L 12 AS 4347/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 11 AS 568/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 4347/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
L
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 02.11.2018 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ab dem 31.12.2017 wegen den Bedarf übersteigenden Einkommens.

Der Beklagte bewilligte dem Kläger auf seinen Antrag vom 28.12.2016 mit Bescheid vom 03.01.2017 vorläufig Leistungen für die Zeit vom 01.02.2017 bis 31.01.2018 in Höhe von monatlich 409,00 EUR. Die Bewilligung erfolgte dabei zunächst vorläufig, da die Höhe seines Einkommens nicht eingeschätzt werden konnte.

Mit Änderungsbescheid vom 25.11.2017 bewilligte der Beklagte für Januar 2018 einen monatlichen Leistungsbetrag in Höhe von 416,00 EUR aufgrund der neu festgesetzten Höhe des Regelbedarfs zum 01.01.2018.

Nachdem der Beklagte von der Arbeitsaufnahme des Klägers zum 04.12.2017 erfahren hatte, forderte er beim Kläger mit Schreiben vom 29.11.2017 die Vorlage des Arbeitsvertrages, die Lohnabrechnung vom Dezember 2017 und einen Nachweis über den Zeitpunkt des Lohnzuflusses an.

Gleichzeitig hob der Beklagte mit Bescheid vom 29.11.2017 die Bewilligung der Leistungen nach dem SGB II ab 31.12.2017 auf. Zur Begründung führte er an, dass der Kläger eine Beschäftigung aufgenommen habe und daraus ein Einkommen erziele, so dass er nicht mehr hilfebedürftig sei.

Mit Schreiben vom 03.12.2017 teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass er zum 04.12.2017 eine Vollzeitbeschäftigung aufnehmen und ein monatliches Gehalt von 1.750,00 EUR brutto beziehen werde.

Gegen den Bescheid vom 29.11.2017 legte der Kläger Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, dass sein Arbeitseinkommen nicht berücksichtigt worden sei.

Mit Schreiben vom 29.12.2017 forderte der Beklagte unter Darlegung seines Standpunkts den Kläger auf, seinen Widerspruch noch weiter zu begründen. Der Beklagte wies darauf hin, dass der angefochtene Bescheid klarstellend zu berichtigen sei. Das führe dazu, dass die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II vom 03.01.2017 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 25.11.2017 für den Kläger ab dem 01.01.2018 mit Wirkung für die Zukunft gemäß § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) aufgehoben werden sollte.

Mit Schreiben vom 07.01.2018 reichte der Kläger einen Kontoauszug der B.-Bank eG vom 02.01.2018 ein, aus dem sich ein Lohnzufluss am 02.01.2018 in Höhe von 1.149,48 EUR für Dezember 2017 ergibt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17.01.2018 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, das im Januar zugeflossene Einkommen in Höhe von 1.149,48 EUR netto abzüglich des Freibetrages in Höhe von 300,00 EUR decke den Bedarf des Klägers in Höhe von 426,00 EUR, sodass Hilfebedürftigkeit nicht mehr bestehe.

Hiergegen hat der Kläger am 16.02.2018 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Er hat vorgetragen, der Bescheid des Beklagten vom 29.11.2017, mit dem die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II aufgehoben worden seien, sei nicht nachvollziehbar. Es sei ihm nicht ersichtlich, welche Unterlagen der Beklagte zur näheren Begründung des Widerspruchs vom ihm gefordert habe. Er habe daher mit Schreiben vom 14.01.2018 den Beklagten gebeten, Einsicht in die dem Beklagten vorliegenden Unterlagen zu erlangen. Da die Beklagte darauf nicht reagiert habe, sei eine Anrufung des Gerichts vonnöten.

Mit Gerichtsbescheid vom 02.11.2018 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klage sei bereits teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet. Zur Begründung hat das SG angeführt, dass hinsichtlich des auf § 83 SGB X gestützten Auskunftsbegehrens zum einen nicht ersichtlich sei, über welche Daten der Kläger Auskunft verlange und zum anderen der Kläger sich hinsichtlich des Umstands, woher der Beklagte etwaige Informationen über den Arbeitsbeginn bezogen habe, zunächst an den Beklagten zu wenden habe, bevor er ein Gerichtsverfahren anstrebe. Es fehle daher schon am Rechtsschutzbedürfnis.

Eine Anfechtungsklage gegen die Aufhebungsbescheide sei unbegründet, da der Beklagte zu Recht die Bewilligung von SGB II-Leistungen ab Januar 2018 wegen Wegfall der Hilfebedürftigkeit aufgehoben habe. Die Berechnung des den Bedarf übersteigendenden Einkommens des Klägers sei rechenfehlerfrei. Der Kläger habe auch nichts Gegenteiliges vorgetragen.

Gegen den ihm am 06.11.2018 zugestellten Gerichtsbescheid des SG hat der Kläger am 05.12.2018, um 17:40 Uhr in elektronischer Form mittels nicht absenderbestätigten De-Mail Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, dass der Gerichtsbescheid des SG den zeitlichen Ablauf nicht berücksichtige. Zum Zeitpunkt des Bescheids vom 29.11.2017 habe noch keine Anforderung des Arbeitsvertrags bestanden. Der Bescheid sei wegen Formmängeln aufzuheben.

Mit Senatsschreiben vom 27.03.2019 wurde dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme bezüglich der nicht formgerechten Einlegung der Berufung innerhalb der Berufungsfrist gegeben. Der Kläger hat hierzu vorgetragen, dass bei Einrichtung der verwendeten De-Mail-Adresse eine Überprüfung der Identität des Klägers erfolgt sei und er daher davon ausgegangen sei, dass dies den juristischen Formalitäten genüge.

Der Kläger beantragt daher – sinngemäß gefasst –,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 02.11.2018 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 03.01.2017 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 25.11.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.01.2018 zu verpflichten, über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II ab 01.01.2018 erneut zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt

die Berufung als unzulässig zu verwerfen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht ordnungsgemäß eingelegt worden ist. Sie ist damit zu verwerfen (§ 158 Satz 1 SGG).

Gemäß § 151 SGG ist die Berufung bei dem LSG innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Berufungsfrist ist gem. § 151 Abs. 2 SGG auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. Ist die Berufung nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Frist, nicht schriftlich, nicht in elektronsicher Form oder nicht zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt, so ist sie als unzulässig zu verwerfen (§ 158 Satz 1 SGG).

Der Gerichtsbescheid vom 02.11.2018 ist dem Kläger ausweislich der Postzustellungsurkunde am 06.11.2018 zugestellt worden. Damit begann die einmonatige Berufsfrist gemäß § 64 Abs. 1 SGG am Tag nach der Zustellung, also am 07.11.2018 und endete nach § 64 Abs. 2 und 3 SGG am Donnerstag, den 06.12.2018, 24:00 Uhr.

Die Berufung kann gemäß § 65a Abs. 1 SGG in der ab 01.01.2018 geltenden Fassung nach Maßgabe der Abs. 2 bis 6 auch als elektronisches Dokument bei Gericht eingereicht werden, soweit dies für den jeweiligen Zuständigkeitsbereich durch Rechtsverordnung der Bundesregierung oder der Landesregierung zugelassen worden ist. Von dieser Ermächtigung hat Baden-Württemberg mit der Landes-Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung vom 21.03.2018 (LERVVO) Gebrauch gemacht.

Seit 01.02.2018 gilt aufgrund der Verordnungsermächtigung in § 65a Abs. 2 S. 2 SGG zudem die Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) vom 24.11.2017 (BGBl I 2017, 3803), zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 09.02.2018 (BGBl I 2018, 200). Auf Grundlage der ERVV wurde die Möglichkeit geschaffen, in gerichtlichen Verfahren eine rechtsverbindliche elektronische Kommunikation durchzuführen. Das elektronische Dokument muss zudem mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person (einfach) signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden (vgl. BSG, Beschluss vom 04.07.2018, B 8 SO 44/18 B, juris).

Hieran fehlt es. Der Kläger hat seine Nachricht über den Übermittlungsweg De-Mail versandt. Es handelte sich hierbei aber trotzdem um keinen sicheren Übermittlungsweg, da die De-Mail nicht absenderbestätigt war und keine qualifizierte elektronische Signatur enthielt.

Denn als sicherer Übermittlungsweg ist gem. § 65a Abs. 4 Nr. 1 SGG der Postfach- und Versanddienst eines De-Mail-Kontos, wenn der Absender bei Versand der Nachricht sicher im Sinne des § 4 Abs. 1 S. 2 De-Mail-Gesetz (De-Mail-G) angemeldet ist und er sich die sichere Anmeldung gemäß § 5 Abs. 5 De-Mail-G bestätigen lässt.

Gemäß § 5 Abs. 5 De-Mail-G muss es dem Nutzer um eine sichere Anmeldung zu bestätigen vom Dienstanbieter ermöglicht werden, seine sichere Anmeldung im Sinne von § 4 De-Mail-G in der Nachricht so bestätigen zu lassen, dass die Unverfälschtheit der Bestätigung jederzeit nachprüfbar ist. Um dieses dem Empfänger der Nachricht kenntlich zu machen, bestätigt der akkreditierte Dienstanbieter die Verwendung der sicheren Anmeldung nach § 4 De-Mail-G. Hierzu versieht er im Auftrag des Senders die Nachricht mit einer dauerhaft überprüfbaren qualifizierten elektronischen Signatur.

Das Rechtmittel ist hier am 05.12.2018 um 17:40 Uhr als nicht absenderbestätigte De-Mail eingereicht worden. Es enthielt keine qualifizierte Signatur und ist somit auch nicht über einen sicheren Übermittlungsweg versandt worden. Das führt dazu, dass das vom Kläger mit der De-Mail eingelegte Rechtsmittel keine Rechtswirkung entfaltet und somit die Berufungsfrist nicht gewahrt ist.

Vom Formerfordernis des sicheren Übermittlungswegs kann auch nicht abgesehen werden, wenn sich aus den Nachrichten oder begleitenden Umständen die Urheberschaft und der Wille, das elektronische Dokument in den Verkehr zu bringen, hinreichend sicher ergibt (vgl. BSG, Beschluss vom 04.07.2018, B 8 SO 44/18 B, juris). Eine abweichende Beurteilung ist daher auch nicht in Zusammenschau mit den Umständen vorzunehmen.

Eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand ist dem Kläger nicht zu gewähren. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt nach § 67 Abs. 1 SGG voraus, dass jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Der Kläger war nicht ohne Verschulden daran gehindert, die Berufung formgemäß einzulegen. Der Verschuldensmaßstab umfasst Vorsatz und Fahrlässigkeit. Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Es ist daher ein subjektiver Sorgfaltsmaßstab zugrunde zu legen. Der Kläger ist Informatiker und hätte daher wissen müssen und können, dass die De-Mail um den Formanforderungen zu genügen, der Übertragung auf einem sicheren Übermittlungsweg bedarf. Er selbst gibt an, dass ihm das Thema De-Mail aus seiner Tätigkeit als Informatiker bekannt ist. Selbst für einen Laien wird auf der in der Rechtsbehelfsbelehrung angegebenen ejustice Website darauf hingewiesen, dass der Absender bestätigt werden muss, indem im Postfach, das Häkchen "absenderbestätigt" angehakt wird und daher eine Überprüfung der Identität nur bei Errichtung des De-Mail Kontos, wie vom Kläger angeführt, nicht ausreichend ist.

Wiedereinsetzung kommt auch nicht wegen Verletzung einer aus der prozessualen Fürsorgepflicht abgeleitete Hinweispflicht des Gerichts in Betracht. Dafür müsste ein gebotener Hinweis unterbleiben, obwohl er bei ordnungsgemäßem Geschäftsgang so rechtzeitig hätte erfolgen können, dass dem Beteiligten noch die Fristwahrung möglich gewesen wäre. (Stäbler in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 65a SGG, Rn. 35.3). Der Kläger hat das Rechtsmittel am 05.12.2018, 17:40 Uhr eingelegt, am 06.12.2018 ist die Frist abgelaufen. Da der Kläger die Berufung erst am Vorabend des letzten Tages der Berufungsfrist übermittelt hat, wäre er nur durch einen Hinweis an jenem Tag (06.12.2018) in die Lage versetzt worden, Weiteres zur Wahrnehmung der Frist zu veranlassen. Ein dem Gericht zurechenbares Zögern liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn an dem Tag, an dem die Berufungsfrist in den Geschäftsgang gegeben wurde, ein richterlicher Hinweis unterblieben ist, sofern sich in der Berufungsschrift – wie hier – keine Anhaltspunkte für eine besondere Dringlichkeit entnehmen lassen (vgl. BSG, Urteil vom 12.10.2016, B 4 AS 1/16 R, juris).

Eine Hinweispflicht ergibt sich auch nicht aus § 65a Abs. 6 Satz 1 SGG, da sich die Vorschrift nur auf Formatfehler und nicht auf Fehler bei der Art und Weise der Übermittlung eines elektronischen Dokuments bezieht (Stäbler in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 65a SGG, Rn 35.3).

Nach alledem ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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