L 8 R 454/19

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 2011/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 R 454/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 20.02.2018 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin im Rahmen eines Verfahrens nach § 44 SGB X auf der Grundlage ihres Rentenantrages vom 11.02.2011 gegen die Beklagte ein Anspruch auf Rücknahme eines rentenablehnenden Bescheids und ein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung zusteht.

Die 1965 geborene Klägerin hat von 1981 bis 1984 eine Lehre als Facharbeiterin für Lagerlogistik absolviert. Nach einer Unterbrechung der Erwerbstätigkeit nach der Geburt eines Kindes arbeitete sie von 1985 bis 1986 versicherungspflichtig im erlernten Beruf. Von 1986 bis 1990 war sie als Produktionsmitarbeiterin in einer Bäckerei tätig. Von 1991 bis 1995 war sie nicht erwerbstätig. Anschließend übte sie bis 2010 unterschiedliche Teilzeittätigkeiten aus, so war sie nach ihren Angaben im Rentenantrag (m/ 1 der Beklagtenakte/Ärztliche Unterlagen, / 4 der Beklagtenakte) von 2007 bis 2009 als Aushilfe als Hauswirtschafterin und von April 2010 bis August 2010 als Aushilfe als Küchen- und Servicekraft bzw. Küchenservicekraft versicherungspflichtig beschäftigt. Seit dem 01.01.2005 bezieht sie Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.

Am 03.01.2011/11.03.2011 (/ 4 der Beklagtenakte) beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Die Beklagte lies die Klägerin durch den Internisten Dr. B. begutachten, der unter Berücksichtigung der im Verfahren vorliegenden ärztlichen Unterlagen in seinem Gutachten vom 27.04.2011 (m/ 4 der Beklagtenakte/Ärztliche Unterlagen; Untersuchung der Klägerin am 27.04.2011) ein LWS-Syndrom bei Bandscheibenprotrusion, ein HWS-Syndrom bei Bandscheibenprotrusion, eine Handwurzelarthrose rechts, paroxysmale supraventrikuläre Tachykardien, weiche Leisten, einen Zustand nach beidseitiger Leistenbruch-OP und eine leichtgradige Eisenmangelanämie bei Substitutionstherapie diagnostizierte und angab, eine quantitative Leistungsminderung könne ausgeschlossen werden. Für angepasste Tätigkeiten sei die Klägerin zweifellos als vollschichtig leistungsfähig anzusehen. Die endgültige Stellungnahme zur Leistungsfähigkeit werde bis zur Vorlage des Reha-Entlassberichts zurückgestellt.

Die Beklagte führte daraufhin die ambulante medizinische Rehabilitation im Therapiezentrum Bad R. durch, die die Klägerin in der Zeit ab 02.11.2011 besuchte und am 08.11.2011 vorzeitig abgebrochen wurde (Reha-Bericht vom 17.11.2011, m/ 16 der Beklagtenakte/Ärztliche Unterlagen). Der Bericht teilt mit, dass eine sinnvolle Durchführung der Maßnahme nicht möglich gewesen sei, da die Klägerin mehrfach unentschuldigt gefehlt und sich immer wieder krankgemeldet habe.

Mit Bescheid vom 20.12.2011 (Blatt 6 der SG-Akte S 15 R 1223/12) lehnte die Beklagte die Gewährung der begehrten Rente ab. Die Klägerin sei in der Lage, noch mindestens 6 Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig zu sein.

Den hiergegen am 24.01.2012 erhobenen Widerspruch (m/ 18/19 der Beklagtenakte/Ärztliche Unterlagen), mit dem die Klägerin u.a. chronische Rückenschmerzen geltend machte, weshalb die Entscheidung vom 20.12.2011 nicht nachvollzogen werden könne, und nach erneuter Äußerung des Dr. B. mit Stellungnahme vom 14.02.2012 (m/ 20 der Beklagtenakte/Ärztliche Unterlagen), der an der Einschätzung eines vollschichtigen Leistungsvermögens festhielt, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14.03.2012 (Blatt 8/11 der SG-Akte S 15 R 1223/12) zurück. Der Klägerin seien noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt 6 Stunden und mehr täglich zumutbar.

Auf die hiergegen beim Sozialgericht (SG) Heilbronn erhobene Klage vom 10.04.2012 (S 15 R 1223/12) hat das SG Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der die Klägerin behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen.

Der Facharzt für Chirurgie Dr. T. hat dem SG mit Schreiben vom 21.08.2012 (Blatt 34/47 der SG-Akte S 15 R 1223/12) mitgeteilt, die Klägerin könne leichte körperliche Arbeiten ca. 4 Stunden/Tag verrichten.

Der Kardiologe Dr. P. hat dem SG geschrieben (Schreiben vom 05.09.2012, Blatt 48/50 der SG-Akte S 15 R 1223/12), die Klägerin könne eine leichte körperliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch 6 Stunden täglich verrichten. Herzrasen trete einmal im Monat anfallsartig meistens morgens für 30 bis 60 Minuten auf, in der übrigen Zeit bestünden keine Einschränkungen der Belastbarkeit, es sei von einem normalen Leistungsvermögen auszugehen.

Prof. Dr. H. von der Frauenklinik der S.-Kliniken H. hat dem SG mit Schreiben vom 31.08.2012 (Blatt 51 der SG-Akte S 15 R 1223/12) mitgeteilt, aufgrund der gynäkologischen Diagnosen bestehe keine Minderung der Leistungsfähigkeit.

Der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. D. hat ausgeführt (Schreiben vom 19.10.2012 (Blatt 57/59 der SG-Akte S 15 R 1223/12) leichte körperliche Tätigkeiten seien noch 6 Stunden möglich.

Dr. L. , Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie hat dem SG am 22.10.2012 (Blatt 60/61 der SG-Akte S 15 R 1223/12) geschrieben, die Klägerin sei in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes 6 Stunden täglich zu verrichten.

Der Facharzt für Chirurgie, Viszeralchirurgie, Gefäßchirurgie Dr. R. hat mit Schreiben vom 07.11.2012 (Blatt 63 der SG-Akte S 15 R 1223/12) mitgeteilt, er könne keine näheren Angaben machen, dass er die Klägerin in den letzten Jahren nur einmal am 13.04.2012 kurz gesehen habe.

Der HNO-Arzt Dr. K. hat dem SG mit Schreiben vom 29.01.2013 und vom 14.03.2012 (Blatt 79/80, 131/133 der SG-Akte S 15 R 1223/12) mitgeteilt, er könne die Frage nach der Leistungsfähigkeit nicht beantworten.

Der Fachärztin für Allgemeinmedizin H. hat angegeben (Schreiben vom 18.02.2013, Blatt 82/129 der SG-Akte S 15 R 1223/12), die Klägerin sei nicht in der Lage als Verkäuferin im Einzelhandel regelmäßig 6 Stunden zu arbeiten. Die Frage nach leichten Tätigkeiten könne er nicht beantworten.

Die Beklagte hat die sozialmedizinische Stellungnahme des Dr. H. vom 05.12.2012 (Blatt 65/66 der SG-Akte S 15 R 1223/12), die Klägerin den Bericht des Radiologen S. vom 14.11.2012, den Verlegungsbericht der S.-Kliniken vom 04.01.2013 wegen Verdachts auf paroxysmale supraventrikuläre Tachykardie sowie das Attest des Dr. T. vom 05.08.2013 (Blatt 68, 74/78, 145 der SG-Akte S 15 R 1223/12) vorgelegt.

Des Weiteren hat das SG Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens beim Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Sozialmedizin u.a. Dr. T ... Dieser hat in seinem Gutachten vom 01.04.2014 (Blatt 155/177 der SG-Akte S 15 R 1223/12; Untersuchung der Klägerin am 17.03.2014) eine endgradige Funktionseinschränkung der Halswirbelsäule ohne radikuläre Ausfallssymptomatik, eine endgradige Funktionseinschränkung der Lendenwirbelsäule ohne radikuläre Ausfallsymptomatik, eine endgradige Funktionseinschränkung beide Hüftgelenke und eine mehrfache operative Therapie eines Leistenbruchs beidseits diagnostiziert. Der Klägerin seien ohne Gefährdung ihrer Gesundheit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Tätigkeiten 6 Stunden und mehr täglich zumutbar.

Die Klägerin hat unter Vorlage von Berichten des Dr. B. vom 04.04.2014 und des Dr. S. vom 10.02.2014 gegen das Gutachten Einwendungen erhoben (Schreiben vom 07.05.2014, Blatt 189/198 der SG-Akte S 15 R 1223/12), wozu sich Dr. T. in der ergänzenden Stellungnahme vom 04.06.2104 (Blatt 200/203 der SG-Akte S 15 R 1223/12) geäußert und an seiner Einschätzung festgehalten hat. Die Klägerin hat darauf mit Schreiben vom 15.08.2014 (Blatt 211/214 der SG-Akte S 15 R 1223/12) erwidert und Berichte über MRT-Aufnahmen der Praxis Dr. S. vom 15. und 16.07.2014 der LWS und der BWS vorgelegt, wozu sich Dr. T. mit ergänzender Stellungnahme vom 22.09.2014 (Blatt 216/218 der SG-Akte S 15 R 1223/12) geäußert hat.

In der mündlichen Verhandlung vom 17.02.2015 (zur Niederschrift vgl. Blatt 222 der SG-Akte S 15 R 1223/12) hat die Klägerin in Anwesenheit ihrer damaligen bevollmächtigten Rechtsanwältin die Klage für erledigt erklärt. Die auf Fortsetzung des Verfahrens wegen Widerruf der Klagerücknahme gerichtete Klage (S 15 R 1020/15) hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 11.05.2015 abgewiesen. Die hiergegen beim Landessozialgericht eingelegte Berufung (L 10 R 2389/15) hat die Klägerin zurückgenommen.

Mit Schreiben vom 28.09.2015, bei der Beklagten am 30.09.2015 eingegangen (/ 28 der Beklagtenakte), bat die Klägerin um nochmalige Prüfung des ihres Antrags auf Erwerbsminderungsrente und um Gewährung einer Rente. Es werde darum gebeten, die ärztlichen Unterlagen bis 2015 und die vor 2011, die nicht berücksichtigt worden seien, einzubeziehen.

Die Beklagte verstand diese Erklärung als Antrag auf Überprüfung des bisherigen Antrages auf Rente wegen Erwerbsminderung (/ 30 der Beklagtenakte) und bat um Vorlage von ärztlichen Attesten.

Die Klägerin übersandte mit Schreiben vom 21.11.2015 (/ 32 der Beklagtenakte) "einen Teil der gewünschten Atteste" (dazu vgl. m/ 77/98 der Beklagtenakte/Ärztliche Unterlagen). Diese wurden vom Beratungsarzt MuDr. G. ausgewertet (Stellungnahme vom 10.01.2016, m/ 99/100 der Beklagtenakte/Ärztliche Unterlagen), der die Klägerin in der bisherigen Tätigkeit als auch für sonstige Tätigkeiten 6 Stunden und mehr leistungsfähig sah.

Mit Bescheid vom 02.02.2016 (/ 33 der Beklagtenakte) lehnte die Beklagte die Rücknahme des Bescheids vom 20.12.2011 und 14.03.2012 ab. Die Überprüfung habe ergeben, dass der Ablehnungsbescheid vom 20.12.2011 sowie der Widerspruchsbescheid vom 14.03.2012 zu Recht bestehe. Es sei weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem Sachverhalt ausgegangen worden, der sich im Nachhinein als unrichtig erwiesen habe.

Hiergegen erhob die Klägerin am 09.02.2016 Widerspruch (/ 34 der Beklagtenakte). Es handele sich um einen Überprüfungsantrag im Rahmen des § 44 SGB X (/ 39 der Beklagtenakte). Der Bescheid vom 20.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.03.2012 sei rechtswidrig. Bei ihr liege eine Behinderung vor. Der GdB sei aufgrund von Knorpelschäden am rechten Kniegelenk, einem Schulter-Arm-Syndrom, Nervenwurzelreizerscheinungen, degenerativen Wirbelsäulenbeschwerden und Schwerhörigkeit festgestellt worden. Unabhängig davon lägen auch eine initiale Gonarthrose beidseits, paroxysmale Tachykardien, persistierende inguinale Beschwerden nach Schenkelhernie-OP sowie eine Hörminderung rechts nach Schädelhirntrauma und ein Zustand nach Melanom rechts, eine Handwurzelarthrose rechts, eine rezidivierende Arthralgie im rechten und linken Handgelenk, ein Lendenwirbelsäulensyndrom bei Bandscheibenprotrusionen, ein Halswirbelsäulensyndrom bei Bandscheibenprotrusionen, ein Zustand nach beidseitiger Leistenbruchoperation, eine leichtgradige Eisenmangelanämie, eine beginnende Hüftarthrose, eine Tendovaginitis rechtes und linkes Handgelenk, eine Rhizarthrose, ein Eisenmangel, eine Tendomyopathie der rechten und linken Schulter, Hernien und ein Bauchwandbruch, eine Schilddrüsenunterfunktion, ein Zustand nach Entfernung der Schilddrüse, ein Zustand nach Schädelhirntrauma und eine Schwellung im Bereich des rechten Auges vor. Aufgrund der erheblichen Kumulation von diversen gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die letztendlich über den ganzen Körper verteilt seien, sei sie voll erwerbsgemindert. Aufgrund der vielfältigen Erkrankungen sei sie nicht mehr in der Lage, mehr als 3 Stunden täglich zu arbeiten. Dies sei bei dem jetzt erlassenen Bescheid bei der Überprüfung erneut nicht berücksichtigt worden.

In seiner sozialmedizinischen Stellungnahme vom 26.04.2016 (m/ 104 der Beklagtenakte/Ärztliche Unterlagen) gab MUDr. G. das Leistungsvermögen der Klägerin unter Berücksichtigung des Widerspruchsschreibens und der Vorgutachter im damaligen Widerspruchs- und Sozialgerichtsverfahren mit 6 Stunden und mehr arbeitstäglich an.

Mit Widerspruchsbescheid vom 09.06.2016 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Es seien keine Anhaltspunkte dafür gefunden worden, dass die Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch weniger als 6 oder als 3 Stunden täglich arbeiten könne.

Am 28.06.2016 hat die Klägerin beim SG Klage erhoben. Die einzelnen Beeinträchtigungen stünden in Wechselwirkung zueinander und verstärkten die Auswirkungen. Aufgrund der vielfältigen Erkrankung sei sie nicht mehr in der Lage, mehr als 3 Stunden täglich zu arbeiten, eben gerade aus der Zusammenfassung der Vielzahl von Leistungseinschränkungen in den verschiedensten Bereichen. Die diversen Leistungseinschränkungen kumulierten die tatsächlich vorliegende Einschränkung, so dass eine erhebliche qualitative Einschränkung in der Leistungsfähigkeit festgestellt werden müsse. Es werde daher die Einholung eines Zusammenhangsgutachtens beantragt. Lediglich der guten Ordnung halber werde darauf hingewiesen, dass der Widerspruchsbescheid auch formalen Anforderungen nicht genüge. Sie sei nämlich nicht auf eine Verweisungstätigkeit verwiesen worden, so dass nach diesseits vertretener Rechtsauffassung eine Erwerbsminderungsrente auf Zeit in vollem Umfang zu gewähren sein werde. Die Klägerin hat Arztberichte und eine gutachterliche Äußerung des Dr. F. vom 28.09.2015 für die Agentur für Arbeit (Blatt 28/33 = 39/44 der SG-Akte S 8 R 2011/16) vorgelegt.

Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der die Klägerin behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen.

Der Facharzt für Innere Medizin Dr. D. hat mit Schreiben vom 11.10.2016 mitgeteilt (Blatt 58 der SG-Akte S 8 R 2011/16), die Klägerin habe sich erstmalig am 07.01.2015 wegen Bauchschmerzen vorgestellt. Es ergäben sich keinerlei Einschränkungen der Vermittlung auf dem Arbeitsmarkt für leichte wie auch mittelschwere Tätigkeiten. Es solle lediglich eine Toilette in ausreichender Nähe zum Arbeitsplatz sein; eine Wegstrecke von 100 bis 200 m erscheine dabei völlig ausreichend.

Der Facharzt für Unfallchirurgie, Orthopädie Dr. L. hat dem SG mit Schreiben vom 13.10.2016 (Blatt 63/64 der SG-Akte S 8 R 2011/16) mitgeteilt, die Klägerin stehe in seiner Behandlung seit dem Jahr 2000. Den zuletzt mit Verkäuferin angegebenen Beruf könne die Klägerin mit Einschränkungen vollschichtig regelmäßig 6 Stunden täglich ausüben. Auch leichte Tätigkeiten könnten noch 6 Stunden täglich verrichtet werden.

Der Facharzt für Allgemeinmedizin H. hat ausgeführt (Schreiben vom 12.10.2016, Blatt 65 der SG-Akte S 8 R 2011/16), die Klägerin sei seit März 2016 nicht mehr seine Patientin. Mit Schreiben vom 24.10.2016 (Blatt 84/119 der SG-Akte S 8 R 2011/16) hat er angegeben, er sei der Meinung, dass die Klägerin regelmäßig bis 4 Stunden im zuletzt ausgeübten Beruf und für leichte Tätigkeiten leistungsfähig sei.

Der Kardiologe Dr. U. hat mit Schreiben vom 17.10.2016 (Blatt 67/72 der SG-Akte S 8 R 2011/16) angegeben, die Klägerin habe sich erstmalig im Februar 2010 vorgestellt. Aus kardiologischer Sicht bestünden keine Einschränkungen des Leistungsvermögens.

Dr. D. , Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, hat dem SG am 18.10.2016 (Blatt 73 der SG-Akte S 8 R 2011/16) geschrieben. Die Klägerin sei bei ihm nur im Jahr 2011 und beim Praxiskollegen Dr. B. im Jahr 2014 einmalig vorstellig gewesen. Fragen zum Leistungsvermögen könnten bei nur einmaliger Vorstellung nicht beantwortet werden.

Der Ärztin für Lungen- und Bronchialheilkunde, Innere Medizin M. hat im Schreiben vom 15.10.2016 (Blatt 74/80 der SG-Akte S 8 R 2011/16) ausgeführt, die Klägerin befinde sich seit 06.04.2014 in ihrer Behandlung. Ein sechsstündiger Arbeitstag sei für die Klägerin ihrer Einschätzung nach zumutbar. Bestimmte Einschränkungen sehe sie bei der Erledigung einer mäßigen körperlichen Tätigkeit, wo man auch zu Fuß längere Strecken zurücklegen oder etwas Schweres tragen müsse.

Dr. K. , Internistin, medikamentöse Tumortherapie, Palliativmedizin, hat mit Schreiben vom 28.10.2016 (Blatt 120/125 der SG-Akte S 8 R 2011/16) auf ihre Auskunft vom 19.11.2012 im Verfahren S 4 SB 2822/12 verwiesen und den Verdacht auf Somatisierung gestellt. Die geschilderten Beschwerden seien subjektiv stark ausgeprägt, sie könne sie den von ihr gestellten Diagnosen nicht zuordnen. Die von ihr beurteilten Erkrankungen (Zustand nach Melanom, Verlauf der Leberbefunde, Verlauf der Eisenmangelanämie) erlaubten eine Tätigkeit von 6 Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Einschränkungen durch die subjektiv starke Schmerzsymptomatik seien vorhanden.

Der HNO-Arzt Dr. G. hat mitgeteilt (Schreiben vom 11.10.2016, Blatt 126/128 der SG-Akte S 8 R 2011/16) die Klägerin habe sich am 09.03.2016 und am 12.04.2016 vorgestellt zur Kontrolle vor und nach einer durchgeführten Schilddrüsenoperation.

Das SG hat auch den Entlassbericht des Diakonie Klinikums S. H. vom 12.10.2016 (Blatt 82/ 83 der SG-Akte S 8 R 2011/16) beigezogen.

Die Klägerin (Schreiben vom 30.11.2016, Blatt 134/136 der SG-Akte S 8 R 2011/16) hat sich zu den Aussagen der gehörten Ärzte geäußert und die Anhörung weiterer Ärzte sowie eine Begutachtung auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet beantragt und (Schreiben vom 11.01.2017, Blatt 137/140 der SG-Akte S 8 R 2011/16) einen Bericht des Dr. R. vom 12.12.2016 (Diagnose: Rotatorenmanschettenruptur der Schulter rechts) und einen Bericht des Radiologen K. über eine Oberbauch-CT-Untersuchung vom 08.12.2016 ("kein Nachweis einer chronischen Pankreatitis") vorgelegt.

Das SG hat nunmehr weitere Ärzte als sachverständige Zeugen schriftlich befragt.

Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. J. hat dem SG mitgeteilt (Schreiben vom 15.02.2017, Blatt 145/149 der SG-Akte S 8 R 2011/16), die Klägerin könne unter Beachtung qualitativer Einschränkungen leichte körperliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch 6 Stunden verrichten.

Dr. W. , Internist und Rheumatologe, hat dem SG am 15.02.2017 (Blatt 150/151 der SG-Akte S 8 R 2011/16) geschrieben, da er die Klägerin am 14.09.2015 nur einmalig gesehen habe könne er zur Leistungsfähigkeit keine Auskunft geben.

Der Neurologe und Psychiater Dr. G. hat in seinem Schreiben vom 15.02.2017 (Blatt 152/153 der SG-Akte S 8 R 2011/16) mitgeteilt, die Klägerin im Juni 2008, im März 2010, im Juni 2013 und im Juni 2015 gesehen zu haben. Die Leistungsfähigkeit könne er nicht beurteilen.

Dr. M. , Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, hat dem SG am 17.02.2017 (Blatt 154/155 der SG-Akte S 8 R 2011/16) geschrieben, die Klägerin habe sich am 04.08.2004 und am 04.02.2016 zur neurologischen Diagnostik bei ihm befunden. Aus neurologischer Sicht bestünden keine Einschränkungen hinsichtlich der Berufstätigkeit und einer Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.

Der Facharzt für Allgemeinmedizin W. hat dem SG am 28.02.2017 (Blatt 157/169 der SG-Akte S 8 R 2011/16) geschrieben, den Beruf der Küchenhilfe könne die Klägerin nicht mehr ausüben. Leichte Tätigkeiten seien ca. 15 Stunden pro Woche möglich.

Der HNO-Arzt G. hat mit Schreiben vom 20.02.2017 (Blatt 176/171 der SG-Akte S 8 R 2011/16) angegeben, soweit die Tätigkeit der Klägerin kein biaurikuläres Hören beanspruche, könne eine berufliche Tätigkeit regelmäßig 6 Stunden täglich ausgeübt werden.

Die Fachärztin für Frauenheilkunde Dr. T. hat ausgeführt (Schreiben vom 16.02.2017, Blatt 172/173 der SG-Akte S 8 R 2011/16), die Klägerin sei aus gynäkologischer Sicht beruflich leistungsfähig.

Die Klägerin hat nunmehr (Blatt 174/176 der SG-Akte S 8 R 2011/16) Unterlagen zu einer arthroskopischen Operation des rechten Schultergelenks (Aufklärungshinweise des Operateurs) vorgelegt und darauf hingewiesen (Blatt 179 = 180 der SG-Akte S 8 R 2011/16), sie sei bemüht nähere Angaben und Unterlagen einzuholen. Sie hat daraufhin eine Verordnung von medizinischer Rehabilitation nach endoskopischer subaromialer Dekompression mit Naht der Supraspinatussehne u.a. (Blatt 181/185 der SG-Akte S 8 R 2011/16) vorgelegt.

Die Klägerin hat mit Schreiben vom 28.06.2017 (Blatt 189/191 der SG-Akte S 8 R 2011/16) auf eine rheumatoide Grunderkrankung hingewiesen. Sie leide unter mannigfaltigen Funktionseinschränkungen aufgrund der rheumatoiden Grunderkrankung. Bei rheumatoiden Erkrankungen seien insbesondere die Gelenke betroffen. Sie leide diesbezüglich unter schmerzhaften Einschränkungen im Bereich des Rückens, der Gelenke und Knochen, sowie Muskeln, Sehnen und Bänder. Nach ihrem Einsetzen verschlechterten die rheumatoiden Erkrankungen die gesundheitliche Situation der Betroffenen. Charakteristisch sei die primäre Gelenkentzündung im Sinne einer Arthritis. Sie sei aufgrund der rheumatoiden Erkrankung sowohl qualitativ als auch quantitativ in ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt. Die qualitative Einschränkung sei daran festzustellen, dass sie sowohl physisch als auch psychisch eingeschränkt belastbar sei. Sie könne viele Dinge, sei es agieren, sitzen, liegen, heben und tragen von Lasten nur eingeschränkt, sowohl vom zeitlichen Umfang als auch von Strecken her. Quantitativ sei eine Einschränkung ebenfalls gegeben. Leider lasse sich aufgrund des Zusammenspieles der qualitativen und quantitativen Einschränkungen die tatsächliche Einschränkung nach qualitativen und quantitativen nicht sauber trennen. Es sei jedenfalls eine erhebliche Einschränkung gegeben. Ihr sei es in keinster Weise möglich, beruflich Fuß zu fassen, oder ihren Lebensunterhalt im Sinne einer Vollzeittätigkeit selbst zu unterhalten. Hierzu sei sie aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage. Neben den rheumatoiden Erkrankungen leide sie unter weiteren organischen Erkrankungen, bei denen es sich auch um fortschreitende Erkrankungen handele. Die Erkrankungen seien nicht heilbar und nur eingeschränkt behandelbar. Im Rahmen der zeitlichen Abfolge verschlechterten sich die vorhandenen funktionalen Möglichkeiten. Die gesundheitliche Situation werde regelmäßig schlechter. Sie leide nach wie vor unter Erkrankungen im Bereich der HWS und BWS. Es liege ein leichtes Karpaltunnelsyndrom rechts vor, auch eine Fibromyalgie und ein schweres Asthma. Sie leide unter erheblichen Problemen beim Ein- und Durchschlafen. Nachts schliefen insbesondere die Arme und Hände regelmäßig ein, so dass ein durchschlafen nicht gewährleistet sei, was selbstverständlich dann im Laufe des Tages zu erheblichen Müdigkeitserscheinungen und einer mangelnden Leistungsfähigkeit führe. Sie leide unter Schwindelzuständen, sowie einer Schwäche des Armes, der nur eingeschränkt beweglich und zu nutzen sei. Die Bewegungseinschränkung und Schwäche des linken Armes sei nicht dauerhaft vorhanden, aber immer wieder und immer öfter. Sie leide unter einer Supraspinatussehnenruptur, im Bereich des rechten Schultergelenkes sowie unter zunehmenden Schmerzen in den Gelenken. Weiterhin lägen massive Schmerzen im Bereich der Rücken- und Halswirbelsäule bis hin zur Lendenwirbelsäule vor. Verbunden sei dies mit einer Einschränkung der körperlichen Kraft, sowie mit Sensibilitätsstörungen. Sie sei außerstande längere Strecken zu Fuß zu gehen, da ihr dies aufgrund der fehlenden Kraft nicht möglich sei. Die Klägerin hat auch (Blatt 192/195 der SG-Akte S 8 R 2011/16) den Bericht des Dr. M. vom 06.06.2017 (Diagnose: Protrusionscoxarthrose rechts) den Bericht des Arztes Z. vom 23.05.2017 (Diagnosen: Innenmeniskusläsion rechts, tumoröser Prozess Enchondrom dist. Femur links) und den Bericht des Dr. A. vom 23.05.2017 (Diagnosen: Zustand nach endoskopischer subacromialer Dekompression mit Naht der Supraspinatussehne, partielle Synovektomie und lateraler Clavicularesektion der rechten Schulter am 13.02.2017) vorgelegt.

Mit Gerichtsbescheid vom 20.02.2018 hat das SG die Klage abgewiesen (zur Ablehnung der Prozesskostenhilfe vgl. Beschluss des SG vom 09.08.2017 sowie zurückweisenden Beschluss des LSG vom 04.01.2018 im Verfahren L 13 R 3733/17 B). Der Bescheid vom 02.02.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.06.2016 sei rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie habe keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung, weshalb der Überprüfungsantrag zu Recht abgelehnt worden sei. Unter Zugrundelegung des Gutachtens und der Arztanfragen aus dem Verfahren S 15 R 1223/12 habe die Klage keinen Erfolg.

Gegen den ihrem Bevollmächtigten am 27.02.2018 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 27.03.2018 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Das Verfahren war zunächst unter dem Aktenzeichen L 8 R 1134/18 geführt worden und wird nach Ruhendstellung zum Zweck der Durchführung eines Petitionsverfahrens vor dem Landtag von Baden-Württemberg (dazu vgl. Blatt 44/50, 54/56, 57 der Senatsakte L 8 R 1134/18, Blatt 5/6 der Senatsakte L 8 R 454/19) nunmehr unter dem Aktenzeichen L 8 R 454/19 geführt.

Zur Begründung der Berufung hat die Klägerin u.a. ausgeführt, das SG sei fälschlicherweise zu der Überzeugung gekommen, dass ihre Klage unbegründet sei. Hintergrund der fehlerhaften Entscheidung sei schon eine fehlerhafte Feststellung. Dr. B., seines Zeichen Internist und Arzt, habe ein Gutachten erstellt, in welchem er fachfremde Erkrankungen bestätigt habe. Dies ist nicht zulässig. Am Tag der Untersuchung, nämlich am 27.04.2011, habe bei ihr ein frischer Bandscheibenvorfall der HWS vorgelegen, der mit schmerzhaften Einschränkungen beidseitig, sowohl im Bereich der rechten und linken Hand, als auch im Bereich beider Handgelenke einhergegangen sei. Es habe weiterhin eine Daumensattelgelenkarthrose, eine Kniearthrose links und rechts, sowie eine Arthrose im Carpometacarpalgelenk I und D II vorgelegen. Die anschließende ambulante Rehabilitationsbehandlung im November 2011 im Therapiezentrum Bad R. sei von der Beklagten abgebrochen worden. Sie sei bereits zu Beginn der Reha arbeitsunfähig und nicht in der Lage gewesen, an einer Kurmaßnahme teilzunehmen. Sie habe unter der extremen körperlichen Belastung, täglich zur Reha anzureisen, gelitten, so dass sich die Beschwerden im gesamten Wirbelsäulenbereich, sowohl HWS, als auch BWS verschlechtert hätten. Aufgrund der Zunahme der Schmerzen und Beschwerden habe die Maßnahme abgebrochen werden müssen. Eigentlich hätte zu einem späteren Zeitpunkt eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme gewährt werden müssen. Das SG sei darüber hinaus zu der Überzeugung gelangt, die Klage sei abzuweisen, da die bei der im Rahmen diverser Vorverfahren befragten Ärzte (Allgemeinmediziner) von einem eingeschränkten quantitativen Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten ausgegangen seien, während 8 der befragten Ärzte eine vollschichtige Belastbarkeit attestiert hätten. Sie dürfe darauf hinweisen, dass die Diagnosen von Dr. T. sowohl von Dr. T. , als auch von Frau H. widerlegt seien. Des Weiteren ziehe das SG als Begründung der Klageabweisung das Gutachten von Dr. T. hinzu. Dorthin sei sie von ihrem Lebenspartner mit dem Pkw gefahren worden. Aufgrund der Einnahme verschiedener Medikamente (Tramadol und Tilidin), welche Übelkeit, Schwindel und Müdigkeit verursachten, sei für sie zum damaligen Zeitpunkt eine Reise mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht in Frage gekommen. Die zum damaligen Zeitpunkt verordneten Gehstützen, Halsstützen und Bandagen habe sie mitgebracht und im Auto abgelegt. Das Mitbringen in die Praxis sei von vorneherein nicht vorgegeben gewesen. Aufgrund der Tatsache, dass sie relativ bequem mit dem Pkw zum Untersuchungstermin gefahren worden sei, habe sie davon abgesehen, die Hilfsmittel in den Untersuchungstermin mitzubringen. Ca. 6 Monate vor der Untersuchung sei die Schmerzstärke von ihr persönlich auf der Skala mit 9 angegeben worden. Dies sei nach wie vor richtig. Es werde darauf hingewiesen, dass die Bewertung auf einer Skala von 1 bis 10 jeden Tag anders erfolge. Dies sei immer von der persönlichen Situation am Tag und von einigen darüber hinaus gehenden privaten Umständen abhängig. Sie sei darüber hinaus aufgrund der Tatsache, dass sie seit Jahren unter Schmerzen leide, eine gewisse Schmerzstärke gewöhnt, so dass sie auch unter erheblichen Schmerzen in der Lage gewesen sei, einen Gutachter aufzusuchen. Dr. T. habe sein Gutachten ausschließlich auf medizinische Stellungnahme zu dem beurteilenden Sachverhalt zu beschränken gehabt. Herleitungen von Konsequenzen aus der eigenen Begutachten seien fehl am Platze, so z.B. der Einwand, bei einer Schmerzskala 9 hätte die Klägerin den Gutachter überhaupt nicht aufsuchen können. Dies stelle keine medizinische Stellungnahme dar. Ihr Lebenspartner, der sie zum Begutachtungstermin gefahren habe, habe sie vor den Untersuchungsraum gebracht. Er habe ihr aus dem Stuhl im Flur geholfen, da dieser keine Handläufe aufgewiesen habe. Alleine habe sie sich nicht aus dem Stuhl herausbewegen können. Ihr Lebensgefährte habe sie auch zum Untersuchungsraum gebracht. Leider habe der Gutachter dem Lebensgefährten den Beistand und die Unterstützung verweigert. Dieser habe den Raum nicht betreten dürfen. Sie sei anlässlich der Untersuchung bei Dr. T. in einem sehr großen Untersuchungsraum gestanden. In der Mitte habe sich ein Stuhl und an der Wand ebenfalls ein Stuhl befunden. Der Gutachter habe sie gebeten, auf dem Stuhl in der Mitte Platz zu nehmen, um sich auszuziehen und ihre Sachen auf dem anderen Stuhl abzulegen. Der Gutachter sei dann mit seiner Assistentin nach draußen gegangen. Zeitgleich beim Verlassen des Raumes sei eine Minikamera am Schreibtisch angegangen, vor dem sie nahezu nackt gesessen habe. Dies habe ca. 10 Minuten gedauert. Entgegen der Auffassung des Gutachters sei beim Entkleiden kein Rumpfbeugen nötig gewesen, da sie eine Bluse getragen habe. Sie habe Keil-Pumps getragen, die zum Reinschlupfen gewesen seien. Auch hier habe sie sich nicht bücken müssen. Die Schuhe seien auch nicht abgelatscht gewesen. Sie trage nahezu ausschließlich offene Schuhe, da sie aufgrund ihrer Erkrankungen im Bereich der LWS und der Hüfte häufig nicht in der Lage sei, sich zu Bücken und ansonsten zum An- und Ausziehen von Schuhen auf Hilfe angewiesen wäre. Aufgrund der Tatsache, dass sie kurze Zeit vor dem Untersuchungstermin eine Operation im Unterbauch durchzustehen gehabt habe, sei von Dr. T. keine Hüftfunktion untersucht worden. In diesem Zusammenhang dürfe sie darauf hinweisen, dass sie Gehstöcke habe, welche von ihr bei akuten Beschwerden der LWS und der Hüfte benutzt würden. Die seitens des Dr. T. aufgenommenen qualitativen Bewertungen seien lediglich Schätzungen und nachweislich falsch. Der Gutachter habe sie gefragt, ob sie 4 x 500 m in 20 Minuten gehen könne. Dies habe sie verneint. Wie der Gutachter vor diesem Hintergrund zu seiner Einschätzung der Wegefähigkeit komme, sei nicht nachvollziehbar. Die Belastbarkeit im Bereich der oberen Extremitäten sei aufgrund der Halswirbelsäulenerkrankung mit den in beiden Armen ausstrahlenden Beschwerden für den kraftvollen Dauereinsatz, sowie für einen feinmotorischen Einsatz nicht möglich. Auch sei sie in der Schulter- und im Bereich der Handgelenke, sowie der Fingergelenke keineswegs belastbar. Die Belastbarkeit der unteren Extremitäten sei durch die Lumboischialgie, insbesondere aber durch den Verschleiß der Kniegelenke und Hüftgelenke deutlich herabgesetzt. Daraus ergäben sich sowohl im Bereich der oberen Extremitäten, als auch im Bereich der unteren Extremitäten funktionale und psychische Einschränkungen, die der Gutachter völlig außen vorgelassen habe. Ergänzend dürfe sie darauf hinweisen, dass sie sowohl im Jahre 2011, als auch bis hierher durchgehend unter fortschreitenden Gesundheitsstörungen insbesondere auf orthopädischem Fachgebiet leide. Sie sei dauerhaft nicht mehr in der Lage, Tätigkeiten von wirtschaftlichem Wert zu erbringen. Sie stehe seit Jahren aufgrund der Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen dem Arbeitsmarkt für dauerhafte Tätigkeiten nicht zur Verfügung. Die im Rahmen des Gutachtens von Dr. T. vorgenommene "Momentaufnahme" habe keine Aussagekraft und könne die Einschränkungen und Diagnosen der langjährig behandelnden Ärzte nicht einschränken und widerlegen. Vor diesem Hintergrund sei sie keineswegs in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes 6 Stunden und mehr erwerbstätig zu sein. Die vorliegende Fibromyalgie sei bereits 2008 von Dr. T. festgestellt worden und finde keinerlei Niedergang in der ärztlichen Einschätzung des Gutachters. Die nunmehr vorgenommene Einschätzung des SG hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit stütze sich fehlerhaft einzig und allein auf das Gutachten des Dr. T ... Dieses hätte bereits nicht verwertet werden dürfen.

Die Klägerin hat ergänzend eine an ihre Bevollmächtigte gerichtete Gegenvorstellung gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 20.02.2018 mit weiteren Ergänzungen sowie weitere Unterlagen, darunter das Attest des Dr. T. vom 06.09.2011 vorgelegt (Blatt 34/41 der Senatsakte L 8 R 1134/18) vorgelegt.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 20.02.2018 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 02.02.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.06.2016 zu verurteilen, den Bescheid vom 20.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.03.2012 aufzuheben und ihr ab Antragstellung eine Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Sie hat dazu die sozialmedizinische Stellungnahme der Dr. L. vom 23.07.2019 (Blatt 43/44 der Senatsakte L 8 R 454/19) vorgelegt.

Die Klägerin hat mit Schreiben vom 06.02.2019 (Blatt 1/2 der Senatsakte L 8 R 454/19) darum gebeten die Entscheidung zu überdenken. Schon vor der Rehabilitation 2011 sei Reha-Unfähigkeit bescheinigt worden. Eine spätere Rehabilitation sei von der Beklagten abgelehnt worden. Die Petition vor dem Landtag habe zu keinem anderen Ergebnis geführt. Es sei dort nur die Beklagtenseite, nicht sie gehört worden. Später beantragte stationäre Reha-Leistungen seien ebenfalls abgelehnt worden (Schreiben vom 07.03.2019, Blatt 8/10 der Senatsakte L 8 R 454/19); die Klägerin legte die Karteikarte eines nicht näher bezeichneten Arztes vor (Blatt 9/10 der Senatsakte L 8 R 454/19). Zuletzt hat sie (Schreiben vom 27.03.2018, Blatt 20/28 der Senatsakte L 8 R 454/19) unter Vorlage weiterer Unterlagen ausgeführt, sie sei mittlerweile an der Schulter und an der Hüfte operiert. Es seien auch Herzrhythmusstörungen mit wechselnden Amplituden und Intervallen diagnostiziert. Der GdB sei nunmehr mit 60 festgestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

Streitgegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 02.02.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.06.2016, mit dem die Beklagte es abgelehnt hat, den die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ablehnenden Bescheid vom 20.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.03.2012 nach § 44 SGB X zurückzunehmen. Da es sich um ein Verfahren nach § 44 SGB X handelt, mithin lediglich zur Prüfung des Senats steht, ob der die Rentengewährung ablehnende Bescheid vom 20.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.03.2012 bei seinem Erlass rechtmäßig war, kommt es vorliegend nicht darauf an, ob später eingetretene Umstände – so z.B. die Hüftoperation 2018 oder die 2018 angenommenen Herzrhythmusstörungen, wie sie den zuletzt vorgelegten Arztberichten zu entnehmen sind, oder auch die rheumatische Grunderkrankung und die Arthritis - einen Erwerbsminderungsrentenanspruch der Klägerin begründen.

Rechtsgrundlage ist vorliegend § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

Vorliegend konnte der Senat nicht feststellen, dass bei Erlass des Bescheids vom 20.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.03.2012 (im Folgenden: "maßgeblicher Zeitpunkt") das Recht unrichtig angewandt worden war oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden war, der sich nachträglich als unrichtig erwiesen hat. Denn der Senat konnte nicht feststellen, dass die Klägerin zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids vom 20.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.03.2012 gegen die Beklagte einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung gehabt hatte.

Die 1965 geborene Klägerin hatte bezogen auf den vorliegend maßgeblichen Zeitpunkt zunächst schon aus Rechtsgründen keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit i.S.d. § 240 SGB VI. Sie hatte aber im maßgeblichen Zeitpunkt auch keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung.

Denn der Senat kann nicht feststellen, dass die Klägerin im maßgeblichen Zeitpunkt leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr mindestens 6 Stunden arbeitstäglich hätte verrichten können. Insoweit ist nämlich nicht maßgeblich, dass der Senat ein 6-stündiges Leistungsvermögen feststellen muss, sondern dass er das Vorliegen von Erwerbsminderung, mithin ein Leistungsvermögen von zumindest weniger als 6 Stunden arbeitstäglich im Wege des Vollbeweises, also zu seiner Überzeugung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, feststellen kann. So genügte es - die entsprechende Annahme der Klägerin unterstellt – auch nicht, dass Dr. T. und Frau H. das Gutachten des Dr. T. widerlegt hätten, denn dann würde allenfalls Beweislosigkeit eintreten, nicht aber die Überzeugung einer Erwerbsminderung begründet sein. Nachdem aber auch alle behandelnden Ärzte – außer Dr. T. , Frau H. und Dr. W. – im maßgeblichen Zeitpunkt eine leichte Tätigkeit im Umfang von 6 Stunden arbeitstäglich für zumutbar und möglich erachtet haben, konnte sich der Senat auch nicht von einer Erwerbsminderung der Klägerin überzeugen.

Gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI in der seit 01.01.2008 geltenden Fassung haben Versicherte bis zur Vollendung der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind (Satz 1 Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Satz 1 Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Satz 1 Nr. 3). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Satz 2). Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben - bei im Übrigen identischen Anspruchsvoraussetzungen - Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI in der seit 01.01.2008 geltenden Fassung). Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens 6 Stunden täglich - bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche - ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Der Senat konnte sich – wie schon ausgeführt - nicht davon überzeugen, dass diese Voraussetzungen bei der Klägerin im maßgeblichen Zeitpunkt vorgelegen hatten. Vielmehr spricht alles dafür, dass ein auf weniger als sechs Stunden arbeitstäglich reduziertes quantitatives Leistungsvermögen der Klägerin für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und damit Erwerbsminderung nicht vorgelegen hat. Es spricht so viel gegen eine Erwerbsminderung, dass der Senat feststellen konnte, dass die Klägerin im maßgeblichen Zeitpunkt in der Lage war, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes an 5 Tagen pro Woche (arbeitstäglich) noch 6 Stunden und mehr zu verrichten.

Auf kardiologischem Fachgebiet hat der behandelnde Kardiologe Dr. P. gegenüber dem SG (Schreiben vom 05.09.2012) ein vollschichtiges Leistungsvermögen bestätigt. Ein Herzrasen trete einmal im Monat anfallsartig meistens morgens für 30 bis 60 Minuten auf, in der übrigen Zeit bestünden keine Einschränkungen der Belastbarkeit, es sei von einem normalen Leistungsvermögen auszugehen. Auch dem Verlegungsbericht der S.-Kliniken vom 04.01.2013 ist lediglich eine vorübergehende Symptomatik zu entnehmen, sodass hieraus auch kein Anhalt für einen überdauernden Leistungsverlust zu entnehmen ist. Auch der Kardiologe Dr. U. hat mit Schreiben vom 17.10.2016 aus kardiologischer Sicht keine Einschränkungen des Leistungsvermögens gesehen.

Der Ärztin für Lungen- und Bronchialheilkunde, Innere Medizin M. hat gegenüber dem SG ausgeführt, ein sechsstündiger Arbeitstag sei für die Klägerin ihrer Einschätzung nach zumutbar. Einschränkungen sehe sie bei der Erledigung einer mäßigen körperlichen Tätigkeit, bei der man auch zu Fuß längere Strecken zurücklegen oder etwas Schweres tragen müsse. Dr. K. , Internistin, medikamentöse Tumortherapie, Palliativmedizin, hat mit Schreiben vom 28.10.2016 (Blatt 120/125 der SG-Akte S 8 R 2011/16) zwar subjektiv stark ausgeprägte Beschwerden der Klägerin beschrieben, jedoch bestätigt, dass die von ihr beurteilten Erkrankungen (Zustand nach Melanom, Verlauf der Leberbefunde, Verlauf der Eisenmangelanämie) eine Tätigkeit von 6 Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erlaubten.

Der Facharzt für Innere Medizin Dr. D. hat dem SG schon 2012 mitgeteilt, es ergäben sich keinerlei Einschränkungen der Vermittlung auf dem Arbeitsmarkt für leichte wie auch mittelschwere Tätigkeiten, es solle lediglich eine Toilette in ausreichender Nähe zum Arbeitsplatz sein, wobei eine Wegstrecke von 100 bis 200 m ausreichend erscheine.

Auf gynäkologischem Fachgebiet hat Prof. Dr. H. gegenüber dem SG mit Schreiben vom 31.08.2012 keine Minderung der Leistungsfähigkeit angeben können. Die Fachärztin für Frauenheilkunde Dr. T. hat die Klägerin ebenfalls aus gynäkologischer Sicht für beruflich leistungsfähig erachtet.

Auch der HNO-Arzt Dr. K. hat gegenüber dem SG keine Leistungsminderung beschreiben können. Der HNO-Arzt G. hat sogar zuletzt mit Schreiben vom 20.02.2017 Tätigkeit der Klägerin, die kein biaurikuläres Hören beanspruchten, für regelmäßig 6 Stunden täglich möglich erachtet. Auch aus der schriftlichen Zeugenaussage des HNO-Arztes Dr. G. vom 11.10.2016, wo die Klägerin zur Kontrolle vor und nach einer durchgeführten Schilddrüsenoperation vorstellig war, ergeben sich keine Hinweise auf ein quantitativ eingeschränktes Leistungsvermögen.

Auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet hat der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. J. im aktuell vorgehenden SG-Verfahren mitgeteilt, die Klägerin könne - auch heute - unter Beachtung qualitativer Einschränkungen leichte körperliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch 6 Stunden verrichten. Der Neurologe und Psychiater Dr. G. mitgeteilt, die Leistungsfähigkeit könne er nicht beurteilen, Dr. M. , Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, hat dem SG am 17.02.2017 geschrieben, aus neurologischer Sicht bestünden – auch jetzt - keine Einschränkungen hinsichtlich der Berufstätigkeit und einer Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.

Der Senat kann vor diesem Hintergrund weder beim Rentenantrag 2011 noch in der Zeit seither bei der Klägerin im Hinblick auf die Gesundheitsstörungen auf dem Fachgebiet der Kardiologie, der Lungen- und Bronchialheilkunde/Innere Medizin, der Gynäkologie, der Neurologie und Psychiatrie und auch nicht auf HNO-ärztlichem Fachgebiet eine Erkrankung feststellen, die eine zeitlich, mithin quantitative Minderung der Erwerbsfähigkeit begründet.

Der Senat konnte des Weiteren feststellen, dass auch die auf orthopädischem Fachgebiet bestehenden Erkrankungen eine quantitative Minderung der Erwerbsfähigkeit für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf weniger als 6 Stunden arbeitstäglich nicht verursachen.

So hat auch der behandelnde Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. D. mit Schreiben vom 19.10.2012 gegenüber dem SG leichte körperliche Tätigkeiten noch 6 Stunden arbeitstäglich für möglich erachtet. Ebenso hat der behandelnde Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. L. dem SG mit Schreiben vom 22.10.2012 mitgeteilt, die Klägerin sei in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes 6 Stunden täglich zu verrichten. Auch bei der späteren Befragung als sachverständige Zeugen hat Dr. L. (Schreiben vom 13.10.2016) mitgeteilt, leichte Tätigkeiten könne die Klägerin noch 6 Stunden täglich verrichten. Dr. D. hat die nur im Jahr 2011 gesehen. Der Facharzt für Chirurgie, Visceralchirurgie, Gefäßchirurgie Dr. R. hat schon 2012 gegenüber dem SG angegeben er könne keine näheren Angaben machen, dass er die Klägerin nur einmal am 13.04.2012 kurz gesehen habe.

Soweit die Allgemeinmedizinerin H. 2013 gegenüber dem SG ausgeführt hat, die Frage nach leichten Tätigkeiten könne er nicht beantworten, im zuletzt ausgeübten Beruf könne sie nicht mehr vollschichtig arbeiten, so widerspricht dies seiner späteren Aussage im Schreiben vom 12.10.2016, in dem er plötzlich eine Einschätzung der Leistungsfähigkeit auch für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vornehmen konnte und die Klägerin sowohl im zuletzt ausgeübten Beruf als auch für leichte Tätigkeiten nur noch bis 4 Stunden täglich leistungsfähig gesehen hat. Insoweit muss er sich fragen lassen, weshalb ihm mit zeitlichem Abstand und nach Beendigung seiner Behandlung der Klägerin eine Leistungsbeurteilung möglich erscheint, während der Durchführung der Behandlung aber dies unmöglich sein sollte. Gründe, die diese Änderung seiner Einschätzung nachvollziehbar machen, hat er nicht mitgeteilt. Seine Leistungseinschätzung, die er auch nicht anhand seiner Befunde nachvollziehbar erklären konnte, hat den Senat daher nicht überzeugt.

Dr. T. hat bei seiner Untersuchung der Klägerin eine endgradige Funktionseinschränkung der Halswirbelsäule ohne radikuläre Ausfallsymptomatik, eine endgradige Funktionseinschränkung der Lendenwirbelsäule ohne radikuläre Ausfallsymptomatik, eine endgradige Funktionseinschränkung beide Hüftgelenke und eine mehrfache operative Therapie eines Leistenbruchs beidseits dargestellt und ausgeführt, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien der Klägerin körperlich leichte Tätigkeiten 6 Stunden und mehr täglich zumutbar. Es sollten jedoch wechselnde Körperhaltung eingenommen werden können, dagegen sollten Zwangshaltung wie ständiges Bücken oder Knien, das Tragen und Heben von Lasten über 10 kg ohne technische Hilfsmittel vermieden werden, ebenso permanente Arbeiten überkopf, permanente Arbeiten auf Leitern und Gerüsten oder Arbeiten in ständigem Gehen und Stehen oder mit ständigem Treppensteigen verbunden sind. Gelegentlich seien diese Arbeitsbedingungen jedoch zumutbar. Permanente Arbeiten im Freien oder Arbeiten unter ständiger Exposition von Hitze, Kälte, Nässe, Zugluft und Temperaturschwankungen seien der Klägerin nicht mehr zumutbar, gelegentlich seien auch diese Arbeitsbedingungen jedoch zumutbar. Die Arbeit müsse nicht ständig in geschlossen und wohltemperierten Räumen stattfinden. Hinsichtlich der Arbeitsorganisation sei der Klägerin eine Tages-, Früh- und Spätschicht zumutbar, eine Nachtschicht jedoch nicht mehr zumutbar. Betriebsunübliche Pausen seien nicht notwendig.

Der Senat konnte sich auch im Hinblick auf die Einwendungen der Klägerin gegen das Gutachten des Dr. T. , wozu sich dieser in verschiedenen ergänzenden Stellungnahmen geäußert hatte, und den vorliegenden Berichten der behandelnden Ärzte zwar von gewissen, wenn auch teilweise schmerzhaften orthopädischen Einschränkungen bei der Klägerin überzeugen. Der Senat konnte jedoch nicht feststellen, dass sich daraus über die von Dr. T. und den behandelnden Ärzten angegebenen qualitativen Leistungseinschränkungen auch quantitative Leistungseinschränkungen dergestalt ergeben, dass es der Klägerin im maßgeblichen Zeitpunkt nicht mehr möglich gewesen wäre, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter den dort üblichen Bedingungen 6 Stunden und mehr arbeitstäglich zu verrichten. Denn die von Dr. T. erhobenen Bewegungsmaße und Befunde, insbesondere auch die bei der Palpation festgestellten (Druck-)Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule, der Hüften, der Knie und der Hände überzeugen den Senat nicht davon, dass die Klägerin im maßgeblichen Zeitpunkt funktionell wesentlich eingeschränkt war und sich die gesundheitlichen Einschränkungen in einer Reduzierung des zeitlichen Leistungsvermögens geäußert hätten. Weder sind entsprechend starke Schmerzen belegt, auch nicht in den Berichten der damals behandelnden Ärzte, noch sonstige Beeinträchtigungen, die eine quantitative Leistungseinschränkung nahelegen.

Auch aus den von der Klägerin vorgelegten MRT-Berichten der LWS und der BWS vom 15. und 16.07.2014 ergeben sich keine solche Beeinträchtigungen. Insoweit geht es bei Begutachtungen im Kontext von Rentenanträgen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nämlich um die Frage, inwieweit der zu Begutachtende den Anforderungen des allgemeinen Arbeitsmarktes entsprechen kann. Insoweit sind ausgehend vom Aktivitätenrating die Fähigkeiten auf das berufsspezifische Anforderungsprofil zu übersetzen. Damit wird das Ausmaß an aktueller Partizipation bzw. der aktuellen beruflichen Leistungsfähigkeit erfasst, was einer MRT-Aufnahme regelmäßig nicht zu entnehmen ist. Vor diesem Hintergrund genießen z.B. auch kernspintomographisch erkennbare Bandscheibenschädigungen keine zusätzliche Bedeutung, da der Bildbefund per se nicht krankheitsbegründend oder verstärkend ist, wenn er sich funktionell nicht beeinträchtigend relevant auswirkt (vgl. dazu Senatsurteil vom 26.10.2018 – L 8 R 3478/17 -). Darauf hat auch Dr. T. seiner zweiten ergänzenden Stellungnahme hingewiesen und ausgeführt, das sich bei der Klägerin sogar nicht einmal in den von ihr selbst vorgelegten MRT-Berichten eine segmentbezogene klinische Symptomatik nachweisen lasse, auch keine radikuläre Symptomatik und der reine Bildbefund keine Einschränkung des Leistungsvermögens begründe.

Soweit der Facharzt für Chirurgie Dr. T. mit Schreiben vom 21.08.2012 mitgeteilt hat, die Klägerin könne leichte körperliche Arbeiten ca. 4 Stunden/Tag verrichten, überzeugt dies angesichts der von ihm mitgeteilten spärlichen Befunde nicht. Auch soweit der Allgemeinmediziner W. dem SG am 28.02.2017 geschrieben hat, die Klägerin könne leichte Tätigkeiten ca. 15 Stunden pro Woche verrichten, so überzeugt dies ebensowenig. Denn die von Dr. W. mitgeteilten Befunde stützen seine Einschätzung nicht – soweit sich aber zum Zeitpunkt seiner schriftlichen Aussage eine Verschlechterung des Leistungsvermögens der Klägerin ergeben haben sollte -, so wäre dies vorliegend im Hinblick auf vorliegend allein maßgeblichen Zeitpunkt ohne Bedeutung für die Rente der Klägerin.

Ebenso wenig kann auch der angeblichen Reha-Unfähigkeit im Jahr 2011 auf Erwerbsminderung geschlossen werden. Gleiches gilt für den GdB, der gerade nicht das Ausmaß der beruflichen Leistungsfähigkeit abbildet (vgl. Teil A Nr. 2 Buchst. b) VG).

Auch soweit erst nach dem vorliegend maßgeblichen Zeitpunkt bei der Klägerin eine rheumatoide Grunderkrankung mit schmerzhaften Einschränkungen im Bereich des Rückens, der Gelenke und Knochen, sowie Muskeln, Sehnen und Bänder festgestellt wurde, ergibt sich insoweit keine Rückbeziehung eines geminderten Leistungsvermögens schon zum vorliegend maßgeblichen Zeitpunkt. Denn dass die Erkrankung schon damals als Diagnose unerkannt, in den funktionellen Beeinträchtigungen aber schon vorhanden bestanden hätte, konnte der Senat auch angesichts der zuletzt vorgelegten ärztlichen Berichte nicht feststellen. Gleiches gilt für die von der Klägerin zuletzt vorgebrachten Beschwerden wegen Fibromyalgie und Asthma sowie an den Schultern.

Insgesamt konnte der Senat unter Berücksichtigung der festgestellten Gesundheitsstörungen nicht feststellen, dass die Klägerin zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht mehr in der Lage war, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes leichte Tätigkeiten arbeitstäglich 6 Stunden und mehr auszuüben; sie hatte bei der ihr noch möglichen Erwerbstätigkeit bei leichten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes im Umfang von 6 Stunden und mehr arbeitstäglich die oben dargestellten qualitativen Leistungseinschränkungen zu beachten. Insoweit führten auch weder körperliche und seelische Erkrankungen und Behinderungen zu einer zeitlichen, also quantitativen Limitierung des Leistungsvermögens noch ergab sich aus den qualitativen Leistungseinschränkungen einzeln oder in Kombination eine solche zeitliche (quantitative) Einschränkung der Leistungsfähigkeit oder eine Verschlossenheit des Arbeitsmarktes. So lag im maßgeblichen Zeitpunkt weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor, die trotz zeitlich nicht relevant eingeschränktem Leistungsvermögen eine rentenrechtliche Erwerbsminderung annehmen ließen. So war die Klägerin auch in der Lage, 4-mal täglich Wegstrecken von jeweils 500 Metern zurückzulegen und zu Hauptverkehrszeiten öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen, wie der Senat auf der Grundlage der damals vom SG eingeholten sachverständigen Zeugenaussagen – vgl. z.B. Aussage des Dr. T. vom 21.08.2012 - feststellen konnte. Die Klägerin war damit im maßgeblichen Zeitpunkt nicht erwerbsgemindert, sie hatte daher keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 1 bzw. Abs. 2 SGB VI. Das war der Klägerin damals auch durch die Berufungsrücknahme deutlich und klar gewesen.

Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Der Senat hält weitere Ermittlungen nicht für erforderlich. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben zusammen mit dem Gutachten von Dr. T. dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Einen Antrag nach § 109 SGG hat die Klägerin nicht gestellt.

Hatte die Klägerin auch unter Berücksichtigung der erst im vorliegenden Verfahren vorgelegten bzw. erhobenen ärztlichen Befunde im maßgeblichen Zeitpunkt mangels Vorliegens von voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, liegen zugleich auch die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X nicht vor. Denn weder war bei Erlass des die Rente ablehnenden Verwaltungsakts vom 20.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.03.2012 das Recht unrichtig angewandt noch von einem Sachverhalt ausgegangen worden, der sich als unrichtig erweist, auch waren nicht deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden.

Damit hat die Klägerin keinen Anspruch auf Rücknahme des Verwaltungsakts vom 20.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.03.2012. Die Berufung der Klägerin war daher in vollem Umfang als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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