L 1 AS 1182/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 4 AS 1956/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 AS 1182/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 27.02.2018 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten noch über den Anspruch der Klägerin auf SGB II Leistungen in der Zeit vom 01.07.2016 bis 31.08.2017.

Die 1984 geborene Klägerin begann nach dem Schulabschluss an einem kaufmännischen Berufskolleg zunächst eine Ausbildung zur Friseurin, die sie nach zwei Monaten im Oktober 2001 abbrach. Im September 2002 begann sie dann zunächst eine Ausbildung zur Kauffrau für Bürokommunikation, welche sie ebenfalls abbrach. In der Zeit von September 2003 bis Juli 2005 schloss sie erfolgreich eine Ausbildung zur Automobilkauffrau ab und war danach, unterbrochen von Zeiten der Arbeitslosigkeit, immer wieder für einige Monate bei verschiedenen Autohäusern erwerbstätig. Von Oktober 2008 bis April 2009 machte sie ein Praktikum bei einem Gestüt, von Juni 2009 bis August 2009 bei einem anderen Gestüt. Danach arbeitete sie als Lager- und Transportarbeiterin vom November 2009 bis August 2010. Hieran schloss sich der Besuch eines kaufmännischen Berufskollegs in der Zeit von September 2010 bis Juli 2011 an, der mit der Fachhochschulreife beendet wurde. Im Juli 2011 nahm die Klägerin eine Ausbildung zur Pferdewirtin auf, die durch den Arbeitgeber im September 2011 beendet wurde. Von Oktober 2011 bis August 2014 war die Klägerin als Lagerarbeiterin erwerbstätig.

Ausweislich verschiedener in den Verwaltungsakten enthaltener Arztbriefe und Befundberichten wurden bei der Klägerin eine mittel- bis schwergradige rezidivierende depressive Störung, mit und ohne psychosomatischen Begleiterscheinungen, eine somatoforme Schmerzstörung und Somatisierungsstörung, eine andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung (anhaltende kumulative Mehrfachtraumatisierung nach Tod der Mutter) sowie ein craniosacrales Syndrom und eine Skoliose diagnostiziert.

Im September 2014 begann sie eine Ausbildung zur Maßschneiderin.

Am 19.02.2015 beantragte die Klägerin beim Beklagten die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II, nachdem ihr Leistungen nach dem BAföG wegen Überschreitens der Altersgrenze nicht gewährt worden waren. Im Rahmen des Antrags gab sie an, sie bewohne ein etwa 1892 gebautes Gebäude mit 2 Zimmern in M., S. Mit späterem Schriftsatz vom 01.09.2016 teilte sie mit, sie habe zwar keine Mietkosten zu tragen, da sie unentgeltlich wohne (das Haus gehöre dem verstorbenen Großvater, die Eigentumsverhältnisse der Erben seien nicht geklärt), müsse aber alle Nebenkosten (Müll, Strom, Wasser, Heizung usw.) tragen. Mit Bescheid vom 24.02.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.04.2015 lehnte die Beklagte diesen Antrag der Klägerin auf Gewährung von SGB II-Leistungen ab. Hiergegen hat die Klägerin am 28.04.2015 Klage vor dem Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben (S 10 AS 2312/16), die das SG mit Urteil vom 30.01.2018 abwies (S 10 AS 2312/16). Die hiergegen eingelegte Berufung, die den Zeitraum Februar 2015 bis Juni 2016 betraf, wies der erkennende Senat mit (rechtskräftigem) Beschluss vom 05.03.2019 zurück (L 1 AS 1391/18).

Noch während des laufenden Klageverfahrens vor dem SG brach die Klägerin am 24.07.2015 die Ausbildung zur Maßschneiderin ab und nahm am 28.09.2015 zu Beginn des Wintersemesters 2015 ein Studium der Mathematik an der Hochschule für Technik in S. auf.

Mit Urteil vom 24.06.2016 wies das Verwaltungsgericht Karlsruhe (VG) eine Klage der Klägerin auf Gewährung von Ausbildungsförderung nach dem BAföG ab.

Am 27.07.2016 beantragte die Klägerin sodann nochmals die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II beim Beklagten.

In der Zeit vom 01.09.2016 bis 29.09.2016 war die Klägerin nach eigenen Angaben exmatrikuliert, wurde allerdings anschließend rückwirkend wieder immatrikuliert.

Den Leistungsantrag vom 27.07.2016 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 13.09.2016 zunächst ab. Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 29.09.2016 sinngemäß Widerspruch mit der Begründung ein, sie sei seit dem 01.09.2016 zwangsexmatrikuliert.

Hieraufhin bewilligte die Beklagte mit vorläufigem Bewilligungsbescheid vom 05.10.2016 Leistungen für die Zeit vom 01.09.2016 bis 31.08.2017 in Höhe von monatlich 124,00 EUR.

Am 12.10.2016 teilte die Klägerin mit, sie sei (wieder) Vollzeitstudentin und habe einen Nebenjob auf 450,00 EUR-Basis und könne daher zu einem vom Beklagten vergebenen Vorsprachetermin nicht kommen, auch habe sie keinen Bedarf für eine Jobvermittlung. Am 02.12.2016 legte die Klägerin eine Immatrikulationsbescheinigung vom 29.09.2016 vor, wonach sie im Wintersemester vom 01.09.2016 bis 28.02.2017 im dritten Fachsemester eingeschrieben war.

Mit Aufhebungsbescheid vom 13.12.2016 nahm die Beklagte die Bewilligung von Leistungen ab 29.09.2016 ganz zurück. Die Bewilligung sei aufgrund der Mitteilung der Exmatrikulation erfolgt, nunmehr liege die Immatrikulationsbescheinigung vor, wonach sie seit 29.09.2016 wieder immatrikuliert sei. Die Voraussetzungen des § 45 SGB X für die Rücknahme des begünstigenden Bescheides mit Wirkung für die Zukunft seien gegeben.

Mit Bescheid vom 15.12.2016 nahm die Beklagte den Aufhebungsbescheid vom 13.12.2016 zurück und lehnte den Antrag auf Leistungen ab 01.09.2016 endgültig ab. Es sei festgestellt worden, dass die Klägerin durchgängig immatrikuliert gewesen und daher ab 01.09.2016 ganz von Leistungen ausgeschlossen gewesen sei. Die Klägerin habe im September und im Oktober 2016 jeweils 124,00 EUR erhalten, obwohl darauf kein Anspruch bestanden habe. Diese Leistungen müsse sie erstatten.

Gegen die Bescheide vom 13.12 und 15.12.2016 erhob die Klägerin jeweils Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30.05.2017 als unbegründet zurückwies.

Hiergegen hat die Klägerin am 27.06.2017 Klage vor dem SG erhoben (S 4 AS 1956/17). Zur Begründung hat sie insbesondere vorgetragen, der Bescheid vom 15.12.2016 stelle formal keine ordnungsgemäße Aufhebung bzw. Abänderung des Bescheids vom 05.10.2016 dar. Dem Bescheid vom 15.12.2016 lasse sich zwar entnehmen, welche Rechtsansicht der Beklagte vertrete, in ihm werde jedoch nicht mit der aufgrund des Bestimmtheitsgrundsatzes erforderlichen Deutlichkeit dargestellt, ob der Bescheid vom 05.10.2016 aufgehoben, über den Antrag der Klägerin neu entschieden oder eine andere Maßnahme getroffen werde. Ein Ausschluss der Leistungen nach § 7 Abs.5 SGB II greife bei ihr nicht ein, jedenfalls aber stünde ihr ein Darlehensanspruch zu.

Mit Gerichtsbescheid vom 27.02.2018 hat das SG die Klage abgewiesen.

Gegen den ihrem Bevollmächtigten am 01.03.2018 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 29.03.2018 Berufung eingelegt. Zur Begründung ihrer Berufung hat sie insbesondere vorgetragen, sowohl bei der Ausbildung zur Maßschneiderin als auch beim späteren Mathematikstudium handle es sich um eine Fort- bzw. Weiterbildung, so dass der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 5 S. 1 SGB II nicht greife. Das SG habe sich fehlerhaft nicht mit der Zeit von Juni 2016 bis August 2016 auseinandergesetzt. Zwar gebe es für diese 3 Monate keinen Widerspruchsbescheid, es lägen aber die Voraussetzungen einer Untätigkeitsklage vor. Die Entscheidung der Beklagten sei im Übrigen formell und materiell falsch. Es liege jedenfalls eine besondere Härte vor.

Nach Hinweis des Senats, die Klägerin habe in der mündlichen Verhandlung vor dem SG Mannheim am 30.01.2018 (S 10 AS 2312/16) angegeben, sie habe aktuell ein "Urlaubssemester", so dass für den Zeitraum dieses Urlaubssemesters der vom Beklagten herangezogene Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II möglicherweise nicht greife, hat die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 05.08.2019 Leistungen für die Zeit vom 01.09.2017 bis 28.02.2018 (mit Ausnahme des Dezember 2017) bewilligt.

Mit Schreiben vom 22.02.2019 hatte die Klägerin zuvor mitgeteilt, dass sie das Mathematikstudium nicht mit Erfolg habe abschließen können und nun in Albstadt Textil- und Bekleidungstechnologie studiere. Dieses Studium habe sie aber im Januar 2019 wieder unterbrechen müssen. Zudem hat sie mit Schreiben vom 01.08.2019 und 23.09.2019 mitgeteilt, dass sie die Leistungsbewilligung für den Zeitraum 01.09.2017 bis 28.02.2018 akzeptiere. Sie begehre aber noch Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum 01.07.2016 bis 31.08.2017. Ergänzend hat sie hierzu vorgetragen, sie sei in der Zeit vom 01.09.2016 bis 29.09.2016 exmatrikuliert gewesen. Die anschließende rückwirkende erneute Immatrikulation für diesen Zeitraum führe nicht dazu, dass der zunächst entstandene Leistungsanspruch dann wieder entfallen sei.

Die Klägerin hat zuletzt noch beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 27.02.2018 sowie die Bescheide des Beklagten vom 13.09.2016 und 15.12.2016 jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2017 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 01.07.2016 bis 31.08.2017 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Zuschuss, hilfsweise als Darlehen, zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er erachtet die Entscheidung des SG für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie der Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 27.02.2018 zu Recht abgewiesen. Die Bescheide des Beklagten vom 13.09.2016 und 15.12.2016 jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2017 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Zulässiger Streitgegenstand sind die Bescheide des Beklagten vom 13.09.2016 und 15.12.2016 jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2017 und damit der gesamte Zeitraum vom 01.07.2016 bis 31.08.2017. Der Beklagte hat mit diesen Bescheiden einerseits den vorausgegangenen Aufhebungsbescheid vom 13.12.2016 zurückgenommen und andererseits den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom 27.07.2016 endgültig abgelehnt und die Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen in Höhe von 248,00 EUR verfügt. Entgegen der Auffassung des SG sind damit auch die Monate Juli bis August 2016 zulässiger Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, da der maßgebliche Widerspruchsbescheid vom 30.05.2017 den Widerspruch der Klägerin gegen die Ablehnung des Antrags vom 27.07.2016 zurückweist (allerdings ohne den Bescheid vom 13.09.2016 ausdrücklich zu nennen) und damit eben auch die mit Bescheid vom 13.09.2016 verfügte Leistungsablehnung mit Wirkung für die Monate 01.07. bis 31.08.2016 umfasst.

Ein Anspruch auf SGB II-Leistungen für den zuletzt noch streitigen Zeitraum vom 01.07.2016 bis 31.08.2017 besteht nicht. Der Beklagte war berechtigt, die Leistungen für den Zeitraum 01.07.2016 bis 31.08.2017 endgültig abzulehnen.

Während die endgültige Ablehnung für die Monate 01.07. bis 31.08.2016 mit Bescheid vom 13.09.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2017 erfolgte, hat der Beklagte eine abschließende Entscheidung über den Leistungsanspruch für die Zeit ab 01.09.2016 bis zum hier streitigen 31.08.2017 mit Bescheid vom 15.12.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2017 nach § 41a Abs. 3 S. 4 SGB II in der Fassung vom 26.07.2016 getroffen. Beide Entscheidungen sind rechtmäßig.

Der endgültige Bescheid vom 15.12.2016 hat den Bescheid vom 05.10.2016 ersetzt und somit i.S.d. § 39 Abs. 2 SGB X erledigt, ohne dass es einer Aufhebung oder Änderung dieser vorläufigen Entscheidung bedurft hätte (vgl. zu den Rechtswirkungen einer abschließenden Entscheidung im Verhältnis zu einer vorläufigen Bewilligung: BSG, Urteil vom 05.07.2017 - B 14 AS 36/16 R -, m.w.N.). Es erweist sich daher als zutreffend und konsequent, dass der Beklagte den zuvor ergangenen und auf § 45 SGB X gestützten Rücknahmebescheid vom 13.12.2016 wieder zurückgenommen hat. Nach § 41a Abs. 3 Satz 1 SGB II in der ab 01.08.2016 gültigen Fassung vom 26.07.2016 entscheiden die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende abschließend über den monatlichen Leistungsanspruch, sofern die vorläufig bewilligte Leistung nicht der abschließend festzustellenden entspricht oder die leistungsberechtigte Person eine abschließende Entscheidung beantragt. Das SG hat zutreffend ausgeführt, dass es sich - entgegen der Auffassung der Klägerin - bei der Leistungsbewilligung mit Bescheid vom 05.10.2016 um eine vorläufige Bewilligung handelte, was sogar durch entsprechenden Fettdruck im Bescheid unmissverständlich hervorgehoben wurde. Die streitige endgültige Leistungsablehnung war somit weder formell rechtswidrig, noch bestehen Zweifel an der Bestimmtheit dieses Bescheides. Zur Vermeidung von Wiederholung nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des SG hierzu im angegriffenen Gerichtsbescheid Bezug. Die vorläufig bewilligte Leistung entsprach nicht der abschließend festzustellenden, so dass der Beklagte gemäß § 41a Abs. 3 Satz 1 SGB II berechtigt und verpflichtet war eine endgültige Entscheidung zu treffen.

Die Klägerin hat für den gesamten streitigen Zeitraum 01.07.2016 bis 31.08.2017 keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Die Klägerin war - was sie in der mündlichen Verhandlung nochmals bestätigt hat - in der Zeit von 01.07.2016 bis 31.08.2017 als Studentin der Mathematik immatrikuliert und als solche von einem Leistungsanspruch nach dem SGB II ausgeschlossen.

Nach § 7 Abs. 5 SGB II in der bis 31.07.2016 gültigen Fassung vom 20.12.2011 (a.F.) haben Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes oder der §§ 51, 57 und 58 des Dritten Buches dem Grunde nach förderungsfähig ist, über die Leistungen nach § 27 SGB II hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ... Nach § 7 Abs. 5 SGB II in der ab 01.08.2016 gültigen Fassung vom 26.07.2016 und 22.12.2016 haben Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, über die Leistungen nach § 27 SGB II hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Dies gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2 und 3, § 62 Absatz 3, § 123 Absatz 1 Nummer 2 und 3 sowie § 124 Absatz 1 Nummer 3 und Absatz 3 des Dritten Buches bemisst.

Bei dem Studium der Mathematik handelt es sich um ein dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildungsgang nach dem BAföG, so dass der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 5 SGB II greift. Für den in der streitigen Zeit damit durchgängig seit Juli 2016 bestehenden Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II kommt es (nur) darauf an, ob die Ausbildung ihrer Art nach gefördert werden kann. Entsprechend dem Wortlaut "dem Grunde nach förderungsfähig" ist nicht maßgeblich, ob im Einzelfall tatsächlich eine Förderung nach dem BAföG erfolgt. Unerheblich ist daher, dass die Klägerin tatsächlich keine Leistungen nach dem BAföG erhalten konnte und eine hierauf gerichtete Klage vom VG abgewiesen wurde. Die Gewährung von Leistungen nach dem BAföG ist - wie sich auch aus den Entscheidungsgründen des VG ergibt - nicht grundsätzlich, sondern lediglich aus in der Person der Klägerin liegenden (individuellen) Gründen - hier die Überschreitung der Altersgrenze - nicht möglich gewesen. Das Vorliegen individueller Versagensgründe steht dem Leistungsausschluss i.S.d. § 7 Abs. 5 SGB II jedoch nicht entgegen (BSG, Urteil vom 30.08.2010 - B 4 AS 97/09 R - juris = SozR 4-4200 § 7 Nr 19 - mwN; BSG, Urteil vom 30.09.2008 - B 4 AS 28/07 R - juris = SozR 4-4200 § 7 Nr 9).

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist hier auch nicht maßgeblich, dass sie nach eigenen Angaben in der Zeit vom 01.09.2016 bis 29.09.2016 vorübergehend exmatrikuliert war und erst anschließend rückwirkende erneute immatrikuliert wurde. Bei der hier verfolgten kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage ist der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in einer Tatsacheninstanz (Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schütze, SGG, 12. Aufl. 2017, § 54, Rn. 34), so dass die kurzzeitige, vorübergehende Exmatrikulation für einige Wochen im Jahr 2016 keine materiell rechtlichen Auswirkungen habe kann.

Soweit die Klägerin argumentiert, bei dem Studium der Mathematik handle es sich eigentlich gar nicht um eine Ausbildung, sondern um eine reine Weiterbildung, überzeugt diese Argumentation den Senat nicht. Ob es sich bei einer Maßnahme um eine solche der Berufsausbildung (vgl. §§ 59 ff SGB III) oder der beruflichen Weiterbildung handelt (vgl. §§ 77 ff. SGB III), ist allgemein unter Berücksichtigung des Charakters der Maßnahme nach objektiven Kriterien vorzunehmen (vgl. BSG, Urteil vom 17.11.2005 - B 11a AL 23/05 R -, juris). Danach ist weder der erste Besuch einer Bildungsmaßnahme arbeitsförderungsrechtlich in jedem Fall eine Ausbildung, noch stellt jeder zweite Besuch einer Bildungsmaßnahme bei Vorliegen eines Berufsabschlusses eine Weiterbildung dar. Maßgeblich ist nicht die Perspektive des Teilnehmers der Maßnahme, sondern vielmehr die konkrete Ausgestaltung des Bildungsangebots selbst (objektive Umstände). Nach seinem Zuschnitt, seiner Struktur und seinen Inhalten ist zu entscheiden, ob es sich um eine schulische oder berufliche Ausbildung oder um eine berufliche Weiterbildung handelt (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 04.04.2007 – L 7 AL 755/07 ER-B –, juris). Es sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, etwa welche Vorkenntnisse für die erfolgreiche Teilnahme erforderlich sind, welche Unterrichtsformen geplant sind und welcher Abschluss angestrebt wird. Während die berufliche Weiterbildung nach § 77 Abs. 2 SGB III erkennbar auf eine angemessene Berufserfahrung als Grundlage einer beruflichen Weiterbildung abstellt, baut eine Ausbildungsmaßnahme nicht auf bereits erworbenen beruflichen Kenntnissen auf (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 04.04.2007, a.a.O., Rn. 15). Da das Studium der Mathematik keinerlei spezifische berufliche Erfahrung voraussetzt, handelt es sich hierbei entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht um eine Weiterbildungsmaßnahme.

Des Weiteren ist keine der § 7 Abs. 6 Nr. 1 bis 3 SGB II genannten Rückausnahmen einschlägig. Insbesondere § 7 Abs. 6 Nr. 2 SGB II in den hier einschlägigen Fassungen vom 20.12.2011, 26.07.2016 und 22.12.2016 findet keine Anwendung. Notwendig ist insoweit nämlich - was bereits das SG betont hat - der tatsächliche Bezug der Leistung (vgl. hierzu: Leopold in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 7, Rn. 314; Bayerisches LSG, Beschluss vom 13.05.2013 – L 11 AS 151/13 B ER –, Rn. 17, juris; vgl. zur Neufassung ab 01.08.2016: Becker in Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage, SGB II, § 7, Rn. 200) oder, dass Leistungen nur wegen Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht bezogen werden (§ 7 Abs. 6 Nr. 2 SGB II in der Fassung vom 26.07.2016 und 22.12.2016). Hieran fehlt es vorliegend. Die Klägerin hatte vielmehr aufgrund des Überschreitens der Altersgrenze keinen Anspruch auf die Gewährung von BAföG.

Schließlich kommt auch die Gewährung eines Darlehens nach § 27 Abs. 4 S. 1 SGB II a.F. in der Fassung vom 20.12.2011 sowie nach § 27 Abs. 3 SGB II in der Fassung vom 26.07.2016 nicht in Betracht. Nach dieser Vorschrift können Leistungen als Darlehen für Regelbedarfe, Bedarfe für Unterkunft und Heizung und notwendige Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung erbracht werden, sofern der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II a.F. eine besondere Härte bedeutet. Eine besondere Härte liegt vor, wenn im Einzelfall Umstände hinzutreten, die einen Ausschluss der Ausbildungsförderung durch Hilfe zum Lebensunterhalt auch mit Rücksicht auf den Gesetzeszweck als übermäßig hart, d.h. als unzumutbar oder in hohem Maße unbillig erscheinen ließen (BSG, Urteil vom 01.07.2009 - B 4 AS 67/08 R -, juris).

Das BSG hat insoweit drei Fallgruppen der "besonderen Härte" anerkannt (umfassend BSG, Urteil vom 01.07.2009, a.a.O.). Bei der ersten Fallgruppe ist wegen einer Ausbildungssituation Hilfebedarf entstanden, der nicht durch BAföG oder BAB gedeckt werden kann, und es besteht deswegen begründeter Anlass für die Annahme, dass die vor dem Abschluss stehende Ausbildung nicht beendet werden kann und das Risiko zukünftiger Erwerbslosigkeit droht (vgl. BSG Urteil vom 06.09.2007 - 14/7b AS 36/06 R -, BSGE 99, 67). Für den Begriff "vor dem Abschluss stehend" muss die durch objektive Gründe belegbare Aussicht bestehen, nachweisbar etwa durch die Meldung zur Prüfung, dass der Ausbildungsabschluss in absehbarer Zeit bevorsteht. Dies war bis zum Ende des hier streitigen Zeitraums im August 2017 offenkundig nicht der Fall. Auch der zweite Ausnahmefall einer weit fortgeschrittenen, bisher kontinuierlich betriebenen Ausbildung, die wegen einer Behinderung oder Krankheit gefährdet ist, lag nicht vor. Zwar sind bei der Klägerin diverse Erkrankungen diagnostiziert worden. Dass gerade hierdurch eine Gefährdung einer weit fortgeschrittenen, bisher kontinuierlich betriebenen Ausbildung bestand, ist hingegen nicht ersichtlich. Bei der dritten Fallgruppe ist Voraussetzung, dass objektiv belegbar nur eine nach den Vorschriften des BAföG förderungsfähige Ausbildung die einzige Zugangsmöglichkeit zum Arbeitsmarkt darstellt. Eine solche Konstellation ist nur in absoluten Ausnahmefällen denkbar. Voraussetzung sind persönliche Defizite, die dem Studierenden andere Entwicklungsmöglichkeiten verschließen würden (vgl. BSG, Urteil vom 06.09.2007 – B 14/7b AS 28/06 R –, SozR 4-4200 § 7 Nr. 8; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13.09.2018 – L 19 AS 491/17 –, Rn. 75, juris). Vor dem Hintergrund der bereits abgeschlossenen Ausbildung sowie der breiten beruflichen Erfahrungen der Klägerin konnte sich der Senat, trotz der unstreitig vorhandenen gesundheitlichen Einschränkungen, nicht davon überzeugen, dass hier ein anderweitiger Zugang der Klägerin zum Arbeitsmarkt ausgeschlossen ist. Der Beklagte hat vielmehr aus Sicht des Senates zutreffend darauf hingewiesen, dass in Anbetracht der vorhandenen Ausbildung und des vielfältigen beruflichen Erfahrungsschatzes eine Anpassungsweiterbildung - etwa für eine Tätigkeit im Bürobereich - denkbar ist, in deren Rahmen bereits vorhandene Kenntnisse aufgefrischt und aktualisiert werden können. Soweit die Klägerin im Verfahren vor dem VG argumentiert hat, sie solle Kundenkontakt zur Stressreduzierung meiden, ist darauf hinzuweisen, dass weder ersichtlich noch vorgetragen ist, dass Arbeitsplätze ohne bzw. mit wenig Kundenkontakt ausschließlich Absolventen eines Mathematikstudiums vorbehalten sind. Der Senat konnte sich daher keine Überzeugung davon bilden, dass das Studium der Mathematik die einzige Zugangsmöglichkeit zum Arbeitsmarkt darstellt.

Soweit eine besondere Härte in der ab 01.08.2016 geltenden Fassung des § 27 Abs. 3 Satz 2 SGB II vom 26.07.2016 auch anzunehmen ist, wenn Auszubildenden, deren Bedarf sich nach §§ 12 oder 13 Absatz 1 Nr. 1 BAföG bemisst, aufgrund von § 10 Absatz 3 des BAföG keine Leistungen zustehen, diese Ausbildung im Einzelfall für die Eingliederung der oder des Auszubildenden in das Erwerbsleben zwingend erforderlich ist und ohne die Erbringung von Leistungen zum Lebensunterhalt der Abbruch der Ausbildung droht, ist diese Regelung für das von der Klägerin betriebene Hochschulstudium nicht einschlägig. § 12 BAföG betrifft den Bedarf für Schüler und § 13 Absatz 1 Nr. 1 BAföG bezieht sich ausschließlich auf Fachschulklassen, Abendgymnasien und Kollegs, wohingegen Hochschulen in § 13 Abs. 1 Nr. 2 BAföG aufgeführt werden. Bei Studierenden an Hochschulen ist daher ausschließlich die (hier nicht gegebene) allgemeine Härtefallregelung nach § 27 Abs. 3 Satz 1 SGB II zu prüfen (Silbermann in Eicher/Luik, a.a.O., § 27, Rn. 44).

Die mit Bescheid vom 15.12.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2017 verfügte Pflicht zur Erstattung der vorläufig bewilligten Leistungen für September und Oktober 2016 in einer Gesamthöhe von 248 EUR findet ihre Grundlage in § 41a Abs. 6 Satz 3 SGB II. Hiernach sind Überzahlungen, die nach einer Anrechnung fortbestehen, zu erstatten. Der Beklagten kommt hierbei weder Ermessen zu, noch kann sich der Empfänger auf Vertrauensschutz berufen (vgl. Kemper in Eicher/Luik, a.a.O., § 41a, Rn. 74).

Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat im Übrigen auf die ausführlichen und zutreffenden Darstellungen des SG Bezug und macht sich diese zu eigen (§ 153 Abs. 2 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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