L 12 AS 2773/19 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 11 AS 2331/19 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 2773/19 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 09.08.2019 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtschutzes gegen einen Verwaltungsakt, mit dem eine Eingliederungsvereinbarung ersetzt wurde.

Der Antragsteller bezieht vom Antragsgegner laufende Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Am 12.02.2019 ersetzte der Antragsgegner eine nicht zustande gekommene Eingliederungsvereinbarung durch Verwaltungsakt. Darin wird u.a. festgelegt, dass der Antragsteller in den Monaten März bis Juli 2019 monatlich fünf Eigenbemühungen nachweisen müsse. Der Nachweis der Eigenbemühungen für Juli 2019 habe bis 05.08.2019 zu erfolgen. Eine Befristung enthält der Eingliederungsverwaltungsakt nicht, jedoch in Nr. 8 die Regelung, dass die Inhalte des Bescheides regelmäßig, spätestens jedoch nach sechs Monaten überprüft werden.

Gegen den Bescheid erhob der Antragsteller mit Schreiben vom 14.02.2019, eingegangen am 19.02.2019, Widerspruch, über den bis heute noch nicht entschieden ist.

Mit Bescheid vom Juni 2019 stellte der Antragsgegner eine Sanktion für die Monate Juli bis September 2019 fest, da der Antragsteller für März 2019 keine Bewerbungsbemühungen nachgewiesen habe.

Am 11.07.2019 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) einstweiligen Rechtschutz beantragt. Das SG sei verpflichtet, den Eingliederungsverwaltungsakt unverzüglich aufzuheben. Den Antrag hat das SG mit Beschluss vom 09.08.2019 abgelehnt, da der Widerspruch gegen den Eingliederungsverwaltungsakt erst im Juli und damit verfristet erhoben worden sei.

Gegen den Beschluss wendet sich der Antragsteller mit seiner beim SG erhobenen Beschwerde vom 15.08.2019.

II.

Die zulässige Beschwerde (§§ 173, 174 Sozialgerichtsgesetz – SGG) des Antragstellers ist unbegründet. Das SG hat es im Ergebnis zu Recht abgelehnt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 14.02.2019 anzuordnen. Entgegen der Ansicht des SG wurde der Widerspruch jedoch nicht im Juli 2019, sondern bereits am 19.02.2019 erhoben, so dass dieser nicht verfristet ist.

Der Widerspruch des Antragstellers hat gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG in Verbindung mit § 39 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung. Gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Weitere Kriterien für die Anwendung dieser gerichtlichen Anordnungsbefugnis sind gesetzlich nicht geregelt. Sie sind durch Auslegung zu gewinnen. Diese ergibt, dass die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs oder einer Anfechtungsklage Ergebnis einer Interessenabwägung ist. Die aufschiebende Wirkung eines solchen Rechtsbehelfs ist anzuordnen, wenn im Rahmen der Interessenabwägung dem privaten Aufschubinteresse gegenüber dem öffentlichen Interesse an einer sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes Vorrang gebührt. Bei dieser Interessenabwägung ist insbesondere die – nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage zu bewertende – Erfolgsaussicht des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen. Ferner ist zu beachten, dass der Gesetzgeber in Fällen des § 86a Abs. 2 Nrn. 1 bis 4 SGG das Entfallen der aufschiebenden Wirkung angeordnet und damit grundsätzlich ein überwiegendes Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes geregelt hat (vgl. Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen (NRW), Beschluss vom 01.06.2015, L 2 AS 730/15 B, juris). Davon abzuweichen besteht nur Anlass, wenn im konkreten Fall ein überwiegendes privates Aufschubinteresse feststellbar ist. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung muss eine mit gewichtigen Argumenten zu begründende Ausnahme sein (LSG NRW, Beschluss vom 09.12.2013, L 2 AS 1956/13 B ER, juris). Eine solche Ausnahme liegt dann vor, wenn der Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist. Ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Vollziehung offensichtlich rechtswidriger Verwaltungsakte ist nicht erkennbar. Ist der Verwaltungsakt offensichtlich rechtmäßig, ist die aufschiebende Wirkung regelmäßig nicht anzuordnen. Sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs nicht abschätzbar, ist eine allgemeine Interessenabwägung durchzuführen. Dabei sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers in die Abwägung einzustellen (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12.05.2005, 1 BvR 569/05, juris).

Der auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gerichtete Antrag hat keinen Erfolg, weil an der Rechtmäßigkeit des Eingliederungsverwaltungsaktes vom 14.02.2017 (EGV) keine ernsthaften Zweifel bestehen. Rechtsgrundlage für den Erlass des EGV ist § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II. Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB II soll die Agentur für Arbeit im Einvernehmen mit dem kommunalen Träger mit jeder erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person die für ihre Eingliederung erforderlichen Leistungen vereinbaren (Eingliederungsvereinbarung – EV). Wenn eine EV nicht zustande kommt, sollen gemäß § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II die Regelungen durch Verwaltungsakt erfolgen.

Der Antragsgegner konnte gemäß § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II den EGV erlassen, da eine EV infolge der Verweigerungshaltung des Antragstellers nicht zustande gekommen war. In diesem Fall stand dem Antragsgegner nur die Handlungsform Verwaltungsakt zur Verfügung (vgl. BSG, Urteil vom 14.02.2013, B 14 AS 195/11 R, juris). Der EGV vom 14.02.2019 erweist sich bei summarischer Prüfung als rechtmäßig. Zwar hat der Antragsgegner den EGV nicht befristet. Jedoch kann der Geltungszeitraum im Rahmen des § 15 Abs. 3 Satz 1 SGB II flexibel vereinbart werden. Dies schließt auch die Möglichkeit einer unbefristeten Geltung ein. Diese kann ausdrücklich vereinbart sein ("bis auf weiteres") oder sich stillschweigend aus dem Fehlen einer vereinbarten Regelung zur Laufzeit ergeben (BSG, Urteil vom 21.03.2019, B 14 AS 28/18 R, juris). Hiermit korrespondiert jedoch, dass nach § 15 Abs. 3 Satz 1 und 3 SGB II der EGV regelmäßig, spätestens jedoch nach Ablauf von sechs Monaten gemeinsam überprüft und fortgeschrieben werden soll. Die Einzelheiten hierzu sind im Verwaltungsakt konkret zu regeln (BSG, a.a.O.). Diesem Erfordernis hat der Antragsgegner Rechnung getragen, indem er zum einen die sanktionsbewährte Verpflichtung nur für fünf Monate festgeschrieben hat und zum anderen in Nr. 8 eine Überprüfung des Bescheides festgelegt hat. Auch der weitere Inhalt, insbesondere der Nachweis von fünf Bewerbungen pro Monat dürfte bei summarischer Prüfung keinen Bedenken begegnen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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