L 9 R 1764/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 5 R 2278/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 1764/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 19. April 2018 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.

Die 1955 in Polen geborene Klägerin hat von September 1977 bis Juni 1979 berufsbegleitend ein postlyzeales Berufsfernstudium zur Technik-Ökonomin absolviert und war ab 1981 bei verschiedenen Firmen zuletzt selbstständig tätig. 1990 siedelte sie in die Bundesrepublik Deutschland über. Nach anfänglicher Arbeitslosigkeit war die Klägerin selbstständig tätig ab 1992 als geschäftsführende Inhaberin eines Großhandels mit Schmuck und parallel dazu ab 1996 als geschäftsführende Inhaberin eines Ladens mit Schmuck und Hüten. Den Laden gab sie im Juni 2007 aus privaten Gründen und wegen ihres Umzuges nach E. auf. Bezüglich des Großhandels meldete sie das Gewerbe im Februar 2009 rückwirkend zum 31.12.2008 ab. Im August 2007 erlitt sie einen Fahrradunfall und zog sich hierbei eine Verletzung der rechten Schulter zu. Vom 01.03.2008 bis 31.03.2009 übte die Klägerin eine versicherungspflichtige Tätigkeit als Verkäuferin in einem Schuhgeschäft aus, welche durch Kündigung endete. Ab 30.03.2009 war sie arbeitsunfähig erkrankt, ab 01.04.2009 mit Bezug von Krankengeld. Ab März 2010 bezog die Klägerin Arbeitslosengeld und ab März 2011 Arbeitslosengeld II.

Es erfolgten fünf Operationen im Bereich der rechten Schulter im Paracelsus-Krankenhaus Ruit (am 31.03.2009, 22.07.2009, 27.11.2009, 25.10.2010 und 14.03.2012). Hierzu wird auf die jeweiligen Operations- und Entlassungsberichte Bezug genommen. Vom 21.09.2009 bis 15.10.2009 befand sich die Klägerin zur stationären Rehabilitation in der Rehaklink Bad S. Hierzu wird auf den Entlassungsbericht vom 21.10.2009 Bezug genommen. Außerdem erfolgten am 16.01.2012, 21.06.2012 und am 26.02.2014 Operationen am linken Fuß aufgrund eines Hallux Valgus, zuletzt in der Schelztorklinik E. durch den Orthopäden Dr. L.

Am 09.07.2014 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Sie halte sich seit ca. Mitte 2012 für erwerbsgemindert. Sie leide unter dauerhaften und irreparablen Schäden an der rechten Schulter mit dauerhaften chronischen Schmerzen, so dass das normale tägliche Leben stark beeinträchtigt werde. Sie legte medizinische Unterlagen mit vor. Die Beklagte zog weitere Unterlagen bei und veranlasste die Begutachtung der Klägerin durch den Chirurgen Dr. U. G. und die Internistin Dr. H. Dr. U. G. stellte in seinem Gutachten vom 12.09.2014 die Diagnose eines Zustands nach Resektion des lateralen Klavikulagelenksanteils des Schultereckgelenks nach Schultereckgelenkssprengung Tossy III mit nachfolgendem Schmerzsyndrom. Bei der klinischen Untersuchung habe er eine geringe endgradige Bewegungseinschränkung im rechten Schultergelenk festgestellt. Die Belastbarkeit des rechten Schultergelenks sei eingeschränkt. Das Heben und Tragen von mehr als leichten Lasten sowie Tätigkeiten, die Überkopfarbeiten mit dem rechten Arm erforderten, seien nicht mehr zumutbar. Leichte körperliche Tätigkeiten seien unter Beachtung dieser Einschränkungen vollschichtig möglich. Dr. H. diagnostizierte in ihrem Gutachten vom 04.10.2014 eine Diarrhoe unklarer Genese und anhaltende Schmerzen und Bewegungseinschränkung im rechten Schultergelenk. Die Klägerin habe angegeben, dass sie sich durch die Beschwerden im rechten Schultergelenk eingeschränkt sehe, nicht aber durch die Erkrankung im internistischen Bereich (Durchfall). Auch aus ihrer internistischen Sicht sei die Diarrhoe nicht quantitativ leistungsmindernd. Es bestehe keine relevante Inkontinenz, die Aktivitäten würden nicht wesentlich eingeschränkt. Z.B. seien auch Laufen und Radfahren mehrfach wöchentlich problemlos möglich. Aus internistischer Sicht sei eine vollschichtige Leistungsfähigkeit für die bisherige Tätigkeit und für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes gegeben. Eine Toilette sollte rasch erreichbar sein. Gegen das Gutachten des Dr. U. G. und seine Person erhob die Klägerin umfangreiche Einwendungen.

Mit Bescheid vom 05.11.2014 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Auf den Widerspruch der Klägerin hiergegen holte die Beklagte einen Befundbericht des Dr. L. ein, welchen dieser unter dem 30.12.2014 erstattete, und zog den Reha-Entlassungsbericht vom 21.10.2009 bei. Sodann veranlasste die Beklagte eine weitere Begutachtung der Klägerin auf orthopädischem Fachgebiet in der orthopädischen Gemeinschaftspraxis Dr. E. Nach Untersuchung der Klägerin am 07.04.2015 diagnostizierte Dr. S. in dem Gutachten vom 24.04.2015 ein Impingementsyndrom der rechten Schulter. Trotz mehrfacher Operationen sei es nicht gelungen, der Klägerin einen funktionsfähigen rechten Arm zu erzeugen. Die Funktion des rechten Armes sei massiv eingeschränkt. Die Beweglichkeit sei nur passiv durchzuführen. Aktive Bewegungsübungen und Kraftübertragungen mit dem rechten Armen seien nicht möglich. Aus diesem Grunde sollte die Patientin, da eine Revisionsoperation geplant sei, mindestens ein Jahr berentet werden.

Im Juni 2015 ließ die Klägerin über ihren damaligen Bevollmächtigten der Beklagten mitteilten, dass sie bereits am 16.03.2015 im Urlaub einen Skiunfall erlitten hatte, was sie gegenüber Dr. S. nicht erwähnt hatte, und ließ medizinische Berichte dazu vorlegen. Die Beklagte holte Befundberichte des Orthopäden Dr. Q. vom 01.09.2015 und des Prof. Dr. H. vom 15.12.2015 ein. Die Klägerin erhob Einwendungen gegen den Inhalt des Befundberichts von Prof. Dr. H. und legte eine Bescheinigung ihres Physiotherapeuten L. S. vom 21.01.2016 vor.

Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 05.04.2016 zurück. Die Klägerin könne noch sechs Stunden und mehr täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes beruflich tätig sein. Aus den im Widerspruchsverfahren zusätzlich vorgelegten medizinischen Bescheinigungen sowie den eingeholten orthopädischen Befundberichten und dem Gutachten des Dr. E. (richtig: Dr. S.) würden sich keine Befunde ergeben, die zu einer Änderung der im Rentenverfahren bereits getroffenen sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung führten. Nach den Angaben des Therapeuten Spring könne die Behandlung berufsbegleitend erfolgen. Prof. Dr. H. habe eine freie Beweglichkeit der rechten Schulter mitgeteilt. Es habe sich nur um eine vorübergehende Zunahme der Beschwerden nach dem erlittenen Skiunfall gehandelt. Sie sei auch weiterhin in der Lage, ihre Tätigkeit als Verkaufsberaterin im Einzelhandel auszuüben.

Hiergegen hat die Klägerin am 18.04.2016 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Die Beklagte habe die umfangreichen medizinischen Unterlagen, die sie eingereicht habe, nicht bzw. nicht vollständig zur Kenntnis genommen. Sie sei bis zu ihrem Unfall im Jahr 2007 selbstständig tätig gewesen mit einem Großhandel und einem Einzelhandelsgeschäft. Nach dem Unfall habe sie ihre Tätigkeit aufgeben müssen. Um in die gesetzliche Kranken- und Rentenversicherung zurückkehren zu können, habe sie eine Stelle als Verkäuferin in einem Schuhgeschäft angenommen. Keine dieser Tätigkeiten könne sie mehr ausüben, auch keine sog. leichten Tätigkeiten. Ihr Gesundheitszustand habe sich noch weiter verschlechtert infolge ihres Skiunfalls vom 16.03.2015. Sie habe Frakturen von drei Brustwirbelkörpern, eine Fraktur der Scapulaspitze mit Knick sowie Verletzungen der Rippenmuskulatur erlitten. Zusätzlich hätten sich zwei Halswirbelkörper als stark verändert gezeigt. Das Gutachten des Dr. S. habe die Beklagte nicht beachtet. Sie habe Dr. S. nichts von ihrem kurz zuvor erlittenen Unfall erzählt, weil der Befund vom Unfallort keine ernsten Verletzungen enthalten habe und eine weitere Abklärung erst nach dem Begutachtungstermin angestanden habe. Die Klägerin legte weitere medizinische Unterlagen vor.

Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten. Dem Gutachten des Dr. E. (richtig: Dr. S.) könne nicht gefolgt werden, da er in seinem Gutachten den kurz zuvor erlittenen Skiunfall nicht erwähne, bei dem die rechte Schulterregion traumatisiert worden sei. Die verletzte Schulter stelle einen Behandlungsfall dar. Zuvor habe ein vollschichtiges Leistungsvermögen bestanden, was auch durch die Freizeitaktivitäten der Klägerin (Skifahren) und den Eindruck des bestens trainierten Zustandes belegt sei.

Das SG hat zunächst eine Auskunft des Dr. S. als sachverständigen Zeugen eingeholt. Unter dem 08.07.2016 hat er über die Behandlung der Klägerin vom 07.04.2016 bis 01.07.2016 berichtet. Die Klägerin sei durch ein Schmerzsyndrom schwerst beeinträchtigt. Eine Vorstellung in der Schmerzklinik M. sei bereits erfolgt. Den Bericht vom 04.07.2016 über die stationäre Behandlung dort vom 04. bis 19.07.2016 hat das SG beigezogen. Darin diagnostizieren Prof. Dr. C. eine chronifizierte Schmerzerkrankung (MPSS III) mit hochgradiger schmerzbedingter Einschränkung (von Korff-Index IV) und folgenden Schmerzlokalisationen: Schulterschmerzen rechts, führend im Bereich des AC-Gelenks rechtsseitig mit Z.n. mehrfachen Operationen des AC-Gelenks und Z.n. Tossy III-Läsion nach Fahrradsturz 2007 mit deutlichen muskulären Dysbalancen im Schulter-Nacken- und Halsbereich, Schmerzen am rechten medialen Scapularand am ehesten myofascieller Genese, Spannungskopfschmerz, Schmerzen im BWS-Bereich myofascieller Genese und Insuffizienz der segmental stabilisierenden Muskulatur sowie eine Hypothyreose (unter medikamentöser Substitution euthyreot). Es sei ein interdiziplinäres multimodales Schmerztherapieprogramm durchgeführt worden. Im Ganzen habe sich unter der Therapie keine Reduktion der Schmerzstärke gezeigt. Eine Verbesserung der Schmerzintensität sei bei konsequenter Fortführung des während des stationären Aufenthalts entwickelten Programms durchaus zu erwarten.

Das SG veranlasste eine Begutachtung der Klägerin durch den Facharzt für Chirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie, spezielle Unfallchirurgie Dr. D. In seinem Gutachten vom 23.03.2017 hat er bei der Klägerin folgende Gesundheitsstörungen auf seinem Fachgebiet festgestellt: 10%ige Gesamt-Beweglichkeitseinschränkung der HWS aufgrund vermehrter knöcherner Verschleißerscheinungen in den Bewegungssegmenten C3/4, C5/6 und C6/7 bei fehlenden sensiblen und motorischen Nervenwurzelreizerscheinungen seitens der die HWS betreffenden Rückenmarksnerven, deutliche Bewegungseinschränkungen und Belastbarkeitsminderung im rechten Schultergelenk (objektiviert durch die im Seitenvergleich signifikant verminderte Schultergürtelmuskulatur rechts nach Verletzung des Schultereckgelenks mit daraus resultierender fünfmaliger operativer Behandlung), des rechten Schlüsselbeins und der rechten Schulterblattspitze sowie einer computertomographisch und kernspintomographisch gesicherten Irritation der Supraspinatussehne, eingeschränkte Streckung im rechten Handgelenk und endgradig eingeschränkte Beugung im rechten Daumengrundgelenk. Aufgrund der Gesundheitsstörungen im Bereich der Halswirbelsäule und der rechten Schulter sollten mittelschwere und schwere körperliche Arbeiten, d.h. regelmäßiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten ohne Hilfsmittel über fünf Kilo sowie Überkopfarbeiten vermieden werden. Unter Beachtung dieser Einschränkungen könne die Klägerin leichte körperliche Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Eine Tätigkeit als Verkaufsberaterin bzw. Verkäuferin sei nicht zumutbar, da sich hierbei Überkopfarbeiten nicht vermeiden ließen. Gegen das Gutachten des Dr. D. hat die Klägerin umfangreiche Einwendungen erhoben. Hierzu hat Dr. D. unter dem 08.06.2107 ergänzend Stellung genommen und ausgeführt, dass die Einwendungen der Klägerin zu keiner Änderung seines Gutachtens führten.

Die Klägerin hat weitere medizinische Unterlagen vorgelegt, u.a. den Bericht über eine Computertomographie der Klavikula rechts vom 05.12.2016, die Kostenübernahmeerklärung der T. Krankenkasse vom 07.08.2017 für das Arzneimittel Dronabinol sowie das zugrundeliegende sozialmedizinische Gutachten des Dr. A. des M. Baden-Württemberg vom 01.08.2017, einen Bericht des Neurologen Dr. B. vom 29.12.2016 und Ambulanzbriefe der Orthopädischen Klinik M. (OMK), Dr. J., vom 30.05.2017 und 05.07.2017.

Das SG hat aus einem beim SG parallel geführten Klageverfahren der Klägerin zur Feststellung ihres Grades der Behinderung (GdB) die schriftliche Auskunft der Ärztin M. S. vom 29.09.2017 und der Ärztin für Anästhesiologie Dr. S. vom 23.10.2017 als sachverständige Zeuginnen sowie eine Stellungnahme der Klägerin zu der Auskunft vom 29.09.2017 beigezogen.

Sodann hat das SG eine Begutachtung der Klägerin durch Prof. Dr. R. veranlasst. In seinem neurologisch-psychiatrisch-schmerzmedizinischen Gutachten vom 02.12.2017 hat er eine leichtgradige anhaltende somatoforme Schmerzstörung, eine Dysthymia und degenerative Veränderungen der Wirbelsäule und der rechten Schulter diagnostiziert. Die Klägerin sei noch in der Lage, leichte körperliche Arbeiten ohne Akkord- oder Fließbandarbeiten zu verrichten. Das Tragen oder Heben von Gewichten sei zu vermeiden, Tätigkeiten seien vorzugsweise im Wechsel zwischen Stehen, Gehen und Sitzen auszuführen, wobei ein Positionswechsel ca. einmal pro Stunde ausreichend sei. Zwangshaltungen der Wirbelsäule wie Bücken oder kniende Tätigkeiten sollten vermieden werden, auch Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten. Arbeiten unter der Exposition von Kälte, Wärme, Staub, Gasen, Dämpfen oder Nässe sollten vermieden werden. Arbeiten an Büromaschinen oder an Computertastaturen könnten trotz der Schulterbeschwerden rechts noch verrichtet werden. Auch Tätigkeiten in Früh- bzw. Spätschicht kämen noch infrage. Nachtschichten seien aber zu vermeiden. Eine durchschnittliche Beanspruchung des Gehörs und Sehvermögens sei leidensgerecht, Publikumsverkehr sei noch zumutbar. Eine besondere geistige Beanspruchung wie beim Anleiten oder Überwachen mehrerer Personen oder Bedienen komplexer oder laufender Maschinen sei ebenfalls noch zumutbar. Aufgrund des nur leicht gestörten psychischen Befundes könne auch die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Verkaufsberaterin im Einzelhandel noch durchgeführt werden. Die Klägerin könne diese Tätigkeit noch mindestens sechs Stunden pro Tag ausüben. Die Klägerin sei in ihrer Wegefähigkeit nicht eingeschränkt.

Gegen das Gutachten des Prof. Dr. R. hat die Klägerin umfangreiche Einwendungen erhoben und den Bericht der BG Unfallklinik T. vom 28.09.2017 über die ambulante Vorstellung dort in der traumatologischen Sprechstunde am 14.09.2017 vorgelegt. Darin diagnostizieren Prof. Dr. S. ein chronifiziertes Schmerzsyndrom der rechten Schulter und des Nackenbereichs bei Zustand nach fünffacher Operation im Schulterbereich und gelangen zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass weitere operative Eingriffe aufgrund der vielfältigen Schmerzsymptomatik und der Vorgeschichte nicht zu einer wesentlichen Besserung beitragen könnten. Es werde die Weiterführung der Schmerztherapie empfohlen. Außerdem sei eine psychologische Betreuung sinnvoll, werde aber von der Klägerin als unnötig bewertet.

Nach vorheriger Ankündigung hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 19.04.2018 die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe weder ab dem 01.07.2014 noch ab einem späteren Zeitpunkt Anspruch auf eine Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung (auch bei Berufsunfähigkeit). Entscheidend sei darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt werde und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirke. Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme sowie unter Berücksichtigung der im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Klägerin weder voll noch teilweise erwerbsgemindert sei, weil sie unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein könne. Im Vordergrund stünden bei der Klägerin Erkrankungen auf orthopädischem Fachgebiet, welche das Gericht dem Gutachten des Dr. D. entnehme. Darüber hinaus leide die Klägerin an einer leichtgradigen anhaltenden somatoformen Schmerzstörung und an einer Dysthymia. Dies entnehme das Gericht dem Gutachten des Prof. Dr. R. habe in seinem Befundbericht vom 28.09.2017 ebenfalls ein chronifiziertes Schmerzsyndrom angegeben. Zu einer entsprechenden Diagnose sei bereits der Gutachter Dr. U. G. gelangt, dessen Gutachten vom 12.09.2014 im Wege des Urkundsbeweises verwertet werden könne. Auch aus dem Entlassungsbericht des Prof. Dr. C. vom 04.07.2016 gehe die Diagnose einer chronifizierten Schmerzerkrankung hervor. Wie Prof. Dr. R. nachvollziehbar und schlüssig dargelegt habe, handle es sich hierbei um die bereits genannte anhaltende somatoforme Schmerzstörung. Das Gericht gehe mit Prof. Dr. R. davon aus, dass – im Gegensatz zu der Einschätzung des Prof. Dr. C. – keine hochgradigen schmerzbedingten Beeinträchtigungen bestehen. Für die im vorliegenden Fall leichtgradige Ausprägung spreche der von Prof. Dr. R. erhobene nur geringfügig gestörte physische und psychische Befund und die ihm gegenüber von der Klägerin geschilderten Alltagsaktivitäten. Die Klägerin sei damit noch in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr täglich zu verrichten. Es bestünden lediglich qualitative Leistungseinschränkungen. Anhaltspunkte für eine Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeeinträchtigungen oder für eine spezifische Leistungsbeeinträchtigung bestünden nicht. An diesem Ergebnis ändere auch die Leistungseinschätzung von Dr. S. in seiner Auskunft vom 08.07.2016 und von Dr. E. (richtig: Dr. S.) im Gutachten vom 24.04.2015 nichts. Dr. S. habe seine Einschätzung nicht näher begründet, weshalb sie nicht schlüssig sei. Dr. E. habe keinen Befund erhoben, der seine Leistungseinschätzung begründen könne, so dass diese auch nicht schlüssig sei. Die Klägerin sei auch nicht teilweise erwerbsgemindert bei Berufsunfähigkeit. Die Klägerin habe sich nach eigenen Angaben von ihrem erlernten Beruf als Dipl.-Ökonomin nicht aus medizinischen Gründen gelöst und sich selbständig gemacht mit einem Laden für Schmuck und Hüte. Zuletzt sei sie als Verkäuferin in einem Schuhgeschäft tätig gewesen. Sie sei daher auf alle leichten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar. Selbst wenn man von einem qualifizierten Berufsschutz ausginge, ergebe sich aus dem Gutachten des Prof. Dr. R., dass die Klägerin sowohl die Tätigkeit als Dipl.-Ökonomin als auch als Verkaufsberaterin noch mehr als sechs Stunden täglich verrichten könne. Soweit Dr. D. eine Tätigkeit als Verkaufsberaterin als nicht mehr leidensgerecht eingestuft habe, überzeuge dies das Gericht nicht. Insoweit habe er zugrunde gelegt, dass die Klägerin bei dieser Tätigkeit Überkopfarbeiten nicht vermeiden könne. Worauf es dies stütze, bleibe unklar. Nicht bei jeder Verkaufstätigkeit müssten zwangsweise Überkopfarbeiten vorkommen.

Hiergegen richtet sich die am 16.05.2018 eingelegte Berufung der Klägerin. Die Klägerin rügt, dass das SG die Gutachten von Dr. D. und Prof. Dr. R. ungeprüft übernommen habe, ohne sich ausreichend mit ihrer Akte auseinanderzusetzen. Die beiden Gutachten seien aber fachlich schlecht, tendenziös und dem Auftraggeber gewogen. Sie würden ihren Gesundheitszustand jeweils fern von der Realität schildern, was ihre Bevollmächtigte bereits in erster Instanz gerügt habe. Das Gutachten des Dr. S. sei hingegen nicht berücksichtigt worden, nur weil er bei der Begutachtung keine Kenntnis von ihrem Skiunfall gehabt habe. Das sei aber nicht maßgeblich. Er habe eine objektive Untersuchung durchgeführt. Sie nehme seit dem Tag nach der Begutachtung durch Prof. Dr. R. Cannabis als Schmerzmittel. Diese Therapie hätte ihre Krankenkasse sicher nicht übernommen, wenn sie nur unter einer leichtgradigen Schmerzstörung leiden würde. Auch leide sie seit Oktober 2016 an einem chronischen Schwindel. Besonders Prof. Dr. R. hätte sich hierzu äußern müssen. Auch Dr. H. sei sehr wahrscheinlich eine schlechte Ärztin. Sie habe eine Diarrhoe unklarer Genese festgestellt, die nicht leistungseinschränkend sei. Sie frage sich aber, wie eine Körperaustrocknung und 20 Toilettengänge täglich nicht leistungseinschränkend sein könnten. In weiteren Untersuchungen seien Magenreflux, Gallenreflux und starke Laktoseintoleranz festgestellt worden. Bereits am 17.04.2018 sei sie am rechten Schulterblatt operiert worden. Hierzu hat sie Arztbriefe von Prof. Dr. F., Klinik S., vom 27.02.2018, 04.05.2016 und 21.06.2018 sowie den Operationsbericht der Dr. B. vom 17.04.2018 vorgelegt, wonach ein kleiner knöcherner Sporn an der Scapulavorderseite abgetragen wurde. Weiter hat die Klägerin ein für die Gothaer A. AG erstattetes freies Gutachten des Chirurgen Dr. C. G. vom 31.01.2018 zur Frage von Verletzungsfolgen im Zusammenhang mit dem erlittenen Skiunfall, den Arztbrief des Neurologen Dr. W. vom 18.06.2018, einen Arztbrief des Orthopäden Dr. R. vom 29.06.2018, ein Schreiben mit Einwendungen der Klägerin hiergegen vom 05.07.2018 und die Erwiderung des Dr. R. hierauf vom 03.07.2018, einen Befundbericht der Dr. E. vom 03.07.2018 und eine sozialmedizinische gutachtliche Stellungnahme nach Aktenlage des Dr. F. der Agentur für Arbeit vom 02.08.2018 vorgelegt.

Die Klägerin beantragt (teilweise sachdienlich gefasst),

den Bescheid der Beklagten vom 5. November 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. April 2016 sowie den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 19.04.2018 aufzuheben und ihr bezogen auf ihren Antrag vom 9. Juli 2014 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat Dr. S. schriftlich als sachverständige Zeugin vernommen. In ihrer Auskunft vom 11.01.2019 hat sie über die Behandlung der Klägerin seit 21.03.2017 berichtet und Medikationspläne sowie den Arztbrief vom 21.03.2017 mit vorgelegt. Auf diesen verweise sie hinsichtlich der Anamnese und des körperlichen Aufnahmebefundes, daneben hat sie im Wesentlichen Befunde aus den angewandten Schmerzmessungsskalen, ausgefüllt von der Klägerin, mitgeteilt. An Dauerdiagnosen hat sie mitgeteilt: chronifiziertes Schmerzsyndrom Grad III, Arthrofibrose, Akromioklavikulargelenkarthrose, Wirbeleinbruch, Tibiafraktur, Skapulafraktur, Stenose der Foramina intervertebralis, knöchern oder durch Subluxation: Zervikalbereich, algogenes Psychosyndrom, cervikaler Bandscheibenvorfall, Osteochondrose der Wirbelsäule beim Erwachsenen: Lumbosakralbereich. Die Klägerin berichte im Verlauf über ein breites, wechselhaftes Bild von Beschwerden. Mitte Juli 2017 sei unter veränderter Targin-Dosis eine vorübergehende Verschlechterung mit Tagesmüdigkeit, grippeähnlichen Symptomen, Übelkeit und täglichem Erbrechen aufgetreten, erst drei Wochen nach vollständigem Absetzen dieses Medikaments seien diese Beschwerden abgeklungen. Ab Mitte September 2017 sei es mit Beginn der Therapie mit Dronabinol zu einer klinischen Besserung gekommen, laut der Klägerin zu einer Reduktion der Schmerzen um 50 bis 60 %. Seit der operativen Abtragung einer Exostose am rechten Schulterblatt am 17.04.2018 komme es nicht mehr zu stechenden Schmerzen bei der Atmung. Sie schätze die körperliche und psychische Belastbarkeit der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf unter drei Stunden ein. Denn die Klägerin habe nach erstmaliger unfallbedingter Verletzung im Bereich der rechten Schulter 2007 und fünf folgenden Operationen 2015 Frakturen der Brustwirbel und eine Fraktur des rechten Schulterblatts erlitten. In der Folge dieser wiederholten Traumatisierungen sei es zu einem chronischen Schmerzsyndrom gekommen. Die Schmerzverarbeitung werde zusätzlich beeinträchtigt durch psychosozial traumatisierende Kindheitserfahrungen. Es habe sich ein algogenes Psychosyndrom entwickelt, in dem die Beschäftigung mit dem Schmerz zum überproportionalen Mittelpunkt des Lebens wird. Auch nach Reduktion der Schmerzen unter der aktuellen Therapie sei die Klägerin in ihrer Leistungsfähigkeit im Alltag weiterhin eingeschränkt. So sei unter Dauermedikation mit Dronabinol z.B. nach aktueller Rechtsprechung keine sichere Fahrfähigkeit für das Führen eines Pkw anerkannt.

Weiter hat der Senat eine ergänzende Stellungnahme des Prof. Dr. R. eingeholt. Dieser hat in seinem Schreiben vom 19.06.2019 mitgeteilt, dass er auch in Kenntnis der sachverständigen Zeugenauskunft der Dr. S. und der von der Klägerin vorgebrachten Einwendungen sowie den von ihr vorgelegten medizinischen Unterlagen bei seiner im Gutachten dargelegten Einschätzung bleibe. Hiergegen hat die Klägerin Einwendungen vorgebracht und einen Bericht von dem Oberarzt Prof. Dr. P./der Fachärztin für HNO-Heilkunde Dr. S./Assistenzärztin für Neurologie I. der Universitätsklink U. über die dortigen Vorstellungen am 15.11.2018 und 31.01.2019 in der interdisziplinären Schwindel-Ambulanz, den Bericht über eine MRT der rechten Hand vom 18.04.2019, den Arztbrief des Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie M. vom 13.05.2019 und einen Therapieplan vorgelegt.

Mit Schreiben vom 13.07.2019 bzw. 17.07.2019 haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG vom 19.04.2018 ist nicht zu beanstanden, der Bescheid vom 05.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.04.2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung.

Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).

Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben Versicherte gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein, § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI.

Eine volle Erwerbsminderung liegt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auch dann vor, wenn der Versicherte täglich mindestens drei bis unter sechs Stunden erwerbstätig sein kann, der Teilzeitarbeitsmarkt aber verschlossen ist (KassKomm/Gürtner, 102. EL Dezember 2018, SGB VI, § 43 Rn. 58 und 30 ff.).

Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist generell nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigten.

Der Senat vermochte sich unter Berücksichtigung der vorliegenden Befunde und Gutachten nicht davon überzeugen, dass bei der Klägerin eine Erwerbsminderung im rentenberechtigenden Ausmaß eingetreten ist.

Eine Erwerbsminderung der Klägerin, das heißt ein Absinken ihrer beruflichen und körperlichen Leistungsfähigkeit auf ein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von weniger als sechs Stunden täglich, lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht belegen. Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheides zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die von der Klägerin beanspruchte Rente wegen Erwerbsminderung dargelegt und zutreffend ausgeführt, dass sie keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hat, weil sie in der Lage ist, zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts bei Beachtung qualitativer Einschränkung mehr als sechs Stunden arbeitstäglich zu verrichten. Der Senat schließt sich dem nach eigener Überprüfung und unter Berücksichtigung des gesamten Vorbringens der Klägerin uneingeschränkt an und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung gemäß § 153 Abs. 2 SGG zurück.

Ergänzend ist im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Klägerin, die von ihr vorgelegten medizinischen Unterlagen und die durchgeführte Beweiserhebung durch Einholung einer Auskunft der Dr. S. als sachverständige Zeugin sowie der ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen Prof. Dr. R. auf Folgendes hinzuweisen:

Hinsichtlich der Erkrankungen und Behinderungen der Klägerin auf orthopädischem Fachgebiet lassen sich dem Vorbringen der Klägerin und den von ihr vorgelegten medizinischen Unterlagen keine in Bezug auf die berufliche Leistungsfähigkeit der Klägerin sich negativ auswirkenden wesentlichen Änderungen gegenüber dem von Dr. D. in seinem Gutachten und seiner ergänzenden Stellungnahme festgestellten Zustand entnehmen. Daher gibt es auch keinen Grund für den Senat, von der Einschätzung des Dr. D., dass die Klägerin unter Beachtung qualitativer Einschränkungen in der Lage ist, leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich auszuüben, abzuweichen. Diese Einschätzung ist für den Senat ebenso wie für das SG weiterhin nachvollziehbar und schlüssig. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass durch die am 17.04.2018 durchgeführte Operation im Bereich des Schulterblattes eine Verschlechterung des orthopädischen Befundes eingetreten ist. Vielmehr hat die Klägerin selbst gegenüber Dr. S. angegeben, dass nach der Operation die zuvor geklagten Schmerzen bei der Atmung abgeklungen sind und damit eine Besserung ihres Befindens eingetreten ist. Dies entnimmt der Senat der sachverständigen Zeugenauskunft der Dr. S. vom 11.01.2019.

Nichts anderes ergibt sich für den Senat aus der Mitteilung der Klägerin, dass sie zusätzlich an einer seropositiven rheumatischen Arthritis leide. Ausweislich des von der Klägerin vorgelegten Arztbriefes der Dr. E. vom 03.07.2018 hat sich die Klägerin dort wegen Schmerzen der rechten Hand vorgestellt, sie könne vor allem den Kleinfinger nicht mehr strecken. Dr. E. hat eine Arthrose der Fingergelenke diagnostiziert und diese als leichtgradig eingestuft. Sie veranlasste eine Vorstellung der Klägerin im Klinikum E. Diese ergab laut Bericht des Prof. Dr. D. vom 02.12.2018 keinen handchirurgisch operativen Ansatz. Es wurde eine rheumatologische Abklärung empfohlen. Bei der klinischen Untersuchung waren beide Hände vom Aspekt her zunächst völlig unauffällig, es bestand nur eine diskrete Bewegungseinschränkung beim Faustschluss und der Fingerstreckung mit etwas deutlicherem, schon länger bekanntem Streckdefizit der Kleinfinger. Die mitgebrachten Röntgenaufnahmen beider Hände vom 06.06.2018 befand Prof. Dr. D. als unaufällig. Die rheumatologische Abklärung erfolgte bei dem Orthopäden und Rheumatologen M. In seinem Bericht vom 13.05.2019 sieht er nach erfolgter MRT der rechten Hand vom 18.04.2019 zusammenfassend das chronische Schmerzsyndrom mit undifferenzierten Arthropathien nach multiplen Traumata sicher im Vordergrund des Beschwerdebildes. Zusätzlich lägen Hinweise auf eine seropositive rheumatische Arthritis vor, die nicht floride sei. Die ACR-Kritierien für eine rheumatische Arthritis seien aber nicht erfüllt. Auch insoweit lässt sich nach Auffassung des Senats keine die quantitative Leistungsfähigkeit der Klägerin einschränkende Gesundheitsstörung erkennen. Maßgeblich ist hier nicht die Diagnosestellung, sondern ausschlaggebend sind die vorliegenden Funktionseinschränkungen und Beschwerden. Dr. D. hat aber in seinem Gutachten bereits berücksichtigt, dass die Belastbarkeit der rechten Hand geringfügig eingeschränkt ist. Er hat eine endgradig eingeschränkte Streckung und Beugung im rechten Handgelenk, eine endgradig eingeschränkte Streckung im rechten Daumengrundgelenk und eine diskret schwächere grobe Kraft der rechten Hand festgestellt und bei seiner Einschätzung berücksichtigt.

Hinsichtlich der bei der Klägerin auf neurologisch-psychiatrisch-schmerzmedizinischem Fachgebiet vorliegenden Erkrankungen schließt sich der Senat ebenso wie bereits das SG der Auffassung des Prof. Dr. R. hinsichtlich der Diagnosestellung und der Leistungseinschätzung an. Er hat in seinem Schreiben vom 19.06.2019 zu den Einwendungen der Klägerin ergänzend Stellung genommen und für den Senat schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass und aus welchen Gründen diese nicht durchgreifen. Überdies hat er insbesondere zu der sachverständigen Zeugenauskunft der Dr. S. vom 11.01.2019 Stellung genommen. Insoweit hat er nochmals darauf hingewiesen, dass die von ihm durchgeführte autonome Schmerzmessung eine nur leichte Schmerzreaktion im Rahmen der anhaltenden somatoformen Schmerzstörung erbracht habe und unabhängig von der konkreten Diagnosestellung (Frau Dr. S.: algogenes Psychosyndrom) bei unauffälligen kognitiven und mnestischen Funktionen keine mehr als leichtgradig ausgeprägte Störung vorliege. Wenn Dr. S. in ihrer sachverständigen Zeugenauskunft vom Vorliegen eines chronifizierten Schmerzsyndroms Grad III ausgehe, könne er dies nicht nachvollziehen. Da die Klägerin noch über Bewältigungsstrategien verfüge und noch in der Lage sei, einem strukturierten Tagesablauf nachzugehen sowie differenzierte Texte zu verfassen, sei nur von einem Grad II auszugehen. Auch hat Prof. Dr. R. dargelegt, dass und warum er nicht davon ausgehe, dass durch die nach der Begutachtung begonnene Therapie mit Cannabisbestandteilen eine rentenrelevante Verschlechterung im neurologisch-psychiatrisch-schmerzmedizinischen Bereich eingetreten ist. Dies hält der Senat ebenfalls für zutreffend. So beschreibt Dr. S. in ihrer sachverständigen Zeugenauskunft vom 11.01.2019 zwar deutliche Nebenwirkungen der Medikamenteneinnahme, aber nicht in Bezug auf die Medikation ab September 2017, sondern im Juli 2017 und auch nur vorübergehend bis drei Wochen nach Absetzen des Medikaments Targin. In Bezug auf die Therapie mit Dronabinol ab Mitte September 2017 gibt sie keine Nebenwirkungen an, sondern vielmehr eine von der Klägerin berichtete Abnahme der Schmerzen um 50 bis 60 %. Sie beschreibt lediglich, dass aufgrund der Rechtslage nicht sicher von einer Fahrfähigkeit unter Einnahme von Dronabinol auszugehen sei. Die von Dr. S. abgegebene Leistungseinschränkung auf unter drei Stunden täglich wird von ihr nicht mit von ihr erhobenen Befunden begründet. Ihre Auskunft enthält neben Diagnosen und Befunden aus den von der Klägerin selbst ausgefüllten Schmerzmessungsskalen lediglich Einzelbefunde hinsichtlich des Blutdrucks und aktiver Triggerpunkte. Im Übrigen verweist sie auf die Befunderhebung bei der ersten Vorstellung der Klägerin bei ihr am 21.03.2017 und den dazu erstellten Arztbrief. Die darin genannten Befunde können die von ihr getroffene Leistungseinschätzung, die sich maßgeblich auf die Angaben der Klägerin selbst zu den von ihr empfundenen Schmerzen stützt, nicht begründen, wie Prof. Dr. R. für den Senat nachvollziehbar bereits in seinem Gutachten dargelegt hat.

Eine Leistungseinschränkung der Klägerin folgt auch nicht aus weiteren internistischen Erkrankungen. Zwar hat Dr. H. in ihrem Gutachten auf Basis der klägerischen Angaben eine ca. achtmal täglich auftretende Diarrhoe unklarer Genese diagnostiziert, diese ist aber auch nach Auffassung des Senats, wie bereits vom SG dargestellt, nicht leistungseinschränkend. Die Klägerin hat mit der Berufungsbegründung mitgeteilt, die Durchfälle würden sogar 20 mal täglich auftreten und zu einer Körperaustrocknung führen. Allerdings taucht eine solche Beeinträchtigung in anderen Beschwerdedarstellungen überhaupt nicht auf und traten insoweit keine Auffälligkeiten bei den mehrere Stunden dauernden Begutachtungen bei Dr. D. und Prof. Dr. R. auf. Eine wesentliche Verschlechterung seither hat die Klägerin weder nachvollziehbar dargelegt noch ergeben sich objektive Anhaltspunkte dafür aus den von ihr vorgelegten medizinischen Unterlagen.

Auch im Hinblick auf den von der Klägerin seit 2016 beklagten Schwindel ergibt sich keine Erwerbsminderung der Klägerin. Die bei ihr auftretenden Schwindelerscheinungen sind nur leichtgradig ausgeprägt. Insoweit stützt sich der Senat auf das Gutachten und die ergänzende Stellungnahme des Prof. Dr. R., den Arztbrief des Dr. W. und den Bericht des Prof. Dr. P. vom 21.02.2019. Prof. Dr. R. hat die Schwindelsymptomatik bereits im Rahmen seiner Begutachtung berücksichtigt und auf die Einwendungen der Klägerin nochmals in seiner ergänzenden Stellungnahme darauf hingewiesen, dass die Klägerin trotz des Beklagens eines solchen Schwindels im Rahmen der Begutachtungssituation in der Lage war, bei der körperlichen Untersuchung den Seiltänzer- und Blindgang auszuführen, was auch für den Senat gegen schwerwiegendere Schwindelerscheinungen spricht. Aus dem Bericht des Dr. W. folgt nichts Anderes, er bestätigt vielmehr den von Prof. Dr. R. erhobenen Befund, indem er angibt, dass das Gehen und Stehen der Klägerin sicher war. Auch dies spricht gegen ein mittelschweres oder schweres Schwindelsyndrom. Die zweimalige Vorstellung in der interdisziplinären Schwindelambulanz hat laut Bericht vom 21.02.2019 ebenfalls eine unauffällige Funktionsdiagnostik ergeben. Die chronischen Schwindelerscheinungen wurden als sekundär somatoform eingestuft mit der Prognose, dass diese durch kontinuierliches intensives Schwindeltraining über mehrere Monate gebessert werden könnten. Insoweit kann der Senat aus den Schwindelerscheinungen der Klägerin keine quantitative Leistungseinschränkung ableiten.

Damit kann der Senat sich insgesamt nicht davon überzeugen, dass die Erkrankungen der Klägerin für sich sowie auch insgesamt betrachtet zu einer auch zeitlichen Leistungseinschränkung führen. Die vorliegenden Gesundheitsstörungen mit den beschriebenen Einschränkungen können damit zwar das Spektrum der für die Klägerin in Betracht kommenden Tätigkeiten einschränken, sie begründen aber keinen Zweifel an der weitgehend normalen betrieblichen Einsatzfähigkeit für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes.

Ein Rentenanspruch kann vorliegend auch nicht auf die Grundsätze einer schweren spezifischen Leistungsbeeinträchtigung oder einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen gestützt werden. Nach der Rechtsprechung des BSG liegt eine volle Erwerbsminderung ausnahmsweise selbst bei einer mindestens sechsstündigen Erwerbsfähigkeit vor, wenn der Arbeitsmarkt wegen besonderer spezifischer Leistungseinschränkungen als verschlossen anzusehen ist. Dem liegt zugrunde, dass eine Verweisung auf die verbliebene Erwerbsfähigkeit nur dann möglich ist, wenn nicht nur die theoretische Möglichkeit besteht, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten (vgl. BSG, Urteil vom 30.11.1983 – 5a RKn 28/82 – Juris). Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist bei Versicherten mit zumindest sechsstündigem Leistungsvermögen für leichte Arbeiten erforderlich, wenn die Erwerbsfähigkeit durch mehrere schwerwiegende gesundheitliche Einschränkungen oder eine besonders einschneidende Behinderung gemindert ist. Eine Verweisungstätigkeit braucht erst dann benannt zu werden, wenn die gesundheitliche Fähigkeit zur Verrichtung selbst leichter Tätigkeiten in vielfältiger, außergewöhnlicher Weise eingeschränkt ist. Hinsichtlich der vorhandenen qualitativen Beschränkungen hängt das Bestehen einer Benennungspflicht im Übrigen daher entscheidend von deren Anzahl, Art und Umfang ab, wobei zweckmäßigerweise in zwei Schritten - einerseits unter Beachtung der beim Restleistungsvermögen noch vorhandenen Tätigkeitsfelder, andererseits unter Prüfung der "Qualität" der Einschränkungen (Anzahl, Art und Umfang) - zu klären ist, ob hieraus eine deutliche Verengung des Arbeitsmarktes resultiert (vgl. BSG, Urteile vom 20.08.1997 – 13 RJ 39/96 –, vom 11.05.1999 – B 13 RJ 71/97 R –, vom 24.02.1999 – B 5 RJ 30/98 R – und vom 09.09.1998 – B 13 RJ 35/97 R –, jeweils Juris).

Eine spezifische Leistungseinschränkung liegt nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 27.04.1982 – 1 RJ 132/80 – Juris) jedenfalls dann nicht vor, wenn ein Versicherter noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten ohne schweres Heben und Tragen von Gegenständen, ohne überwiegendes Stehen und Gehen oder ständiges Sitzen, nicht in Nässe, Kälte oder Zugluft, ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltungen, ohne besondere Anforderungen an die Fingerfertigkeit und nicht unter besonderen Unfallgefahren zu verrichten vermag. Ausgehend hiervon liegt bei der Klägerin unter Berücksichtigung der von ihr zu beachtenden qualitativen Einschränkungen weder eine besondere spezifische Leistungsbeeinträchtigung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor. Ebenso ist die Klägerin in der Lage, einen Arbeitsplatz aufzusuchen. Dies gilt auch dann, wenn die Klägerin zumindest aus rechtlichen Gründen unter Einnahme von Cannabisbestandteilen kein Fahrzeug mehr führt. Denn sie ist unzweifelhaft in der Lage, viermal täglich eine Strecke von 500 m in einem Zeitaufwand von unter 20 min zurückzulegen und öffentliche Verkehrsmittel in der Hauptverkehrszeit zu benutzen. Die Klägerin hat gegenüber Dr. D. angegeben, mehrmals wöchentlich mehrere Kilometer zu Fuß zurückzulegen und auch öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen.

2. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Nach § 240 Abs. 1 SGB VI haben Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze auch Versicherte, die vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig sind. Berufsunfähig sind gemäß § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Bei der Klägerin, die 1955 und damit vor dem Stichtag geboren ist, ist keine Berufsunfähigkeit in diesem Sinne eingetreten. Bisheriger Beruf im Sinne des § 240 Abs. 1 SGB VI kann nur eine versicherungspflichtige Tätigkeit sein (Kamprad in Hauck/Noftz, SGB, 05/08, § 240 SGB VI Rn. 17). Die einzige versicherungspflichtige Tätigkeit, die die seit 1981 zunächst in Polen, seit 1992 dann in Deutschland selbstständig tätige Klägerin insoweit ausgeübt hat, ist die einer Verkaufsberaterin in einem Schuhgeschäft. Diese Tätigkeit hat sie im Zeitraum vom 01.03.2008 bis 31.03.2009 ausgeübt, mithin erst nach ihrem Fahrradunfall, den sie bereits im Jahr 2007 erlitten hatte, zunächst neben ihrer selbstständigen Tätigkeit im Großhandel, den sie erst rückwirkend auf den 31.12.2018 abgemeldet hat. Die versicherungspflichtige Tätigkeit endete durch Kündigung. Arbeitsunfähigkeit bestand im nahezu gesamten Zeitraum nicht, wie sich der Aufstellung der T. Krankenkasse vom 24.06.2015 ergibt, sondern erst ab 30.03.2009 mit Aufnahme ins Krankenhaus zur Durchführung der ersten Operation im Schulterbereich. Damit ist bereits fraglich, ob die Tätigkeit tatsächlich aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben wurde. Jedenfalls geht der Senat ebenso wie das SG davon aus, dass die Klägerin unter Zugrundelegung des vom BSG entwickelten Mehrstufenschemas auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt breit verweisbar ist entsprechend ihrer oben dargestellten Leistungsfähigkeit. Selbst wenn der Klägerin für diese Tätigkeit Berufsschutz im Sinne einer Einzelhandelsfachverkäuferin zukommen würde, wäre sie, wie von der Beklagten zutreffend im Schreiben vom 19.07.2018 ausgeführt, auf die Tätigkeiten einer Telefonistin verweisbar (vgl. hierzu Hessisches LSG, Urteil vom 29.01.2019 – L 2 R 237/16 – Juris Rn. 95).

Damit ist die Berufung insgesamt zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (§ 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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