L 10 SF 1346/19 E-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
10
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 4 SF 5251/18 E
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 SF 1346/19 E-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Erinnerungsführers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 27.03.2019 wird zurückgewiesen.

Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Freiburg vom 27.03.2019, mit der der Erinnerungsführer im Rahmen der Vergütungsfestsetzung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) alleine die (weitere) Festsetzung einer (fiktiven) Terminsgebühr für das erstinstanzliche Verfahren S 4 R 2463/16 in Höhe der Mittelgebühr von 280,00 EUR begehrt, und über die der Berichterstatter des alleine für Kostensachen zuständigen 10. Senats des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg als Einzelrichter ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter (§ 155 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -, § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 1 und 3 RVG) entscheidet, ist unbegründet.

Das SG hat in der angefochtenen Entscheidung zu Recht ausgeführt, dass im Verfahren S 4 R 2463/16, in dem der dortige Kläger von der beklagten Rentenversicherung eine Rente wegen voller Erwerbsminderung begehrte, eine (fiktive) Terminsgebühr nach Nr. 3106 Anm. Satz 1 Nr. 2 VV RVG nicht entstanden sei, weil in dem Ausgangsverfahren gegen den Gerichtsbescheid vom 16.06.2017 wegen der Statthaftigkeit des Rechtsmittels der Berufung eine mündliche Verhandlung nicht habe beantragt werden können. Auf Grund dieser zutreffenden zusammengefassten Ausführungen und unter Bezugnahme darauf sieht der Senat insoweit von einer weiteren Begründung ab und weist die Beschwerde aus diesen Gründen zurück (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).

Lediglich ergänzend merkt der Senat an, dass eine mündliche Verhandlung (vor dem SG) bei Entscheidung durch Gerichtsbescheid (§ 105 Abs. 1 Satz 1 SGG) gemäß § 105 Abs. 2 Satz 2 SGG - auch im Sinne der hier maßgeblichen Nr. 3106 Anm. Satz 1 Nr. 2 VV RVG in der seit dem 01.08.2013 geltenden Fassung des Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts vom 23.07.2013 (BGBl. I S. 2586) - nur dann beantragt werden kann, wenn gegen den Gerichtsbescheid die Berufung nicht gegeben ist (wie hier z.B. auch Bayerisches LSG, Beschluss vom 28.09.2016, L 15 SF 113/16 E, in juris, Rdnrn. 23 ff.; Sächsisches LSG, Beschluss vom 14.09.2015, L 8 AS 417/15 B KO, in juris, Rdnrn. 15 ff.; Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 23. Aufl. 2017, § 3 Rdnr. 55; Hinne in Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 2. Aufl. 2017, Nr. 3106 VV RVG Rdnr. 13; Schons in Hartung/Schons/Enders, RVG, 3. Aufl. 2017, Nr. 3106 VV Rdnr. 20; Toussaint in Hartmann/Touissant, Kostenrecht, 49. Aufl. 2019, Nr. 3104 VV RVG Rdnr. 31; Schneider/Thiel, Das neue Gebührenrecht, 2. Aufl. 2014, § 3 Rdnr. 877; anders im Übrigen noch Nr. 3106 Anm. Satz 1 Nr. 2 VV RVG in der bis zum 31.07.2013 geltenden Fassung: "Die Gebühr entsteht auch, wenn nach § 105 Abs. 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden wird"). Dies war vorliegend aber gerade nicht der Fall, da der Kläger von der Beklagten wiederkehrende bzw. laufende (Renten-)Leistungen für mehr als ein Jahr begehrte, sodass gegen den Gerichtsbescheid alleine das Rechtmittel der Berufung statthaft war (vgl. §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 SGG), die der Kläger auch tatsächlich einlegte.

Soweit der Erinnerungsführer gemeint hat, im Rahmen der Anhörung (§ 105 Abs. 1 Satz 2 SGG) könne einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid "entgegengetreten" und eine mündliche Verhandlung "beantragt" werden, ist dies nicht unzutreffend. Denn die Anhörung dient ja gerade dazu, ggf. Gründe für die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung vorzubringen (vgl. nur Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschluss vom 05.11.1986, 1 BvR 706/85, in juris, Rdnr. 14). Ein (förmlicher) "Antrag" auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor Erlass des Gerichtsbescheids ist indes - anders als ein Antrag nach Erlass (§ 105 Abs. 2 Satz 2 SGG), bei dem es sich um einen (echten) Rechtsbehelf handelt (Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 105 Rdnr. 19 m.w.N.) - der Sache nach nicht mehr als eine Anregung an das Gericht (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 28.09.2016, L 15 SF 113/16 E, a.a.O.), der es im Rahmen seiner Ermessensausübung (dazu nur Schmidt, a.a.O., Rdnr. 9 m.w.N. zur Rspr.) nicht nachzukommen braucht; einer vorherigen Bescheidung eines solchen "Antrags" im Beschlusswege bedarf es erst recht nicht (s. nur Schmidt, a.a.O., Rdnr. 14). Ohnehin ist eine Zustimmung der Beteiligten zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid nicht erforderlich und auch ein ausdrücklich erklärtes Nichteinverständnis mit einer solchen Entscheidung ohne Belang (arg. ex § 105 Abs. 1 Satz 1 und § 124 Abs. 2 SGG; Müller in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 105 Rdnr. 21).

Indes kommt es darauf hier aber überhaupt nicht an, denn Nr. 3106 Anm. Satz 1 Nr. 2 VV RVG meint mit der Formulierung, dass "eine mündliche Verhandlung beantragt werden kann" ausschließlich den - vorliegend nicht gegebenen (s.o.). - Fall des § 105 Abs. 2 Satz 2 SGG. Wie der Senat unter Hinweis auf die amtliche Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/11471, S. 275 f.) bereits entschieden hat (Senatsbeschluss vom 02.07.2019, L 10 SF 4254/18 E-B), dient die fiktive Terminsgebühr dazu, dem Anwalt das gebu&776;hrenrechtliche Interesse an der Durchführung eines Termins zu nehmen bzw. ihn davon abzuhalten, einen Termin aus Gebührengründen (prozessual) zu erzwingen. Dies ist aber bei gerichtlichen Entscheidungen nach § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG - wie oben dargelegt - nur im Rahmen des § 105 Abs. 2 Satz 2 SGG, also bei nicht berufungsfähigen Gerichtsbescheiden, mit dem Rechtsbehelf des Antrags auf mündliche Verhandlung möglich.

Unter Zugrundelegung all dessen liegt auch der weitere Beschwerdevortrag (Bl. 6 Senats-Akte) neben der Sache. Ohnehin ändert eine etwaige Bevorteilung des Erinnerungsführers in einem anderen Verfahren, das nicht zur Überprüfung des Senats steht, nichts an der oben dargelegten Rechtslage.

Dass das SG im zu Grunde liegenden Ausgangsverfahren i.S.d. § 124 Abs. 2 SGG mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entschieden hätte - was zu einer fiktiven Terminsgebühr nach Nr. 3106 Anm. Satz 1 Nr. 1 VV RVG führen würde -, hat auch der Erinnerungsführer mit seinem Rechtsmittel nicht geltend gemacht; unabhängig davon hat das SG auch insoweit im angefochtenen Beschluss zutreffend dargelegt (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG), dass eine Entscheidung - also ein Urteil - nach § 124 Abs. 2 SGG nicht ergangen ist, sondern eben ein Gerichtsbescheid ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter.

Die Gebührenfreiheit des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 56 Abs. 2 Satz 2 RVG; die Kostenentscheidung folgt aus § 56 Abs. 2 Satz 3 RVG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).
Rechtskraft
Aus
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