L 8 SB 491/19

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 7 SB 3074/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 491/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 20.12.2018 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger wendet sich gegen die Herabsetzung des Grades der Behinderung (GdB).

Bei dem 1958 geborenen Kläger wurde im Oktober 2011 ein Malignes Melanom (Klassifikation TA) am Rücken diagnostiziert, das am 04.10.2011 entfernt wurde (histologischer Nachbericht Dr. S. vom 27.10.2011, Befundbericht Dr. L. vom 16.05.2012). Am 03.05.2012 beantragte der Kläger beim Landratsamt R. (LRA) die Feststellung des GdB. Mit Bescheid vom 05.07.2012 stellte das LRA beim Kläger wegen einer Hauterkrankung (in Heilungsbewährung) den GdB mit 50 seit dem 03.05.2012 fest.

Im Oktober 2016 leitete das LRA ein Nachprüfungsverfahren ein. Gleichzeitig beantragte der Kläger wegen eines Magengeschwürs sowie Depressionen die Erhöhung des GdB (Eingang beim LRA am 21.10.2016). Das LRA holte den Befundschein des Dr. F. vom 20.12.2016 ein und nahm medizinische Unterlagen zu den Akten (insbesondere Bericht H. Klinik R. vom 09.05.2016, Diagnosen: Erosive Gastritis und Duodenitis, Zustand nach GI-Blutung nach Ulcus duodeni 01/16; Bericht Dr. G. vom 22.07.2016; Bericht Orthopäde Z. vom 27.07.2016, Diagnosen: Metatarsalgie b.Z. nach Prellung des Vorfußes, Lumbalgie). Im Befundschein vom 16.01.2017 teilte Dr. L. dem LRA mit, ein Melanom oder Melanomrezidiv habe nicht bestanden. Aufgrund notwendiger Mehrfachexzisionen liege beim Kläger eine starke psychische und seelische Belastung vor. Eine funktionelle Beeinträchtigung bestehe nicht.

Mit Schreiben vom 22.02.2017 hörte das LRA den Kläger entsprechend der gutachtlichen Stellungnahme des Versorgungsarztes W. vom 08.02.2017 zur beabsichtigten Herabsetzung des GdB auf 20 an. Der Kläger legte die MRT-Befundberichte der Berufsausübungsgemeinschaft N. und Partner betreffend den rechten Fuß vom 15.09.2016 und linken Fuß vom 24.03.2017 sowie den Bericht des Orthopäden Z. vom 09.05.2017 vor. In der weiteren gutachtlichen Stellungnahme der Versorgungsärztin H. vom 06.05.2017 wurde wegen einer chronischen Entzündung des Dünndarms und chronischer Magenschleimhautentzündung (GdB 20) sowie einer depressiven Verstimmung (GdB 10) der Gesamt-GdB mit 20 vorgeschlagen.

Mit Bescheid vom 16.06.2017 hob das LRA den Bescheid vom 05.07.2012 gemäß § 48 SGB X auf und stellte beim Kläger den GdB mit nur noch 20 ab 22.06.2017 fest.

Hiergegen erhob der Kläger am 10.07.2017 Widerspruch. Er machte zur Begründung geltend, es sei unbegreiflich, warum der GdB von 50 auf 20 heruntergesetzt worden sei. Er leide an massiven Beeinträchtigungen in den unteren Gliedmaßen, weswegen MRT-Untersuchungen erfolgt seien. Hinsichtlich des Melanoms gelte er als Risikopatient. Damit gehe eine starke psychische und seelische Belastung einher, die mit einem Teil-GdB von 10 nicht ausreichend berücksichtigt sei. Im Jahr 2016 sei es zweimal zu Magenblutungen gekommen und er habe Antidepressiva einnehmen müssen. Die psychischen und orthopädischen Funktionsbeeinträchtigungen hätten bei der Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft im Jahr 2012 noch nicht vorgelegen. Die Schwerbehinderteneigenschaft sei weiter anzuerkennen.

In der gutachtlichen Stellungnahme des Versorgungsarztes Dr. G. vom 19.10.2017 wurde wegen einer chronischen Entzündung des Dünndarms und chronischer Magenschleimhautentzündung (GdB 20), einer depressiven Verstimmung (GdB 20) sowie einer Funktionsstörung durch rechtsseitige Fußfehlform (GdB 10) der Gesamt-GdB mit 30 vorgeschlagen. Mit Teil-Abhilfebescheid vom 02.11.2017 stellte das LRA beim Kläger daraufhin den GdB mit 30 seit dem 22.06.2017 fest. Im Übrigen wurde der Widerspruch des Klägers vom Regierungspräsidium Stuttgart - Landesversorgungsamt - mit Widerspruchsbescheid vom 07.12.2017 zurückgewiesen. In den Verhältnissen, die dem letzten maßgeblichen Bescheid vom 05.07.2012 zu Grunde gelegen hätten, sei eine wesentliche Änderung insoweit eingetreten, als die Heilungsbewährung von fünf Jahren abgelaufen sei. Der GdB habe neu festgestellt werden müssen. Die Festsetzung des GdB auf 30 entspreche den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen. Ein höherer GdB habe nicht mehr festgestellt werden können.

Hiergegen erhob der Kläger am 21.12.2017 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG). Er wiederholte zur Begründung sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren.

Das SG hörte den den Kläger behandelnden Arzt für Allgemeinmedizin Dr. F. schriftlich als sachverständigen Zeugen an. Dr. F. teilte in seiner Aussage vom 12.06.2018 unter Vorlage von Facharztbefunden den Behandlungsverlauf und die Diagnosen mit. Eine Besserung sei nicht eingetreten. Der Gesamt-GdB von 30 sei zu gering eingestuft.

Mit Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung vom 20.12.2018 wies das SG die Klage ab. Eine wesentliche Änderung liege in dem mehr als fünf Jahre dauernden rezidivfreien Verlauf der Hautkrebserkrankung des Klägers, dem Ablauf der so genannten Heilungsbewährung. Das Gericht sehe es als angemessen an, die Behinderungen des Klägers mit einem Gesamt-GdB von 30 zu bewerten.

Gegen das dem Kläger am 16.01.2019 zugestellte Urteil richtet sich die von ihm am 12.02.2019 eingelegte Berufung. Der Kläger hat zur Begründung unter Bezug auf sein erstinstanzliches Vorbringen vorgetragen, im bisherigen Verfahren bleibe unberücksichtigt, dass bei ihm im April 2018 ein inhomogen pigmentierter, lentiginöser, melanozytärer Compoundnaevus von der linken Schulter habe entfernt werden müssen. Die Entfernung des Naevus habe im Dezember 2017 zu gravierenderen psychischen Beeinträchtigungen, als vom SG mit einem Teil-GdB von 20 bewertet, geführt.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 20.12.2018 sowie den Bescheid vom 16.06.2017 in der Fassung des Bescheides vom 02.11.2017, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.12.2017, aufzuheben.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte hat vorgetragen, die klägerischen Einwände in der Berufungsbegründung beinhalteten keine neuen Gesichtspunkte. Heilungsbewährung sei eingetreten. Eine depressive Verstimmung sei berücksichtigt. Von einer stärker behindernden seelischen Störung mit einem Teil-GdB von mehr als 20 könne nicht ausgegangen werden, da weder eine fachärztliche noch eine psychotherapeutische Behandlung in Anspruch genommen werde und auch die medikamentöse Behandlung wohl beendet worden sei.

Mit richterlicher Verfügung vom 30.08.2019 sind die Beteiligten (u.a.) darauf hingewiesen worden, dass beabsichtigt sei, über die Berufung gemäß § 153 Abs. 4 SGG ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss zu entscheiden und es ist ihnen Gelegenheit gegeben worden, zur Sache und zum beabsichtigten Verfahren bis zum 20.09.2019 Stellung zu nehmen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die angefallenen Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf einen Band Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

II.

Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann der Senat - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Das SG hat nicht mit Gerichtsbescheid, sondern mit Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden. Im Berufungsverfahren des Klägers sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Entscheidung im schriftlichen Verfahren bedarf keiner Zustimmung der Beteiligten. Die Beteiligten sind mit richterlichen Verfügung vom 30.08.2019 (u.a.) auf die in Betracht kommende Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG sowie deren Voraussetzungen hingewiesen worden und haben Gelegenheit erhalten, zur Sache und zum beabsichtigen Verfahren bis 20.09.2019 Stellung zu nehmen. Gesichtspunkte, die eine mündliche Verhandlung angezeigt erscheinen lassen, hat der Kläger im Berufungsverfahren nicht aufgezeigt. In Ausübung pflichtgemäßen Ermessens erachtet der Senat eine mündliche Verhandlung vor dem Senat deshalb für nicht erforderlich.

Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreites ist der Bescheid des Beklagten vom 16.06.2017 in der Fassung des Teil-Abhilfebescheides 02.11.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.12.2017. Hiergegen wendet sich der Kläger mit einer reinen Anfechtungsklage. Nicht Streitgegenstand des Rechtsstreites ist die Erhöhung des ursprünglich festgestellten GdB von 50, wie der Kläger zunächst im Nachprüfungsverfahren beantragt hat. Die Erhöhung des GdB hat der Kläger nicht weiterverfolgt, sondern sowohl im Widerspruchsverfahren, im Klageverfahren und im Berufungsverfahren jeweils (lediglich) die Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheides beantragt und damit eine reine Anfechtungsklage erhoben. Im Übrigen hat der Beklagte über den Erhöhungsantrag des Klägers im streitgegenständlichen Bescheid auch nicht ausdrücklich entschieden.

Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind letztlich rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung der streitgegenständlichen Bescheide. Der Beklagte hat den GdB zuletzt zutreffend auf 30 herabgesetzt. Das angefochtene Urteil des SG ist nicht zu beanstanden.

Die streitgegenständlichen Bescheide des Beklagten sind nicht formell rechtswidrig. Der Kläger ist vor dem Erlass mit Schreiben des LRA vom 22.02.2017 ordnungsgemäß angehört worden (§ 24 Abs. 1 SGB X). Einen Anhörungsfehler hat der Kläger im Übrigen auch nicht gerügt.

Die streitgegenständlichen Bescheide des Beklagten ist auch nicht materiell rechtswidrig. Rechtsgrundlage für die Herabsetzung des GdB ist § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen, welche ihrerseits nicht zum so genannten Verfügungssatz des Bescheides gehören, zugrunde gelegten Teil-GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG, Urteil vom 10.09.1997 - 9 RVs 15/96 -, BSGE 81, 50 bis 54). Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustands mit dem bindend festgestellten früheren Behinderungszustand festgestellt werden.

Eine rechtliche Änderung i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist vorliegend eingetreten, weil nach Ablauf des Zeitraums der Heilungsbewährung und damit nach Ablauf des vom Verordnungsgeber vorgesehenen Zeitraums - vorliegend nach den VG Teil B 17.3 von fünf Jahren - einer in Folge bestimmter Erkrankungen (vor allem Krebserkrankungen) pauschalen Bewertung des GdB auf die Feststellung der tatsächlichen Funktionsstörungen überzugehen war. Nach dem Bericht des Dr. L. vom 16.05.2012 wurde beim Kläger am 04.10.2011 ein Malignes Melanom am Rücken entfernt, das nach den VG Teil B 17.3 einen GdB von 50 bei einer Heilungsbewährungszeit von fünf Jahren rechtfertigte. Diese Heilungsbewährungszeit war bei Ergehen des streitgegenständlichen Bescheides abgelaufen. Dass beim Kläger in diesem Zeitraum ein Rezidiv aufgetreten ist, kann nicht festgestellt werden. Vielmehr bestätigt Dr. L. in seinem vom LRA im Nachprüfungsverfahren eingeholten Bericht vom 16.01.2017, dass beim Kläger bei unauffälligem Tumormarker kein Melanom oder Melanomrezidiv bestand. Dies hat auch Dr. F. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 12.06.2018 an das SG nach seinem Wissen bestätigt. Dass von Dr. L. erwähnte notwendige Mehrfachexzisionen auf den Lauf der Heilungsbewährungszeit Einfluss haben (vgl. hierzu Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) Teil B 1c.), kann nach den Angaben von Dr. L. nicht festgestellt werden. Soweit sich der Kläger im Berufungsverfahren darauf beruft, dass bei ihm im April 2018 ein inhomogen pigmentierter, lentiginöser, melanozytärer Compoundnaevus an der linken Schulter habe entfernt werden müssen, lässt sich nicht feststellen, dass nach dem maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt im Verlauf des Rechtsstreites der Eintritt der Heilungsbewährung entfallen ist. Vielmehr wird in dem hierzu vorgelegten pathologisch-anatomischen Gutachten von Dr. S. vom 09.04.2018, auf das sich der Kläger beruft, ein Anhalt für Malignität verneint. Dass der Kläger als Risikopatient gilt, wie Dr. L. in seinem Bericht vom 16.01.2017 dem LRA mitgeteilt hat, lässt die Heilungsbewährung ebenfalls nicht entfallen. Damit stellt der Senat fest, dass beim Kläger Heilungsbewährung eingetreten ist. Der Ablauf des Zeitraums der Heilungsbewährung, ohne dass ein Rezidiv o.ä. eingetreten wäre, begründet eine rechtliche Änderung, da nach Ablauf der Heilungsbewährung nach den VG Teil A 7b) auch bei gleichbleibenden Symptomen eine Neubewertung des GdB vorzunehmen ist und beim Kläger die tatsächlich vorliegenden Funktionseinschränkungen keinen GdB von 50 mehr rechtfertigen, sondern mit einem GdB von 30 zu bewerten sind.

Die GdB-Bewertung richtet sich nach den Vorschriften des SGB IX in der bis 31.12.2017 geltenden Fassung, da Streitgegenstand des Verfahrens eine reine Anfechtungsklage ist und es daher auf den Sach- und Streitstand zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, also auf die Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides vom 07.12.2017 ankommt.

Nach § 69 Abs. 1 und 3 SGB IX (jeweils a.F.) stellen auf Antrag des Menschen mit Behinderung die für die Durchführung des BVG zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Menschen sind nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Schwerbehindert sind gemäß § 2 Abs. 2 SGB IX Menschen, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt; eine Feststellung ist nur zu treffen, wenn ein Grad der Behinderung von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 SGB XI). Seit 01.01.2009 ist an die Stelle der AHP, die im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewendet wurden, die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die Bewertung des GdB maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind (§ 70 Abs. 2 SGB IX in der ab 15.01.2015 gültigen Fassung). Bis zum 14.01.2015 galten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX (in der Fassung vom 20.06.2011) die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 16 des BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. Hiervon hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales Gebrauch gemacht und die VersMedV erlassen, um unter anderem die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG zu regeln (vgl. § 1 VersMedV). Die zugleich in Kraft getretene, auf der Grundlage des aktuellen Standes der medizinischen Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin erstellte und fortentwickelte Anlage "VG" zu § 2 VersMedV ist an die Stelle der bis zum 31. Dezember 2008 heranzuziehenden AHP getreten. In den VG wird der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben (BSG, Urteil vom 1. September 1999 - B 9 V 25/98 R -, SozR 3-3100 § 30 Nr. 22). Hierdurch wird eine für den Menschen mit Behinderung nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht. Anders als die AHP, die aus Gründen der Gleichbehandlung in allen Verfahren hinsichtlich der Feststellung des GdB anzuwenden waren und dadurch rechtsnormähnliche Wirkungen entfalteten, ist die VersMedV als Rechtsverordnung verbindlich für Verwaltung und Gerichte. Sie ist indes, wie jede untergesetzliche Rechtsnorm, auf inhaltliche Verstöße gegen höherrangige Rechtsnormen - insbesondere § 69 SGB IX - zu überprüfen (BSG, Urteil vom 23.4.2009 - B 9 SB 3/08 R - RdNr 27, 30 m.w.N.). Die VersMedV (nebst Anlage) sind im Lichte der rechtlichen Vorgaben des § 69 SGB IX auszulegen und - bei Verstößen dagegen - nicht anzuwenden (BSG, Urteil vom 30.09.2009 SozR 4-3250 § 69 Nr. 10 RdNr. 19 und vom 23.4.2009, a.a.O., RdNr 30).

Allgemein gilt, dass der GdB auf alle Gesundheitsstörungen, unabhängig ihrer Ursache, final bezogen ist. Der GdB ist ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens. Ein GdB setzt stets eine Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand voraus. Dies ist insbesondere bei Kindern und älteren Menschen zu beachten. Physiologische Veränderungen im Alter sind bei der Beurteilung des GdB nicht zu berücksichtigen. Erfasst werden die Auswirkungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben. Dabei sollen im Allgemeinen Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden (VG, Teil A, Nr. 2 e).

Hiervon ausgehend ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte den im Bescheid vom 05.07.2012 festgestellten GdB von 50 auf 30 seit dem 22.06.2017 herabgesetzt hat. Der neu festgestellte GdB von 30 verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend und ausführlich begründet, dass Folgen der Krebserkrankung des Klägers nicht mehr bestünden. Wegen einer depressiven Reaktion seien Einschränkungen des Klägers hinsichtlich der Teilhabe am sozialen Leben oder am Berufsleben weder vorgetragen noch ersichtlich. Für die chronisch rezidivierenden Gastritiden bei Zustand nach Zwölffingerdarmblutungen und Divertikulose des Dickdarms könne ein höherer GdB als 20 nicht angenommen werden. Die Funktionsbeeinträchtigung im Bereich des rechten Fußes sei bei freier Beweglichkeit mit einem GdB von 10 angemessen bewertet. Eine vorliegende Fettleber unklarer Genese und ein Bluthochdruck riefen keine Beeinträchtigungen hervor, so dass insoweit kein GdB angesetzt werden könne. Aus den Einzel-GdB-Werten von 20 für Dickdarmerkrankung, 20 für die seelische Erkrankung und 10 für die Fußbeschwerden ergebe sich ein Gesamt-GdB von nicht mehr als 30. Der Senat gelangt nach eigener Prüfung zum selben Ergebnis. Er nimmt zur Begründung seiner eigenen Entscheidung auf die Ausführungen des SG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils in vollem Umfang Bezug, auf die er zur Vermeidung von Wiederholungen verweist (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend bleibt auszuführen:

Soweit der Kläger im Berufungsverfahren gegen das angefochtene Urteil des SG einwendet, gravierende psychische Beeinträchtigungen seien mit einem Teil-GdB von 20 zu gering bewertet, lassen sich beim Kläger wegen einer seelischen Erkrankung keine Beeinträchtigungen feststellen, die einen GdB von über 20 rechtfertigen, worauf der Beklagte in der Berufungserwiderung zutreffend hinweist. Aufgrund der festzustellenden fehlenden ärztlichen Behandlung, wie der Kläger in der öffentlichen Sitzung des SG am 20.12.2018 ausweislich der Niederschrift vom 20.12.2018 bestätigt hat, kann zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt nicht davon ausgegangen werden, dass ein beim Kläger vorliegendes seelisches Leiden über eine leichtere psychische Störung, die nach den VG Teil B 3.7 einen GdB von 0 bis maximal 20 rechtfertigt, hinausgegangen ist (dazu vgl. Senatsurteil vom 17.12.2010 - L 8 SB 1549/10 -, juris RdNr. 31). Eine nach dem maßgeblichen Bewertungszeitpunkt bei Dr. S. am 23.02.2018 erfolgte Vorstellung des Klägers erfolgte nach dem Bericht wegen eines auf dem Gebiet der Neurologie liegenden Leidens (Polyneuropathie). Eine begonnene psychiatrische Behandlung bei Dr. S. ist nicht ersichtlich und eine psychiatrische Gesundheitsstörung wird von Dr. S. auch nicht diagnostiziert. Dr. F. beschreibt in seinem Bericht vom 20.12.2016 eine im Zusammenhang mit Magenblutungen aufgetretene depressive Reaktion, weswegen der Kläger Antidepressiva einnehmen musste. Eine dauerhafte depressive Reaktion mit der Notwendigkeit der Behandlung mit Antidepressiva lässt sich der Beschreibung von Dr. F. nicht entnehmen. Ein entsprechender Leidensdruck des Klägers, der bei einer stärker behindernden psychischen Störung, die erst mit einem GdB von über 20 zu bewerten wäre, zu erwarten wäre, findet sich nicht. Umstände, die der fehlenden Behandlung eine andere Indizwirkung zukommen lassen, wie z. B. die Nichtgenehmigung der Behandlung seitens der Krankenkasse oder eine lange Wartezeit vor der Behandlung, sind nicht ersichtlich und werden vom Kläger auch nicht geltend gemacht. Danach erscheint der vom Beklagten wegen einer depressiven Verstimmung angenommene Einzel-GdB von 20 eher großzügig. Ein Einzel-GdB von 30 oder mehr ist jedenfalls nicht gerechtfertigt.

Sonst hat der Kläger im Berufungsverfahren gegen das angefochtene Urteil keine Einwendungen erhoben, die eine vom angefochtenen Urteil abweichende Bewertung zuließen, sondern er hat lediglich sein bisheriges, bereits im Widerspruchsverfahren erfolgtes, Vorbringen wiederholt. Er zeigte keinen Gesichtspunkt auf, die eine vom angefochtenen Urteil abweichende GdB-Bewertung zulässt. Solche Gesichtspunkte sind für den Senat auch nicht feststellbar.

Dem Bericht des Orthopäden Z. vom 07.02.2018 lässt sich keine Funktionsbeeinträchtigung des Klägers entnehmen, die zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt eine höhere GdB-Bewertung rechtfertigt. Allein der beschriebene radiologische Befund (MRT vom März 2017) eines Knorpelschadens MTP 1 und Os cuneiforme rechtfertigt einen Teil-GdB nicht. Dies gilt auch durch die durch die MRT des Fußes rechts vom 15.09.2016 und des Fußes links vom 24.03.2017 festgestellten Veränderungen. Nach den VG Teil B 18.1 rechtfertigen allein mit Bild gebenden Verfahren festgestellte Veränderungen (z. B. degenerativer Art) noch nicht die Annahme eines GdB. Vielmehr beschreibt der Facharzt Z. in seinem Bericht an das LRA vom 09.05.2017 die Beweglichkeit im OSG und im Mittelfuß sowie der Zehen als insgesamt frei. Weitere therapeutische Maßnahmen hat der Facharzt Z. nicht in die Wege geleitet. Die Diagnose Polyneuropathie in den Füßen durch Dr. S. im Februar 2018 (Bericht vom 23.02.2018) liegt zeitlich nach dem maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt und ist deshalb vorliegend nicht zu berücksichtigen. Ein Einzel-GdB von 10 für eine Funktionsbehinderung der unteren Gliedmaßen, wie vom Beklagten berücksichtigt, wird bei diesen Befunden nicht überschritten. Sonstige Funktionsbehinderungen des Stütz- und Bewegungsapparates sind nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen nicht festzustellen.

Nach dem Bericht von Dr. F. vom 20.12.2016 an den Beklagten werden die im Jahr 2016 zweimal aufgetretenen Magenblutungen medikamentös behandelt. Dass der Kläger gleichwohl erhebliche Beeinträchtigungen durch Magenblutungen hat, die unter Berücksichtigung chronisch rezidivierender Gastritiden und einer Divertikulose des Dickdarms einen Einzel-GdB von über 20 rechtfertigen, beschreibt Dr. F. in seinem Bericht vom 20.12.2016 nicht und ist zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt auch nach den sonst zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen nicht festzustellen. So konnte der Kläger nach dem Bericht der H. Klinik R. nach stationärer Behandlung von Oberbauchschmerzen (08.05.2016 bis 09.05.2016) in stabilem Allgemeinzustand entlassen werden.

Der Vitamin-D-Mangel (Laborbefund MZV Labor Dr. G. und Kollegen vom 10.05.2016) kann substituiert werden.

Damit kann der Senat keinen höheren Gesamt-GdB als 30 feststellen. Der abweichenden Gesamt-GdB-Bewertung von Dr. F. in seiner schriftlichen Sachverständigen Zeugenaussage an das SG vom 12.06.2018, der in der Zusammenschau aller Befunde und Erkrankungen einen Gesamt-GdB von 30 für zu gering erachtet, kann nicht gefolgt werden. Die von ihm hierzu vorgelegten Facharztbefunde, auf die er seine Bewertung stützt, datieren im Zeitraum vom 07.02.2018 bis 09.04.2018 und liegen sämtlich außerhalb des vorliegend relevanten Beurteilungszeitpunktes. Insoweit ist der Kläger auf ein Neufeststellungsverfahren beim Beklagten zu verweisen, was auch für die im Februar 2018 festgestellte Polyneuropathie gilt.

Anlass zu weiteren Ermittlungen besteht nicht. Der Sachverhalt ist durch die vom SG und Beklagten durchgeführten Ermittlungen und die - dabei - zu den Akten gelangten medizinischen Befundunterlagen vollständig aufgeklärt und vermitteln dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Der zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt festgestellte medizinische Sachverhalt bietet die Basis für die vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung des GdB unter Einschluss der Bewertung der sich zwischen den einzelnen Erkrankungen und Funktionsbehinderungen ergebenden Überschneidungen und Wechselwirkungen. Gesichtspunkte, durch die sich der Senat zu weiteren Ermittlungen gedrängt fühlen müsste, hat der Kläger im Berufungsverfahren nicht aufgezeigt.

Die Berufung des Klägers war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved