bäumen festgestellt worden. Bei der nachgewiesenen Hyperreagibilität und dem Verdacht auf Asthma sollte der Kläger möglichst ohne inhalative Belastung arbeiten. Bei Nachweis verschiedener Allergien liege eventuell eine Komorbidität vor, es sei jedoch festzustellen, dass außerhalb des Arbeitsplatzes bisher nie Beschwerden aufgetreten seien. Die Krankengeschichte und die erhobenen Befunde zeigten schlüssig, dass die vom Kläger geschilderten Probleme einen unmittelbaren Zusammenhang zur Staubbelastung am Arbeitsplatz aufwiesen. Auffällig sei weiter, dass die Beschwerden erst nach Veränderung der Schutzmaßnahmen (Wegfall der Absaugung) entstanden seien. In der einschlägigen Fachliteratur werde die Verarbeitung von Kunststoffen als besondere Gefährdung für die Entstehung eines Berufsasthmas gewertet. Da die Beschwerden ausschließlich am Arbeitsplatz aufgetreten seien, halte er die Erkrankung für berufsbedingt.

Die Beiziehung des Vorerkrankungsverzeichnisses bei der A. ergab eine Arbeitsunfähigkeitszeit vom 19.01.1996 bis 26.01.1996 wegen einer akuten Sinusitis frontalis.

Nachdem der Kläger bei seiner Krankenkasse einen Antrag auf Gewährung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme auf Kosten der Deutschen Rentenversicherung gestellt und diese den Antrag an die Beklagte weitergeleitet hatte, erfolgte vom 26.03. bis 23.04.2013 zu Lasten der Beklagten die gewünschte stationäre Rehabilitationsmaßnahme in der BG-Klinik für Berufskrankheiten in Bad R. Im Entlassungsbericht vom 06.05.2013 wurden die Diagnosen eines arteriellen Hypertonus, einer Typ-I-Sensibilisierung gegen allgemeine Umweltallergene (Baumpollen) sowie einer leichten bronchialen Hyperreagibilität gestellt. Eine obstruktive Ventilationsstörung habe zu keinem Zeitpunkt nachgewiesen werden können.

Weiterhin holte die Beklagte die Stellungnahme des Chemikers F. des Präventionsdienstes zur Arbeitsplatzexposition vom 21.03.2013 ein. Darin führte dieser aus, der Arbeitsplatz des Versicherten habe über eine mobile Staubabsaugung verfügt. Die eingesetzten Jahresmengen an Epoxidharz bewegten sich im einstelligen Kilogrammbereich, die der Härter entsprechend um 1 kg im Jahr. Aufgrund der verwendeten Jahresmengen, der mobilen Absauganlage und der Verteilung der Tätigkeit über das Jahr sei grundsätzlich von einer Einhaltung vorhandener Grenzwerte auszugehen. Dies schließe weder Geruchsbelästigungen noch einzelne Expositionsspitzen aus.

Hierzu nahm der Kläger mit Schreiben vom 22.05.2013 ausführlich Stellung. Zwar sei ein mobiler Entstauber in Betrieb gewesen, doch sei dessen Filtereinsatz nur selten gereinigt worden. Auch die Filter der im Raum befindlichen Klimaanlage seien höchstens einmal jährlich gereinigt worden. Die gesetzlich vorgeschriebene arbeitsmedizinische Untersuchung nach G 23 sei zu keiner Zeit erfolgt, lediglich die Untersuchung nach G 29 habe am 26.10.2009 stattgefunden. Eine arbeitsmedizinische toxikologische Beratung im Rahmen der mündlichen Unterweisung nach Gefahrstoffverordnung sei ebenfalls nicht durchgeführt worden. Er habe bei Schleifarbeiten nur eine Halbmaske nach Schutzstufe FFP 1 getragen, obwohl mindestens eine solche nach FFP 2 nötig gewesen wäre. MAK-Messungen zur Staubbelastung seien nicht erfolgt, die Einhaltung von Grenzwerten sei nicht nachgewiesen. Hierzu hat Herr Funk am 01.07.2013 erneut Stellung genommen. Der Arbeitsplatz des Klägers entspreche nicht dem heutigen Stand der Technik, auch liege keine lückenlose Dokumentation z.B. nach Gefahrstoffverordnung vor. Trotzdem sei aufgrund der verwendeten Jahresmengen und der Verteilung über das Jahr grundsätzlich von einer Einhaltung vorhandener Grenzwerte auszugehen. Auf die weiteren Stellungnahmen des Klägers vom 24.07.2013 sowie des Herrn F. vom 12.08.2013 wird Bezug genommen.

Im Anschluss hieran hat die Beklagte ein lungenfachärztliches Gutachten zum Vorliegen der BKen Ziffer 4302 bzw. 4301 in Auftrag gegeben, auf Vorschlag des Klägers bei Prof. Dr. C. der R.klinik in E. In diesem Gutachten vom 03.02.2014 hat Prof. Dr. C. nach stationärem Aufenthalt des Klägers in der Klinik vom 25.11. bis 26.11.2013 eine obstruktive Atemwegserkrankung in leichtem Ausmaß mit gesicherter bronchialer Hyperreagibilität, die als Asthma bronchiale zu bezeichnen sei, diagnostiziert. Dieses Asthma sei bei einer polyvalenten Sensibilisierung gegenüber Pollen der Bäume und Unkraut bei früherer Rhinokonjunktivitis allergica durchaus als initial allergische Schädigung des Bronchialsystems zu werten. Durch die Exposition am Arbeitsplatz habe sich eine verstärkende Symptomatik und Ausprägung einer auch unspezifischen bronchialen Hyperreagibilität entwickelt. Die nicht berufliche Anlage zu einer Überempfindlichkeit der Atemwege lasse die Erkrankung nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit als eine beruflich bedingte obstruktive Atemwegserkrankung vom Typ der BK Ziffer 4302 diagnostizieren. Es erscheine plausibel, dass bei dem Anfang des Jahres 2012 sich zunehmend äußernden kranken Atemwegssystem die erhöhte Exposition mit Schleifstäuben, mit Abschleifen einer speziellen Brandschutzfarbe sowie die zusätzliche psychische Belastung wegen der Konflikte am Arbeitsplatz eine Verschlimmerung der Beschwerden ausgelöst habe. Es sei nicht im Sinne einer Entstehung, sondern im Sinne einer Verschlimmerung eines vorbestehenden Leidens zu werten. Auch nach Ende der Exposition sei es nicht zu einem kompletten Verschwinden der obstruktiven Atemwegserkrankung und der bronchialen Hyperreagibilität gekommen. Eine asthmatische Erkrankung des Atemwegssystems sei gesichert, wahrscheinlich beginnend im März 2012, dokumentiert im September 2012, im April 2013 und erneut im November 2013. Die Entstehung der Atemwegserkrankung sei wahrscheinlich nicht auf die auf Atemwege einwirkenden Stoffe (deren Wirkung chemisch irritativ, nicht allergisch oder toxisch sei) zurückzuführen, sondern es bestehe ein präexistent hyperreagibles Bronchialsystem im Sinne einer asthmatischen Reaktion mit einer Verschlimmerung und Bewusstwerden der Symptome durch die erhöhte Exposition in der Phase August/September 2012. Der Versicherte sei keinen Stoffen ausgesetzt, die die obstruktive Atemwegserkrankung außerberuflich verschlimmern könnten. Vorbekannt sei eine wahrscheinlich initial allergische Erkrankung des oberen Atemwegssystems bei polyvalenter Sensibilisierung mit Manifestwerden der bronchialen Obstruktion im weiteren Verlauf des Jahres 2012 durch die berufliche Exposition. Der Kläger könne die Tätigkeit am bisherigen Arbeitsplatz nicht ohne Bedenken für die Gesundheit fortsetzen. Er müsse alle Tätigkeiten unterlassen, die ihn im Sinne der Verschlimmerung der Erkrankung symptomatisch hätten werden lassen. Er könne seine bisherige Tätigkeit mit der nicht zu vermeidenden Exposition gegenüber den angeführten zahlreichen Stoffen nicht mehr fortsetzen. Es habe daher der objektive Zwang zur Aufgabe der Tätigkeit als Laminierer/Kunststoffverarbeiter beim bisherigen Arbeitgeber bestanden.

Zu diesem Gutachten führte der Kläger im Schreiben vom 27.08.2014 an, unter keinen allergischen Vorerkrankungen gelitten zu haben. Er habe niemals Heuschnupfen gehabt, sei deswegen auch nie beim Arzt gewesen, habe nie Medikamente genommen. Am 02.01.1999 sei wegen anderer Beschwerden (einseitig verstopfte Nase) ein Allergietest gemacht worden, doch sei keine allergische Vorerkrankung dokumentiert. In der Rehaklinik habe er lediglich angegeben, dass 1999 ein Allergietest gemacht worden sei. Die daraufhin erhobene Behauptung, er hätte vor 1999 eine Heuschnupfensymptomatik gehabt, sei unwahr. Auch habe bei ihm nie eine saisonal auftretende Rhinokonjunktivitis allergica bestanden. Diese unrichtigen Annahmen des Prof. Dr. C. hätten zu der unrichtigen Beantwortung der weiteren Beweisfragen geführt. In der Anlage hat der Kläger einen Allergentestbogen vom 02.11.1999 der HNO-Ärztin K. vorgelegt.

Am 18.03.2014 erging eine gewerbeärztliche Feststellung der staatlichen Gewerbeärztin E., wonach eine Berufskrankheit gemäß Ziffer 4302 der BKV in nicht entschädigungspflichtigem Ausmaß zur Anerkennung vorgeschlagen wurde mit der Begründung, die beim Kläger diagnostizierte bronchiale Überempfindlichkeit sei höchstwahrscheinlich durch seine seit April 2009 ausgeübte Tätigkeit als Laminierer und Schleifer im Bereich Reparatur von Flugzeugteilen der D. verursacht worden. Der Kläger habe zuvor niemals unter Atembeschwerden oder klinischen Zeichen einer Inhalationsallergie auf Umweltallergene gelitten. Eine Heuschnupfensymptomatik, wie sie im Gutachten genannt werde, habe niemals bestanden.

Mit Bescheid vom 24.09.2014 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK Ziffer 4302 bzw. 4301 ab. Eine BK Ziffer 4301 scheide aus, da von einer Allergie gegenüber Berufsstoffen nicht auszugehen sei. Hinsichtlich der BK Ziffer 4302 führte die Beklagte aus, beim Kläger liege eine allergische Disposition vor, die erstmalig ohne Bezug zu einer Arbeitsplatzexposition im März 2012 symptomatisch geworden sei. Nachweislich bestehe beim Kläger eine Mehrfachsensibilisierung gegenüber verschiedenen Baum- und Unkrautpollen, die über Jahre anlagebedingt zu einem hyperreagiblen Bronchialsystem und der leichten obstruktiven Ventilationsstörung geführt habe. Die Exposition gegenüber schädigenden Substanzen habe aufgrund dieser vorbestehenden Hyperreagibilität zwar zu Beschwerden in Form einer Atemwegsreizung geführt, sei aber nicht mit Wahrscheinlichkeit wesentliche Ursache der Atemwegserkrankung. Nachdem jedoch Prof. Dr. C. davon ausgegangen sei, dass bei weiterer Ausübung der Tätigkeit die konkrete Gefahr der Entstehung einer manifesten Berufskrankheit bestehe, lägen die Voraussetzungen für vorbeugende Maßnahmen nach § 3 BKV vor. Es sei daher mit der Ärztin sowie dem Arbeitgeber eine Belastungserprobung vereinbart worden, die erfolgreich durchgeführt worden sei. Damit habe der Eintritt einer BK Ziffer 4302 vermieden werden können, sodass weitere Leistungsansprüche nicht bestünden.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein unter Wiederholung und Vertiefung der bereits zuvor abgegebenen Begründung. Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.01.2015 zurück.

Gegen die Ablehnung der Anerkennung der BK Ziffer 4302 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben mit der Begründung, die Ermittlungen zum Arbeitsplatz seien von der Beklagten verzögert worden und nachlässig und unvollständig geführt worden. Es seien weder sämtliche Gefahrstoffe korrekt mengenmäßig erfasst worden noch deren Zusammenwirken untereinander. Eine Wiedereingliederung beim Arbeitgeber sei gescheitert. Das Gutachten des Prof. Dr. C. sei fehlerhaft, weil darin von einer falschen Tatsachenbehauptung (Heuschnupfen) ausgegangen worden sei und auch kein Provokationstest mit vergleichbaren Stoffen zu den atemwegsreizenden Gefahrstoffen am Arbeitsplatz durchgeführt worden sei. Laut gewerbeärztlicher Feststellung liege eine BK Ziffer 4302 vor.

Die Beklagte hat eine weitere Stellungnahme des Herrn F. vom 15.05.2015 vorgelegt, worin dieser ausführlich zu einzelnen Gefahrstoffen Stellung genommen hat. Auf dessen Ausführungen wird verwiesen (Bl. 32 f. SG-Akte).

Mit Urteil vom 28.07.2015, das dem Kläger am 05.08.2015 zugestellt worden ist, hat das SG die Klage abgewiesen und sich hierbei auf die Ausführungen von Prof. Dr. C. gestützt.

Hiergegen richtet sich die am 31.08.2015 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegte Berufung des Klägers mit der bereits zuvor abgegebenen Begründung.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28. Juli 2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. September 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Januar 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, eine Berufskrankheit nach der Nr. 4302 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat auf die Ausführungen des Prof. Dr. C. im Gutachten vom 03.02.2014 sowie auf den Inhalt des Bescheides sowie des Widerspruchsbescheides verwiesen.

Das Gericht hat zunächst Diplommedizinerin K. als sachverständige Zeugin befragt, bei der der Kläger 1999 den Allergietest durchgeführt hatte. Diese gab in ihrem Schreiben aus Mai 2016 an, nach 17 Jahren seien keine Unterlagen mehr vorhanden. Aus den Angaben, die im Computer gespeichert seien, sei aber zu folgern, dass der Kläger wahrscheinlich keine allergischen Beschwerden geäußert habe, sie aber im Rahmen der Diagnostik einen Allergietest durchgeführt habe, der positiv ausgefallen sei. Dies sei durchaus nicht ungewöhnlich. Es gebe sehr viele Patienten mit einer Sensibilisierung im Pricktest ohne jegliche klinische Symptomatik. In einem beigefügten Computerauszug findet sich unter dem 29.10.1999 folgender Eintrag: Diagnose: Fokussuche bei chronischer Rhinopharyngolaryngitis sicca, Verdacht auf allergische Komponente; 02.11.1999: Diagnose: Pollinosis, bisher nicht bekannt. 30.03.2000: ICD J 30.3 sonstige allergische Rhinopathie.

Im Anschluss hieran hat das Gericht den Facharzt für Innere Medizin, Pneumologie, Allergologie, Schlafmedizin N. mit der Erstellung eines lungenärztlichen Gutachtens betraut, der nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 18.10.2016 in seinem Gutachten vom 19.12.2016 eine leichtgradige bronchiale Hyperreagibilität bestätigt hat. Zwar werde vom Kläger eine pollenassoziierte Atemwegserkrankung als eine klinische Relevanz der Sensibilisierungen negiert, doch stünden dem dreimalige Vorstellungen in der Praxis K. gegenüber, die letztendlich den Befund einer chronischen Rhinopathie ergäben. Diese chronische Rhinopathie sei sicherlich auch geeignet, eine bronchiale Hyperreagibilität im Sinne eines Etagenwechsels zu triggern. Auffällig sei, dass trotz zweijähriger Expositionskarenz am Arbeitsplatz nun eine entsprechende FeNO-Positivität bestehe, während bei dem Aufenthalt in Bad R. die FeNO-Messung negativ gewesen sei. Hier bestehe die Frage, ob die Messung unter inhalativer Steroid-Therapie durchgeführt worden sei oder nicht, dies sei nicht unbedeutend. Andererseits scheine hier aufgrund der positiven FeNO-Messung trotz dauerhaft bestehender beruflicher Expositionskarenz durchaus ein weiterer Trigger für die bronchiale Hyperreagibilität zu postulieren. Letztendlich bleibe hier nur die Durchführung umfangreicher Provokationstestungen, zum einen mit den angegebenen und positiv getesteten Aeroallergenen - dies könne im klassischen Set in einer Lungenfachklinik durchgeführt werden. Bezüglich der in den Akten umfangreich diskutierten atemwegsreizenden Stoffe müsse zum anderen geprüft werden, inwieweit hier eine Provokationsdiagnostik in einem arbeitsmedizinischen Setting durchgeführt werden könne. Letztendlich bleibe jedoch auch nach multiplen Provokationstestungen immer noch die Möglichkeit der Entwicklung eines Late-Onset-Asthmas mit leichter FeNO-Positivität, also völlig unabhängig von beruflicher Exposition oder Aeroallergen-Sensibilisierung. Subjektiv habe der Kläger über die klassischen Symptome der bronchialen Hyperreagibilität geklagt. Lungenfunktionell sei dies mehrfach dokumentiert, das erste Mal in der Praxis Dr. M. im Jahr 2012, weiterhin in Bad R. 2013 und in Bochum im Jahr 2016 und nunmehr auch hier im Sinne einer leichtgradigen bronchialen Hyperreagibilität. Ob diese letztendlich schon vorher bestanden habe und einfach nicht nachgewiesen sei, bleibe spekulativ, wenngleich der Kläger jegliche klinische Assoziation bestreite. Die angeschuldigten beruflichen Expositionsstoffe seien durchaus geeignet, eine BK Ziffer 4302 im Sinne eines irritativen Asthmas zu triggern. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Störungen hierdurch verursacht werden. Insbesondere seien Epoxidharze, Schleifstäube in erheblichen Mengen, Farblackierungen, Lösungsmittel, Aceton u.Ä. in der Lage, die vorbekannte und beklagte bronchiale Obstruktion zu triggern. Es könne auf keinen Fall ausgeschlossen werden, dass die Störungen hierdurch verursacht worden seien. Letztendlich bleibe jedoch die Diskussion, inwieweit diese Exposition im Sinne einer Aufpfropfung, also einer Verschlimmerung bei einer vorbekannten bronchialen Hyperreagibilität, wirksam sei, oder ob diese das auslösende Agens sei. Nicht selten gehe eine unzureichend behandelte Rhinopathie bei entsprechenden Sensibilisierungen mit der Zeit im Sinne eines Etagenwechsels in eine bronchiale Hyperreagibilität über. Diese sei jedoch in den Vorjahren vor 2012 nie dokumentiert. Am wahrscheinlichsten sei eine vorbekannte Verschlimmerung durch die berufsbedingte Exposition. Es zeige sich nun nach entsprechender beruflicher Expositionskarenz eine deutliche Besserung der Beschwerden. Andererseits verbleibe eine bronchiale Hyperreagibilität trotz Verzichts auf dauerhafte inhalative Therapie. Auffällig sei auch eine positive FeNO-Messung, sodass hier sicherlich ein zusätzlicher Faktor außerhalb des irritativ toxischen Bereichs für die Entstehung des Asthma bronchiale anzunehmen sei.

Im Anschluss hat das Gericht die Beklagte und hier insbesondere Herrn F. um weitere Stellungnahme zu den am Arbeitsplatz vorkommenden Gefahrstoffen, den verwendeten Mengen, ihrer chemisch-irritativen bzw. toxischen Wirkung, zum Wechseln bzw. Reinigen des Filtereinsatzes im mobilen Entstauber, zum Tragen von Filtermasken sowie zu Schleifarbeiten gebeten. Auf seine Ausführungen wird Bezug genommen (Bl. 87 ff. LSG-Akte). Weiterhin hat der Senat den Gutachter N. um eine ergänzende Stellungnahme gebeten, der darin am 07.05.2018 ausgeführt hat, es bestehe weiter eine bronchiale Hyperreagibilität. Durch die entsprechende klinische Symptomatik und FeNO-Positivität bestätige sich letztendlich die Diagnose eines Asthma bronchiale. Das Entstehen einer bronchialen Hyperreagibilität sei multifaktoriell. Genannt sei hier die Pollenexposition mit entsprechender Rhinopathie, spekulativ die Möglichkeit eines Late-Onset-Asthmas unabhängig von jeder beruflichen Exposition, und auch die entsprechenden Stoffe, denen der Kläger exponiert gewesen sei, seien zweifellos geeignet, eine bronchiale Hyperreagibilität zu erzeugen. In welchem Ausmaß dies letztendlich geschehe, bleibe allerdings spekulativ. Bei einem irritativ toxischen Asthma nach der BK Ziffer 4302 sei zweifellos davon auszugehen, dass das Ausmaß der Exposition im Sinne von Konzentration und Dauer der Exposition relevant sei. Eine nur kurzzeitige leichtgradige Exposition sei weniger geeignet, eine bronchiale Hyperreagibilität zu erzeugen, als eine langzeitige hochkonzentrierte Exposition. Die im Fall des Klägers angegebene Dauer der entsprechenden Exposition sei allerdings zweifellos geeignet, eine entsprechende bronchiale Hyperreagibilität zu erzeugen. Letztendlich blieben hier nur entsprechende Provokationstestungen, um den Fall endgültig zu klären. Dies müsse allerdings im arbeitsmedizinischen Setting angestrebt werden.

Unter Berücksichtigung dessen hat der Senat Prof. Dr. S., Kommissarischer Leiter des Instituts und der Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin der Universität G., mit der Erstellung eines weiteren Gutachtens betraut, diesmal unter Zurverfügungstellung der durch den Arbeitgeber übersandten Arbeitsstoffe. Nach ambulanter Untersuchung und Durchführung arbeitsplatzbezogener Inhalationstests hat Prof. Dr. S. in seinem Gutachten vom 13.02.2019 eine leichte unspezifische bronchiale Hyperreagibilität nachweisen können sowie im Prick-Test eine Sensibilisierung gegenüber mittel- und frühblühenden Baumpollen sowie gegenüber ubiquitären Umweltallergenen. Es fand sich indes kein Hinweis auf eine obstruktive Atemwegserkrankung oder Rhinopathie in den arbeitsplatzbezogenen Inhalationstests auf vom Gericht zur Verfügung gestellte Arbeitsstoffe. Der Kläger sei an seinem Arbeitsplatz Produkten mit chemisch-irritativem Potenzial auf die Atemwege in unterschiedlichen Mengen ausgesetzt gewesen. In sieben verschiedenen Arbeitsplatz-Inhalationstests sei der Atemwegswiderstand im Normbereich geblieben, der relative Atemstoßwert (FEV1/FVK) sei nie eingeschränkt gewesen, eine wässrige Rhinopathie sei nicht aufgetreten. Augentränen oder Nasenlaufen seien nicht diagnostiziert worden, auch in der Rhinomanometrie habe sich keine Flussminderung gefunden. Der Kläger habe über eine vermehrte Atemnot beim Schleifen von Flugzeugoberflächen, auf denen Brandschutz- und Tagesleuchtfarben aufgetragen worden seien, berichtet. Die Beschwerden könnten allerdings nicht einem einzigen Stoff und einer einzigen Tätigkeit zugeordnet werden. Sie seien beim Schleifen als auch bei anderen Werkstoffen aufgetreten. Zusammenfassend könne somit eine obstruktive Atemwegserkrankung nach Einwirkung von chemisch-irritativen Gefahrstoffen am Arbeitsplatz nicht abgeleitet werden. Die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen zur Anerkennung einer BK Ziffer 4302 seien somit nicht wahrscheinlich. Als konkurrierender Faktor für die unspezifische bronchiale Hyperreagibilität bestehe eine Sensibilisierung gegenüber früh- und mittelblühenden Baumpollen. Passend dazu habe sich eine erhöhte Gesamt-IgE im Labor als Hinweis für eine atopische Diathese gezeigt. Auch die Schleimhautschwellung im Bereich der Nasennebenhöhlen spreche für ein sinu-bronchiales Syndrom. Die Reinigung der Absauganlage habe keine Auswirkung auf die Exposition gegenüber chemisch-irritativen Stoffen am Arbeitsplatz, auch die Häufigkeit der Reinigung sei hierfür nicht wesentlich verantwortlich.

Der Kläger hat hierzu dargelegt, aus seiner Sicht seien die Ermittlungen zum Arbeitsplatz nicht vollständig erfolgt, insbesondere nicht im Hinblick auf das seine Erkrankung im September 2012 auslösende brandhemmende Harzsystem L 940 sowie auf Reaktionen durch das Einatmen von Schleiftstäuben durch tagelange Schleifarbeiten.

Hieraufhin hat der Senat Prof. Dr. S. unter Zusendung des vom Arbeitgeber des Klägers zur Verfügung gestellten Sicherheitsdatenblattes zum Stoff L 940 um ergänzende Stellungnahme gebeten, der darin am 04.07.2019 angegeben hat, L 940 weise die gleichen chemisch-irritativen Gefahrstoffe aus wie die, die anlässlich der arbeitsplatzbezogenen Inhalationstest bereits getestet worden seien; auch die Angaben zu den vom Kläger verwendeten Mengen ließen keine andere, insbesondere höhere Gefahrstoffeinwirkung erwarten. Auf einen weiteren arbeitsplatzbezogenen Inhalationstest könne daher verzichtet werden. Schleifstäube hätten im Allgemeinen kein chemisch-irritatives oder toxisch wirkendes Potenzial auf die Atemwege, könnten aber im Sinne einer unspezifischen bronchialen Hyperreagibilität zu einer obstruktiven Atemwegserkrankung führen. Eine Änderung gegenüber dem Gutachten ergebe sich nicht.

Mit Schreiben vom 16.04.2019 bzw. 03.08.2019 haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte und auch ansonsten zulässige Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte (§ 124 Abs. 2 SGG), ist nicht begründet, da die angefochtenen Bescheide der Beklagten sowie das Urteil des SG nicht zu beanstanden sind.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 24.09.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.01.2015, mit dem die Beklagte das Vorliegen von BKen nach Ziffer 4302 sowie 4301 abgelehnt hat. Da der Kläger vor dem SG und auch vor dem LSG nur noch das Vorliegen der BK Ziffer 4302 weiterverfolgt hat, war nur hierüber zu entscheiden. Die hier vorliegende kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist zulässig. Mit der Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG begehrt der Kläger die Aufhebung der die Anerkennung der streitigen BK ablehnenden Verwaltungsentscheidung. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) kann der Versicherte anstelle gerichtlicher Feststellung (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG) auch die Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung einer BK bzw. eines Arbeitsunfalls als Element eines jeglichen Leistungsanspruchs im Wege der Verpflichtungsklage verlangen (BSG, Urteile vom 05.07.2011 - B 2 U 17/10 R - und vom 15.05.2012 - B 2 U 8/11 R -, beide in juris).

Die Voraussetzungen für die Anerkennung der BK Ziffer 4302 sind nicht erfüllt.

Rechtsgrundlage für die Anerkennung dieser BK ist § 9 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) i.V.m. BK Ziffer 4302. Die BK Ziffer 4302 lautet: "Durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können". Der Tatbestand der BK Ziffer 4302 enthält darüber hinaus weder normative Vorgaben in Form einer Mindestdosis oder Mindestdauer der Einwirkung noch eine inhaltliche Eingrenzung der möglichen Krankheitsbilder. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind BKen nur diejenigen Krankheiten, die durch die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats als solche bezeichnet sind (sog. Listen-BK) und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Für die Feststellung einer Listen-BK ist erforderlich, dass die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) und diese Einwirkungen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Dass die berufsbedingte Erkrankung ggf. den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist keine Voraussetzung einer Listen-BK. Die Voraussetzungen der "versicherten Tätigkeit", der "Verrichtung", der "Einwirkungen" und der "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises - also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit, allerdings nicht die bloße Möglichkeit (stRspr; vgl nur BSG, Urteile 17.12.2015 - B 2 U 11/14 R - und vom 30.03.2017 - B 2 U 6/15 R -, beide in Juris).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe konnte sich der Senat vom Vorliegen der BK Ziffer 4302 nicht überzeugen.

Der Kläger leidet zwar - und dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig - an einer bronchialen Hyperreagibilität. Dies folgt nicht nur aus dem Gutachten des Prof. Dr. S., sondern auch aus dem Gutachten des Prof. Dr. C., das im Wege des Urkundsbeweises zu verwerten ist, sowie des Gutachters N. Letztere haben daneben auch noch ein Asthma bronchiale angenommen. Insofern besteht beim Kläger unstreitig eine obstruktive Lungenerkrankung. Es lagen auch Einwirkungen im Sinne der BK Ziffer 4302 vor insofern, als der Umgang mit atemwegsreizenden Stoffen (Xylol, Styrol, Propanol und ihre Derivate, vgl. Gutachten des Prof. Dr. S.) am Arbeitsplatz bestätigt wurde. Dies ergibt sich nicht nur aus den Ausführungen des Prof. Dr. S., sondern auch aus den diversen Stellungnahmen des Präventionsdienstes zur Arbeitsplatzexposition und aus den Gutachten des Prof. Dr. C. und N., die übereinstimmend dargelegt haben, dass diese Stoffe grundsätzlich in der Lage sind, insbesondere bei einem empfindlichen Bronchialsystem obstruktive Symptome hervorzurufen oder zu verschlimmern (vgl. Seite 20 im Gutachten des Prof. Dr. C.) bzw. - wie der Gutachter N. es ausdrückt - eine BK Ziffer 4302 im Sinne eines irritativen Asthmas zu triggern.

Es fehlt jedoch an der haftungsbegründenden Kausalität, d.h. an einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit, dass die Atemwegserkrankung des Klägers auf beruflich bedingten Einwirkungen beruht.

Die ausführlichen Stellungnahmen des Präventionsdienstes zu den Grenzwerten, die Frage der Qualität der Absauganlage und zur Häufigkeit der Filterreinigungen, die Tatsache unterbliebener Messungen und unzureichender Atemschutzmaske führen an dieser Stelle nicht weiter, da BK Ziffer 4302 keine Grenzwerte enthält und arbeitsbedingte Atemwegserkrankungen nach medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen auch unterhalb der Grenzwerte verursacht werden können und allmählich zu Krankheitssymptomen führen (vgl. hierzu überzeugend SG Karlsruhe, Urteil vom 14.12.2016 - S 1 U 3686/15 - unter Verweis ein dort eingeholtes Sachverständigengutachten und auf Nr. 2.8 der Technischen Regel für Gefahrstoffe (TRGS) 900 "Arbeitsplatzgrenzwert" und Nr. 2 Abs. 6 der Technischen Regeln 406 für biologische Arbeitsstoffe und Gefahrstoffe "Sensibilisierende Stoffe für die Atemwege"; s. auch Bayerisches LSG, Urteil vom 28.06.2016 - L 2 U 338/13 -, beide in Juris). Letztlich kommt es hier auf das Ausmaß der Atemwegserkrankung (nur bronchiale Hyperreagibilität oder auch Asthma bronchiale) ebenso wenig an wie auf das Ausmaß der Einwirkungen, da die verarbeiteten Stoffe unabhängig von ihrer Konzentration nicht Ursache der Atemwegserkrankung sind.

Im BKen-Recht gilt wie auch sonst in der gesetzlichen Unfallversicherung die Theorie der wesentlichen Bedingung, die zunächst auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie beruht, nach der jedes Ereignis (jede Bedingung) Ursache eines Erfolges ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Erst wenn auf dieser sog. ersten Stufe feststeht, dass ein bestimmtes Ereignis - hier die Einwirkung durch Gefahrstoffe - eine naturphilosophische Ursache der Krankheit ist, stellt sich auf der sog zweiten Stufe die Frage, ob die Einwirkung auch rechtlich die Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten Versicherungstatbestands fallenden Gefahr ist (stRspr; vgl. zuletzt BSG Urteile vom 17.12.2015 und 30.03.2017, a.a.O.). Vorliegend scheitert die Kausalität bereits an der ersten Stufe, nämlich der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingung. Hierbei stützt sich der Senat vor allem auf das Gutachten des Prof. Dr. S., der im Gegensatz zu den Vorgutachtern die am ehemaligen Arbeitsplatz des Klägers vorkommenden Arbeitsstoffe im Einzelnen mittels Inhalationstest überprüft hat. So wurden arbeitsplatzbezogene Inhalationstests mit den Gefahrstoffen EL-319-1 Slow Hardener und EL-319 Resin (Hauptinhaltsstoffe: Polyoxypropylendiamin, Triethylentetramin, Bisphenol A; hier sogar zweimaliger Test) durchgeführt, weiterhin mit dem Stoffgemisch aus Epoxidharz L-285 und Curing Agent MGS LH 287 (Hauptinhaltsstoffe: 2-2´-Dimethyl-4-4`Methylenbis-Cyclohexylamin, Glyzeringlyzidether, Bisphenol A, Epichlorhydrinharz), mit Polyester Feinspachtelmasse (Hauptinhaltsstoff: Styrol), mit Loctite EA 9396 A + B (Hauptinhaltsstoffe Bisphenol A, Epichlorhydrinharz, Methylen), mit Scotch Weld 2216 BA (Hauptinhaltsstoffe: Epoxidharz, Toluol) sowie mit Aceton, Trennwachs und Trennlack PVA (Hauptinhaltsstoffe: Aceton, Propanol, Phenol, Methanol, Naphtha, Cyclohexan, Hexan, Octan, Xylol, Benzol). Hierzu wurden die Substanzen, die eine Stunde in einer Nierenschale geruht hatten, vom Kläger jeweils 10 Minuten lang dicht unter dessen Nase gehalten mit der Bitte, tief einzuatmen. Währenddessen äußerte sich der Kläger jeweils zu seinen Empfindungen und wurde beobachtet, und am Ende wurden der Atemwegswiderstand gemessen sowie eine rhinomanometrische Messung durchgeführt. Das Ergebnis dieser arbeitsplatzbezogenen Inhalationstest war nach den schlüssigen und überzeugenden Darlegungen des Gutachters Prof. Dr. S. immer dasselbe: es fiel negativ aus, d.h. es ergab sich jeweils kein Hinweis auf eine obstruktive Ventilationsstörung nach der Exposition gegenüber den getesteten arbeitstypischen Gefahrstoffen, der Atemwegswiderstand blieb jeweils im Normbereich. Der Kläger klagte am häufigsten über Nasenkribbeln, Schwindel und eine verlegte Nasenatmung, weitere Beschwerden waren subjektiv empfundenes Naselaufen und Augentränen, die aber nicht verifiziert werden konnten. Eine rhinomanometrische Messung zeigte vor und nach der Exposition keine Flussminderung, der relative Atemstoßwert (FEV1/FVK) war nie eingeschränkt, ebenso wenig trat eine wässrige Rhinopathie auf. Hieraus hat der Gutachter für den Senat überzeugend abgeleitet, dass die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen zur Anerkennung einer BK Ziffer 4302 nicht wahrscheinlich gemacht werden können, da die getesteten Arbeitsstoffe nicht mitursächlich an der Entstehung oder Verschlimmerung der Atemwegserkrankung geworden sind. Dass eine Testung in Form arbeitsplatzbezogener Inhalationstests zur Feststellung der BK Ziffer 4302 von ausschlaggebender Bedeutung ist, entspricht nicht nur der Auffassung des Gutachters Prof. Dr. S., sondern auch der des Gutachters N., der in seinem Gutachten vom 19.12.2016 ebenso wie in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 07.05.2018 dargelegt hat, über die Kausalität zwischen Einwirkung und Erkrankung könne endgültig erst nach Provokationstestungen im arbeitsmedizinischen Setting entschieden werden.

Der Vortrag des Klägers, ausgiebige Schleifarbeiten an Flugzeugoberflächen hätten seine Beschwerden ausgelöst, vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern. Wie Prof. Dr. S. hierzu ausgeführt hat, haben Schleifstäube im Allgemeinen kein chemisch-irritatives oder toxisch wirkendes Potenzial auf die Atemwege und können lediglich im Sinne einer unspezifischen bronchialen Hyperreagibilität zu einer obstruktiven Atemwegserkrankung führen. Diese fällt indes nicht unter die BK Ziffer 4302, die dem Wortlaut nach Atemwegserkrankungen durch chemisch-irritative bzw. toxisch wirkende Stoffe verlangt.

Zutreffend hat der Kläger zuletzt darauf hingewiesen, dass mangels Bereitstellung dieses Stoffes durch den Arbeitgeber versäumt wurde, einen arbeitsplatzbezogenen Inhalationstest in Bezug auf das Harzsystem L 940 durchzuführen. Eine Nachholung dieses Inhalationstests kann aber unterbleiben, da Prof. Dr. S. überzeugend ausgeführt hat, die wesentlichen Inhaltsstoffe dieses Harzsystems im Zuge der durchgeführten Inhalationstest bereits überprüft zu haben. Ein für den Kläger positives Ergebnis einer solchen Testung wäre daher nicht zu erwarten.

Zum gleichen Ergebnis des Nichtvorliegens der BK Ziffer 4302 kam auch Prof. Dr. C., der in seinem Gutachten dargelegt hat, es liege eine obstruktive Atemwegserkrankung in leichtem Ausmaß mit gesicherter bronchialer Hyperreagibilität vor, die als Asthma bronchiale zu bezeichnen sei, das bei einer polyvalenten Sensibilisierung gegenüber Pollen der Bäume und von Unkraut bei früherer Rhinokonjunktivitis allergica als initial allergische Schädigung des Bronchialsystems zu werten sei. Durch die Exposition am Arbeitsplatz habe sich eine verstärkende Symptomatik und Ausprägung entwickelt. Die nicht-berufliche Anlage zu einer Überempfindlichkeit der Atemwege lasse die Erkrankung nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit als eine beruflich bedingte Atemwegserkrankung diagnostizieren. Auch wenn Prof. Dr. C. damit die Kausalität eher auf der zweiten Prüfungsstufe verneint hat, ist das Ergebnis dasselbe wie bei Prof. Dr. S. Der Gutachter N. hat sich nicht abschließend festgelegt und letztendlich auf die Notwendigkeit von Provokationstests verwiesen, so dass sein Gutachten vorliegend keine Entscheidungsgrundlage sein kann. Soweit der behandelnde Facharzt für Innere Medizin und Pneumologie Dr. M. den Sachverhalt anders beurteilt, kann ihm, der die Sachlage als behandelnder Arzt ohne Kenntnis näherer Unterlagen und ohne gutachterliche Untersuchung eingeschätzt hat, im Hinblick auf die durch Prof. Dr. S. durchgeführten aufwändigen Arbeitsplatzinhalationstests nicht gefolgt werden. Gleiches gilt für die Stellungnahme der staatlichen Gewerbeärztin E. (Gewerbeärztliche Stellungnahme vom 18.03.2014), der die Unterlagen sowie Untersuchungsergebnisse des Prof. Dr. S. ebenfalls nicht zur Verfügung standen.

Im Hinblick auf die überzeugenden Ausführungen der Prof. Dr. S. sind die Beschwerden des Klägers nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die arbeitsplatzbezogenen Einwirkungen zurückzuführen mit der Folge, dass die BK Ziffer 4302 nicht vorliegt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Anlass für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) bestand nicht.
Rechtskraft
Aus
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