L 8 AL 2291/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 6 AL 4724/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 2291/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 19.06.2018 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen im Sinne des § 2 Abs. 3 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX).

Die 1969 geborene Klägerin ist seit dem 07.01.1991 bei den S. S. (S. AG) als Stadtbahnfahrerin beschäftigt. Die Einstellung erfolgte in einem Vollzeitarbeitsverhältnis. Seit dem 01.11.2013 wurde das Arbeitsverhältnis bezüglich der Arbeitszeit jeweils auf ein Jahr befristet abgeändert und eine Teilzeitarbeitszeit von 20,10 Stunden pro Woche (51,53 %) der Klägerin gewährt. Mit Bescheid vom 12.11.2015 stellte das Landratsamt E. einen Grad der Behinderung (GdB) von 30 seit dem 27.05.2014 fest und berücksichtigte als Funktionsbeeinträchtigungen eine seelische Störung, eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, ein Schulter-Arm-Syndrom sowie Knorpelschäden am rechten Kniegelenk. Vom 21.02.2013 bis zum 15.10.2013 war die Klägerin unter anderem wegen einer schweren depressiven Episode arbeitsunfähig erkrankt. In den Jahren 2014 und 2015 war sie insgesamt 26 bzw. 27 Tage mit Bronchitis, Laryngitis oder Sinusitis sowie im Jahr 2016 vom 06.05.2016 bis zum 13.05.2016 infolge einer depressiven Episode arbeitsunfähig erkrankt.

Am 23.11.2015 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen nach § 2 Abs. 3 SGB IX. Die Klägerin führte zur Begründung des Antrages aus, dass ihr Arbeitsverhältnis gefährdet sei, da sich ihre Behinderung auf häufige Fehlzeiten und einem starken Erschöpfungssyndrom trotz Teilzeit und einer eingeschränkten Schichttauglichkeit auswirkten. Sie sei auch in laufender ärztlicher Behandlung in Folge der Depression/Erschöpfung. Eine Kündigungsandrohung des Arbeitsgebers liege nicht vor. Sie habe einen besonderen Kündigungsschutz nach § 20 Abs. 6 TV-NBW. Die Beklagte zog ein Vorerkrankungsverzeichnis der zuständigen Krankenkasse bei (vgl. Blatt 14/16 der Verwaltungsakte).

Die Schwerbehindertenvertretung des Arbeitgebers teilte unter dem 18.01.2016 mit, dass der derzeitige Arbeitsplatz nicht behindertengerecht gestaltet sei, weil die Fahrzeuge ständig wechselten. Die gesundheitlichen Einschränkungen wirkten sich in häufigen Fehlzeiten und eingeschränktem Arbeitseinsatz sowie drohender Fahrdienstuntauglichkeit aus. Der Arbeitsplatz sei auf Grund der Fehlzeiten der eingeschränkten Leistungsfähigkeit und der Schichtuntauglichkeit gefährdet. Es bestehe ein spezieller Kündigungsschutz nach § 20 Abs. 6 TV-NBW und eine Kündigung sei nicht ausgesprochen. In der Rubrik "ergänzende Angaben" führte die Schwerbehindertenvertretung aus, dass behinderungsbedingt eine allgemeine Leistungseinschränkung bestehe, welche nicht durch technische Hilfsmittel beeinflusst werden könne, sondern lediglich durch Maßnahmen bezüglich Arbeitszeit und/oder Arbeitsorganisationen. Trotzdem müsse weiterhin mit erhöhten Fehlzeiten gerechnet werden. Die Klägerin habe derzeit eine Teilzeitvereinbarung mit einer Arbeitszeit von ca. 50 %. Die Reduzierung finde derzeit nicht über die tägliche Arbeitszeit, sondern über zusätzliche freie Tage statt, da der Arbeitgeber derzeit untertägige Teilzeit im Fahrdienst nicht anbiete. Der Schutz des SGB IX sei für die Klägerin notwendig um eventuell ein leidensgerechteres untertägiges Teilzeitmodell beim Arbeitgeber durchzusetzen zu können und gegebenenfalls weitere Maßnahmen der Arbeitsorganisation wie zum Beispiel täglicher Zeitraum verlangen zu können. Des Weiteren sei die Gleichstellung auch deswegen notwendig, um bei weiteren nicht auszuschließenden erhöhten Fehlzeiten dem Arbeitgeber die Möglichkeit des Nachteilsausgleichs zu eröffnen. Da auch behinderungsbedingte Fahrdienstuntauglichkeit auf Grund der Erschöpfungssymptomatik akut drohe, sei die Gleichstellung auch deswegen notwendig und gegebenenfalls sei ein anderer leidensgerechter Arbeitsplatz erlangen zu können.

Der Betriebsrat des Arbeitgebers teilte unter dem 19.01.2016 mit, dass der Arbeitsplatz der Klägerin auf Grund behinderungsbedingte Auswirkungen in Gestalt von Schichtuntauglichkeit Fehlzeiten und eingeschränkter Leistungsfähigkeit gefährdet sei. Die behinderungsbedingte Leistungseinschränkung sei durch technische Hilfsmittel nicht beeinflussbar. Es bestehe eine Teilzeitvereinbarung von 50 % mit zusätzlichen freien Tagen, nicht über die tägliche Arbeitszeit.

Die Personalabteilung des Arbeitgebers führte am 01.02.2016 aus, dass die gesundheitlichen Einschränkungen zu häufigen Fehlzeiten führten. Der derzeitige Arbeitsplatz sei für die Klägerin geeignet. Der Arbeitsplatz sei auf Grund behinderungsbedingter Auswirkungen nicht gefährdet. Nach 15 Jahren Betriebszugehörigkeit könne eine Kündigung durch den Arbeitgeber nur aus wichtigem Grund erfolgen. Eine solche Kündigung sei nicht ausgesprochen. Es bestehe auch eine Integrationsvereinbarung nach § 83 SGB IX.

Mit Bescheid vom 18.02.2016 lehnte die Beklagte den Antrag ab und führte zur Begründung aus, dass keine Anhaltspunkte dafür bestünden, dass der Arbeitsplatz aus behinderungsbedingten Gründen gefährdet sei, da sie einem besonderen Kündigungsschutz unterliege. Auch als Arbeitnehmer der einen besonderen Kündigungsschutz genieße, könne die Hilfe des Schwerbehindertenrechts zur Erhaltung des Arbeitsplatzes durch eine Gleichstellung angezeigt sei, wenn besondere Umstände vorlägen. Diese könnten beispielsweise eine drohende außerordentliche Kündigung auf Grund wiederholter/häufiger behinderungsbedingter Fehlzeiten, eine drohende Änderungskündigung zum Zwecke der Herabgruppierung oder das nicht Nachkommen des Arbeitsgebers seiner Fürsorgepflicht und Nichtgewährung von Arbeitserleichterungen, die zur Erhaltung des Arbeitsplatzes notwendig seien, um eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes zu vermeiden. Eine angespannte finanzielle Situation könne den Arbeitgeber aus dieser Verpflichtung nicht entlassen. Diese besonderen Umstände seinen nicht nachgewiesen.

Die Klägerin erhob hiergegen mit Schreiben vom 24.02.2016 Widerspruch und führte aus, dass behinderungsbedingt erhöhte Fehlzeiten im Sinne einer abstrakten Arbeitsplatzgefährdung innerhalb der letzten drei Jahre mit zu berücksichtigen seien. Es bestehe auch eine erhebliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit. Nach der Rechtsprechung reiche eine abstrakte Gefährdung auf Grund objektiver Tatbestände aus, um eine Gleichstellung zwingend zu bedingen. Die Kriterien seien in ihrem Fall erfüllt. Die Vorschrift des § 20 Abs. 6 T-VN BW schütze auch nicht vor einer Änderungskündigung zum Zwecke der Herabgruppierung. Das in den Jahren 2014 und 2015 keine erhöhten behinderungsbedingten Fehlzeiten angefallen seien, liege daran, dass das derzeit praktizierte Arbeitszeitmodell mit 50 % Teilzeit leidensgerecht sei. Allerdings würden derartige Teilzeitmodelle von ihrem Arbeitgeber immer nur auf ein Jahr bewilligt. Mit Ablauf des Jahres müsse die Teilzeit erneut genehmigt werden. Im Gegensatz zu den Ausführungen der Beklagten erstrecke sich der Gleichstellung auch auf das Behalten eines leidensgerechten Arbeitsplatzes. Hierbei beziehe sich der Schutz nicht nur auf den Arbeitsplatz selbst, sondern auch auf die konkreten Umstände. Die Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Sinne von § 84 Abs. 4 und 5 SGB IX seien auch ein Grund zur Gleichstellung. Auch liege eine Ungleichbehandlung vor, da es seit 2004 regelmäßig 15 bis 20 Gleichstellungsanträge pro Jahr von nur ordentlich unkündbaren S.-Beschäftigten gegeben habe, in denen es in vielen Fällen um das Behalten eines leidensgerechten Arbeitsplatzes bzw. eines leidensgerechten Arbeitszeitmodelles gegangen sei. Diesen Anträgen seien in allen Fällen spätestens im Widerspruchsverfahren stattgegeben worden und die Gleichstellung ausgesprochen worden.

Die Klägerin legte eine Bescheinigung der Betriebsärztin und Fachärztin für Arbeitsmedizin Dr. G. vom 11.09.2013 (Blatt 45 der Verwaltungsakte) vor, in dem diese mitteilt, dass die geplante Reduzierung der Arbeitszeit zu einer Stabilisierung des Gesundheitszustandes beitrage. Eine weitere undatierte Bescheinigung des Facharztes für Allgemeinmedizin S. (Blatt 46 der Verwaltungsakte) führt aus, dass die Klägerin aus gesundheitlichen Gründen nur eingeschränkt belastbar sei und aus ärztlicher Sicht eine Reduzierung der Arbeitszeit auf halbtags zur Stabilisierung und Festigung des Gesundheitszustandes angebracht sei.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 03.08.2016 zurück und führte zur Begründung aus, dass behinderungsbedingte Fehlzeiten in den letzten drei Jahren lediglich vom 21.02. bis zum 15.10.2013 in Folge einer depressiven Episode vorgelegen habe. Die weiteren Fehlzeiten seien nicht behinderungsbedingt (Bronchitis, Sinusitis, Laryngitis, Zähne). Eine Gleichstellung komme nicht in Betracht, da sich der Beklagten derzeit keine ausreichenden Umstände dafür ersichtlich seien, dass der Klägerin in Folge ihrer Behinderung der Verlust des Arbeitsplatzes drohe. Es werde nicht verkannt, dass die Klägerin gesundheitliche Defizite habe, die sie in ihrer Leistungsfähigkeit einschränkten. Eine ungünstige Konkurrenzsituation am Arbeitsplatz trete vor allem aber dann ein, wenn die Einschränkungen der Arbeitsleistung des behinderten Menschen ein Maß erreichten, das auch arbeitsrechtlich relevant werde, wenn also Störungen im Arbeitsverhältnis auftreten, die den Arbeitgeber berechtigterweise zu arbeitsrechtlichen Schritten veranlassen könnten. Nur einen Teil der geschuldeten Arbeitsleistung erbringen zu können, reiche in der Regel nicht aus, um eine krankheitsbedingte Kündigung aus wichtigem Grund zu rechtfertigen. Erst wenn das Arbeitsverhältnis auf Dauer umfassend gestört sei, weil auf Grund der Erkrankung des Arbeitnehmers auf nicht absehbare Zeit kein Leistungsaustausch mehr erfolgen werde, sei eine Kündigung zulässig. Ein derartiges Maß hätten die Leistungseinschränkungen bislang nicht erreicht. Das Anliegen der Klägerin neben dem Schutz vor einer behinderungsbedingten Kündigung ein passendes Teilzeitmodell und Änderung der Arbeitszeitorganisation durchzusetzen, sei nicht Ziel der Gleichstellung. Ein anderer angestrebter geeigneter Arbeitsplatz sei von der Klägerin im Übrigen nicht genannt worden. Eine Gleichstellung zu Erlangung eines Arbeitsplatzes komme nicht in Betracht.

Die Klägerin erhob am 26.08.2016 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) und führte zur Klagebegründung aus, dass es lediglich auf Grund der Tatsache, dass sie aktuell eine Teilzeitarbeitsstelle innehabe, nicht zu häufigen behinderungsbedingten Fehlzeiten gekommen sei. Im Mai 2016 hätte sich jedoch eine erneute behinderungsbedingte Fehlzeit ereignet, welche zeige, dass selbst dies nicht geeignet sei, behinderungsbedingte Fehlzeiten vollends auszuschließen. Die Teilzeit werde stets nur befristet ausgesprochen. Für die Klägerin bedeute dies, dass bei einer Verweigerung sie wieder Vollzeit arbeiten müsse und erhebliche behinderungsbedingte Fehlzeiten drohten, da ihr sodann die auf Grund des Teilzeitmodells gegebenen benötigten Freizeit zur Kompensation fehle. Auch sei die Klägerin zwar vor einer ordentlichen Beendigungskündigung geschützt, jedoch nicht vor einer Änderungskündigung zum Zwecke der Zuweisung einer geringerwertigen Tätigkeit und Herabgruppierung. Hiervon habe die Arbeitgeberin in der Vergangenheit und von dem Mittel einer außerordentlichen krankheitsbedingten Kündigung mit sozialer Auslauffrist Gebrauch gemacht. Aus der Entscheidung des BSG vom 06.08.2014 (B 11 AL 5/14 R) gehe auch hervor, dass es lediglich erforderlich sei, dass ein konkreter Arbeitsplatz angestrebt werde bzw. ein konkreter Arbeitsplatz "behalten" werden könne. Bei dem derzeit besetzten Teilzeitarbeitsplatz handele es sich um einen derartigen Arbeitsplatz. Die Gleichstellung sei daher erforderlich um Wettbewerbsnachteile auszugleichen, welche die Klägerin bei Bewerbungen auf innerbetriebliche Stellenausschreibung erleide.

Die Beklagte hat zur Klageerwiderung ausgeführt, dass nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bei der Kündigung von nicht mehr ordentlich kündbaren Arbeitnehmern ein besonders strenger Maßstab anzulegen sei. In erheblich weiterem Umfang als bei einer ordentlichen Kündigung sei es dem Arbeitgeber in diesen Fällen zumutbar, die Kündigung durch geeignete anderen Maßnahmen bezogen auf das gesamte Unternehmen zu vermeiden bis hin zur Umsetzung von ordentlich kündbaren Arbeitnehmern. Es obliege in diesen Fällen der Fürsorgepflicht des Arbeitsgebers alle zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen um den Arbeitsplatz der Klägerin zu erhalten oder einen anderen geeigneten Arbeitsplatz für die Klägerin zu finden. Dies gelte auch hinsichtlich der Arbeitszeitgestaltung bzw. der Ermöglichung von Teilzeitarbeit. Der Arbeitgeber sei auch bisher seiner erhöhten Fürsorgepflicht nachgekommen. Dass er dies zunächst auf ein Jahr befristet und bei Bedarf verlängere, stehe dem nicht entgegen und begründe keine Gleichstellung. Die Gleichstellung diene nicht dazu die Durchsetzung behinderungsgerechter Arbeitsbedingungen zu erleichtern. Hierzu werden auf das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18.01.2011 (L 13 AL 3853/10) verwiesen. Auch hätten die nachgewiesenen behinderungsbedingten Fehlzeiten der Klägerin kein Ausmaß erreicht, dass objektiv auf die Gefahr einer außerordentlichen Kündigung zum jetzigen Zeitpunkt schließen lasse. Eine negative Gesundheitsprognose sei ebenfalls nicht belegt.

Die Klägerin hat mit Schreiben vom 10.01.2017 eine Kopie von § 20 TV-N BW (Blatt 20/23 der SG-Akte) eingereicht.

Am 01.03.2018 fand ein Erörterungstermin statt. Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll auf Blatt 54/56 der SG-Akte verwiesen.

Die Klägerin legte mit Schreiben vom 27.03.2013 die Betriebsvereinbarung Nr. 3/2011, Integrationsvereinbarung für den Bereich der S. S. AG (Blatt 61/66 der SG-Akte) vor.

Das SG wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 19.06.2018 ab und führte zur Begründung aus, dass der derzeitige Arbeitsplatz für die Klägerin geeignet sei. Seit der Vereinbarung des Teilzeitmodells im Jahr 2013 sei es in den Jahren 2014 und 2015 zu keiner behinderungsbedingten Fehlzeit gekommen und 2016 lediglich zu 8 Tagen behinderungsbedingter Fehlzeit. Nach den Angaben der Klägerin könne sie den Arbeitsplatz in Teilzeit gut ausfüllen und strebe auch dessen Erhalt in dieser Form an. Zwischen der Behinderung und der Erforderlichkeit der Gleichstellung müsse ein Ursachenzusammenhang bestehen. Ein solcher könne in vorliegenden Fall nicht festgestellt werden. Zum einen sei der Arbeitsplatz der Klägerin nicht aus behinderungsbedingten Gründen gefährdet, da die Klägerin nach § 20 Abs. 6 TV-N BW besonderen Kündigungsschutz genieße, sodass eine krankheitsbedingte Kündigung nur im eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht komme. Die Klägerin sei seit der Reduktion auf Teilzeit ihrer Tätigkeit bis heute nahezu uneingeschränkt in der Lage ihre Beschäftigung zu verrichten. Es sei derzeit keine Gefahr ersichtlich, dass die Klägerin aus Gründen ihrer Behinderung entlassen werden könnte. Auch soweit die Klägerin darauf hinweise, dass § 20 Abs. 6 TV-N BW sie nicht vor einer Änderungskündigung schütze, sei auf Grund dessen eine Gleichstellung nicht erforderlich. Die Klägerin sei als Stadtbahnfahrerin bei der S. AG angestellt. Die Tätigkeit die ihrer Entgeltgruppe definiere übe sie weiterhin aus und gehe wie das Gericht auch davon aus, dass diese Tätigkeit für sie geeignet sei. Anhaltspunkte dafür, dass sie die Arbeitsleistung nicht mehr erfüllen könne, seien nicht ersichtlich. Die Gleichstellung allein zum Zwecke der Durchsetzung dauerhaft reduzierter Arbeitszeit sei auch unter Berücksichtigung der vorgelegten Integrationsvereinbarung nicht auszusprechen. Allein mit einer günstigen Rechtsfolge, die mit einer Statusentscheidung verbunden sei, könne die Notwendigkeit der Zuerkennung eines Status nicht begründet werden.

Die Klägerin hat gegen den ihr am 20.06.2018 zugestellten Gerichtsbescheid am 28.06.2018 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt und hat angeführt, dass das SG sich nicht ausreichend mit der Problematik befasst habe, dass das Teilzeitmodell lediglich befristet gewährt werde. Auch habe das SG nicht berücksichtigt, dass die Klägerin dadurch auf Dauer geschützt werden könne, dass sie ein Dauerteilzeitanspruch habe, wenn sie gleichgestellt werde, dass sie sich dann auf § 81 Abs. 5 SGB IX alter Fassung (a.F) berufen könne. Des Weiteren hat die Klägerin auf ein nervenärztliches Attest von Dr. S. vom 25.07.2018 verwiesen, wonach sich Dr. S. ebenfalls für die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen ausspreche.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 19.06.2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen unter Abänderung des Bescheides vom 18.02.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.08.2016 die Klägerin mit einem schwerbehinderten Menschen nach § 2 Abs. 3 SGB IX gleichzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.

Die Beklagte hat zur Berufungserwiderung auf die ihrer Ansicht nach überzeugenden Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil verwiesen. Die Berufungsbegründung der Klägerin enthalte keine Ausführung, die zu einer anderen Entscheidung Anlass gäben.

Die Berichterstatterin hat am 15.07.2019 das Verfahren in einer nichtöffentlichen Sitzung erörtert und den Leiter des Fachbereichs Personal und Recht der S. AG P. S. als Zeugen vernommen. Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Niederschrift zum Termin auf Blatt 52/55 der Senats-Akte verwiesen.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG erklärt.

Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung nach §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG entscheiden konnte, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, jedoch nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 18.02.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.08.2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte hat die Gleichstellung der Klägerin nach § 2 Abs. 3 SGB IX zu Recht abgelehnt wie das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend entschieden hat. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG vom 19.06.2018 ist nicht zu beanstanden.

Gemäß § 2 Abs. 3 SGB IX sollen behinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 SGB IX (Wohnsitz, gewöhnlicher Aufenthalt oder Beschäftigung in der Bundesrepublik Deutschland) vorliegen, schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX nicht erlangen oder nicht behalten können.

Die Klägerin, die sowohl Wohnsitz als auch Beschäftigung i.S.d. § 73 SGB IX im Inland aufweist, als auch über die Zuerkennung eines GdB von weniger als 50 und mindestens 30 verfügt, erfüllt damit zwar die persönlichen Voraussetzungen der Gleichstellung nach § 2 Abs. 3 SGB IX. Jedoch erfüllt die Klägerin nicht die weiteren Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 SGB IX. Dazu müsste sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX nicht erlangen (Alternative 1) oder nicht behalten (Alternative 2) können. Die beiden Tatbestandsalternativen können kumulativ oder auch nur alternativ vorliegen (BSG 01.03.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4 = SozR 4-3250 § 2 Nr. 4). Zweck der Gleichstellung ist es, die ungünstige Konkurrenz-/Wettbewerbssituation des Behinderten am Arbeitsplatz und auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern und somit den Arbeitsplatz sicherer zu machen oder seine Vermittlungschancen zu erhöhen (BSG 01.03.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4).

Geschützt ist nur das Erlangen bzw. Behalten eines geeigneten Arbeitsplatzes. Bei der Prüfung der Geeignetheit des Arbeitsplatzes sind die besonderen Verpflichtungen aller Versicherungsträger zur Rehabilitation sowie die aus § 81 Abs. 3 und 4 SGB IX folgenden Verpflichtungen des Arbeitgebers zu berücksichtigen (LSG 09.08.2013 - L 12 AL 238/12 - n.v.; Christians in GK-SGB IX, § 2 RdNr. 143 ff.). Besondere Bedeutung erlangt in diesem Zusammenhang § 164 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 SGB IX (§ 81 Abs. 4 Nr. 5 SGB IX a. F.), der schwerbehinderten - und ihnen gleichgestellten - Menschen gegenüber ihren Arbeitgebern einen Anspruch auf Ausstattung ihres Arbeitsplatzes mit den erforderlichen technischen Arbeitshilfen zubilligt. Für die Bejahung der Geeignetheit des Arbeitsplatzes im Sinne des § 2 Abs. 3 SGB IX muss es deshalb genügen, dass der behinderte Mensch durch Leistungen zur Rehabilitation oder eine vom Arbeitgeber zur Verfügung zu stellende behindertengerechte Ausstattung des Arbeitsplatzes in die Lage versetzt werden kann, diesen vollwertig auszufüllen. Die erforderliche Geeignetheit des Arbeitsplatzes bestimmt sich damit individuell nach dem Eignungs- und Leistungspotential des Klägers als behinderter Mensch (BSG 02.03.2000 - B 7 AL 46/99 R -, juris, dort RdNr. 16, BSGE 86, 10 = SozR 3-3870 § 2 Nr. 1) unter Berücksichtigung der dem Arbeitgeber und den Rehabilitationsträgern obliegenden Verpflichtungen. Ungeeignet für einen konkreten Arbeitsplatz ist somit derjenige, der behinderungsbedingt nicht in der Lage ist, unverzichtbare Tätigkeiten an seinem Arbeitsplatz auszuüben oder diese nur unter Inkaufnahme sofort oder mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in der Zukunft deswegen auftretender gesundheitsschädlicher Folgen noch verrichten kann. Der Zweck der Gleichstellung, die Verbesserung der Wettbewerbschancen der behinderten Menschen am Arbeitsplatz oder auf dem Arbeitsmarkt, wird nicht erreicht, wenn die Leistungsanforderungen des konkreten Arbeitsplatzes von vornherein nicht erfüllt werden können oder die konkrete Tätigkeit zu einer zunehmenden Gesundheitsverschlechterung führt, was aller Voraussicht nach zu einer weiteren Verschlechterung der Wettbewerbschancen führt. Fehlt das Tatbestandsmerkmal des geeigneten - derzeit innehabenden - Arbeitsplatzes, besteht kein Anspruch auf Gleichstellung; ggf. wäre dann zu prüfen, ob eine Gleichstellung zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes vorzunehmen ist (vgl. BSG 02.03.2000, a.a.O., RdNr.19, 20).

Vorliegend macht die Klägerin eine Gleichstellung zum Zwecke der Erhaltung des konkreten Arbeitsplatzes geltend. Einen Anspruch auf Gleichstellung zu diesem Zweck hat die Klägerin jedoch nicht.

Der Senat stellt fest, dass die Klägerin derzeit einen geeigneten Arbeitsplatz innehat. Zwar geht aus den Stellungnahmen der Schwerbehindertenvertretung vom 18.01.2016 (Blatt 17 bis 18 der Verwaltungsakte) sowie des Betriebsrats vom 19.01.2016 (Blatt 19 bis 20 der Verwaltungsakte) hervor, dass durch die schwere depressive Episode im Jahr 2013 eine vermehrte Erschöpfbarkeit, eingeschränkte Leistungsfähigkeit sowie Schichtuntauglichkeit mit vermehrten Fehlzeiten bestehe. Vermehrte Fehlzeiten sind jedoch nach der Arbeitsunfähigkeit vom 21.02.2013 bis zum 15.10.2013 in den Folgejahren 2014 und 2015 infolge der depressiven Erkrankung nachweislich des Vorerkrankungsverzeichnisses der zuständigen Krankenkasse (Blatt 14 bis 16 der Verwaltungsakte) nicht oder im Jahr 2016 nur vom 06.05.2016 bis zum 13.05.2016 aufgetreten. Die Leistungsfähigkeit der Klägerin hat sich durch die Bewilligung der immer für ein Jahr befristeten Teilzeitregelung mit einer Arbeitszeit von 20,10 Stunden pro Woche (51,53 %) gebessert, wie die Klägerin selbst im Erörterungstermin vom 15.07.2019 bestätigt hat. Danach treten zwar nach wie vor Fehlzeiten auf. Längere oder gehäufte Fehlzeiten infolge der depressiven Erkrankung nach Einführung des Teilzeitarbeitsmodells konnten jedoch weder die Klägerin noch die behandelnden Ärzte bescheinigen. Die Klägerin stellt auch in ihrer Klagebegründung vom 05.12.2016 und auch in der Berufungsbegründung vom 09.08.2018 nicht in Abrede, dass der Arbeitsplatz mit der derzeitigen Arbeitszeit geeignet ist. Sie erstrebt mit der Klage die Zuerkennung dieses Teilzeitmodells auf Dauer, was impliziert, dass sie dieses als leidensgerecht ansieht. So führt die Klägerin im Schriftsatz vom 05.12.2016 aus, dass es lediglich durch die Teilzeitregelung nicht zu häufigen behinderungsbedingten Fehlzeiten gekommen sei. Die im Rahmen der Widerspruchsbegründung eingereichte betriebsärztliche Bescheinigung von Dr. G. vom 11.09.2013 spricht sich – wie auch das ärztliche Attest des Facharztes für Allgemeinmedizin S. - für die Reduzierung der Arbeitszeit zur gesundheitlichen Stabilisierung aus. Das nervenärztliche Attest von Dr. S. vom 25.07.2018 befürwortet ebenfalls eine Limitierung der Arbeitszeit. Die vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen belegen daher, dass durch die Reduzierung der Arbeitszeit ein leidensgerechter Arbeitsplatz geschaffen werden konnte. Dem ist der Arbeitgeber der Klägerin durch die fortgesetzte Bewilligung des Teilzeitarbeitsmodells gefolgt und hat somit der Klägerin einen leidensgerechten Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt. Dass dieser nach wie vor Schichtdienst und wechselnde Fahrzeuge beinhaltet, welche zumindest nach Aussage der Schwerbehindertenvertretung und des Betriebsrates sich auf die Leistungsfähigkeit der Klägerin auswirken und ihren Arbeitsplatz gefährden, führt nicht zu einer Ungeeignetheit des Arbeitsplatzes. Es ist nicht zur Überzeugung des Gerichts dargelegt, dass die Klägerin auch unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen ihren Arbeitsplatz nicht mehr ausfüllen könnte. Hiergegen spricht bereits, dass sie die Tätigkeit nach der schweren Erkrankung im Jahr 2013 trotz Schichtdienst und wechselnden Fahrzeugen ohne gehäufte behinderungsbedingte Arbeitsunfähigkeitszeiten ausgeübt hat. Auch führt nicht jede aus einer Behinderung folgende Beeinträchtigung zur Ungeeignetheit des Arbeitsplatzes; anderes hätte nämlich zur Folge, dass jede behinderungsbedingte Einschränkung letztlich zu einem Verlust des Gleichstellungsanspruchs führen würde. Vielmehr ist Ungeeignetheit des Arbeitsplatzes nur anzunehmen, wenn wegen der Behinderung einzelne oder alle am Arbeitsplatz anfallenden Aufgaben nicht mehr erledigt werden können oder die Arbeitserbringung am konkreten Arbeitsplatz nur auf Kosten der Gesundheit erfolgt, also die Arbeitsplatzbedingungen ursächliche Einwirkung auf die Erkrankung haben bzw. die Arbeitsplatzbelastung an der Notwendigkeit ärztlicher Behandlung neben anderen Ursachen mitwirkt, was eine substantielle Verschlechterung der Erkrankung bzw. Ausweitung der Behinderung durch die Arbeitsleistung bedingen oder eine solche sicher erwarten lassen muss (vgl. Senatsurteil vom 23.10.2015, L 8 AL 4146/14, juris). Der Senat ist somit unter Berücksichtigung der Ausführungen der Klägerin zu der Überzeugung gelangt, dass es sich bei dem von der Klägerin innegehaltenen Arbeitsplatz um einen geeigneten Arbeitsplatz handelt.

Aber auch obwohl die Klägerin über einen geeigneten Arbeitsplatz verfügt, ist sie nicht einem schwerbehinderten Menschen i.S.d. § 2 Abs. 3 SGB IX gleichzustellen. Denn es fehlt die vom Gesetz geforderte Kausalität ("infolge seiner Behinderung ohne die Gleichstellung nicht behalten können"). Kausalität im gesetzlichen Sinn liegt nämlich nur vor, wenn bei wertender Betrachtung in der Behinderung, also gerade in ihrer Art und Schwere, die Schwierigkeit der Erhaltung des Arbeitsplatzes liegt (BSG a.a.O. unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BVerwG). Ausreichend ist für die Darlegung des Ursachenzusammenhangs, wenn die Behinderung zumindest eine wesentliche Mitursache für die Arbeitsmarktprobleme des behinderten Menschen darstellt (Luthe in jurisPK-SGB IX, § 2 RdNr. 96.; Schimanski in: Großmann, SGB IX, § 2 RdNr. 229). Dabei ist vor allem der konkrete Arbeitsplatz im Blick zu behalten. Denn im Fall der Gleichstellung zum Behalten eines Arbeitsplatzes ist Funktion der Gleichstellung die Integration des Behinderten in den jeweiligen Arbeitsplatz im Betrieb, im Fall der Gleichstellung zur Erlangung eines Arbeitsplatzes ist Ziel die Integration des Behinderten in den jeweiligen Arbeitsmarkt (sinngemäß Luthe a.a.O. RdNr. 95). Dagegen ist bei der Beurteilung der Schwerbehinderteneigenschaft eine abstrakte Beurteilung anzustellen. Ob wegen behinderungsbedingter Minderleistung eine Gefährdung des Arbeitsplatzes zu befürchten ist oder es nicht allein auf die Einschränkung der Funktionsfähigkeit ankommt, sondern auch auf die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und im Betrieb mit den sonstigen sozialen Kontextbedingungen des Beschäftigten im Betrieb bei der wertenden Betrachtung einer Arbeitsplatzgefährdung abzustellen ist (so Luthe, a.a.O.), kann dahinstehen.

Umstände, die eine solche durch die Gleichstellung bezweckte Schutzbedürftigkeit begründen, liegen zur Überzeugung des Senats nicht vor. Die Klägerin erstrebt die Gleichstellung mit dem Ziel der Perpetuierung ihres derzeit immer nur für ein Jahr befristet gewährten Arbeitszeitmodells. Dieses Ziel kann sie indes durch eine Gleichstellung nicht erreichen. Der Senat schließt dies aus der Zeugenaussage des Leiters des Fachbereichs Personal und Recht der Arbeitgeberin der Klägerin im Erörterungstermin vom 15.07.2019. Danach bietet der Arbeitgeber grundsätzlich, das heißt auch für gleichgestellte Arbeitnehmer, keine unbefristete Teilzeit an. Der Zeuge hat dies nachvollziehbar mit den Besonderheiten des Dienstbetriebes im öffentlichen Nahverkehr, in welchem die Dienste je nach Auslastung und Zeit (Spitzenzeit oder weniger ausgelastete Randzeit) in der Länge und der zeitlichen Lage variieren, begründet, so dass ein Ausgleich zwischen den unterschiedlich langen Diensten in der Summe schwierig sei. Bei der Lage der Dienste würden Wünschen der Mitarbeiter nach Möglichkeit berücksichtigt, aber auch hierbei gebe es keine Besserstellung von gleichgestellten Arbeitnehmern. Der Zeuge hat explizit bestätigt, dass es keine günstigeren Regelungen für gleichgestellte Arbeitnehmer bezüglich des Arbeitszeitmodells gibt. Auch die Integrationsvereinbarung vom 08.08.2011 (Blatt 68/70 der SG – Akte) enthält diesbezüglich keine begünstigenden Regelungen. Der Anspruch auf Teilzeitarbeit für schwerbehinderte Menschen ist ab dem 01.01.2018 in § 164 Abs. 5 Satz 3 SGB IX (§ 81 Abs. 5 Satz 3 SGB IX a.F.) geregelt. Er steht jedoch unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit für den Arbeitgeber nach § 164 Abs. 4 Satz 3 SGB IX und enthält zudem keinen Rechtsanspruch auf unbefristete Teilzeitarbeit (vgl. Fabricius in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 3. Aufl. 2018, § 164 SGB IX, Rn. 77ff).

Der Senat kann somit nicht feststellen, dass sich das derzeit leidensgerechte Arbeitszeitmodell durch die Gleichstellung dauerhaft sichern ließe oder zumindest der Klägerin in diesem Punkt Vorteile zum Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile bringen würde.

Sofern die Klägerin die Gleichstellung zum Schutz vor einer Kündigung des Arbeitsplatzes begehrt, ist eine Gleichstellung zu diesem Zweck nicht auszusprechen.

Der Arbeitsplatz der Klägerin ist nach der überzeugenden Aussage des Arbeitgebers vom 01.02.2016 (Blatt 21/22 der Verwaltungsakte) nicht gefährdet und es ist auch keine Kündigung ausgesprochen worden. Die Klägerin unterfällt zudem dem besonderen Kündigungsschutz nach § 20 Abs. 6 TV-N BW, sodass ihr Arbeitsverhältnis nur aus wichtigem Grund gemäß § 626 Abs. 1 BGB gekündigt werden kann. Dass die Klägerin, obwohl der Senat die Geeignetheit des Arbeitsplatzes festgestellt hat, i.S.d. § 20 Abs. 6 Unterabs. 2 TV-N BW wegen dauerhaften Außerstandeseins der Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung in der Entgeltstufe "herabgewürdigt" werden könnte oder solches auch nur droht, konnte der Senat nicht feststellen.

Sinn der Gleichstellung zur Sicherung eines Arbeitsplatzes ist der Schutz des Behinderten vor einer für ihn ungünstigen Konkurrenzsituation auf dem Arbeitsmarkt. Eine solche ist dann gegeben, wenn der bisherige Arbeitsplatz verloren zu gehen droht und der Behinderte in diesem Fall auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in Konkurrenz mit gesunden Arbeitnehmern treten muss. Dies ist bei unkündbaren Arbeitnehmern nur ausnahmsweise der Fall (BSG, Urteil vom 01. März 2011, B 7 AL 6/10 R, SozR 4-3250 § 2 Nr. 4). Zudem ist eine Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen wegen des drohenden Verlustes des Arbeitsplatzes nach § 2 Abs. 3 SGB IX nur dann vorzunehmen, wenn dem behinderten Menschen infolge seiner Behinderung ohne die Gleichstellung der konkrete Verlust des Arbeitsplatzes droht; eine bloß abstrakte Gefährdung des Arbeitsplatzes genügt nicht (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.01.2011, L 13 AL 3853/10, juris). Auch kann die Gleichstellung im Hinblick auf eine mögliche zukünftige Beendigung eines Arbeitsverhältnisses nicht vorbeugend im Hinblick auf etwaige Wettbewerbsnachteile bei dem Bestreben, eine andere Arbeitsstelle zu erlangen, zuerkannt werden (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 12.03.2014, L 3 AL 4466/11, juris).

Der Senat kann bereits nicht feststellen, dass der Arbeitsplatz der Klägerin von einer Kündigung bedroht ist. Auch soweit die Klägerin auf die Möglichkeit einer Änderungskündigung nach § 20 Abs. 6 Satz 2 TV-N BW verweist, rechtfertigt dies eine Gleichstellung nicht. Voraussetzung hierfür wäre, dass die Klägerin dauerhaft außerstande wäre, diejenigen Arbeitsleistungen zu erbringen, für die sie eingestellt ist und die die Voraussetzungen für ihre Eingruppierung in die bisherige Entgeltgruppe bilden und ihr andere Arbeiten, die die Tätigkeitsmerkmale ihrer bisherigen Entgeltgruppe erfüllen, nicht übertragen werden können. In einem solchen Fall wäre allerdings bereits der innegehaltene Arbeitsplatz nicht geeignet und bereits aus diesem Grund eine Gleichstellung nicht auszusprechen. Auch liegen – wie auch das SG zutreffend ausführt – keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Klägerin ihre Tätigkeit als Stadtbahnfahrerin nicht mehr ausüben kann. Allein die nach der derzeitigen Sachlage hypothetische Möglichkeit einer Änderungskündigung ohne konkrete Anzeichen für eine tatsächlich beabsichtigte Änderungskündigung des Arbeitgebers vermag eine Gleichstellung nicht zu begründen.

Der Senat stellt damit fest, dass die Gleichstellung zum Erhalt des derzeitigen Arbeitsplatzes nicht erforderlich ist. Da die Klägerin derzeit weder einen anderen Arbeitsplatz sucht, noch einen konkreten anderen geeigneten Arbeitsplatz anstrebt, war sie auch nicht zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes (§ 2 Abs. 3 Alternative 1 SGB IX) einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen. Auch der Wunsch, einen Dauerteilzeitarbeitsplatz zu erlangen, führt nicht zum Erfolg der Berufung. Denn bei der Arbeitgeberin existieren solche Arbeitsplätze nicht, was der Senat aufgrund der überzeugenden und von der Klägerin unwidersprochenen Zeugenaussage des Zeugen S. feststellt. Existiert kein solcher Arbeitsplatz, so kann die Klägerin auch nicht zu dessen Erlangung mit einer schwerbehinderten Person gestellt werden.

Der Sachverhalt ist vollständig ermittelt, weshalb weitere Ermittlungen von Amts wegen nicht zu erfolgen haben. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben dem Senat in Verbindung mit den Auskünften des Arbeitsgebers, dessen Schwerbehindertenvertretung und des Betriebsrates sowie der Zeugenaussage des Leiters der Personalabteilung der Arbeitgeberin die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO).

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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