L 9 R 3983/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 1753/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 3983/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 8. Oktober 2018 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt eine höhere Altersrente unter Berücksichtigung von Entgeltpunkten für die Anrechnungszeit wegen Schul- und Hochschulausbildung im Zeitraum von 01.12.1967 bis 31.07.1971.

Die 1945 in der Tschechischen Republik geborene Klägerin besuchte vor ihrer Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland 1969 die Gesundheitsoberschule in P., die sie 1963 mit der allgemeinen Hochschulreife abschloss. Nach ihren Angaben beinhaltete diese Schulausbildung eine abgeschlossene Ausbildung zur medizinisch-technischen Assistentin. Von 1963 bis 1964 arbeitete die Klägerin als MTA am Kreiskrankenhaus K./CSSR und begann 1964 ein Studium der Medizin an der K.-Universität in P., das sie in F. fortsetzte und mit dem Staatsexamen am 30.11.1972 abschloss. Nach Medizinalassistentenzeiten und der Geburt zweier Kinder am 21.01.1974 und 22.08.1975 promovierte sie am 06.04.1979 und war ab 1977 bzw. 1982 als Assistenzärztin tätig. Mit Wirkung ab 01.01.1983 war sie wegen der Mitgliedschaft in der Versorgungsanstalt für Ärzte, T., (Bescheid vom 21.03.1983) von der Versicherungspflicht befreit.

Auf ihren Antrag vom 26.06.1987 sind ihr in der Zeit von 02/73 bis 05/73, 07/73 bis 11/73, 07/74 bis 08/74, 08/77 bis 03/78, 06/78 bis 04/79 gezahlte Beiträge mit Bescheid vom 24.09.1987 erstattet worden.

Mit Bescheid vom 12.04.2007 stellte die Beklagte die im beigefügten Versicherungsverlauf gespeicherten Daten, die länger als sechs Kalenderjahre zurückliegen, also die Zeiten bis 31.12.2000, verbindlich fest. Vermerkt waren u. a. Zeiten der Fachschulausbildung vom 15.05.1961 bis 18.06.1963 und Zeiten der Hochschulausbildung vom 01.10.1964 bis 30.06.1969, 01.10.1969 bis 30.11.1972. Die Beklagte führte darin zudem aus, der Vormerkungsbescheid vom 20.05.1985 werde für die Zeit vom 15.05.1961 bis 14.05.1962 mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben und wegen einer Rechtsänderung würden die bislang vorgemerkten Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung vor Vollendung des 17. Lebensjahres nicht mehr berücksichtigt. Ferner verfügte die Beklagte (Anlage 10 zum Bescheid vom 12.04.2007), dass die Kindererziehungszeit (01.02.1974 bis 31.01.1975) und die Berücksichtigungszeit (21.01.1974 bis 31.12.1982) für das am 21.01.1974 geborene Kind und die Kindererziehungszeit (01.09.1975 bis 31.08.1976) und die Berücksichtigungszeit (22.08.1975 bis 31.12.1982) für das am 22.08.1975 geborene Kind wegen der Verfallwirkung des § 210 Abs. 6 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) nicht anerkannt werden können. Die Berücksichtigungszeit vom 01.01.1983 bis 20.01.1984 bzw. vom 01.01.1983 bis 21.08.1985 könne nicht anerkannt werden, weil eine Befreiung von der Versicherungspflicht vorliege (wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Blatt 217 ff. der Akten der Beklagten) verwiesen).

Auf den Antrag vom 30.03.2010 bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 16.09.2013 eine Regelaltersrente ab 01.06.2010 (monatlicher Zahlbetrag: 17,68 EUR). Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14.11.2013 zurück. Im sich anschließenden Klageverfahren (S 12 R 3635/16) vor dem Sozialgericht Freiburg (SG) begehrte die Klägerin eine höhere Rente unter Berücksichtigung von Entgeltpunkten für die Anrechnungszeit wegen Schul- oder Hochschulausbildung für den Zeitraum vom 01.12.1967 bis 31.07.1971. Beim Bundesverfassungsgericht seien diesbezüglich Verfahren anhängig. Das SG ordnete hierauf zunächst mit Beschluss vom 16.12.2013 das Ruhen des Verfahrens an und wies – nachdem die Beklagte das Verfahren wieder angerufen hatte – die Klage mit Gerichtsbescheid vom 08.10.2018 ab. Es sah die Klage als zulässig aber unbegründet an und führte aus, es teile die vom "Klägerbevollmächtigten" aufgeworfenen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit nicht. Gegen den dem Rentenberater am 09.10.2018 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Rentenberater im Namen der Klägerin am 08.11.2018 Berufung eingelegt. Dieses Verfahren ist beim erkennenden Senat unter dem Aktenzeichen L 9 R 3982/18 anhängig.

Bereits mit Bescheid vom 13.02.2013 und Widerspruchsbescheid vom 28.06.2013 lehnte die Beklagte die Rücknahme des Bescheides vom 12.04.2007 bezogen auf die Anerkennung von Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten sowie den Antrag auf Wiedereinzahlung der mit Bescheid vom 24.09.1987 erstatteten Beiträge ab. Die hiergegen zum SG erhobene Klage (S 12 R 3388/13) wies das SG mit Urteil vom 10.07.2014 ab. Im sich anschließenden Berufungsverfahren (L 11 R 3777/14) verpflichtete sich die Beklagte in einem gerichtlichen Vergleich den Widerspruchsbescheid aufzuheben und über Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten ggf. unter Abänderung der Bescheide vom 12.04.2007 und 24.09.1987 zu entscheiden. Mit beiderseitiger Annahme des gerichtlichen Vergleiches erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit für erledigt.

Mit Bescheid vom 20.03.2015 nahm die Beklagte sodann den Bescheid über die Beitragserstattung vom 24.09.1987 für den Zeitraum vom 01.02.1973 bis 30.04.1979 (mit Unterbrechungen) zurück, weil die Beiträge nicht hätten erstattet werden dürfen. Nach Rückzahlung des erstatteten Betrages durch die Klägerin erließ die Beklagte den Rentenbescheid vom 18.08.2015, mit dem unter Berücksichtigung dieser Zeiten sowie von Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten die Regelaltersrente ab 01.06.2010 neu berechnet wurde (Rentenzahlbetrag ab 01.06.2010: 143,73 EUR). Er enthielt die Belehrung, dass die Klägerin innerhalb eines Monats nach seiner Bekanntgabe Widerspruch erheben könne. Den sodann hiergegen eingelegten Widerspruch, mit dem die Klägerin die Nachbewertung der Schul- und Hochschulzeiten geltend gemacht hat, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05.04.2017 zurück.

Die hiergegen am 08.05.2017 beim SG erhobene Klage, zu der der Rentenberater eine von der Klägerin am 08.05.2017 unterschriebene Vollmacht vorgelegt hat, hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 08.10.2018 abgewiesen. Die Klage sei mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Für das Gericht sei nicht ansatzweise erkennbar, welches Begehren die Klägerin mit ihrer Klage verfolge. Trotz fachkundiger Prozessvertretung habe sie weder den angefochtenen Bescheid vorgelegt, noch einen Lebenssachverhalt geschildert oder einen Klageantrag gestellt. Anfragen des Gerichts seien unbeantwortet geblieben. Auch die Beiziehung einer aktualisierten Verwaltungsakte sei bei dieser Sachlage nicht geboten.

Gegen den am 09.10.2018 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 08.11.2018 Berufung zum erkennenden Senat eingelegt und beantragt, wegen weiterer anhängiger Verfahren das Verfahren ruhend zu stellen, deren Aktenzeichen herauszusuchen allerdings jetzt zu mühselig sei.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 8. Oktober 2018 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 13. August 2015 (gemeint: 18. August 2015) in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. April 2017 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, beitragslose Zeiten im Sinne einer Anrechnungszeit wegen Schul- oder Hochschulausbildung für den Zeitraum vom 1. Oktober 1964 bis 31. Juli 1971 zu bewerten, die Rente neu zu berechnen und nachzuzahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auf die Aufforderung des Senats, den Vortrag zu substantiieren, übersandte der Bevollmächtigte lediglich eine Vollmacht, die von der Klägerin am 22.07.2019 unterschrieben worden war.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden hat, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht als unzulässig abgewiesen. Denn der Bescheid vom 18.08.2015 ist gemäß § 96 SGG und damit kraft Gesetzes Gegenstand des beim SG erhobenen Klageverfahrens S 12 R 3635/16, da er den dort streitigen Altersrentenbescheid vom 16.09.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.11.2013 ersetzt hat. Widerspruch und Klage (§ 202 Satz 1 SGG i. V. m. § 17 Abs. 1 Gerichtsverfassungsgesetz) gegen den Bescheid vom 18.08.2015 sind unzulässig (vgl. B. Schmidt, Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl., § 96 RdNr. 11c).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass die Beklagte mit der unzutreffenden Rechtsbehelfsbelehrung Veranlassung zur Klageerhebung gegeben hat (B. Schmidt, a. a. O., § 193 Rdnr. 12b).

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe hierfür nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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