L 12 AL 1238/19 B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 15 AL 514/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 1238/19 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 12.03.2019 wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

Der Antragsgegner wendet sich gegen die seitens des Sozialgerichts Freiburg (SG) angeordnete Ersatzzwangshaft. Diese war angeordnet worden, nachdem der Antragsgegner nicht an der Sachverhaltsaufklärung betreffend den Anspruch seines früheren Arbeitnehmers (K. W.) auf Arbeitslosengeld mitgewirkt hatte. Bereits das SG hatte den Antragsgegner mehrfach aufgefordert, die Arbeitsbescheinigung nach § 312 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) vorzulegen. Der Senat hat den Antragsgegner u.a. mit Schreiben vom 16.07.2019 und 26.08.2019 aufgefordert, die Arbeitsbescheinigung nach § 312 SGB III vollständig auszufüllen, bzw. anzugeben, was einer Mitwirkung entgegensteht.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie gemäß § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft sowie gemäß § 173 Satz 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden. Beschwerdeausschlussgründe nach § 172 Abs. 2 oder Abs. 3 SGG liegen nicht vor.

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht Ersatzzwangshaft von einer Woche gegen den Antragsgegner angeordnet.

Gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gilt für die Vollstreckung zugunsten der Antragstellerin als bundesunmittelbarer Behörde das Verwaltungsvollstreckungsgesetz des Bundes (VwVG). Gemäß § 66 Abs. 1 Satz 2 SGB X ist für die Anordnung der Ersatzzwangshaft das Sozialgericht (SG) zuständig. Nach § 16 Abs. 1 VwVG i.V.m. § 66 Abs. 1 Satz 2 SGB X kann das SG auf Antrag der Vollstreckungsbehörde nach Anhörung des Pflichtigen die Zwangshaft anordnen, wenn bei der Androhung des Zwangsgeldes auf die Zulässigkeit der Zwangshaft hingewiesen worden ist und das Zwangsgeld uneinbringlich ist. Die Zwangshaft beträgt gemäß § 16 Abs. 2 VwVG mindestens einen Tag und höchstens zwei Wochen.

Diese Voraussetzungen für die Anordnung von Ersatzzwangshaft liegen hier vor.

I. Anordnung des Zwangsgeldes

Gemäß § 6 VwVG können Verwaltungsakte, die auf Vornahme einer Handlung, auf Duldung oder Unterlassung gerichtet sind, mit Zwangsmitteln nach § 9 VwVG durchgesetzt werden. Zwangsmittel sind gemäß § 9 Abs. 1 VwVG Ersatzvornahme, Zwangsgeld und unmittelbarer Zwang. Nach § 16 Abs. 1 VwVG i.V.m. § 66 Abs. 1 Satz 2 SGB X kann das SG auf Antrag der Vollzugsbehörde durch Beschluss Ersatzzwangshaft anordnen. Dabei ist nach § 9 Abs. 2 Satz 2 VwVG das Zwangsmittel so zu bestimmen, dass u.a. der Betroffene am wenigsten beeinträchtigt wird. Das Zwangsmittel muss in einem angemessenen Verhältnis zu seinem Zweck stehen (§ 9 Abs. 2 Satz 1 SGB X). Zwangsmittel sind gemäß § 13 Abs. 1 VwVG vor ihrer Anwendung von der Vollstreckungsbehörde schriftlich anzudrohen. Dem Pflichtigen ist in der Androhung zur Verpflichtung eine angemessene Frist zu bestimmen, wobei eine Frist nicht zu bestimmt werden braucht, wenn eine Duldung oder Unterlassung erzwungen werden soll. Die Androhung kann gemäß § 13 Abs. 2 VwVG mit dem Verwaltungsakt, der vollstreckt werden soll, verbunden werden. Die Androhung muss sich gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1 VwVG auf bestimmte Zwangsmittel beziehen. Das Zwangsgeld ist gemäß § 13 Abs. 5 VwVG in bestimmter Höhe anzuordnen. Es wird gemäß § 11 VwVG auf höchstens 25.000 EUR.

Die Antragstellerin hat den Antragsgegner mit Bescheiden vom 03.07.2017 und 24.07.2017 aufgefordert, die Arbeitsbescheinigung nach § 312 SGB III vollständig ausgefüllt vorzulegen und ergänzende Angaben zu machen. Hierbei handelt es sich um Verwaltungsakte, die zu einer Handlung verpflichten. Mit Bescheid vom 05.04.2018 drohte die Antragstellerin ein Zwangsgeld in Höhe von 3.000,00 EUR, wenn er der Verpflichtung nicht bis 05.05.2018 nachkomme; außerdem wurde der Antraggegner auf die Möglichkeit hingewiesen, Ersatzhaft zu beantragen (vgl. Sadler, VwVG/VwZG, 9. Aufl. 2014, § 16 VwVG Rn. 18; Troidl, in: Engelhardt/App/Schlatmann, VwVG/VwZG, 10. Aufl. 2014, § 16 VwVG Rn. 2). Nachdem der Antragsgegner nicht reagierte, setzte die Antragstellerin mit Bescheid vom 07.06.2018 nach § 14 VwVG ein Zwangsgeld in Höhe von 3.000,00 EUR fest und wies nochmals darauf hin, dass Ersatzhaft angeordnet werden könne.

Das SG hat zu Recht die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 24.07.2017, um dessen Vollstreckung es geht, nicht geprüft. Dieser Bescheid ist bestandskräftig und im Vollstreckungsverfahren einer (erneuten) Überprüfung nicht unterworfen (vgl. Sadler, VwVG/VwZG, 9. Aufl. 2014, § 16 VwVG Rn. 19). Gleiches gilt mit Blick auf den Zwangsgeldbescheid vom 07.06.2018 (vgl. Sadler, VwVG/VwZG, 9. Aufl. 2014, § 16 VwVG Rn. 19).

II. Uneinbringlichkeit des Zwangsgeldes

Das Zwangsgeld war auch uneinbringlich. Dies ist der Fall, wenn das Zwangsgeld zwar ordnungsgemäß festgesetzt ist, ein Beitreibungsversuch aber nicht zum Erfolg geführt hat (Troidl, in: Engelhardt/App/Schlatmann, VwVG/VwZG, 10. Aufl. 2014, § 16 VwVG Rn. 3). Das Hauptzollamt hat die Vollstreckungsanordnung zurückgegeben, da innerhalb der letzten 24 Monate bereits fruchtlos gepfändet worden sei.

III. Ermessen

Das SG hat auch zutreffend erkannt, dass die Anordnung der Ersatzzwangshaft sowohl hinsichtlich des Ob als auch der Länge der Ersatzzwangshaft in seinem pflichtgemäßen Ermessen stand (vgl. Landessozialgericht [LSG] Baden-Württemberg, Beschluss vom 27. Mai 2015 – L 4 R 1167/15 B , Rn. 14 - 304; Sadler, VwVG/VwZG, 9. Aufl. 2014, § 16 VwVG Rn. 15 m.w.N.). Seine Ermessensausübung, die im Beschwerdeverfahren voll überprüfbar ist, ist nicht zu beanstanden. Die Anordnung der Ersatzzwangshaft stellt einen Eingriff in die Freiheit der Person, die durch Art. 2 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz (GG) grundrechtlich geschützt ist, dar. Sie muss daher insbesondere verhältnismäßig sein. Einfachrechtlich schlägt sich dies in § 9 Abs. 2 und 3 VwVG nieder. Dies bedeutet zugleich, dass die Anordnung der Ersatzzwangshaft nur als letztes Mittel zulässig ist (LSG Baden-Württemberg, a.a.O.; Sadler, VwVG/VwZG, 9. Aufl. 2014, § 16 VwVG Rn. 5 m.w.N. aus der Rechtsprechung). Das SG hat zutreffend dargelegt, dass ohne die Angaben des Antragsgegners eine Berechnung des Arbeitslosengeldes für seinen Mitarbeiter nicht möglich ist. Außerdem hat es ausgeführt, dass den Antragsgegner weder das angedrohte Zwangsgeld noch die bereits festgesetzten Bußgelder zu einer Verhaltensänderung gebracht haben. Unmittelbarer Zwang, namentlich in Form einer Durchsuchung der Privat- und Geschäftsräume des Antragsgegners und anschließender Beschlagnahme der notwendigen Unterlagen, ist zur Durchsetzung der Mitwirkungspflichten der Antragsgegnerin kein gleich geeignetes Mittel. Denn es ist nicht bekannt, ob der Antragsgegner die geforderten Unterlagen überhaupt in seinen, der Antragstellerin bekannten Räumlichkeiten aufbewahrt. Letztlich können die dem Antragsgegner auferlegten Mitwirkungspflichten nur von ihm erfüllt werden; deren Erfüllung hängt nur von seinem Willen ab, so dass als Vollstreckungsmaßnahme nur die Verhängung eines Zwangsgeldes und zur dessen Durchsetzung die Ersatzzwangshaft in Betracht kommt (vgl. LSG Baden-Württemberg a.a.O.). Gesichtspunkte, die der Anordnung der Ersatzzwangshaft entgegenstehen, sind nicht ersichtlich. Vielmehr haben sowohl das SG als auch der Senat den Antragsgegner nochmals aufgefordert, seiner Verpflichtung nachzukommen und die Arbeitsbescheinigung nach § 312 SGB III vollständig ausgefüllt vorzulegen.

IV. Kosten

Gehört – wie im vorliegenden Fall – in einem Rechtszug weder der Antragsteller noch der Antragsgegner zu den in § 183 SGG genannten Personen, werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) erhoben; die §§ 184 bis 195 SGG finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sind entsprechend anzuwenden (§ 197a Abs. 1 S. 1 SGG). Die Kostenbelastung des Antragsgegners beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Danach fallen die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittel demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

Der Festsetzung eines Streitwerts für das Beschwerdeverfahren bedarf es nicht, da nach Nr. 7504 der Anlage 1 des Kostenverzeichnisses zum GKG die Gebühr 60,00 EUR beträgt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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